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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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Dienstag, 26. August 1902.

Grstes Blatt.

44. Jahrgang. — ^ 198.

Erscheinttäglich Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be>

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

»nzeigenpreis:2V Pfg. für d<e Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
v orgeschriebenen Tageu wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Lnserate anf dcn Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 83

Für den Monat

Septembek

nehmcn sämtliche Postanstalten und
Postboten Bestellungen auf die
„Heidelberger Zeituug" schon
jetzt entgegen. Die „Heidelberger
Zeitung" kostet, durch die Post be-
zogen, nur

4? pfennig prs Monat.

Meöer das Deutschtum in Khina

erzählt H. Wilda im „Welthandel" (Beiblatt der „Tcut-
fchen Export-Reoue"):

Wenn auch die Anzahl der Dentschen hinter der-
jenigen der Engländer, Amerikaner und Portngiesen
erheblich znrückbleibt, die Anzahl Ler Engländer isl etma
fünfmal so groß, so erklärt sich dies znm Teile daraus,
daß die Engländer nnd Amerikaner, sowie die Franzosen
fehr viel mehr Missionare nach China entsanüt haben
als die Teutschen, und daß etwa 600 Engländer im
chinesischen Zolldienst beschäftigt find. Demgegenüber
kann es nns nnr mit Befriedigung erfüllen, daß die
deutsche Bevölkcrnng in Shanghai dnrch eine weitgehende
soziale Gleichartigkeit und hohe gesellschaftliche Stellnng
gekennzeichnet wird und sich in viel geringerem Matze als
die anderen Nationalitäten, ganz zu schweigen von den
Portugiesen, die hänfig den chinesischen Bettlern erfolg-
reiche.llonkurrenz machen, aus den mittleren nnd niede-
ren Schichten rekrutiert.

Tiese soziale Vorzugsstellung, möchte man sagen,
komint auch in der Anzahl der deutschen Firmen znm
Ausdruck, denn hier steht Deutschland, wenn man von
den Japanern absehen will, an zweiter Stelle, alle andern
weit, um mehr als die Hälfte hinter stch znrücklassend,
und den Amerikanern, Franzosen, Russen, Oesterreichern
und Belgiern zusammen gleichkommend.

Aber auch dieses Bild wird noch günstiger bei näherer
Betrachtung. Wenn anch die Zunahme der Engländer
wie der Amerikaner ungefähr doppelt so ftark wie di«
der Teutschen gcwesen ist, so hat doch die Anzahl der
deutschen Firmen in dcn letzten 26 Jahren doppelt so
stark zngenomnien wie die der Engländer, während die
amerikanischen sogar einen Rückschritt zu verzeichnen
haben. Schon dies zeigt die hohe und wachsende wirt-
schaftliche Bedcutnng der Deutschen.

Tie wirtschaftliche Bedeutnng der Dentschen tritt
aber noch deutlicher hervor in anderer Beziehung. Viel-
leicht ist darauf, daß die Deutschen im wesentlichen Hanse-
aten sind, die anch daheim vorwiegend im Großhandel
beschäftigt waren, die Thatsache zutnickAlfuhren, !daß
die Teutschen in weit höherem Maße als die Angehörigen
vnderer Nationen im Großhandel thätig sind, man kann f
fast sagen, im Ein- und Ausfuhrgeschäft geradezu auf- ?

Kleine Zeitung.

— Bayerische Seitenfiücke zum Fall Löhning. Aus
München schreibt man: Der Fall Löhning regt an, nach
Verehelichungsvorgängen Umschau zu halten, in denen
preußische Minister aparte Standestheorien geltend machen
könnten. So kann man einen sehr bcdeutenden, seit meh»
reren Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilmden
süddeutschen Staatsminister nennen, dessen mit Recht hoch-
angeschene Gattin Zimmermädchen gewesen ist und aus
ciner Badersfamilie stammte. Sie war, bevor sie den
Minister ehelichte, die Gattin ei'nes bedeutenden Groß-
industriellen, bei dem sie Zimmermädchcn gewesen war,
und der sie in zweiter Ehe geheiratet hatte. — Da hat
ein bayerischer General als Oberst in den 80er Jahren
allerdings andere Anschauungen gehabt. Er zwang einen
Leutnant seines Regiments, seinen Abschied zu nehmen,
weil seine Brant, die eincr angesehenen Bürgersfamilie
cntstammte und persönlich in jeder Beziehnng tadellos war,
öfters im elterlichen Pelzwarengcschäft geholfen hatte, die
Kunden zu bedienen. — Ein anderer hoher Offizier, ein
akttver General, dachte in Bezug auf sich selbst wieder
anders, als der Oberst in Bezug auf einen Untergebenen.
Er heiratete seine Köchin. Er blieb aktiv. — Offiziers-
töchter gehen auch mitunter in dieuende Stellungen. Man
hat noch nicht gehört — gottlob! — daß die Stellung
ihrer Väter darunter gelttten hätte. Der „Kommerzienrat"
tst ein ganz respektabler Titel und doch ist er schon an
Personen verliehen worden, die im Laden Kunden bedienten.

gehen. Nur wenn diese Großhandelsfirmen einander
gegenübergestellt werden, ergiebt sich aus gleicher Grund-
lage ein gerechter Vergleich für die wirtschaftliche Leist-
nngsfähigkeit. Ein solcher Vergleich läßt sich auch zwi-
schen Deutschen nnd Engländern anstellen, da sich die An-
zahl der Großhandelsfirmen dieser Nationen wie zwei
zn drei verhält. In den einzelnen chinesischen Hasen-
plätzen verschiebt sich das Verhältnis natürlich beträcht-
lich. Der Sitz des englischen Uebergewichts ist Shanghai,
wo genan doppelt so viele englische Großhandelssirmen
wie deutsche thätig sind, was sich in erster Linis darans
erklärt, daß Shanghai der Hauptelnfuhrhafen für Baum-
wollwaren ist, die noch immer trotz zunehmender amerika-
nischer Konkurrenz vorwiegend englischen Ursprungs
sind und nicht weniger als 40 Prozent der gesamten Ein-
suhr Chinas ausmachen und natürlich sür Shanghai noch
einen weit erheblicheren Brnchteil bilden. Sieht man
von diesem weitaus umsangreichften aller Einsuhrartikel,
an dem deutsche Firmen keineswegs unbeteiligt sind, ab,
so dürfte die Einfuhr sast zn gleichen Teilen in deutschen
und englischen Händen liegcn, und ähnlich steht es mit
der Anssuhr, wenn von Thee, in dem die Russen, und
von «eide, in der die Franzosen heroorragend thätig sind,
abgesehen wird. Jn Hongkong ist das Verhältnis für die
Teutschen schon viel günstiger. Und in den anderen
Hasenplätzen, die an der chinesischen Küste den Fremden
zugänglich sind, in den sogenannten Außenhäsen, das
heißt allen chinesischen Vertragshäfen, ausgenommen
Lhanghais, kamen im Jahre 1899 die Deutschen mit
47 Firmen den Engländern mit 34 Firmen sehr ncche,
ein Verhältnis, das sich ohne Zweisel heute noch günstiger
gestaltet hat. Außerhalb des Jangtsethales standen
1900 36 deutsche Firmen 33 englischen gegenüber, und
in einzelnen wichtigen Vertragshäsen hatten die Deut-
schen schon damals ein ausgesprochenes Uebergewicht, so
waren vor dem Kriege in Tientsin neben 9 englischen 16
deutsche, in Kanton neben 6 englischen 8 deutsche Firmen
thätig, in dem genannten wichtigen Hafen des Nordens,
wo wir seit dem Jahre 1896 eine eigene deutsche Nieder-
lassung haben, sollen die deutfchen Firmen am Handel
stärker beteiligt sein, als die aller andern sremden Na-
tionen zusammengenommen.

Deutsches Reich.

— Die Nicderlage in Forchheim-Kulmbach für
das Zentrum ist mehr als beschämend. Nicht nur ist
der klerikalen Presse eine vernichtende Antwort auf den
siegesübermütigen Hohn zuteil gewordcn, mit dem ste die
Ergebnisse des ersten Wahlganges gegen den Liberalismus
in Bayern auszuspielen versucht hat; mehr noch, sie hat
eine Wahlschlacht verloren, deren Ergebnis sie als das
Kcnnzeichen der innerpolitischen Situation und den Beweis
der klerikalen Uebermacht auszunützen trachtete, und dazu
hat mit dieser Wahlschlacht das Zentrum zugleich einen
Wahlkreis verloren, den es seit 1881, dank der Zer-
splitterung der freiheitlich und nationalgesinnten Wähler
ununterbrochen behauptet hatte! Vor allem aber ergeben
die Zahlen der Stichwahl, daß auch zahlreiche katholische
Wähler sich gegen das Zentrum entschieden und am Sieg
des nationalliberalen Kandidaten mitgewirkt haben und es
ist mit dieser Wahl der Beweis erbracht, wie bröcklich d:e

— Der „geliude" Winter", wie der Berliner Volks-
witz diesen Sommcr nennt, hat, wie die „Kreuzzeitung" aus
Berlin schreibt, für alle Gewerbetreibenden, für die die
paar Sommermonate die Haupteinnahme des gauzen Jahres
liefern, großen Schaden gebracht. Am schlimmsten sind
die Jnhaber dcr Sommerlokale daran, da sclbst ein noch
so guter Nachsommer das Verlorene nicht wieder einbringen
kann. So mußte, wie der „Konfektionär" erfährt, dcr
Wirt eines der größten Lokale der Umgegend auf der
Grundlage von 25 pCt. mit seinen Gläubigern Vergleich
abschließen. Auch die großen Stadtlokale haben von der
unveständigen Witterung, die von Ausflügen in die Um-
gegend abhielt, großen Schaden gehabt. Die Pächter der
Wirtschaft des zoologischen Gartens, der selbst beim schlech-
testen Wetter das besuchteste Berliner Lokal bleibt, hat
selten ein so schlechtes Jahr gehabt, und der Pächter einer
anderen großen und sehr beliebten Gartenwirtschaft soll
bisher einen Verlust von 50 000 Mark erlitten haben.

— Brauuschweig, 25. Aug. Ter Schuellzug Köln—
Brauuschweig—Berlin, der Köln 11 Uhr 27 Miu. abends
uud Braunschweig 5 Uhr 33 Min. morgens verläßt, ist
hcute früh um 5^ Uhr bei Schandelah, zwei Stationen
hinter Braunschweig, eutgleist. Vier Bcamte und ver-
schiedene Fahrgäste wurden verletzt, jedoch keiner schwer.
Der Verkehr zwischen Braunschweig und Magdeburg geht
einstweilen über Jerxheini. Die Urs'che der Eutgleisung
scheint ein Radreifenbruch zn sein. Die beiden Maschinen
liegen quer über den Geleisen, der Gepäckwagen ist zer-
trümmert. Beide Geleise sind gesperrt.

Macht des Zentrums in den vielen Wahlkreisen ist, die jetzt
noch dank der Zerrissenheit der Parteien vom Zentrum be-
hauptet werden.

— Die „Leipziger Neuesten Nachrichten" wollen wissen,
daß die Burengeueräle De Wet nnd Delarey im
Dczember iu Berlin eintrcffen werden.

— Auch für diejenigen Kreise, die sonst in Bezug aus
Personalveränderungen gut unterrichtet zu sein
pflegen, so schreibt man der „Straßb. Post", hat die
Verabschiedung des Generalleutnants, Frhrn. v. Rechen-
berg, einigermaßen überrascht, zumal die von ihm bekleidete
Stelle des Direktors der Kriegsakademie eincm
häusigen Wechsel nicht unterworfen zu sein pflegte. Die
Neubesctzung der Stelle erfolgt auf den Vorschlag des Chefs
des Generalstabcs der Armee, und es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß sie außerterminlich, d. h. nicht auf Grund
der monatlichen Gesuchslisten erfolgt, da der neue Lehrgang
auf der Kriegsakadcmie bereits am 1. Oktober beginnt und
der Nachfolger in der Direktorstelle sich vor deren Antritt
zweckmäßig etwas einarbeitet. Wer für die Stelle in Aus-
sicht genommen ist, läßt sich kaum absehen, und es schwirren
bereits alle möglichen Namen in der Luft herum.

A us der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgeiiaiinteii Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr Sinsheim
und zwar: dem Weinhändler Friedrich Dörner, den, Tag-
löhner Heinrich Lipp, dein Landwirt Karl Stoll nnd dcm
Handelsmann Wolf Schcrer daselbst oas Ehrenzeichen fnr
40jährige trene Dienste bei der freiwilligcn Fenerwehr verliehen.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Geistlichen Nat Karl Rolfns in Herthen das Koinmandenrkrenz
II. Klasse mit Eichenlaub nnd dem Pfarrer Mathias Schaefle
in Grafenhausen das Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zäh-
ringer Löwen, dem Verwalker beim Männerznchthans Bruchsal,
Oberrechnnngsrat Ferdinand Renther das Ritterkrenz I. Klasse
mit Eichcnlanb des Ordens vom Zähringer Löwen und denr
Direktor der Kaiserlichen Fischzuchtanstalt in Blotzheim.Oekonomie-
rath Haack, das Nitterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zäh-
ringer Löwen verliehcn.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Verwaltcr bcim Männerzuchthans Bruchsal, Oberrechnungsrat
Fcrdinand Renther anf sein Ansuchen unter Anerkeiinung sei-
ner langjährigen tren geleisteten Dienste anf 1. Oktober d. I. in
den Nnliestand versetzt.

— Amtsaktuar Gabriel Bnschler beim Bezirksamt Boxberg
wnrde zuin Registrator daselbst ernannt.

— Der Verwalter des Landesgesängnifses und der Weiber-
strafanstalt Brnchsal, Rcchnnngsrat Wilhelm K ran ti ng e r,
wnrde in gleicher Eigenschaft an das Männerzuchthaus Brnchsal,
Oberbnchhalter Hermann Schick beim Landesgefängnis Freibnrg
wurde in gleicher Eigenschaft an das Landesgefängnis und die
Weiberstrafanstalt Bruchsal versetzt nnd daselbst mit Versehung
der Verwalterstelle betraut, Oberbuchhalter Karl Wäsch beim
Landesgefänguis Mannheim in gleicher Eigenschaft an das Landes-
gefängnis Freiburg nnd Verwaltnngsassistent Alfred Graf beim
Landesgefängnis Freiburg in gleicher Eigenschaft zum Landes-
gefängnis Mannheim versetzt und daselbst niit Versehung der
Buchhalterstelle betrant.

Karlsruhe, 25. August. Der Großherzog und die
Großherzogin mit dem Prinzen Friedrich Leopold von
Preußen und Gefolge begaben sich gestern Vormittag lOff.
Uhr von Mainau nach Schloß Salem, um an der Taufe
der Tochter des Prinzen Max theilzunehmen. Jn Unter-
uhldingen erwartete Prinz Max die höchsten Herrschaften
und geleitete von da den Prinzen Friedrich Leopold als

— Wien, 25. Aug. Der Maler Heinrich v. Siemi-
radzky ist Sonntag Nacht auf seinem polnischen Land»
sitze gestorben. (Henryk v. Siemiradzky wurde in
Petschenegi bei Kharkoff in Südrußland als Sohn einer
polnischen Familie geboren und erhielt seine Ausbildung
auf der Petersburger Akademie. Daran fchlossen sich mehr-
jährige Studienreisen, die ihn nach Jtalien und Deutsch-
land führten. Er arbeitete auch ein halbes Jahr in
München, aber unabhängig von Piloiy. Von Rom sandte
er 1873 sein erstes größeres Bild „Christus und die Ehe-
brecherin" nach Petersburg, das großen Beifall fand und
von Kaiser Alexander angekauft wurde. Jm Jahre 1876
beendigte er sein berühmtes Bild „Die Fackeln des Nero",
das in ganz Europa Aufsehen erregte und jetzt in Krakau
sich befindet. Von den späteren Hauptwerken sind vor
allem noch zu nennen: „DaS heilige Abendmahl",
„Christus bei Maria und Martha", „Phryne in Eleusts".
Jn seinem Wirkcn als Historienmaler liegt Siemiradzky's
Hauptbedeutung, doch schuf er auch eine große Zahl
rcizender Genrebilder.)H

— Die desinficiereude Kraft heißer Wasserdämpfe
glaubt ein japanischer Arzt, Keisaku Kokubo, auf Grnnd
eingehender Laboratoriumsversuche dadurch in wirksamster
Weise verstärken zu können, daß er den Dämpfen gewisse,
wegen ihrer desinficierenden Wirkung bekanntc Chemikalien
zusetzt. Er berichtet über seine Experimente im Zentralblatt
für Bakterien- und Parasitenkunde. Versucht wurden Zu-
sätze von Carbolsäure, Creolin, Creosot, Terpentinöl,
Thymol, Formaldehyd u. a. m. D!e Zusätze waren von
 
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