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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256-280 (01. November 1902 - 29. November 1902)
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Samstag, 8. Rovcmbcr 1SV2. Grstes Blatt. 44. Jahrgana. — 262.

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Pie Gründnng eines jungliöeraten Wereins
in Keidelöerg.

4- Heidelberg, 8. Novemver.

llnrcr glücklichc» Anzcichen ijr gcstcrn Abcnd dic Gründung
cincs narionallivcralcn Fugendvereins hier von starrc» gcgan-
gcn. Dcr grotze Saal dcr Harnwnie war bis zum lcyren Platz
bcsctzt, als Gch. Rar S ch äser dic Vcrsammlung bcgrützte
und cs herrschrc in ihr die veste Stimmnng für den nencn
Vercin und sür dic alrc Parrei.

Gch. Rat Schnf e r sprach die einleirenden Aorte. Er
dantrc den Erschicncnen von Herzen für ihr Kommen niid
wandrc mit eincm B'lick auf die grotze Vcrsammlnng, in der die
Zngcnd vorherrschtc, das Dichterwort an: „Ter Kink har iviedcr
Samcn". Dann führte cr ans, datz es veiidcr hcittigcn Par-
icizcrtlüftung für die Fugcnd schwerer sei, al: i» früberen
Zcireu, sich für eine Partcirichtnng zu cntschcidcin Vor 30
und 40 Jahrcn ricf man nach cincm Dcntschen tticiw nnd eincr
srcicn Vcrfassnng. Jctzt sci dieser Wunsch erfüllt^ nvo niin mache
sich eine gesührliche Parrcizersplitterung breii. ein dcutsches
Erbübcl, denn die Dcutschen ncigen leidcr zn dem Fe'hler, für
. jcdc spcziclle Ansicht gleich einc besondcre Parrci zn vilden.
Weiter sührte der Rcdner ans, dah dic Worrc narional nnd
libcral noch dnrchans nicht veraltct oder crfüllr seien. Wohl
habc cr dic oprimistischc Anffassung, datz Zcntrum iind Sozial-
denwkraric, die erst dnrch das Rcich und im Reich mir scincm
allgemcinen, gleichen Wahlrecht möglich gcwordcn scien, im .
Norsallc für dcn äntzeren Kcstand des Reiches eintreten würdcn. ^
Wolltc man dcr Sozialdcmot'ratie den Hammer zur Zcrtrüm-
mcrnng dcs Rcichcs geben, sic würde ihn nicht aufhebcn. Aber !
in der räglichen Arbeit für das Reich begegnc man grotzcn !
Mängeln. Rcdncr wies anf die noch immer feindseligc Stim-
mnng bci nnscrcn ivestlichen Nachbarn hin, auf das rnssische !
Kündnis, anf dic Machtstcllnng, die Rutzland, England nnd s
Amerika gewonnen habcn, anf die dcutschfeindlichen Ärim-
mcn, die ans England herüberscliallen: da heitze es, immer auf i
Postcn sein und für die Machtstellung dcs Reichs, dic militärische s
cinfchlictzlich dcr maritimcn und dic wirtschaftliche sorgen

nnd für Deutschland beschämende Wort Licbers, datz beim
rnssischen Handelsvertrag das Zentrnm Schwierigkeitcn bei den
Bischöfen in Fulda nnd bei Rom gehabt habe, das Oster-
hallelujah dcs Frcibnrger Erzbischofs, die Angriffc auf die Si-
multanschule u. a. mehr. Scharf gcitzelte cr die Tharsachc,
datz politische Parreien geschäftlichcn Druck auf Andersdenkende
auszuüben suchen. Wenu mancher sich deshalb zurückhalte,
und sein liberales Bekenntnis vcrüergc, so sei das eben ein
Zeichen dafür, datz cs höchste Zeit sci, durch gcmeinsames
Zusammengehen solchen Druck zu beseitigcn. Gcrade ein
grotzer Verein Gleichgesiniitcr werdc im Stande sein, hierin
nachdrücklich, eventuell durch Vergcltiingsmatzregcln zn wirken.
Jeder Kampf gegen Religionen ist bci uns aüsgeschlossen, die
Religion gehört ins Hans nnd in die Kirche, dort soll sie ge-
pflegt werden. Die Religion i» Parteikämpfe 'hineinziehen,
heiht sie entwürdigen. Wciter machtc Redner dic erfreuliche
Mitteilnng dah schon über 300 Mitgliedcr dem junglibcralen
Verein beigetreten seien, Eisenbähnler, Gewerbetreibende,
Kaufleute, Arbeiter, Beamtc, llniversitätsangchörige, kurz,
Angehörige aus allen Ständcn. Man wc>W äber nicht
etwa nur den Naincn der Mitglieder, oder ihr Geld, sondern
ihren Kopf imd ihr Hcrz. Möge, so schlieht cr seine An-
sprache, der heutige Abend für die Sache ein glücklicher seinl

Herr Fritz li e b e r l c bcgrützte als Vertreter der Jugend
die Versammlung in hübschcr Ansprnchc. Er wics darauf hin,
wie anregend es für die Jngcnd sci, wcnn sie in zwanglosem
Verkehr sich aufmnntere und ihrc politischen Ansichten kläre
nnd befestige. Es werde die Ausgabc dcs Jngendvereins sein,
viele bisher Lässige, Gleichgiltigc oder Aengstliche zn gcwinnen.
Dem Vercin brachte er ein herzlichcs Glück auf dar.

Ilotar Beckcr trng dann den Jnhalt dcr von dcm
probisorischen Ausschuh aufgestellten Satznngen vor nnd er-
läuterte dieselben in einigen Pnnktcn.

Durch die von Geh. Rat Schäfer gclciteten Abstim-
mnngen wurde sodann festgestcllt, dah die Versammlung ein-
mütig die Satzungen annimmt nnd der Gründung des Vereins
znstimmr. Ein provisorisches Komitee wird bis zur nächsten
Hanptversammlung die Gcschäfte führen. Es beste'ht aus den
Hcrrcn: Glascrmeister Aiscnpreis jnn., Notar Becker, Ver-

Auch der Fricde im Jnnern sei gefährdet durch die Macht- j „ . , „ , , «... «.

stcllnng des Zentrnms und den Gegensatz der Klassen, ivic f liigsbuchhandlcr lerkenbnich, Kaufmann Alb. Burklc, Wagem

Redncr dcs Nähcrcn ansführte. Er begrühtc mit Freuden den ? ivarrcr ^oh. Iwrff, Kaufmann Zulins Diesfenbacher, Gasthof^

Zuzug dcr Jugend in das liberale Parteilager und schlotz mit bciitzer G. Frank, Kaufmann Rob. srank, schlossermeister

dcr Anffordernng an sie, sie mögc immer für das Reich und
die Frciheit eintretcn.

Dann crgriff der Generälsckretär des Verbandes jnng-
libcraler Vcreine, Herr Magnns aus Köln, das Wort, uni
dic Grühe dcs Verbandes nnd des Kölner Vereins zu übermit-
tcln. Er svrach angcsichts des überfülltcn Saales scine Freude
und seine Znversicht in Vezng nus die Zukunft der national-
liberalcn Partci ans; dann teilte er mit, datz in der kurzen -
Zeit seit dem 23. Jannar 1899 sich schon 23 jnngliberale Ver- s
cine mit 6000 Mitglicdern gebildet hätten. Mit mindestens s
30 werde man in das neue Jahr gehen. Die jungliberalen j
Vereine ständen in cngster Beziehung und in völligcm Ein- Z
veriichmcn mit dcr Partci, ihte Absicht sei, die Wicdcrgewin- s
nnng dcr öffcntlichcn Mcinnng für die Partei. Sie stündcn in- !
ncrhalb der Organisation der Partei, bei eigener Sclbstverwal-
tung. Schon im nächsten Jahre bei den Reichstagswahlen
wolle src zeigen, was sie vermöge. Jhre Hauptaufgabe sei
dic Heranziehnng inid Ausbildimg der Jugend und zwar fasse
sic die Jugcnd allcr Stände ins Auge. Jn diesem Sinnc wünsche
er dem Heidclberger Verein von ganzem Herzen Glück.

Professor Rohrhurst, der Vater des Vereins, trat danu
in packendcr Ansprache für die neue Schöpfung cin, deren Zwecke
und Ziele cr in dem Sinnc des Vorredners näher auseinander

Karl Hauser, Obcramtmann Hebting, Landgerichtsrat Dr.
Heinsheimer, Arzr Dr., Hnber, Registrator Krumm, Gewerbe-
'lehrcr Luger, Rechtsanwalt Müller, Architekt Müller, Sta-
tionsmeister Schabcr, Aktnar Sicbenhaar, Lehrer Sieber, Arzt
Dr. Strübe, Lehramtspraktikänt Thorbccke, Kaiifmann Fritz
Ilebcrle, Bürgenncister Wieiandt.

Die nächste Sitznng wird ain 1. Dezember stattfinden und
in derselben wird Geh. Rat Schäfer einen einleitendcu Vor-
trag nber Deutschlands Weltstellnng halten.

Amtsrichter Koch aus Mannheim bcgrüßte den nenge-
gri'indeten Verei» im Namen des Mannheimer Brudervcreins.

Obcrbürgermeistcr Dr. W i l ck c n s sprach die innige
Frcude der Alten an dem Vorgehcn dcr Jugend ans und seine
grotze Freude an dcr so zahlrcichcn Versammlung. Er dankte
mit warmen Worten dcn Männern, die sich um die Gründung
des Bereins vcrdient gcmacht haben. Als Grnnd, weshälb
mancher sich schene, sich a» dem politischen Leben aktiv zu
beteiligen, bezcichnete er das Vorwiegen wirtschaftlicher Fragen
in der Gegenwart, die persönliche Vernnglimpfung, die man in
-en Kanf nehmcn mllssc, und dann dcn Ümstand, daß die Jun-
gen die böse Zeit vor Gründung des Reichs nicht miterleüt ha-
ben und das schwer Errungene als selbstverständlich hinnehmen.
Aber man lormc den Besitz nur i»i Kampfe behanpten nnd dürfe

setzt. Anch er wies auf die Schwierigkeiten nnd Gefahren in j deshalb Mühcn und Unannehmlichkciten nicht scheuen. Redner
der gegcnwärtigen politischen Situation hin. Er setzte aus- z wcist anf dic ernste Situation nicht nnr im Reich, sondern auch
einander, was allcs Zcntrnm nnd Sozialdcnwkiätie thun, iim s in Baden hin, ivo im nächsten Jahr ebenfalls Landtagswahlen
dic Jugend für sich zu geivinnen. Man gcwinnc dic Jngend - bcvorstehen, da wcrde nnd müsse sich zeigen, ob das Volk hinter
nnr, indciii man sie zur eigeiien Mitarbeit heranziehe. Er ! der nationalliberalen Partei stehe und ihrec Haltung, fo in
erwähnte die Windthorstbünde des Zentrnms, den Anschliiß , der Klosterfrage, billige. Der Hauptfeind sei die Läsfigkeit ün
zahlreicher jüngerer Beamter ans Zentrnm, das üezeichnende I eigen'cn Lager. Wcnn die Jugend sich an d!e Seite des Alters

stclle und niit ihr in den Kampf ziehe, dann wcrdc dcr Erfvlg
nicht ansbleiben. Jn diesem Sinne begrühe er die Gri'mdung
des nationalliberalen Jugendvereins aufs herzlichste.

Profcssor R ö s i g e r, der wesentlich bei der Gründung deS
Vcrcins mitgcwirkt hat, begrützte ihn ebenfalls mit freimd-
lichen Wortcn. Jn humoristischer Weise beantivortete er die
Frage, die bei einem Nengeborenen aufgeworfcn zn werden
pflcge: wic man ihn taufen solle? und spätcr: ob er bald
gehc» ivcrdc? in wclche Schule man ihn schickcn werde? Er fer
national nnd liberal geranft und könnc nicht nur gehen, son-
dern fitze schon im Sattel. Jn eine Klostersthule werde man
ihn nicht schicken. Alle Stände soll er umfassen. Der Kasten-
gcist sei ocrpönt, dcr passc nicht in cine Zeit, wo jedermann
mit einem Tropfen sozialcm Oel gesalbt scin soll. Wir fühlcn
nns als Söhne cines Volkes. Der Berein soll eine Schule der
Bcredtsamkeit werden, in kleinen Gruppen sollen Erfahrungen
nnd Wünsche ausgctanscht werden.

Reichstagsabgeordncter B e ck, der von Berlin eigens zu
dicscni Nbcnd hierhergekommen war, dankte fiir die Einladung.
nnd begrüßtc den Vcrein mit Frcnde. Er sprach dann über
Reichsangelegenheiten und speziell i'iber den Kampf nm derl
Zolliarif. Er hat wcnig Hosfnung, dah der Tarif zu Stcmde
kommt, und bedauert das im Jnteresse der Landwirtschaft sehr.
Er sei immer von Herzen agrarisch gesinnt gewcsen und hätte
für die Kommissionsbeichlüsse gestimmt, wcnn cr damit der
Landwirtschaft cincn Dienst geleistet hätte. Aber ivie dre
Dinge liegcn, bcdcnte das Aufrechterhalten dcr Kommissious-
bcschlüssc dcn Fall dcs ganzen Zolltarifs. Und das iväre für
die Landwii-tschast schr schlimm. So habe ex fiir dir Regie-
rnngssätzc gcstimmt und cr sei überzeiigt, dah die eiiisichtigen
Landwirtc ihm bcipflichtcn würdeii. Wer sei der anftichtige
Frcund? dcr, welcher crreichbare Vorteile festhält, odcr dcr,
ivclchcr zwar vicl verlangt, aber nichts erreicht? Dic Mehr-
heitspartei se! in eine schlimme Sackgasse gcraten nnd habe
dcn Karren böse verfahren. Die Jugend möge sich anch m!4
diesen sehr Ivlchtigen wirtschaftlichen Dingcn bcschäftigcn nnd
mithclfen, datz die richtigen Einsichten im Lande verbreitet
wcrden. Znm Schluh bcglnckwünschte Rcdner den Vercin und
brachtc cin Hoch anf die nationalliberalc Partei aus.

Hicranf kamen Zustimmungstelegramnie, die von anslvärts
cingctroffen waren, znr Verlesnng.

Nachdem der Generalsekretär des Reichsverbandes, Herv
Magnus aus Köln, im Anschlutz an Ausführungen des
Hcrrn Rohrhurst seincrseits noch versicherte, datz auch der
Reichsverband der Johanssenschen Broschürc, die angeblich im
Namen der liberalen Jugend spricht, vollständig ferustehe, er-
hob sich als Sprecher des vorbereitenden Komitces Landgerichts-
rat H e i n s h c i m e r, um mit dankbaren Worten in erstev
Reihc der Herren Beck, Schäfer und Wilckens zu ge-
deiiken, die es sich nicht hätten nehmen lasscn, bei der Tanfe des
jnngen Vereins persönlich Pate zu stehen, ferner Dank zn sagen
den von answärts erschienen Vertretern nationaMberaler Ju-
gendvereine, sowie aller derer zu gedenken, die aus dcr Ferne
über die Gründnng brreflich oder telegraphisch ihre Freude
ausgedrückt hatten. Besondere Dankesworie, und das habe
der Mann !n vollem Matze verdient. widmete Redner Herrn
Professor R o h rhur st, der Seele der Gründung, der keine
Zeit nnd Arbcit gescheut 'hätte, das Ilntcrnehmen zu fördern.
Diesen Allen widmete Landgerichtsrai Heinsheimer ein
kräftigcs Hoch.

Es folgte iinii noch ein kurzes Schlußwort des Herrn Geh.
Rat Schäfer, in dem er zur Treue und Anhänglichkeit an
Kaiser iind Reich, zu FLrst und Vaterlanv ermahiite und zil
einem Hoch auf diese aufforderte, in das dic Versammlimg
begeistert einstimmte. Auf 800 dentschen Männerkehlen er-
scholl hieranf das Lied „Dentschland, Deutschland, über alles!"
nnd man trennte sich mit dcm Bewntztsein, cincn crhebendcn
Abcnd vcrlebt zn Habcn.

Jm Lanfe des Abends schrieben sich 80 ncue Mitglieder
des Vereins !n die Liste dcsselben ein, so datz der Verein mit
eincm Mitgliederstand von 400 in die Oesfcntlichkeit tritft
ivahrlich c!n viclverhcitzender Anfang!

Kleine Zeitung.

— Hochschuluachrichten. Zu Tübingen hat sich mit Be
ginn des Wintcrsemestcrs cine cnthaltsameStudenten-
vereinigung gebildet als „Vereinigung, die auf dem
Boden dcr Alkoholenthaltung steht und deren höherer Zwcck
rieben dem des Anschlusses überhaupt die Pflege des Jdeals
in regem Verkehre sein soll". — Der Wiener Universitäts-
Professor der Mathematik Gegenbauer wurde, nach den
»M. N. N." auf eigencn Wunsch in dic Jrrenanstalt ge-
bracht, da sich die Anzeichen schwerer geistiger Störung
viehrten.

— Bonu, 7. Nov. Der Gutspächter Gourth vom
Gute Zurmühlen bet Siegburg, der am 20. Sept. seine
Frau und seimn Verwalter erschossen hatte, weil beide
'N sträflichem Verkehr mit einander standen, wurde heute
bom hiesigem Schwurgerichte freigesprochen.

— Berlin, 7. Nov. Das Landgericht verurteilte die
Aedakteure des „Kladderatatsch" Polstorff zu 30 und
Trojan zu 10 Mk. Geldstrafe wegen Beleidigung des Kreis-
schulinspektors Timm-Essen durch einen satyrischen Artikel
vber die Lehrmethode des Lehrers Rümpler-Essen.

— Neue iutercssante Fälle ans dcr gerichtlichen Pho-
^graphie führte kürzlich in Berlin Dr. Paul Zeserich dem
^erein sür Gewerbefleiß im Architektenhause vor. Berliner
Eätter berichten darüber: Daß die Ueberführung eincs
^örders zuweilen an einem Haar hängt, zeigte die Ge-
'chichte eines Lnstmordes in Bochum. Bei der Ermordeten

war ein Haar gesunden worden. Mit Hilfe der Photo-
graphie stellte Jeserich fcst, daß es sich um daS Haar eines
Hundes handelte, und zwar um ein ansgefallenes, wie aus
der Wurzelform hervorging, daß der Hund nicht geschoren
gewesen, weil die Harspitze wohlerhalten, kurz- und glatt-
haarig geivesen, weil das ganze Haar vorhandcn und der
Querschnitt rund, und endlich, daß cr alt, aber früher von
gelber Farbe gewesen war, wcil das Jnnere des Haares
von Luft erfüllt war, aber sich doch noch gelbe Pigment-
körper gezeigt hatten. Genau einen solchen Hund hatte der
Scheerenschleifer Strauß gehabt, der denn auch des MordeS
hat überführt werden können. Ein wichtiges Ueberführungs-
mittel bietet das Blut dar. Jm photographischen Bilde kann
man bei der üblichen starken Vergrößerung ans der Form
der Blntscheiben genan erkennen, ob gewisse Blutflecke nnd
dergleichen von Meuschen oder Tieren herrührcn. Auch die
biologische Analyse unterstützt die Erkenntnis. Anßer-
dem aber kommen znweilen auch Spektralbilder in
Frage. Jn einem dnrch Feuer vernichteten Hause war
ein ganz verkohlter Leichnam gesunden worden. Es war
nun der Verdacht entstanden, daß ein Mord vorgelegcn,
zu dessen Vertuschnng man den Brand herbeigeführt habe.
Jeserich, der mit der Untersuchniig betraut wurde ging von
der Erwägnng ans, daß Blut das beste Absorptionsmittel
für Kohlenoxyd ist, daß sich Kohlenoxyd aber mit der
Spektralanalyse nachweisen läßt. Er verschaffte sich daher
Blut aus dem Leichnam und fertigte cin Spektralbild dieses
Blutes. Lebte das Opfer noch, als der Brand cmskam,
so mußte das Spektrum die charakteristischen Merkmale
des eingeatmeten Kohlenoxyds zeigen. Dies war aber

nicht der Fall nnd soniit festgestellt, daß das Opfer schoir
tot war, als der Brcmd auskam.

— Bon poetischen Straßenbahn-Schasfnern wird aus
Berlin berichtet: Vor einigen Monaten hatte der Verein
der Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn ein
Preisausschreiben für Straßenbahnlieder veranstaltet, um
ein Vereinsliederbuch herauszugeben, worin nur von
Straßenbahnern gedichtete Lieder aufgcnommen werden
sollen. Wie außerordcntlich stark die poetische Ader unter
den Angestellten der Großen vertreten ist, geht daraus her-
vor, daß in kürzester Zeit bei der Preisjury nicht weniger
als 60 Lieder einliefen, die von Straßenbahnern gedichtet
w orden und zum größten Teil recht annehmbare poetische
Leistungen stnd. Wie die Straßenbahn wciter meldet, sind
für die besten Lieder, die nach Volksmelodieen gedichtet
sein müssen, fünf Geldpreise ausgesetzt.

— Telephon zwischen London und Brüssel. Zwischen
England und Be lgien ist ein neues Kabel gelegt worden.
und zwar mit der besonderen Bestimmung, dem telephonischen
Verkehr zu dienen. Es soll jetzt binnen kurzem, nämlich so
bald die erforderlichen Arrangements getroffen sind, die
Fernsprechverbindung zwischen London und Brüssel eröffnet
werden. Dan ach wird man vermutlich in absehbarer Zeit
auch zwischen Berlin und London sprechen können.

— Eiue Enkelin von TheodorKörners Braut
Antonie Adamberger, Freisrau v. Eiselsberg, gcborene Arneth
iil Temberg (Oberösterreich), hat soebcn dem städtischen
Körner-Museum in Dresden 32 bisher unveröffentlichte Ge-
dichte Theodor Körners in den Urschriften schenkungsweise
überlassen. Die Gedichte waren in den Jahren 1812 und

Die lleutige Nummer umfaßt vier Bliitter, zusammen 16 Leiten.
 
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