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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0147

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Dikilstag, 22. Iali 1902. _ Mrftes Blatt. 44. J-hiMg. — .1° 1K8

Erschciuttäglich Sonntags ausgeuommcn. Prcis mit Familicnblättern monatlich 5V Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

Anzcigenpreis: 20 Pfg. für die Ifpaliige Pctitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiefige Gefchüsts- und Privatanzeigen ermähigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
Vvrgeschriebenen Tagen wird keine Verautwortlichkeit übernommen. — Anschlag dcr Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelbcrger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprcch-Anschluß Nr. 83

Me Moleste der ftanzöstschen Kkerikalen.

Paris, 21. Juli. Der vor den Wahlen von einer
R-ihe klerikaler Politiker, darunter die Abgeordneten
Piou und Graf de Mun begründcte „Bund der liberalen (!)
Aktion", der den Zusammenschluß aller Klerikalen Frank-
reichs zur politischen Aktion bezwlcki, hat lt. Str.Postin Paris
folgenden Aufruf anschlagen lassen: „Bürger! Ein Atten-
tat ohne Gleichen in der Geschichte ist begangett worden:
innerhalb acht Tagen hat man 2500 Schulen geschlossen,
150 000 Kinder auf die Straße geworfen, 5000 Lehrer
und Lehrerinnen ausgetrieben und ste ohne Mittel gelassen.
Niemals ist die Gewissensfreiheit, niemals sind die Rechte
der Familie in schamloserer Weise verletzt worden! Solche
Handlungen sind Verbrcchen gegen die Mcnschlichkeit und
die Freiheit. Die Regierung beruft sich zu ihrcr Entschuldigung
auf die Gesetze. Das ist Hohn! Seit wann ersetzt eine
Polizeimaßregel ein Gerichtsurteil? Diese erste Abschlach-
rung eröffnete dic Reihe der Gcwalttätigkeiten. Noch einige
Monate und es wird nichts mehr von der Unterrichts-
freiheit übrig bleiben. Di- Scktierer, die unfähig sind,
irgend eine Reform zu vollbringen, versuchen es so, ihren
Politischen und sozialen Bankrott hinter ihrem antichristlichen
Hasse zu verbergen. Bürger! Werdct ihr das Haupt
unter ihre Tyrannei beugen oder wollt ihr vielmehr als
lreie Bürger leben? So stellt dem „Block der Seklicrer"
gegenüber den Block der wahrhaften Freiheitssrcunde!
Schließt euch zusammen in einem Vercin, der stark genug
ist, um den Verfolgern die Stirn zu bieten. Zählt nicht
auf ihre Gerechtigkeit, zählt nur auf cuch selber!
Vereinigt euch mit uns, zum Heil curer Freiheiten!"
Der Bischof von Lyon richtete an den Erzbischof von
Paris e'n Schreiben, worin er erklärt, er schlicße sich dem
Einspruch des Erzbischofs gegen das Vorgehen der Re-
gierung gegen die Orden an. — Das Ministerium wird in-
dessen, nach dcn jüngsten Erklärungen des Herrn Combes
zu schließen, fest bleiben. Es hat den entschiedenen Willen,
daß der Staat das Schnlwesen in die Hand nehme, das
die Kirche ihm nach und nach zum großen Teil entwunden
hatte. Kenner zweifeln keinen Augenblick daran, daß die
Kongregationsschulen die Republik schließlich an die Mo-
narchisten ausgeliefert hätten. Sie haben die ihnen an-
vertraute Jugend ganz antirepublikanisch erzogen. Die
Republik erfüllt also nur ein Gebot der Selbsterhaltung,
wenn ste die Kongregationsschulcn aufhebt.

Deutsches Reich.

Kiel, 21. Jult. Das Schulschiff „Moltke" trat
heute Vormittag 11 Uhr 30 Minuten seine Auslands-
reise an. Das Schiff geht nach Schweden und sodann
nach dem Mittelmeer.

Baden.

— Was der verstorbene FabrikinspektorM örish of -
ser den Arbeitern war, kann man auch aus den aner-
kennenden Worten der sozialdemokratischen Presse erkennen.
Das Mannheimer sorialdcmokratische Blattf

mutz zum Echo des Arbeiterlobes in jenen Bczirkeu wer-
dcn, wo Wönsboffer sein Schutz nnl ausgeübt hat:

Mit Dr. Wörishoffcr scheidct ein Mann aus der Fabrik-
inspcktioii, dcn dic Arbcitcr schwer vcrmisscn werdcu. Er hat
iii schwerer Zcit, als Stuminscher Geist sich allcnthalben brcit
machte, unerschrockcn die Arbeiter in Schutz genommen. Cr
hat die Fabrikinspektion mustergiltig gestaltet unö riicksichtslos
Schäden aufgcdcckt, wo sie sich zeigten. Dazu gehörte seinerzeit
vicl Mut. Das; cr diesen Mut gehabt, das danken wir ihm
heute bci seinem Abgang.

Jm „Vorwärts" licst man die Anerkenuung:

Wir haben seine Vcrdienste um dep Arbeiterschutz bercits
gesteru aus Anlatz scines Rücktritts vou dcr Leitung dcr badi-
schen Fabrikinspektion kurz gewürdigt. Er ist so gewisser-
matzen im Dienste dcs Arbeiterschutzes gestorben. Er ist als
Fabrikinspcktor vorbildlich gewesen. Möge er recht viele Nach-
ahmer finden.

Mit Recht heißt es darum in der „A r b e i t s m a r k t -
Ä o r r e s p o ii d c n z" von Dr. Jastrow in cincm Lob auf
das tüchtige Lebcnswerk dcs Entschlafencn:

Jhm ist cs gelungcn dic badische Gewerbcinspektion nicht
nur zur ersten Deutschlands, sondern zu einer in ganz Europa
gckamiten und bcwundcrtcn Einrichtung zu erhcbcn. Sein
seines Verständnis für Arbeiterfragen, scin sozialpolitisches
Takt und die Ilncrschrockcnhcit seiner Meinnngsäutzeriing fin-
dcn das glciche Lob bei Regicrungsblättern und bci Stimmen
aus Arbcitcrkrciscu, ohne linterschicd dcr politischen Richtnng.

Mecklenburq.

— Die Grotzherzog in vonMecklenburg-Stre-
litz hat am 19. d. ihren 80. Geburtstag gefeiert. Die
Großherzogin ist eine jüngere Schwester des Herzogs von
Cambridge und seit 1843 mit dem jetzigen Großherzog
vsrheiratet, der drei Jahre älter ist als sie.

A«s der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Professor Franz Platz am Gymnasinm in Offenburg das Rittcr-
krenz erster Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen
und denselben anf sein Ansnchen wegen vorgerückten Alters unter
Anerkeunnng seiner langjährigen und treu geleisteten Dienstc anf
Schluß des lanfenden Schnljahres in den Ruhestand versetzt.

— Expediturassistent Ernst Pfeuffer wurde znni Gerichts-
schreiber beim Amtsgericht Heidelberg, Aktuar Heinrich Schön
beim Amtsgericht Pforzheim znm Gerichtsschreiber bei diesem
Gericht ernannt nnd dem Finanzassistenten Alois Schen am
polizeilichen Arbeishause in Kislau die etatmäßige Stelle eines
Verwaltungsassistenten an dieser Anstalt übertragcn.

— Seine Köuigliche Hoheit der Grotzherzog habeu
eruannt zuBahnverwaltern Betricbskontrolleur Hciu-
rich G s che i d l e u iu Ncckarelz, Betriebskontrolleur Wilhelm
Fu ch s iu Koustanz, Betriebskontrolleur Hcrmauii Säuger
in Frciburg, Bctricbs'koiitrollcur August F i u g a d o^ bei der
Grotzh. Generaldircktiou der Staatseisenbahueii, i-rtations-
kontrollcur Fricdrich V i e r l i n g in Maunhcim, Smtious-
koutrolleur Andreas B a u m a u u iu Diugliiigen, zu Sta-
t i o n s k o n t r o l l e u r e u Statiousvcrwalter Albcrt
Bayer iu Brcisach, Stativnsverwaltcr Martiu Pf e f f e r
iu Deuzlingeu, Stativusverwaltcr Friedrich G a u t e r t in
Badisch Rheinfeldcu, Stationsverwalrcr Raimuud Flaig in
Lahr, Betriebsassisteut Michael Valdeuaire in Karlsruhe,
Stationsverwaltcr Karl S e i l n a ch t iu 'Wilferdingcn,
Gütcrexpcditor Heinrich Di crZ iu Karlsruhe, Gütcrexpeditor
Adam Beck iu Bascl, Güterexpcditor Fraiiz jk rum m in
Mannhcim, Stationsvcrwalter Bernhard W i tz i n g e r iu
Fricdrichsfeld, Stationsverwalter Adols F r a n z iu Neckarau,
Güterexpeditor Gcorg Staufser in Mauuhcim, zwu
Tclcgraphenkoutrollcur Obertelcgraphist Ludwig
T c u b ii e r in Mamihcim.

— Ernanut wurdcu: Statiouskoutrollcur Frauz G r a m m

iu Hcidclberg zum Bctriebskoutrokleur uud dem Grotzh. Be-
triebsiuspcktor iu Villiugcii als Hilfsbeamteii zugeteilt, Fi-
uaiizpraktikaut (Expeditionsgehilfe) Otto S ch i f f e r d e ck e r
bei dcr Grotzh. Gcncraldirektioii der Staatseiseiibahneu zum
Stationskontrolleur uud dem Stationsamt Hcidelbcrg zuge-
wieseu, seriicr wurde übertragcu das Stationsamt Singen dem
Bahuvcrwalter Antou Metzger in Waldshut, das Stations-
amt Koiistaiiz dem Bahnverwalter Wilhelm Behrens in
Bühl, das Stationsamt Neckarelz dem Bahiwerwalter
Gschcidleu, das Statiousamt Waldshut dem Bahnverwal-
tcr S ängcr , das Statiousamt Bühl dem Bahuverwalter
V i e r l i n g, das Statiousamt Dinglingen dem Bahnverwal-
tcr Baumauii, das Statiousamt Graben-Neudorf dcm
Statiouskontrolleur Georg Hauser in Basel, das Stations-
amt Breisach dem Stationskoutrolleur Beyer, das Stations-
amt Denzlingen dcm Statiouskontrolleur Pseffer, das
Statiousamt Badisch Rheiusclden dem iStatjioiiskontrolleur
Gautert, das Stationsamt Lahr dem Statioiiskontrolleur
F l e i g, das Statiousamt Wilfcrdiugeu dem Statiouskontrol-
leur S e i l u a ch t, das Statiousamt Friedrichsfeld dem Sta-
tiouskoutrolleur W i tz i u g e r und das' Stationsamt Neckarau
dem Statiouskoutrolkeur Franz, zugeteilt: Bahuverwalter
Fuchs als Hilfsbcamter dem Grotzh. Betriebsiuspcktor in
Koiistauz, Bahiiverwalter Wilhelm Dörrwächter in Sin-
gcn aks Hilfsbeamter dcm Grotzh. Bctriebsiuspektor in Osfen-
burg, Bahnverwalter Joscf Bertram in Konstanz als
Hilfsbeamter dem Grotzh. Betriebsinspektor iu Freiburg, Bahn-
pcrwaltcr Fiugada als Hilfsbeamter der Grotzh. General-
-direktiou, Statiüiiskontrolleur Slugust S ch w a r z in Graben-
Neudorf dem Statioiisamt Mauuheim, Stationskontrolleuv
Baldeuairc dem Statiousamt Karlsruhe, Stations-
koutrolleur Ni c r z dem Statiousamt Karlsruhe Rangier-
bahuhos, Stationskoutrollciir Beck der Güterverwaltuug
Basel, Srationskoutrolleur Krumm dcr GLtcrvcrwaltung
Mauiihcim, Stationskontrolleur S tauffer dcr Güterverwal-
tuug Mauiiheim, Statiouskoutrolleur Josef Rectanus in
Karlsruhe der Grotzh. Gcueraldirektioii und Telegrapheukon-
trolleur Teuhuer dcm Stationsamt Mannheim.

— Amtsaktuar Adolf Blank beim Bezirksamt Neu-
stadt wurdc zum Rcgistratur daselbst ernamit.

Karlsruhe, 21. Juli. Der Großherzog und die
Großherzogin stnd am Samstag Abend zu längerem
Aufenthalt in St. Moritz eingetroffen.

Ausland.

Ocstcrreich-Ungarn.

Graz, 21. Juli. Das hiesige „Tagblatt" meldet:
Sämtlichen Offizieren der G razer Garnison wurde
von maßgebender Seite nahegclegt, dcm dieser Woche statt-
findenden Sängerbundesfest fernzubleiben.

Frankreich.

Paris, 21. Juli. Nach dcr heutigen Prämienver-
teilung unter den Privatschülern bcgab sich eine Anzahl
von Müttern aus dcm Stadivierel St. Roch zum Elysse
und ließ dcr Gemahlin des Präsidenten eine Petition
überreichen, in der um Beibehaltung der Schulschwcstern
gebetcn wird. Frau Loubet ließ antworten, daß die Pe-
tition dem Ministerrat überreicht werden würde. Die
Polizei hatte großs Mühe, die Frauen zum Verlassen des
Elysee zu bewegen, d!e durchaus die Frau Loubet sprechen
wollten.

England.

London, 21. Juli. Der Krankenbericht von heute
Vormittag 10 Uhr besagt: Das Befinden des Königs
Ednard ist ausgezeicknet. Die Kräfte kehren wieder

Wttnchener Keü'erl'even.

Die „Allg. Ztg." schreibt: Wemi jemmid im Deutschen
Reiche beschließt, sich München, dis Bier- nnd Kunst-
nietropole, von der er schon so viel Lchönes nnd Gutes
gehört hat, anch einnial nnt eigcnen Augen anznsehen, so
wird ihm sicherlich von Freunden nnd Bekannten, die
ihm in dieser Beziehnng schon zuvorgekommen, vor seiner
Abreise noch der wohlmeinende Rat erteilt, außer dem
Hosbränhaus doch ja nicht den Besuch eines dortigen
Bierkeller zu versäumen. Ziatnrlich werden sotche Rat-
schläge, die sich mit dem besseren, weil konsumierenden
Teile des menschlichen Lebens beschäftigen, gewöhnlich
auch anfs pünktlichste besolgt nnd so ein Fremdling fragt
in der Regel schon nach Hofbräu rmd 51eller, ehe er
Uoch weiß, wo er nach absolvierter Biereise das niüde
Haupt znr Rnhe legen soll. Jch habe nnn Gelegenheit
gehabt, verschiedene solcher Reisenden über den Eindruck,
den nnsere Keller ans sie gemacht haben, zu „intervie-
sven". Warnm sollte man nämlich soiche Leute nicht
interviewen, nachdem davor Fürsten und Staatsmänner
uicht sicher sind! Jhr lirteil war aber ziemli-ch allgemein
^as einer großen Enttäuschng, was sie jedoch zu Hause
^icht hindern wird, den Ruhm imserer Keller weiter zu
berkünden, denn anch „geteilter Reinsall ist halber Rein-
kall."

Ilnd woran liegt die Lchntd an diesem lirteil? Jch
bliiß, selbst auf die Gefahr hin, einigen meiner Mitbürger
dieraniens dabei an ihr Bierherz zu greifen, diesen wun-
aen Puntt berühren, und zwar nm so mehr, als auch ein-
äesleischten Riünchenern die Freude an den 51ellern mehr
nnd mehr aühcmden kommt. Tas tiegt einzig rmd allein
an der Betriebsrückständigkeit. Es mag ja ganz origi-

nell erscheinen, sich einmat Bier nnd Essen selbst zn holen
oder anf einem schmierigen Tische zu sitzen, bei dem die
Hand in Gefahr gerät, an der Tischplatte kleben zn
bleiben — es war das sogar früher ein Probezeichen für
die Güte des Stoffes: es kann uns sogar amüsieren,
wenn uns eiue sechzigjährige Hebe mit nniiachahmiicher
Grazie den veriängerten Teil ihres Rückgrates zuwen-
det nnd uns einlädt, aus dem dort befindlichen, vor
längerer Zeit weiszen Brotbeutel ein Brot heransznholen,
wir können nns selbst der .Knriosität halber einmal ent-
schließen, «alz auf den blanken Tisch zn schütten und
Eier und Radi mit Hilfe der Adamsgabel zn genießen,
aber für ständig werden nns diese Dinge doch nicht reizen
tonnen. Tazu sind wir eben einmat von der Kultnr
schon zu sehr beleckt, nnd was nns vor fünszig Jahren
vielleicht noch nrgemütlich vorkam, das vertetzt heute
unsere seineren Lebensgewühnheiten. Das Hosbräuhaus
hat dnrch seine Modernisierung nicht gelitten, marnm
sollte es auf den anderen Kellern anders sein?

Es wird niemand einfallen, bie 'GePftogenheitM
eines Restaurants ersten Ranges anf einem Keller zu
suchen, aber ein bißchen mehr Reinlichkeit in unserem
in hygienischer Beziehung sonst so besorgten Zeitalter
dürfte kaum schaden. Der Ausenthalt im Freien, dazu
eine flotte Regimentsmusik hat ja so viel Anziehendes,
dasz man gar manches dafür mit in den .Kauf inmmt,
aber rein geschenerte Tische, vermehrte nnd ansmerk-
samere Bediemnig nnd ein wenig mehr Komfort, dächte
ich, wären doch keine allzu unbescheidenen Wünsche, wenn
wir niis nicht freiwillig unter die Dahomeys im Volts-
garten stellen wollen, die ohne Teller und Besteck bereits
nicht mehr essen mögen.

Witterm aier—WoHl.

Jn dcr „Frankfurter Zeitnng" finden wir folgendc Erklä-
ruiiü:

Wer im öffenklichen Lebeu steht oder früher stmid, mutz sich
gcfalleii kasscn, daß seine Worte und Handlungcii der Kritik
iintcrzogcn wcrden. Nllcmals darf der Kritikcr aber uiilautere
Bcweggründe dem Beurteiltcn imterschicben; am allerweiiig-
sten ist solchcs erlaubt, wcnn der Angegriffene nicht mchr lebt
und auf die Angriffe uicht mchr erwidern kann. Ein solcher
Fall liegt vor. ,

Der Angegrisfenc ist mein Vater, Professor Mittermaier,
1867 hicr gestorben, Ler Angreifer ist Professor Robert von
Mohl, 1875 in Berlin gestorben.

Professor Mohl schildcrt in seinen Lebcnserinii-eriuigen aus
deu Jllhrcn 1849—1874, welchc vor einigeii Monaten ver-
öffentlicht wurden, uiijpr anderem die Vebhaiidlungcn des
deutschcn Parlaments ui Zrankfurt. Er bekleidete damals
die Stclle des Reichsjustizinimsters. Jm zweiten Bande,
Seitc 97, schildert er die Verhandlung über die Petitionen
wegen Aufhebung der öffcntlicheii Spielbanken iii dcutschcn
Bädcrn. (Sitzung vom 8. Januar 1849.)

Dic allgemeiue Stimme im Volke und bei -den Reichsabge-
ordneten war sür Uiifhcbung; nur über den Zcitpunkt, wanii
dicse stattfindcn sollte, war man verschiedener Meinung. Pro-
fessor Mittermaier beteiligte sich an jener Debarte nnd sprach
sich dahin aus, „datz, weiui in dem Hazardspiel und in den
Spiclbanken auch keüie absolute Schün-dlichkeit liege, doch das
öffentliche Jnteresse, das heitzt die Gesährkichkeit für das Wohl
dcs Einzeknen, die Aushcbung verlange und datz nach sciner
Ansicht diese spät-estcns am t. Januar 1854 erfolgen müsse;
dadurch würde auch eine allmähliche Ausgleichung imd be-
sondcrs eine Entsch-üdigung der in den betreffenden Städteu
vorhaiidencn ösfcutlichcn gcuieiimützigen Anstalten ermöglicht
werdcn, die bisher zum grohcn Teil ans dcm Fonds der bc-
trcffenden Spielpachtimgcn unterstützt wurden." (Siehe den
 
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