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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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Freitlig, 1 Nugust 1902. Grstes Blatt. 44. JahxgMg. — 177.

Erscheint täglich Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei dcr Expedition und den Zweigstcllen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausfchließlich Zustcllgebühr.

Anzeigcnprcis: L0 Pfg. für dte Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Psg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufuahwe von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebencn Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommeu. — Anschlag der Znscrate auf den Plakattafcln der Heidelberger Zeitung und den städt. Nnschlagstellcn. Fernsprech-Anschluß Nr. 83

Das deutsche Kotoniakwesen.

S ch a rseKriti k an drr d e li t s ch e n K o l o n i-
sarion übl dor belannle amerikanische Schriststeller
Poullnei) Bigelow in einem Werke „Die Völker i,n kolo-
nialen Wetlstreit". Bigelow lras, wie wir der „lllülonia-
len Zeitschrisl" entnehmen, irn Zahre 1898 anf cinein sür
die chinesischen Gewässer besliiiiniten Lloi)ddainpser 17
deutsche ztanslente. Kiantschon war damals seit Iahres-
srist nnter deutscher Flagge, nnd es würc wohl anznneh-
men gewcsen, daß einige von diesen 17 Kausleuten nach
dem „angehenden Hamburg" in Schantung reisen wür-
den. Zwei von ihnen gingen wirklich nach Kiautschou,
um sich dort umzusehen; „aber sie wurden durch die Hal-
lung der Beamlen so eultäuscht, dast sie nach Hause zu-
rückkehrten." Tie übrigen glaubten, sich besser unter
holländischer und britischer Flagge zu besinden. Ein
deutscher Pflanzer, der große Besitzungen auf Sümatra
hal und in Berlin „als ein reicher und für ösfentliche
Znteressen thätiger Ehrist ivohlbekannt" ist, antwortete
aus die Jragc, weshalb er nicht an der Entwicklung von
Teutsch-Ostasrika sich beteilige: „Jch versuchte, niich in
Dentsch-Ostasrika niederzulassen: aber ich war nicht will-
kommen. Wo ich hinsah — überall Nniformen. Bcnn
betrachlete mich nicht als ein Mitglied der Gesellschaft,
das selber Vernnnst hat unü weiß, was es zn thun hat,
sondern als einen Menschen, den man durch Beamte hin-
und herbeordern muß —, als wäre ich ein Baucrnlüm-
mel im Rekrutendienst." Von den 17 deutschen Kauf-
leuten gingen mehrere nach Hongkong. Als Bigelow
einen von ihnen fragte, warum er nicht nach Kiautschvu
ginge, crhielt er dieselbe Antwort. Einer sagte: „Warum
iollte ich nach Kiautschon gehcn? Jch habe mehr poli-
tisckie und persönliche Freihcit in Hongkong unter der
britischen Flagge, als unter ineiner eigenen. Jn Hong-
kong stelle ich etwas por, iu Kiautschon bin ich nur ein
„gewöhnlicher Zivilisi". Zn Hongkong werden deutsche
Znteressen geachtet, nnd Deutsche haben eine Stimme.
Zn der Direktion der Bank von Hongkong und Shang-
hai sind Teutsche so gut wie Engländer vertreten. Nein,
niein Herr, ich liebe mein Vaterland, aber mein Patrio-
tismus ist nicht stark genug, nm mich nach Kiautschou
zu lreiben." Bigelow selbst ging dann nach Kiautschou,
um sich zu überzengen, ob die deutschen Kaufleute über-
trieben haben. Er fand aber, daß man ihm nicht zu
wenig gesagt hatte. Er fand den Gonverneur von sor-
gen ersüllt, nicht etwa iiber die Anpassung europäischer
Ordnungen des ösfentlichen Lebens an chinesische Bednrf-
nisse, über ZoUfragen und derlei wichtige Probleme:
„Nein: sein Beamtenhirn war in Ansprnch genommen
durch Nachdenken, Ivic ein chinesischer Scheuerfnnge zu
bestrafcn sei, dcr die schüsseln aus llnachtsamkeit in
der Badewanne gewaschen hatte. Jch sagte dem Gou-
verneur, datz es in China so viel schlimmere Arten Schüs-
ieln zu reinigen gebe, daß ich dieNngelegenheit dem Orts-
richter überlassen und nicht mehr daran denken würde.
Er war iinangenebm berührt von meiner Oberflächlich-
kcit." Bigelow klagt weiter, daß er bei Gelegcnheit sei-
nes Besnches in Kiautschon dort 5 Kaufleute auf 1500
Soldaten und Beamte gefunden babe und er meinte: „Jch
würde 5 Soldaten und 1500 Kolonisten vorgezogen
haben." Poultnep Bigelow ist nnn freilich, namentlich
seitdem er in Berlin nicht ganz angenehme Ersabrun-
gen gemacht hat, gewiß kein klassischer Zenge, aber seine

Beobachtnngen, die wohl übertrieben sein mögen, gewin-
nen dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß mehrsach ähnliche
Verösfentlichungen erschienen sind.

Die öekannte Stecköriesangekegenheit

wurde im Böhmischen Landtag vom alldentschen Ab-
geordneten Hofer zur Sprache gebracht, der etwa Fol-
geudcs aiissührb::

Die gcschäftliche Verbindung zwischen Oesterrcich und drm
Deutschen Reich ist außerordentlich. stark, und wir haben aus
diesem Grunde uatürlich auch ein großes Jnteresse daran, datz
das Oberhaupt des Dentschen Rciches nicht offizicll in einer
ganz persiden Weise geschmäht und beschimpft werde. Wir
müssen daher Protest einlegen, daß diese Steckbricfangelcgen-
heit so still und lautlos seitens des Vertreters der Rcgiernng
behandelt und betrachtet wurde. Es ist erwiesen, dah diese be-
kannte Karte nicht in polnischer Sprache abgefaßt war —
das hätte auch möglicherweise der konnationale tschechische Be-
amte nicht verstehen könncn — sondern daß diese Karte in
deutscher Sprache an die Pragcr Polizeidirektion geschickt
worden ist, daß diescr ganze Steckbrief von einer Reihe von
Beamten bchandelt wurde, welche als schr schncidigo Regie-
rungsvertreter bckannr sind; es ist fcrner erwiesen, daß kein,
cinziger Veranlassung genommcn hat, hier cndlich zu ent-
decken, daß dies nicht ein gewöhnlicher Kaiser Wilhelm, sondern
dcr deutsche Kaiser ist. Ja, es hat dies ausdrücklich im Stcck-
brief gcstanden, daß es dort „Dr. Bülow" und nicht „Dr. Buc-
low" hieß — also eine Handhabe mchr für dic findigen Poli-
zcibeamten, nm wen cs sich in dicsem Falle handelte. Sechs
Beamten haben das betreffcnde Aktcnstück bchandclt nnd wenn
ich es nicht voraussetzcn muß und will, daß diese Herren an auf-
gclegtem Krctinismus leidcn, muß man sagen, daß eine aufge-
legte Böswilligkeit, daß die Absicht vorliegt. Wir, die Ange-
hörigen der Alldeuischen Partei, müssen in diesem Falle
encrgisch Protest cinlcgcn gegen derartige Beschimpfungen eines
dcutschen Kaisers und Fürsten. Gleichzeitig müssen wir von
dcr Regicrung verlangen, datz sich dicsc nicht auf lendenlahme
Erklärungen und Kundmachungen, auf nichtssagende Amtshand-
lungen bcschränke, sondcrn daß in diesem Falle volle Genug-
thunng gcschaffcn Iverde, namentlich dadurch, daß dic schuld-
tragendeu Beamten entlassen wcrden.

Ueber das Ergebnis der amtlichen Ermittlungen bezüglich
des Verfassers und des Aufgabeortes des Steckbrieses
kann der „Lok.-Anz." das Folgende mitteilen: Zunächst
wurde festgestellt, daß die Polizeiverwaltung in Prag nicht
die alleinige Empfängerin jener später im dortigen „Polizei-
Anzeiger" zur Veröffentlichung gelangten Karte gewesen ist, son-
dern daß einer ganzen Reihe von Stadt- u. Polizeiverwaltungcn
sowohl in Oesterreicb wie anch in Deutschland Postkarten glelch-
lautendcn Jnhalts zvgegangen sind. Nuf sämtlichcn Postkarten,
etwa 20 an der Zahl, war der deutsche Wortlaut des Steck-
briefes in lateinischer Schrift in hcktographischer Manier, gut
ausgeführt, vervielfältigt worden. Aufgegeben waren alle
diese Karten in den Postbriefkasten eines von Lemberg nach
Krakau fahrendcn Schnellzuges und zwar am vierten Tage
nach der bekannten Polcnrede Kaiser Wilhelms in Marien-
burg. Die Karten, einfache österreichische Füns-Heller-
Karten, sind im Zuge selbst mit dem Postzeichen Krakau
gestempelt wordcn. Stil und Jnhalt der Karte lassen den
Schluß zu, daß ihr Verfasser in den gebildeten Kreisen zn
suchen ist, und daß ihm die medizinisch-technischen Fach- r
ausdrücke durchaus gelänfig sind. Der Verdacht dcr j
Thäterschaft hat sich bei der österreichischen Untersuchungs- z
bebörde geaen einen sunaen Stndenten volniscker Abkunst, l

der eine Zeit lang auch auf deutschen Universitäten Medizm
studiert hat, gelenkt. Ob es zu seiner Verhaftung kommcn
wlrd, ist freilich in Anbctracht des wenig stichhaltigen Be-
lastuttgsmaterials noch fraglich. Die meisten Empfänger
der Steckbriefkarten haben das Schriftstück entwcder alsbald
vernichtct, odcr ihren Regierungsbehörden zugestellt. I»
Prag erfuhr die Karte durch einen untergeordneten Beamten,
der sich der Bedeutung ihres Jnhalts nach mehr als
flüchtiger Durchstcht kaum bewußt gewesen war, eine un»
wesentliche, rein äußeiliche redaktionelle Veränderung nach
dcm Schema aller andcren Steckbriefe und gelangte erst
sünf Tage nach dem Empfang zum Abdruck in dem Polizci-
anzeiger. Das Vcrsehen wurde dann wiederum erst einige
Tagc nach dem Erschcinen des Polizeiblattes entdeckt.

Deutsches Reich

— Eine klcine Neuerung inderUniformierung
des Heeres ist wieder zu verzeichnen. Jn der gesamtcn
deutschen Armee ist nämlich ein neues Knopfmuster
zum Waffcnrock usw. eingeführt, das nach Aufbrauch des
alten Musters zur Verwendung gelangt. Der ncue Knopf
ist crhcblich klciner als der alte; sonst sind Unterschiede
nicht zu bemerken.

— Der sozialdcmokratische Parteitag, der,
wie gemeldet, am 14. September in München abgehalten
werden soll, wird sich vorausstchtlich eingehend mit Maß-
regeln zur Bekämpfung des Zentrums beschäftigeu.
Der „Vorwärts" schretbt darüber: „Wie muß es die So-
zialdemokratie anfangen, um in diese Wahlkreise (mit klcri-
kaler Arbeiterbevölkerung) einzudringen, um Elemente zu
gewinnen, die ihrer proletarischen Natur nach zu ihr ge-
hören S Welche Agitationsmethoden stnd anzuwenden, welche
Form der Organisation ist zweckmäßig? Wie ist insbc-
sondere bci den nächsten Wahlen der Kampf gegen das
Zentrum des Brotwuchers zu führen? Diese Fragen
stnd nicht zu entscheiden ohne eine umfangreiche Er-
örterung des klerikalen Problenis in seinem ganzen viel-
verzweigten Gcbiet. Sowohl das kirchliche wie das poli-
tische Zentriim, scine geistigen wie seine materiellen Macht-
imd Kampfmittel wären von Grund aus zu mitersucheil.
Der glückliche Umstand, daß der Parteitag diesmal in dcr
Hauptstadt eines katholischen Landes stattfindet, wird zur
Folge haben, daß eiue größere Anzahl Parteigenosseii zur
Verfügung stehen, die Erfahruiigen und Keniitiiisse auf dem
Felde der Agitation unter der katholischen Bevölkerimg haben,
eine Thatsache, die geeignet ist, die Diskussion srncht-
bringend zu gestalten. Es bedarf wohl keiner weiteren
Begründuiig sür imsere Anregung, die Zentrumsfrage anf
die Tagesordnung zu setzen.

Badcn.

K arlsrii l, e, 30. Iiili. SNinister Dr. Schenkel
wirbZich dieser Tage zn inehrwöchentüchem llrlaub nach
der «chweiz bcgeben. Tie oerschiedenen noch ausstehen-
den Personalberänderungen sind, wie man hört, noch
vorher vollzogen worden. So sollen an die Spitze der
F a b r i k i n s p e k k i o n und als Assistentin ber
dcrselben zwei zwar bis jetzt in Baden nicht thätig ge-
wesene, abcr hervorragende Kräfte berufen worden sein.

Kleine Zeitung.

Hochschnlnachricht. Der Begründer des landwirt-
schaflüchen lüüversitätsstudiums, Herr Geh. Oberregie-
rimgsrat Pros. Tr. .K ü h n in Halle wird am 28. Okto-
ber auf den Tag zurückbücken tönnen, an welchem er vor
10 Zahren an der Ilniversitüt Halle seine erste Vor-
lesung hielt. Wenige Tage vorher wird er sein 77. Le-
bensjahr vollenden. Zn ungeminderter geistiger Frische
hnd seüener körperücher Rüstigteit waüct er heute noch
ieincs Lehramtes und entfaltet eine vielseitige Forscher-
thätigteit, welche alle Gebiete der Landwirtschaftswissen-
ichast umsaßt. Herr Geh. Rat Kühii wird im tommcnden
"Temester, dem 81. seiner Lchrthätigkeit in Halle, seine
^orlcsimgen am 28. Oktober beginnen. Frühere Schü-
^er beabsichtigen, den deiikwürdigen Tag dadurch zu be-
tzehen, daß sie gemeinsam mit den Studierenden der
s'tsren Vorlesung beiwohnen. Ein gemeinsames Mahl
loll am diachmittag die Teilnehmer vereinigen.

^— Trcsden, 30. Juli. Die hiesige Chokaladenwarenfirma
^erling u. Rockstroh hatte unter dcm Namen „H a f e r - C a-
L" o" cinc Warc in dcn Handcl gebracht, dic 41,50 Prozcnt
b-acao, 32 Prozent Hafcrmehl und 26,50 Prozcnt Rohrzucker
^ühstlt. Die Verabrcichnng dieser Ware crfolgte in Düten mit
sK Aufschrift „Fertig znm Gcbrauch; gcsüßtl" Nach Anhörung
r>Ncs chem. Sachverständigeu kam das Gericht zu dcr llcber-
^Ugung, daß burch den Zuckcrznsatz die Ware nicht mehr den
.üiindsätzen des reellen Handeks entspreche. ^Der Mitinhaber
Firma Ricdcl wurde daher zu 100 Mk. Skrafe verurteilt.
^aZ Vorfahren gegen dcn Geschäftsteilhaber Gerling schwebt
U'ch. Die Dütenaufschrift wnrde als nebensächlich crklärt.

. 7- Innsbrnck, 31. Iüü. Der 33)ährige Musiker
^^ktor C h r i st, Mitgüed'der Hofkapelle, der mit

seiner Frau ini Karerseehotel weilte, ist von der Rotwand
a b g e st ü r z t. Die Leiche wird nach Wien, dem Auf-
enthaltsorte des Verunglückten, übergeführt.

— Tcr nmcrikanischc Bisvn — seinen alten Nameii
Büsfel hat man ihm genoinmen — wird im Z)ellowstone
Park einen großen umzäunten Wildgarten erhalten, wo
er unter der Aussicht seines treuesten Freundes, des
Col. Charles I. Jones, gemeinigüch Buffalo Jones
genannt, vor Schäden belvahrt 'werden wird. Der
Kongreß hat 15 000 Dollar bewilligt und der Minister
des Znnern hat Herrn Iones mit der Sache betraut.
Der Bison hatte seit Zahren eins Zusluchtsstätte im MI-
lowstone Park, aber nur 22 Stück von mehreren Hunder-
ten überlebten den harten Winter. Nach einem neucsten
Bericht soll es in den Vereinigten Staaten noch 1143
Büffel geben, aber nnr 72 wilde, nämüch ncben den
obigen 22 noch 50 in Colorado; alle andern besinden sich
in mehr oder mindcr enger Gefangenschaft; unter ihnen
Iverden 176 Bcischbüstbüffel gerechnet, die hier unter dem
Namen catteloes gehen, einer Zusanimenziehung von
cattle bilffaloes. Jn Canada gielst es 669 Büsfel, wohl
meist Waldbüffel, davon 69 in Gefangenschaft nnd
schätziingsweise 600 wilde. Außerhalb Nordamerikas
schätzt man 128 lebende Bisons. Die Krenzimg des Büs-
fels mit dem Hansrind scheint sehr znfriedenstelleiide
Ergcbnisse zn Lringen. Zn den vierziger Jahren, znr
Zeit der American Fur Co., wnrden von St. Louis,
Mackinaw, Detroit, Montreal nnd der Hudsonbai je
100 000 Felle versandt, nnr die besten von den Millionen
Tieren, die in den Prärieen abgeschlachtet wurden. Her-
den von 100 000 waren häufig, imd Offiziere der Armee
berichteten noch im Jahre 1862 von einer Herde, die

110 Kilometer lang nnd 60 Kilometer breit sich vom
Arkansas zum Aellowstoneflilß belvegte; im Jahre 1868
ritten Sheridan nnd Custer drei Tage laug durch eine
einzige Herde, und die Züge auf der KansaS Pacific
milßteii ganze Tage im sreien Felde üegen, weil dichte
Herden das Geleise überschritten.

An dem Polytcchniknm zu Köthcn, das 600—700 Stu-
dicrende zählt, legte Direktor Dr. H 0 lzapfel dle Direktiou
nieder; er hatte dcn Studentenausschuß, der au dcn Stadt-
inagistrat eine sachliche Beschwerdc wegen der wissenschaftlichen
Leitung des Jnstituts richtete, relegiert, wvrauf 450 Studic-
rende mit dem Nuszug aus Köthcn drohteu. Der Magistrat
erwirkte dann die Rücknahme der Relegation. Gleichzeitig be-
schilldigte (es war am 23. Juli) Holzapfels früherer Sekretär,
Schrifrstellcr Otto Marpurg, in ciner Anzeige an die anhal-
tische Ncgicrung und an die Staatsanwaltschaft den Direktor
der Ausstcllung falscher Abgangsdiplome. Daraufhin wurde
llntcrsiichung gegcn dcn Dwektor Holzapfel eingeleitet, auch
sollcu dic Abgangsdiplome der Prüfimgstürse dcr letzten fünf
Jahre beschlagnahmt worden sein. Das hohere technische Jn-
stitut zu Köthen war ursprünglich ciu privatcs lluternehmen
Holzapfels, an dem die Stadt Wthen jetzt dadurch interessiert
ist, daß sic bci dcr stetig stcigeudcn Frequenzziffer für mehrere
hunderttausend Mark ein prächtiges Akademiegebäude errichtcte,
für welchcs dcr Direktor einen gcwisscn Prozentsatz als Miete
bczahlte. Dic Staaisanwaltschaft hat, auf die Denunziation
lsin, die llntcrsuchung gegen den Direktor des Jnstituts, Dr.
Holzapfel, Ivegen Fälschung von Abgangsdiplomen eingelcitet,
sie abcr alsbald wieder cingestellt. Die Stadtberwaltung bon
Köthcn hat beschlosscn, das Jnstitut in städtischc Verwaltung
zu übcrnchmcn. Dr. Holzapfel hat sich bereit crklärt, von
seincm Posten als Dircktor der Anstalt ziirückzutveten und seine
Anstalt der Stadt zu übcrlasscn.
 
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