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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229-255 (01. Oktober 1902 - 31. Oktober 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0715

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Dienstag, 14 Oktober 1902.

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4L. Jahrgang. — .1° 240.




Erschcint t ä g l i ch, Sonntags ausgenommcn. Preis mit Familicnblättcrn monatlich 50 Psg, in's Haus gcbracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

dic Poft bezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zuftellgebühr.

A n z c i g e n p r e i s: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile odcr deren Naum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzcigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. —- Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den ftädt. AnschlWtellen. Fernsprecher 82.

Mgemeiner Detegicrtentag der nationat-
tiöeraten Uartei.

Eisenach, 11. Oktober.

Erstcr Bcrsammlnngstag.

Tie erste o r b e n t t i ch e Ve r s a m m I u u g
begauu beure Vormillag im großeu Saale des „Ftrrsten-
bofs". Ter weile Raum war dicht gesülll. Aus üeu
Tribüuen balteu sich zabireiche Damen uuü Parteifreunüe
eingefunüeu. Tas VorstandSPoüium war geschmückt mit
frischem lÄrün, ans ücm sich üie Bildsänle öes Kaisers,
ües Grotzherzogs von We'inar unü Rudols v. B e n-
n igse n S herausboben. Eine Geüächlnisfeier für üie-
sen beüentenüsten Riitschöpfer unü Führer öer national-
liberalen Parter giug üer eigentlichen Tagung vorauf.
Ter lRestor üer Parlei, Dr. H a m rn a ch e r, hatte es
übernommen, dem vielsährigen Freund die verüiente
Würüigung nnö Tautesspende zu zollen. Dabei geüachte
er auch ehreuü öes kürzlich verstorbenen O e ch elhä u -
ser.

Die ausgczeichnete, iu Form und Inhalt gleich vol
lenüete Reüe ües greisen Parteiführers, oft von Zustim
mung unterbrocheu, sanü am «chlnß einhelligen stürmi-
schen Beirall.

tllvnmehr wurüe zur Wahl ües Bureaus gc
schritten. Anf Vorschlag üeS Herrn Abgeordneton Bas-
sermann wurüe uirter allgemeineri Zustimmung zum
Ehrcnvorsitzeuüen Herr Dr. Hammacher gewählt
Den Vorsitz übernahm üer Vizepräsident des ReichstagS,
Herr Geh. Finanzrat B ü s i n g - Schwerin; seine
Oteüvcrtreter sind üie Herren Justizrat Dr. K r a u s e,
Vizepräsiüent des preußischen Lanütages, unü Ober-
landesgerichtsrat Wagne r-Augsburg, üer Vorsitzeuüe
üer liberaleu Fraktion üer Zweiten bayerischen Kamnier.
Als «chriftsührer fungieren üie Herren Abgeordneten
Geheimrat Dr. S> attler - Berlin, Abgeordneter Dr
Binz - Karlsruhe, Professor Dr. Flex - Eisenach und
Generalset'retär P atzig - Berlin. Rach der Konstitu
ierung des Bureaus brachte der Vorsitzende, Geheimrat
Büsing unter begeistertem Beifall der Versammlung in
kernigcn Worten ein Hoch auf Kaiser Wil
h^e l m II. unü den Großherzog Wtlhelm Ernst von
Sachsen-Weimar auS und schlng vor, an sie Ergebenheits
Telegramnie abznsenden.

Unter lebhastem Beifall erfolgte die Zuslimmung.

Lwdann fand üer Vorschlag des Zentralvorstandes,
Üas Referat über üas Finauzwesen im Reiche auf Montag
zu verschieben unh dafür heute schon die Fragen der
Organisation unü Wahlvorbereitung zu verhandeln, An-
nahme. Vor Eintritt in die eigentliche Tagesordnnng
brachte Herr Professor Dr. Ewald-Gotha namens des
Landesausschnsses üer Versammlung die Willkommen-
grüße üer thüringischen Parteifreunüe dar. Hierauf
wurüe zum zweiten Punkt der Tagesordnung: „Allge-
meine Stellung der ParteU' ^eschritten.

Abg. B a s s e r m a n n (mit lebhaftem Beifall em-
Pfangen) verbreitete sich' zunächst über üie auswärtige
Politik, über Hecr- und Flottcnbedürfnisse, wobei er auf
eine Vorlage wegen Verstärkung der Kavallerie hindeu-
tete. Dann fnhr er forl: Die innere Politik wird er-
schwert üurch üic ^chmäche der Regierung, der es an
zielbewußtcm, energischem Vorgehen fehlt. Das zeigte
sich bei der Kaiialvorlage, nach deren Scheitern die Re-
gierung sich damit begnügte, die kanalfeindlichen Land-
räte nach kurzer Zeit sümtlich avancieren zu lassen, Da-
durch wird der Respekt vor der Regierung geschwächt, und
die konservative Partei guittierte ihren Dank dadurch,
daß sie zu einer Oppositionspartei geworden ist. Auch
dem Zentrnm gegenüber zcigt die Regierung keine Festig-
keit und neigt auch bei nationalen Forderungen, bei
Heer und Flotte, .Kompromissen zu. schwächlich ist die
dilatorische Behandlung der JesuiteiMage sind beimj
Zolltarif. Wenig Respekt vor der Regierung zeigt es,
daß trotz der fcierlichsten Erklärung, die Regierung gehe
nicht über die Sätze der Vorlage hinaus, Zentrum und
Konservative so thun, als ob man an diese Versicherung
nicht glaube, als ob die Regierung doch noch nachgebe.
Da wäre es in der That besser gewesen der
Reichskanzler hätte noch einmal in der Kom-
nsission eine Erklärnng klipp und klar abgegeben. Harte
Kritik wird am Reichstag geübt. Aber richtig ist, daß kein
Parlament ihni, was Leistungen betrifft, überlegen ist.
Man denke an die Gesetzgebung des bürgerlicheir Rechts,
an die des Militärstrasprozesses, an die Reform der Ver-
sicherungsgesetzgebung. Auf der anderen Seite ift die
ständige Bleschlußunfähigkeit !ein öffsntlichex Skandal
geworden, so daß Schlnßanträge unmöglich werden und
die Debatten endlos sich hinschleppen. So kam man auf
die Forderung von Anwesenheitsgeldern aus praktischen
Gründen. die wir aber nicht jetzt wollen etwa als ein
Trinkgeld für den Zolltarif. Üm eine Kompensation je-
doch auf verfassungsrechtlichem Gebiet kann es sich
dabei nicht handeln. Der Reichstag i st in sei -
ner Z u sa m m c n s e tz u n g reaktionär, wie
?uch die meisten Einzellandtage. Es giebt eine Mchrheit
lür Befähigungsnachweis, obligatorischen Jnnungs-
Swang, Aufhebung des Jesuitengesetzes, für den sogenann-

len Toleranzantrag, sür öie ler Heinze usw. llmsomehr
lhul eine Verslärkung des Liberalismus, ein Bekümpfen
der Lüssigt'eit not.

Was unsere Stellung zu anderen Parteien anlangt,
so steheii wir in traditionellem Kampse gegen Zenlrum
und Sozialdemokratie. Gefährlich ist die wachsende
Macht des Zentrums, nsit dessen Einfluß auch seiue Be-
gehrlichkeit wächst, was man in Baden und Bayern sehen
kann. Lernen t'önnen wir von dem Zentrnm, was strafse
Organisation betrifft. Tank verdient die liberale Frak
tion im bayerischen Landtag die nsit Zähigkeit das Zen-
trum bekämpft — aber alles Verftändnis fehlt nns für
öie Aufsorderung des Herrn Dr. Barth, die Freisinnigen
sollten in Forchheim für den llltramontanen gegen den
Rationalliberalen stimmen. lleberall nähern sich die
Kouservativen dem Zentrum, dasselbe thut der Bund der
Landwirte und so erhält die ultramontane Partei Suk-
kurs aus dem Protestantischen Lager. Darin liegt eine
ernste Gefahr. Erfreulich sind die Verhältnisse in
Elsaß-Lothringen nnd man war in der Lage, den Tikta-
turparagraphen aufzuheben, und wenn jetzt eine Zen
trunispartei in Elsaß-Lothringen sich bildet, so mögen sich
auch die liberalen Etemenle regen. Zum erstenmale —
darin sehen wir ein gutes Onien für die Zukunft
sind bei uus elsässische Delegierte erschienen.

Die Stellung zur Sozialdemokratie sei dieselbe ge-
blieben, wir werden sie überall bei den Wahlen be-
tämpsen. SRan müsse endlich einsehen, daß Polizeige-
setze »nwirksam seien. Die bedauernswerte Lässigkeit
nnd Faulheit in allen bürgerlichen Kreisen, mangelnde
Organisation und vornehme Zurückhaltung, daS seien
die Ilrsachen der nicht genügenden Erfolge im Kampfe
gegen dic Sozialdemokratie. Das liberale Bürgertum
müsse sich hier znsammenfinden gegen den Feind. Der
Bl'üiichencr Parteitag habe, was Verflachnng und Jdeen
losigteit anbetreffe, das Höchste geboten. Bernstein ver
fechte weiter seine Jdeen, als ob er niemals wi'üerrnfen
Hätte. Vollmar mache die bayerische Wahlreform nsit
trotz dcr entgegengesetzten prinzipiellen Ansicht Bebels.

olange Bebel zwar das Parteiszepter führe, werdc die
Partei äußerlich fest zusammenstehe.n. Aber manches an-
dere Yabe die Partei gelernt, so im Reichstagc Positiv
mitzuarbeiteu, wie zum Beispiel bei den Versicherungs
gesetzen, dann aber vor allem: Kleines zu nehmen, wenn
sie Größeres uoch nicht bekommen könne. Auch die Freund
schast mit deni Zenlrnm gehe allmählich in die Brüche.
llnd die Erkenntnis greife um sich, daß der streik eine
gefährliche Waffe und den starken Organisationen der
Arbeitgeber gegenüber nnr mit Vorsicht anzuwenden sei.
Vieles andere habe die Partei nicht gelernt, die Beschini
Pfung der Volksgenosseu dauert fort, dafür spräche die
Behaiidlung der Huimenbricfe u. a. ui. Abcr auch die
bürgerliche Gesellschafl solle sich hüten, der Sozialdemo
kratie so dant'bare Agitatiousstoffe zu gebcn, wie es im
Falle Hildebraud nnd im Falle Löhning geschehen sei.
Die Stellnng der Sozialdemokratie zum Zolltaris sei
eine demagogische, durch keinerlei sachliche Erwägungcn
getrübt. Jhr Widerstand gegen alle Industriezölle
hcißt große Erwerbszweige ruinieren nnd große Arbeiter
masseii brotlos machen. Anch der Parteitag in München
habe sich zur sachlichen Behandlung nicht aufgeschwuugen
Der Hauptstreit habe sich um die Stellung der Revisioni-
sten zur Orthodoxie gedreht. Bebel habe aber nicht ge-
wagt, Vollmars Aenßerungen entgegenzntreten. Wäh-
rend die nationalliberale Partei ausreichende Sozial- nnd
Refürmgesetzgebnng erstrebe und diese Jdeen in immer
weitere Kreise lsineintrage, sei die Lwzialdemokratie der
größte Gegner seder Reform. Jhr Verhalten stärke den
Einfluß aller derer, die von der Polizeiherrschaft das
Heil erwarteten. sie begeifert jede Reforni. Die I u-
gendbewegung im nationalliberalen
Lager trete nsit erfrenlichem Eifer den sozialpolitischen
Aufgaben nahe. Es zeige sich in vielen Gegenden Dentsch-
lands ein wahrer Heißhunger näch einer starken liberalen
Partei. Das liberale Bürgertum nehme im Staate nicht
die ihm rechtmäßig gebührende Stcllung ein. Je mehr
jetzt der radikale Liberalismus in den Hintergruud ge-
brängt werde, desto mehr müsse die nationalliberale
Partei alle wahrhäft liberalen Elemente um sich vcrsam-
meln und in sich aufnehmeu, das Werk gelinge, wenn wir
eine ehrliche, liberale Politik im Reichstage und Land-
tage treiben. (Lebhafter, lang anhaltender Beifäll.)
Die fortdauernde Ansdehnung des Reichsverbandes, der
nationallibeiälen Jugendvereine sei ein Zeichcn von dcr
Gesnndheit nnd der Lebenskraft der Partei. Die G e-
genwart erfordere ein stärkeres Beto-
nen des liberalen Gedankens (anhaltender
Beifall), zn den Zielen der liberalen Politik gchörc auch
die baldige Schaffnng eines verständigen Vereinsgesetzes.

Jn der Hauptfrage des Zolltarifs müsse die Partei
entgegen ihren Wünschen damit rechnen, daß eine Eini-
gung nicht zu Stande käme, so daß die neuen Wahlen
zum Reichstag unter dem Zeichen des Zolltarifs statt-
finden würden. Die Opposition der Agrarier gegen die
Regierungsvorlage sei unberechtigt. Nicht die seien die
Freunde der Landwirtschaft, die eine Erledigung des
Zolltarifs verhinderten. (Lebhafter Beifall.) Wer Han-

delsverträge wolle, der müsse bei der Festsetznng von
Riinimalzöüen die Grenzen einhalten, die Verträge mög-
lich uiachen und erlauben. Im Volt'e nehme der Wider-
stand gegen einseitige Interessenvertretung mehr und
mehr zn. llnd mit Recht. Die nationalliberale Partei
stehe heute festgesügt und sei eine dauernde politische
R'otwendigkeit. Alle Versnche, sie zu zersprengen, seien
erfolglos gebliebeisi ihr ost vorausgesagter Untergang
sei nicht erfolgt, da sei der Wunsch der Väter des Ge-
dankens gewesen. (Bravo!) Der Weg der Partei stehe
fest, er richte sich nicht nach lints oder rechts, fondern
nur inimer geradeaus anf das eigene Ziel: Förderung des
Allgemeinwohles, Erhaltung üer Wohlfahrt ÜeS Vater-
landes, entschiedene liberale Politik gegen jegliche Reak-
lion und gegen die mehr nnö mehr nm sich greifende
llcberwucherung der materiellen Iuteressen. Der Ein-
fluß deS liberalen BürgertnmS müsse gestärkt werden,
die Organisation der Partei überall unermüdlich ausge-
baut werden. Bei der entschiedene» Verfolgung diesec
Politit' werde der Sieg der Fahne der nationaliberaleu
Partei beschieden sein. lBegeisterter, lauganhaltender
Beisall.)

Als Korreferent sprach Justizrat Professor Dr.
K ahl. Die Spekulation anf Anslösung der national-
liberalen Partei wird stets vergeblich sein. Wenn wir
betrachten die Entgleisungen der konservativen Ueber
meuschen, die Anstrengung der Sozialdemot'ratie, ihre
Anhänger zur Zucht und Ordnung zn zwingen, den Auf-
wand deS Zentrums an festlichen Aufzügen nnd dioklelia-
isischen Christenverfolgnngen, mn seine Einheit zu mar-
kieren, dann ist uns um die unsere nicht bange. Ge-
wiß, es giebt Meimingsverschiedenheiten bei uns, aber
sie sind zugleich unfere Stärke. Was in mirtschaftlichcu
Fragen die Herzen bedrückt, soll lsier Zn AuSsPrache und
AuStrag kommen. Wir wollen stets dcm Vorbild Ben-
nigsens folgen, des Realpolitikers, dessen K'raft im Jdea-
len, in der Größe des Vaterlandes, im Allgemeinwohl
ivurzclte. So dürfen wir auch nicht die wirtschaftlichen
Fragen zuui. alleinigen oder vorherrscheuden Inhalt un-
serer Politik machen. Namentlich die Iugeud läßt sich
durch das Materielle allein nicht befriedigen. Sie will
auf Höheres lsingewiesen, darin nntexrichtet werden.

enn der Mensch lebt nicht vom Brot aüein. Auch Bis-
marcks Politik sei uns darin ein leuchtendes Beispiel.
Höher stehen die nationalen, die geistigen Güter, für sis
müssen wir täglich !n Kampf treten; in ihnen muß unsere
Fngend heranwächsen. Redner gehsi nun besonderS auf
die Polensrage nnd den Ultramotanismus ein. Die Ger-
manisierungsarbeit muß im Rahmen konstitntioneller
Freiheit bleiben. Es muß alles geschehen, die Autorität
des dentschen Beamtentums zu stärken und wenn ein
deutscher Beamter es an sich fehlen läßt, so bedars es nicht
des Vorwandes einer nicht standesgemäßen Heirat, son-
dern man soll ihm klipp uud klar erklären: Wir können
dich nicht brauchen. (Stürmischer Beifall.) Ganz be-
sonders warnt Redner vor llnterschätzung der ultra-
montanen Gesahr, vor Leisetreterei und Vertuschung.
Wir würden unser inuersteS Wesen verleugnen, wenn
wir über diese Fragen lsinweggehen wollten. Gründliche
Abrechnung mit dem llltramontanismns ist unumgäng-
liche Pflicht unseres Delegiertentages. llnser Kampf ist
Isier Abwehr, nicht Angriff. Abwehr fortgesetzter Be-
unrulsigung und Gefährdung der Grundlagen unseres
laatslebens. (Sehr wahr.) Tas friedliche Zusammen-
leben der Konfessionen ist eine unbedingte Voraussetzung
nnseres staatlichen Wohles. (Lebhafter Beifall.) Anch
für kirchliche Freiheit treteu wir ein. Aber sie muß
ihr Matz haben an der Freiheit der anderen Kirchcn
nnd des Staates. Redner sordert staatliche Schulauf-
sicht, energische Abwehr der Angrifse anf die Freiheit
der llniversität und Wissenschast im Jnteresse dcr Wahr-
heit, mögen sie kommen, woher sie wollen. (Stürinischer
Beifall.) Die Wahrheit darf isicht Halt machen vor dem
Dogma. (Lebhafter Beifall.) Scharf verwahrt sich Red-
ner gegen die falsche Toleranz, dic thatsächlich Jntoleranz
ist. Dann geht Redner anf die Ordensfrage cin. Unfere
badischen Freunde sollen in ihrem Kampfe gegen die Or-
den eine Stärkung nsit nach Hause bringeu. (Bravo!)
Wir wollen keine Erweiterung der Reichskompetenz nach
dem Muster des Toleranzantrages, weil sonst die Kirchen-
politik noch mehr bei den Reichstagswahlen als Agita-
tionsnsittel dienen würde. Das würde zu einem uatio-
nalen Unglück führen. Das dcutsche Reich ist kein römi-
sches, auch kein heiliges, sondern ein gut bürgerliches.
(Stürmischer Beifall.) Leider sind wir !n diesem Kampfe
ganz auf uns selbst angewiesen; auch vom doktrinären
Freisinn haben wir nichts zu erwarten. Und doch
kann nur von der Stärkung nnd Zusammenfassnng
des Liberalismus das Heil kommen. Vielleicht aber
bricht einmal nnter dem Druck geschichtlicher Ereignisss
der Tag an, daß der gesamte Lcheralismus seine
wahre Lebensaufgabe erkennt. Von den Konservativen
ist erst recht nichts zu hoffen. Sie gehen iu ihrer Ver-
blcndung nsit dem Zentrnm, wo es irgend möglich. Wir
stehen allein im Kampfe. Nur zweierlei kann uns hel-
fen: Gerechtigkeit und Beharrlichkeit. (Beifnll.) Wenn
irgendwo die Katholiken gnt nnd frei leben können, so ist
 
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