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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0185

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Moutag, 2^. Iuli 1902. b-vikes Blatt. 44. JahrgkNg. — -N 173.

Erscheint täglich Sonntags anSgenommcn. Prcis mit Familienblöttern monatlich 50 Psg. in's Haus gcbracht, bei dcr Expedition und den Zweigstellen abgcholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ansschließlich Zustellgcbühr.

Anzeigcnpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Pctitzeilc oder dcren Raum. Rcklamezeile 40 Pfg. Fiir hicsige Gcschästs- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
dvrgeschriebenen Tagcn wird keine Derantwortlichkcit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plokottafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstcllen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Die Lage der öadischen SLaatsöayn «nd der
Kisenöaön schukdentitgungskasse.

8RL. Der jetzige unerfreuliche Stand in der Geldgc
bahrung der Eiscnbahnschuldentilgungskassc eiklärt sich durch
den starken Rückgang der Eise nb ah nrente,
welche bcreits im Jahr 1900 eingesetzt hat, im Jahre 1901
ober noch weitere Fortschritte machte. Der Bericht, den dcr
Abg. Gicßlcr für dcn londständischen Ausschuß verfaßt hat,
bcranschaulicht die Bewegung dcr Bahnrente durch solgende
Zahlen

betragen

17 090 455 Mk. 88 Psg.

19 184 592 „ 47 „

20 960 887 „ 83 „

22 939 312 „ 22 „

22 397 306 „ 27 „

24 225 252 „ 04 „

17 141 659 „ 54 „

13 916 714 „ 62 „

Der Rcinertrag hat sich also 1901 gegen das Vorjahr

«M. 3224944 Mk. S2 Pfg.

und gegen das Jahr 1899 nicht

Keniger als um. 10308537 Mk. 42 Pfg.

8emindert, also eine außerordentlich starke Minderung
»inerhalb zweier Jahre erfahren.

Während im Jahre 1900 die Ursache der Min-
bcrung nicht in cinem Rückgang der Einnahmen ous
^ersouen- und Güterverkehr, sondern im starkeu An-
^achsen der Ausgaben zu suchen war, ist im Bc-
-'chtsjahre infolge des Drucks der allgemeinen wirtschast-
»chen Lage ein erheblicher RückgangderEinnahmen,
^wentlich aus dem Güterverkehr (42,3 Millionen gegen
^5,4 Mtllionen Mark) zu verzeichnen.

die Bruttoeinnahmen:

62 010 065 Mk. 60 Pfg.

66 571 523 . 38 „

70 658 902 . 72 „

78 046108 . 59 .

74 215 526 „ 21

Der Reinertrag hat
imJahr 1894
„ „1895

„ „ 1896

„ .. 1897

1898
„ „ 1899

.. 1900

1901

Es

haben betragen
im Jahr 1897

„ , 1898

„ . 1899

. . 1900

. . 1901

die Assgaben
im Jahr 1897
. , 1898

„ . 1899

. „ 1900

, . 1901

Das prozentuale

39 070 753 Mk. 38 Pfg.
44 180 217
46 433 650
60 904 449
60 298 811
Berhältnis zwischen

38
11
68 „

05 .

59 .

Bruttoeinnahmen

Ausgaben hat sich also schr wesentlich verschlechtert.
Vcrgleichung sei der Betriebskoeffizient des
Jahrzehnts angegeben, der folgende Bewcgung auf-

im Jahr

1890

1891

1892

1893

1894

1895

1896

61,18

71,20

70,04

63,26

65,61

63,82

63,08

Proz.

im Jahr 1897 62,43 „

„ ,. 1898 65,73 „

„ „ 1899 65,10 „

„ „ 1900 77,63 ,.

.. ,. 1901 80,77 „

Die Rentabilitätsberechnung der letzten acht
Jahre zeigt folgendes Bild:

Die Verzinsung beträgt in Proz.



nack

dem Anlagekapital:



1894

1895

1896

1897

1898

1899

1900

1901

3,89

4,24

4,48

4,84

4,67

4,85

3,37

2,59°/„



nach den

Baukosten:


3,87

4,16

4,37

4,70

4,53

4,71

3,29

2,53°/,



nach

der reinen Schuld:



5,43

6,03

6,55

7,30

7,22

7,49

5,08

3,89°/,

Zu den vorstehenden Zahlenangaben bemerkt der Bericht
des landständischen Ausschusses:

Dieses starke Anwachsen der BetriebskoSffizienten und
das Fallen der Eisenbahnrente beansprucht die ernsteste
Aufmerksa mkeit. Schon der letztjährige Bericht des
landständischen Ausschusscs hat Veranlassung genommen,
nach den Ursachen zu forschen und hat solche in den Bereich
seiner Erwägungen gezogen, um ungünstige Vergleiche mit
anderen Bahnen aufzuklären. Während der letzten Tagung
des Landtages wurden dieselben wiederholt erörtert;
gelegentlich der Generaldebatte über die Eisenbahnbetriebs-
verwaltung, sowie der Verhandlung über die Petitionen
der Eisenbahnbeamten und -Arbeiter wurden einzelne
llrsachen eingehender von den Vertretern der Großh. Eisen-
bahnverwaltung dargelegt. Es wird zweckmäßig sein,
dieselben nach einem neuerlichen Bericht des Großh. General-
direttors im Zusammenhang hier aufzunehmen.

Deutsches Neich

— Bcrliner politische nnd journalistische Kreise intercsstert
die Frage, auf welche Weise von Wien aus die letzte
Nachricht iibcr angeblicheAendcrungen derDrei-
bundvcrträge nnd zwar die Mittcilung, daß Jtalien
vcrpflichtct gewesen sci, ein ArmeekorpsdurchUngarn
nach der rumänischen Grcnze gegen Rußland
zu stellen, in Berliner Blättcr lanciert wordcn ist. Das
Telegramm, das diese Meldung enthielt, kam in der Nacht
und ist anfgenomnien worden, weil man nach der Stellung
seines Absenders annchincn umßte, daß es einc Nachricht
dcr Wiener „Neuen Freien Presse" wiedergebe. Man war
dann sehr erstaunt, als die „N. Fr. Pr." diese Nachricht
nicht enthielt. Nach den bcglcitenden Umständen muß man
annehmen, daß dieses Wiener Blatt die Nachricht bringen
wollte, daß sie als seine Nachricht weiterdepeschiert worden
ist, schlicßlich aber in dcm Blatte selbst nnterdrückt worden
und jedenfalls nicht erschiencn ist.

Kiel, 26. Juli. W a l deck-R oussea u ist an Bord
der „Arianc" von Kopenhagen hier eingctroffen.

Baden.

— Aiikunpfend an den Staatsvertrag bctr. die Main-
Neckarbahn führt Herr v. Göler nach der „Landpost" aus:

Es erscheint uns in erster Neihe die Gewiimung einer e i n-

heitlichen Zentralleitnng aller deutschen Eisenbahnen
in wirtschaftlicher und finanzieller Beziehung dringend geboten.
Wir haben ferner wiederholt bctont, daß dic Erreichung dieses
Zieles auf dem Reichswege uns am willkominensten sein
würde; da aber dieser Weg auch uns durchaus ungangbar er-
scheint, weil Preußcn bci der hohen finanziellen Bedeutung seiner
Bahnen nic zustimmen wird, daß, die Entscheidung über seine
Eisenbahnpolitik in den Neichstag gelegt werdc, so erübrigen nur
zwei weitere Lösnngcn, entweder eine Betriebs- und Finanz-
gemeinschaft auf dem Wege staatlicher Verträge nach dem Muster
dcr Preußisch-Hessischen Gemeinschaft, oder aber die Schafsung
cincr technischen, dem Bundesrat zur Seitc gcstellten Zentralstellc
znr gemeinsamen Regelung aller wichtigen Betriebsfragen ohne
Finanzgemeinschaft. Wir würden den letzteren Weg vorziehen;
wenn abcr Preußen, wie zu vermuten steht, hierfllr uicht zu ge-
winnen sein wird, so würden wir auch vor dem Ziel, das Freiherr
v. Hehl erstrcbt, — die Nationalisierung unsercr deutschen Verkehrs-
wcge auf Grundlage der Betriebs- und Finanzgemeinschaft — nicht
ziirückschreckcn. Den Nachdruck legen wir aus die dringende Not-
wendigkeit einer ba ldig en Lösung dieser hochbedeutsamen volks-
wirtschaftlichen und nationaleu Frage.

Wir glauben demgegenüber nicht, daß die Äd-
deutschen Staaten das Budget ihrer Bahnen dem preußi-
schen Landtag unterstellen werden. Etwas anderes wäre
cs vielleicht, wenn man ein besonderes Eisenbahn-
parlament schaffen würde, wie man s. Zt. ein Zoll-
parlament gehabt hat.

L.6. Lahr, 27. Juli. Heute Nachmittag fand in der
Gambrinushalle eine zahlreich besuchte Protest-Ver-
sammlung gegen die Zulassung von Männer-
Orden statt. Beide Säle waren überfüllt. Nach einem
ausgezeichnclen etwa zweistündigen Vortrag Obkirchers,
der stürmischen Beifall fand, wurde eine Protest- Resolution
einstimmig angenommen. Bevor die Versammlung
auseinanderging, brachte der Vorsitzende, Kommerzienrat
Maurer ein Hoch auf den Großherzog auS, das be-
geisterten Wiederfall fand.

Aus der Karlsruher Zeituug.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog habei,
dem Kgl. Preutz. Geh. Kommerzienrat v. Hansemann in
Berlin das Kommandeurkreuz 1. Klasse und dem Vorsitzenden
dcs Aufsichtsrats der Deutsck)en Bank in Bcrlin Adolf vom
Rath das Kommandeurkreuz 2. Klasie des Ordens vom Zäh-
ringer Löwen, dem Sänger an dcr Kgl. Hofoper in Berlin
Ernst K' raus das Ritterkreuz 2. Klasse des Ordeus vom Zäh-
ringer Löwcn, dem Kuufmann Äarl Goldschmiüt in
Berlin das Ritterkreuz 2. Klasse des Ordcns vom Zähringer
Lölvcn vcrlichen; dem Bahnverwalter Adols Gerhard in
Milllhcim die Erlaubnis zur Annahme und znm Tragen des
ihm vv» dem Kaiser vcrliehenen Kgl. Preuh. Kroncnordens
4. Klasse erteilt.

— Scinc Königliche Hoheit der Grotzherzog haivcn
ernannt: dcn Bahnbauinspcttor, Oberingenieur Richard Hergt
in Offcnburg zum Vorstand der Eiscnbahnbaninspektion da-
sclbst, den Zentralinspektor, Oberingenieur Otto Hardung
in Karlsruhe zum Vorstand der Eisenbahninspektion daselbst;
dcr Zenrralinspektor, Bahnbaninspektor Otto Hauger in
Gcrnsbach zum Borstand der Eisenbahnbau-Jnspektion daseblst;
übcrtragcn: dem Regiernngsbanmeistcr, Bahnbauinspektor
Christian Lehman n in Kehl die etatmäßige Amtsstelle des
Bahnbauiisipcktors daselbst, ferner dem Regicrungsbaumeister,
Bahnbauinspektor Johann Riegger bei der Grotzh. General-
direktio» nnter Belassnng dcs Tilels „Bahnbaiiinspektor, dem
Rcgierilngsbaumeister Heinrich AbeIe in Dnrlach unter Bcr-
leihnng des Titels „Bahnbaninspektor" und Belassung in sei-
ner bisherigcn Verivcndnng, solvie dem Rcgicriingsbaumeister

Kleine Zeitung.

k- Aus Bayer«, 25. Juli. Jn Bamberg wird, wie
fjj -Allg. Ztg." mitteilt, nach Magistratsbeschluß in Zukunft
^ dstrrädrige Autom obilfah rzeuge ein Pfl aster-
von 30 Pfennig erhoben, währcnd zwei- oder drei-
°v>ge zollfrei bleiben.

kjy T" Köln, 26. Juli. Heute Nachmittag 5'/, Uhr zog
tz^vvnadoartiger Wirbelsturm mit t auben ei großen
oßen über die nördlichen Stadtteile und die nördlichen
^ und richtete erheblichen Schadcn an. Zahlreiche
bjz hungen stnd zu beklagen. Auch die weitere Umgegend
^er^eri Aachen zu ist von dem Unwetter berührt worden.
Schaden an Fenstcrn und Dächern ist groß.

Eerlin, 26. Juli. Dcr KassendienerWagner.
i>yz Mtein cin Geständnis ab. Er gab an, er habe
Eih öei Tcgclort vergraben. Gestern Abend wurde
gksj,Tkil dcs Geldes gefunden, heute früh der Rest. Die
ne Summe bcträgt annähernd 55 000 Mk., von
.ivtzrf ^000 Mk. von Wagner an Schuldner gegeben
jHlen ' Nachdem dicse oon den Schuldnern eingezogen,
'ki, 1000 Mk., die Wagncr für sich verbraucht
" kann.

24. 2uli. Der „Köln. Ztg." wird von hier
l'Hverp.?' Vor kurzem lchnte Lie Lesehalle der Kieler
^ ^ ^e von studentischer Seite beantragte Auslegung

^ ^ ^uchener Wochenschrift „Simplicissimus" ab.
pschj^ soztalLemokratischcn „Scklesw.-Holst. Volksztg."

Bericht übcr die Vorgönge, der beleidigende
LN?Lfl Profkssorcn Tr. Schubert nnd Dr. Papven-

heim als die Urheber dcs Verbots enthiclt. Die genauen
Darlegungen bekundeten, daß die Angriffe von einem Ein-
geweihten stammten. Gegen den mutmaßlichen Verfasser
wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das gestern mit
der Verweisung des Studenten von der Universität und
der Bestrafung mit sechs Tagcn Karzcr endete.

— Hamburg, 26. Juli. Vom Schiffsunglück.
74 Leichen sind bis jetzt geborgen. Die revidierte Verlust-
liste lautet: 109 Personen tot oder vermißt, 92 gerettet.

— Odessa, 26. Juli. Hi'er ist die Pest ausgebrochen.
Vier verdächtige Fälle stnd amtlich festgestellt worden.

— Höflicher Wirt. Auch am schönen Rheine gehören
nicht alle Wirte zu der wundermilden Sorte, was der Arzt
Dr. Friedrich Schuhmann aus Straßburg bestätigen kann.
Er hatte am vorigen Sonntag das Niedkrwalddenkmal be-
sucht und war dann nach Rüdesheim gekommen, wo ein
Gauturnfest gefeiert wurde. Was er hier crlebte, veröffent-
licht er im Rheingauer Anzeiger: „Jch verweilte einige
Stunden auf dem Fcstplatze, kaufte in mehreren Buden und
wollte, da mir Wcingenuß aus Gesundheitsrückstchten unter-
sagt ist, aus eincm im Rasen liegenden Glase mich an dem
Wasser der naheliegenden Pumpe erfrischen. Noch vor
Verlassen des Platzes schrie mich der Wirt mit „Hallunke,
Gauner, Spitzbube" an und drohte, mich totzuschlagen.
Als er mich bei dem überwachenden Polizisten denunzierte,
wurde ich verhaftet, zur Wache gebracht, um in der Zelle
bis 8 Uhr vormittags zu sitzen. Um 10 Uhr wurde ich
entlassen und muß zur Stener der Wahrheit sagen, daß
das Verhalten der Behördcn, insbesondere des Richters ein

äußerst mustcrhaftes war: dagegcn verdient das Benehmen
des Wirtes eutschiedene Mißbilligung." — Der Doktor
scheint ein sehr geduldiger Herr zu sein.

— Wie man sich im englischen Parlament amüsiert.
Man amüstert sich anscheinend im englischen Unterhause
bisweilen recht gut. Vor kurzem lieferte einem Führer der
irischcn Partei, John Redmond, die Parlamentspost ein
an ihn adressterteS Packet aus. Da aber besagtes Packet
jedesmal, wenn man es bewegte, ein Tiktak hören ließ,
das Böses zu verkünden schien, so zögerte der Empfänger,
es zu öffnen, und schließlich faßte sich einer seiner Freunde
— vielleicht war dieser selbst der Absender — das Herz,
es zu öffnen. Unter allgemeiner Heiterkeit sah man nun
das Haupt des Mr. Chamberlain hervorschnellen', der mit
den Augen zwinkerte, sein Monocle verschluckte und dazu
cinen Schrei ausstieß, der wie ein spöttisches Lachen klang.
Vor einigen Tagen wurde dcr Kolonialminister wieder der
Gegenstand eines Spasses derselben Art. Georges Harwood
stellte ein Spielzeug aus, das durch etn Uhrwerk bcwegt
wurde und Chamberlain darstellte, wic er den Kopf bc-
wegte, den Mund öffnete und sein ewiges Monocle fallen
ließ. Der Eindruck war großartig.

— Kairo, 26. Juli. Gestern wurden in Kairo 95,
in Muscha 16 neue Cholerafälle festgestcllt. Die
Zahl der Todesfälle in Kairo ist 93, in Muscha 19. Die
Gesamtzahl der Erkrankungen seit dem 15. Juli beträgt
520 bei 431 Todesfällen.
 
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