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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0385

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k Mivwoch, 27. August M2. Grstes Blatt. 44. Jahrgang. — .N 1S9.

Erscheint täglich Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättem wonatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellcn abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be«

zogen vierteljährlich 1.95 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

AnzeigenpreisrLO Pfg. für d<e Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzcigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen Wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeituug uud den städt. Anfchlagstellen. Ferusprech-Anschluß Nr. 83

Für den Aionnt

September

nehmen snmtliche Postanstalten nnd
Postboten Bestellungen auf die
„Heidelberger Zeituug" schon
jetzt entgegen. Die „Heidelberger
Zeitung" kostet, durch die Post be-
zogen, nur

Aur ZoMariffrage.

Berlin, 26. August.

Der „Süddeutschen Reichskorresp." wird geschrieben:

Von schlecht unterrichteter Seite ist kürzlich die Bc-
hauptung in Umlaus gesetzt worden, daß eine neue Kon-
ferenz von Ministern der größeren Bundesstaaten über
zollpolitische Fragen einberufen werden solle. Von München
aus wurde dieser Angabe alsbald widersprochen, und es
kann bestätigt werden, daß auch hier an eine solche Kon-
ferenz nicht gedacht wird. Es bestehen zwischen den !

Verbündeten Regierungen in der Zolltarifsache keinerlei
Meinungsverschiedenheiten. Die als Beweis des Gegen-
teils angeführte Geltendrnachung besondercr Wünsche Badens
hat die Bedeutung eines Rücktritts der badischen Regierung
von dem Kompromiß, das für die einzelnen Bundesstaaten
der dem Reichstag vorliegende Tarifentwurf darstellt,. nie-
mals gehabt. Soweit es über diesen Punkt einer
ministeriellen Aussprache bedurfte, ist sie erfolgt. Die
Unterredungen des Reichskanzlers mit dem Staatsminister
v. Brauer in Bayreuth haben nicht den geringsten Zweifel
darüber gelassen, daß Baden mit allen anderen Bundes-
staaten in festgeschlossener Einigkeit auf dem Boden des
Entwurss steht.

Diesen Boden zu erschüttern durch nochmalige Be-
sprechungen mit dem Endziel, die nicht ohne Mühe verein-
barten cntscheidenden Zollsätze wieder abzuändern, kann
vom Reichskanzler nicht erwartet werden. Etwaige Anträge
des Grafen Bülow im Sinne der Konrmissionsbe«
schlüsse erster Lcsung würden, auch wenn ihn nicht
schon sein eigenes pflichtmäßiges Ermessen abhielte» solche
zu stellen, im Bundesrat auf entschiedencn Wider-
spruch stoßen, und eS mag nochmals gesagt werden, daß
derartigen Anträgen gegenüber auch die preußischen
Bundesratsstimmen mit „N e in"zu instruieren wären. Die
landläufigen Vorwürfe aber über die nach dem Abschluß
der ersten Kommissionsberatung zurückgebliebene Gestaltung
der Lage werden gerechter Weise nicht an die Adresse !
der Verbündeten Regieru'ngen zu richten sein. Diese j
baben von vornherein über ihren Standtpunkt keine °

t Ungewißheit aufkommen lassen. Sie haben beim Auf
t tauchen bedenklicher Mehrforderungen ihrnoiixossriiiius!
! mit ciner gegen Beratungen und Beschlüsse erster Lesung
z hinreichenden Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Wäre
j das „Unannehmbar!" in die letzte amtliche Form gekleidet
! worden, so würde der Reichskanzler haben hören müssen,
er nehme die Beschlüsse erster Lesung viel zu ernst, greife
störend in die Kommissionsarbeiten ein und geführde durch
verfrühte Erklärungen das ganze Tarifwerk. Nicht an
g-nügender Kenntnis der Regierungsabsichten, sondern an
s oer ihnen gebührenden Beachtung hat es gefchlt, als die
s Kommissionsmehrheit unbekümmert um alle Mahnungen
Dinge zum Beschluß erhob, die nicht durchzusetzen sind.

Die Aufgabe ist noch yeute dieselbe wie bei der Ein-
bringung der Tarifvorlage. Man nehme die unleugbaren
Vortheile, die der Entwurf für die.Landwirtschaft bietet,
sei es auch unter mehr oder minder temperamentvollen
Vorbchalten wegen der unerfüllt gebliebenen Mehrforderungeu
willig und gegen die tarifgeguerische Minderheit kampfes-
mutig an und führe die Vorlage mit den Verbündeten Re-
gierungen zum Siege. Oder man vernichte — wozu sich
ja die Sozialdemokratie als Bundesgenossin anbietet —
das große zollpolitische Reformwerk durch negative Schluß-
abstimmung, trage dann aber auch vor dem Lande die
Verantwortung dafür, daß nichts zn Stande kommt.

Aokn und Zentrum.

Die Aktion der o b e r s ch l e s i s ch e n Polen
gegen das Z e n tr u m scheint immer mehr in Flnß zu
rommen und besonders sür die Reichstagswahlen prak-
tische Gestalt anzunehmen. Von den bisherigen Zen-
trumc'abgeordneten wollen die Polen nnr die Herren
Szmula und Strzoda beibehalten, die andern nenen
Zentrumovertreter, nnter ihnen Graf Ballestrem, Dr.
Stephan und Letocha, beseitigen. Da die erstgenannten
beiden Herren, die die Polen anch jetzt in Gnaden bei-
behalten wollen, im Grunde schon mehr Polen als Zen-
trumslente waren, so handelt es sich um einen umfassen-
den Nngriff auf die gesamte istellung des Zentrums,
wobei die Polen dem Zentrum gegenüber dieselbe Rück-
sichtslosigkeit zeigen, wie dis polnischen Genossen gegen-
über der Parteileitung der sozialdemokratischen Partei.
Der Unterschied ist nnr der, daß die polnischen Sozial-
dencokraten in Oberschlesien nicht viel mehr als Zähl-
kandidaturen zustande bringen können, während die Zen-
trumsmandate durch den Polnische Nngrisf nmsomehr
gesährdet sind, als es sehr wohl geschehen kann, daß zum
mindesten ein Teil der Polnischen Geistlichen, die sich mehr
als Polen dcmr als Katholiken sühlen, ihre starken Agi-
tationsmittel in den Diensl der zentrumsfeindlichcn Polen
stellen. Es wird abzuwarten sein, welche Wirkung ein
solches Vorgehen der Polen auf das bisher so rührend
innige Verhältnis zwischen Polen und Zentrum haben
wird. _

Kirr deutsch-rrrfstscher Awischcnsall.

Dem Londoner „Standard" wird ans Odessa vom
21. d. M. berichtet: Das deutsche Kanonenboot „Loreley", !
welches als Legationsschifs im Bosporus sungiert, macht '

..

' gegenwärtig die Rnnde in den hanptsächlichsten Häsen
deo Lchwarzen Meeres. Am vorigen Sonntag war dis
„Loreley" im Hasen von N i e o I a j e w. Ihr Befehls-
haber nnd die Ofsiziere waren abends in einem Ver-
gnügnngsorte am Flußnfer nnd wurden sestlich bewirtet,
während die Mannschasten in kleinen Scharen die Gäste
bei Freunden an anderen Orten waren. Zwei deutschs
Niatrosen saßen mit einigen Frennden vom Zivil an
einem offenen Büsset am Boulevard, als der russische
Kommandant vorbeiging. Kraft einer örtlichen Be-i
stimmung, welche den gemeinen Soldaten und Ällatrosen
den Besnch des Boulevardv an Sonntagen nnd Feiertagen
verbietet, befahl der Kommandant den deutsche» Alatro-
sen und deren Freunden, das Büffet zu verlassen. Sie
weigerten sich, worans der Kommandant den Polizei-
inspektor anwies, sie wegziisühren, aber der Beamte lehnte
die Einmischiing ab. Der Kommandant ließ nnn Sol-
daten holen, die Matrosen verhasten und nach der Acili-
tärwache bringen, wo sie die Nacht zubrachten. Der Be-
fetzlshaber der „Loreley" forderte nach einer Beratnng
mit dem deutschen Konsul in Nicolajew eine befriedigends
Abbitte des russischen Kommandanten binnen 24 Stunden
nnd drohte, widrigensalis an die Admiralität in Berlin
iim Jnstriiktionen zu telegraphieren. Der russische Kom-
maiidant beschnldigte die deutschen Matrosen der Trnn-
kenhcit und liederlichen Betragens, was indes zahlreichö
Angenzeugen bestritten. Da die Erklärimgen deo Kom-
inandanten und des Gouverneurs der Stadt dem Be-
sehlshaber der„LoreIey"unbefriedigend erschienen, meldetö
er den Zwischensall dem Chef der Admiralität nach
Berlin.

Ano Berlin wnrde anf diese Meldnng des „Standard"
erwidert: Die Meldnng des englischen Blattes dürfte aller
Wahrscheinlichkeit nach, wenn nicht auf Erfindimg, so
doch anf starker Entstellung beruhen, da hier über den
Vorgang nichts bekannt ist, was sicher der Fall wäre,
wenn es sich um eine Sache von einiger Wichtigkeit han->
delte.

Jnzwischen macht das Londoner Blatt weitere An-
gaben. Nach einem Telegramm der „Frkf. Ztg." meldei
es aus Odessa vom 22. Ängust: Es verlantet, die „Lore-
ley" segelte heute Nachmittag von Nicolajew ab, ohne
daß ihr Kapitän die vom rnssischen Kommandanten ge-
forderte Genugthnung wegen der willkürlichen Verhaf-
tnng dentscher Matrosen erlangt hat. Der ganze Sach-
verhalt ist der Admiralität in Berlin und dem deutschen
Botschafter in Petersburg telegraphiert worden. Die
„Loreley" kehrt direkt nach dem Bosporns zurück, an-
statt, wie vorher festgesetzt war, in Odessa einen viertä-
gigen Besnch abzustatten. Das Verhalten des Koinman-
danten wird von allcn nnparteiischen Aiigenzeugen des
Zwischenfalles einstimmig gemißbilligt. Die Weigerung
des Polizeiinspektors, dem Verhaftungsbefehl des Kom-
mandanten nachzukommen, widerlegt die Behaiiptung,
daß die dentschen Seeleute sich unordentlich betragen hät-
ten. Dem Vernehmen nach mißbilligte der Gouverncnr
von Nicolajew, an den das Verlangen des dentschen Ka-
pitäns nm Genugthuiing zuerst gerichtet war, das Ber-
haltens seines militärischen Kollegen und begnnstigt ditz
Gewährung einer solchen.

Nunmehr sind in Berlin Meldungen eingetroffen,
welche erkennen lassen, daß die Sache einen thatsächlichen
Hintergrund hat. Wie das Wolff'sche Telegraphenbureau

Kleine Zeitung.

— Ein Brückcneinsturz in Akünchcn. Münche n, 26. Aug.
Heute bald nach 1U Uhr nachmittags brach das Gerüst,
welches den nahezu fertiggestellten rechtsseitigen Bo-
gen dcr Corncliusbrücke stützte, aus noch unbekannter Ursache
samt dicsem zusammcn und begrub beim Zusammenbrechen die
an diesem Teile des Baues beschäftigten Arbeiter. Die im Bau
begrisfene Corneliusbrücke besteht aus zwei Bogen. Cingestürzt
ist der 38,50 Metcr lange rechte, über die sogencmnte klcine
Jsar nach der Au hinüberführende Bogen. Der Bauführer
stand auf dem Bogen, sah wie er sich öffnete nnd konnte gerade
rwch auf den linkcn intakt gcbliebenen Bogen springen; hinter
ihm erfolgte der Einsturz. 20 Arbeiter hattcn sich sünf Minu-
ten bor der Katastrophe aus dcn linkeu Bogen begeben. Zwei
Wagen wollten eben den rechtcn Bogen hinauffahren; die
Pfevde konnten noch zurückgerisscn werden. 18 Arbeiter sind
verlctzt, bavon 6 schwer; einer starb aus dem Transport, einer
kurz danach. Man fürchtet, daß ein odcr zwei holzsuchende
Kinder unter der Brückc liegen, doch ist es nicht gewiß; sie
würden sonst wohl in Brei zerguetscht sein. Man vermutet,
laut „Frkf. Ztg.", daß ein Widerlager in der Mitte des den
Bogen tragenden Holzgerüstes nachgcgeben und sich das Gerüst
in der Nlitte gestreckt hat, woraus der Einsturz erfolgte. Der
Bogen wäre heute fertig geworden; es sollten nur noch zwei
Führen Beton aufgetragcn werdcn, dann sollte die Hebcfcier
ftarrsinden. Die eingestürzte Brücke besteht aus Steinquadern
und Bcton.

— Tie Feuerung dcr Bismarck-Siiulen. Bekanntlich sind

die meisten der ausgesührten und im Bau begriffenen Bismarck-
Säulen so eingerichtet, daß oben auf rhn-en bei festlichen Ge-
legenheiten ein Feuer abgebrannt werden kann. Die Feuerungs-
borrichtung bietet sowohl nach ihrer erstcn Anlagc, als arich
in Rücksicht auf den zri verbrennenden Stoff mancherlei Schwic-
rigkerten, da einerseits erheblichc Kosten aufgewandt wcrden
müssen, anderseits jede Brandgefahr, die etwa durch Flug-
feuer oder Funken entstehen könnte, auszuschlicßen ist. Bti
dem an erfter Stelle preisgekröntcn Entwurf des Architekten
W. Kreis ist oben arrf der Säule eine große crserne Schale
oder Pfanne vorgesehen, in die man den Brcnnstosf legt. Bei
einer großen Anzahl Sänlen bedieirt man sich cincr Brcnnstoff-
Zrrsammensetzung, die ergens zu diescm Zwecke gcmischt wnrde,
und zwar besteht sie aUs 80 Teilen Talg, 8 Teilcu Rüböl nnd
12 Teilen Petroleum, auf 100 Teile gemessen. Diese Zusam-
mensetzung hat man bei der Säule anf der Asse bci Brcmn-
schweig mit bestem Erfolge verwandt. Man brachte dort den
Stoff in 28 schmiedeiserne Gcfäße, die man bann ringförmig
überemander in der Pfanne anordnete. Bei einer Brenndaucr
von 3 Stunden wurde dadurch ctwa 400 Mk. Kosten vernrsacht,
11L Stunden Brenndaucr k'ostcten etwa 120 Mk. Vor dem
Anzünden legte man obcn auf jedcs Gefäß noch einen leicht
brenttbaren, mit Petroleum getränkten Stoff. Bci dcr Sänle
auf dem Ettersberg bei Weimar verwendet man eincn ähn-
lrchen, aber einfachern und billigcrn Brennstoff. Sowohl auf
der Asse, als auf dem Ettersberge hat man die Crfahrring ge-
macht, daß die Entsendrmg von Flugfeucr nnd Funkcn völlig
ausgeschlossen ist und man daher dcn Brennstoff in unmittcl-

Winde anzünden kann. Die Wirkung der mehrere Meter hoch

aufschlagcnden, schwalchenden Flammc ist gcwaltig. Eine
eigcnartige Vorrichtung hat die Firma Dr. Otro u. Comp. rn
Dahlhausen a. d. Ruhr auf ihrer dort errichteten Bismarck-
Säule getroffen. Arrch dicsc Säule trägt oben eine Schale,
in die mit einer Handpumpe und einer besondercn Röhrcnvor-
richtnng aus untcu aufgestelltcn Fässern Bcnzol gctrieben wird.
Bcvor dies geschieht, wird mit Benzol getränktcs Stroh, Holz
nnd dcrgleichen in die Schale gebracht nnd angezündet. Als-
dann beginnt man mit dem Pumpcn. Sobald das Bcnzol das
obcn erhitzte Schlangcnrohr erreicht, vergast cs nird strömt aus
den Ocffiningen hcrvor, um mit lebhaft leuchtcndcr Flamme zu
vcrbrenncn. Das Fener in dcr Schale brancht nicht crhalten
zu werden, da die Erhitzung des Rohrspstcms dnrch Strahlnng
der Flamme uinmtcrbrochcn vor sich geht. Dic gcsamte Anlags
kostete 1450 Mk. Bei einer Brcmidaucr vo» drci Stnndcn
wcrdcn etwa 1600 Liter Benzol im Wcrte von 260 Mk. vcr-
braucht. Die autzerordentlich hcll leuchtcnde Fkamme schlägt
ctwa 7—8 Mcter hoch und entscndet weder Funkcn noch Flug-
fcucr. Aehnliche Wrrkrmgcn kann man auch mit Gasvcrbren-
nung crzielcn, -doch wird diese bei nnr wenigen Sänlcn wegcn
der weitcn 'Entfcrmmg der Gasleitrmgen in Betracht kommen.

— Einc Statue dcr Jnngfrim von Orlcans. Ein Englän-
der, namens Daltou, hat dcm Präfckten der Vogcsen eine Sta-
tue der Jnngfrau von Orleans geschcnkt, >dic in dcm angcblichen
Geburtshaus der Jungfran in Domremy Aufstellmig gcfimdeu
hat. Dic Statue ist lebcusgroh nnd trägt anf dcm Sockel in
Englisch und Französisch dic Jnschrift: „Jcan d'Arc crhcbt sich
nm Mittcruacht, um dcn Stimmcn zu laiischcn." Darnnter
stcht in Hcbräisch: „Gott ist meine Stärke und mcin Hcil,
vor wcm sollt ich mich fürchten?" Die Bevölkerilng von Dom-
 
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