Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0465

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Montag, 8. Septemver 1902.

Grstes Blatt.

44. Jahrgang.

— 209

^rscheint täglich Sonntags auSgenommen. PreiS mir Familtenblättern monatlich bv Pfg. in'S Haus gebracht, bei dcr Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. Durch die Post be»

zogen vierteljährlich 1.3S Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

ilnzeigenpreis: 2V Pfg. für dre Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezetle 40 Pfg. Für hicsige Geschäfts- »nd Privatanzeigen ermäßigt. -- Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimwt
dorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anfchlag der Jnserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 93

Aas Kaiserpaar in Irankfurt a. d. K.

Franksurt a. O., 6. Sept. Der Kaiser, die
K aiseriu iulü der K r o u p r i u z trasen vormittags
10 lllir au der t>ei Martendors errichteten Haltestclle
ein. Tic Kaiserm degab sich zn Wagen niit einem Geleit
der 6. Knrassiere, -er Kaiser zn Pserde nach dem Parade-
fcld. Nns dem Wege dahin setzte sich der Kaiser an die
Spitze der Fahneiikompagiiie, die da-s Leibgrenadier-
regiment stellte. Tic Stadt Frankfnrt ist reich geschmückt;
aUe Häuser liaben Flaggenschmuck angelegt.

Bei der Parade über das 3. Ärmeekorps waren serner
anwesend die Prinzen Heinrich, Albrecht, Friedrich Leo-
Pold von Prenßen, Lie Prinzen Ludwig, Leopold nnd
Arnnlf von Baycrn, Herzog Ernst Günther von Schles-
Wig-Holstein, der Prinz van Numanien, Lord Roberts,
Kriegsminister Brodrick, General Kelly-Kenny, die drei
amerikanischen Generale, üer itälienische Generalleut-
nank Saletta, der Earl os Langsdale und die Militär-
artachees der Berliner Botschaften. Es fand zweimaliger
Vorbeimarsch statt. Beim zweiten sührte der Kaiser
das Lcibgreiiadierregiment erstes BrandenburgischeS Nr.
8 vor. Tic Prinzen, Heinrich, Albrecht von Preutzen
und Arnuls von Bayern, sowie Generaloberst von Hahnke
sührten ihre Regimcnter vor. Nach dein Vorbeimarsch
Lesichtigtc die Kaiserin im Wagen, der Kaiser zu Pferde
die auf dem Paradefelde aufgestellten Kriegervereine.

F r a n k f u r t a. O„ 6. Sept. Die K aiserin
kehrte uni 12 Uhr zu Wagen mit Eskorle durch das von
Schnlen und Vereinen gebildete «palier in die Stadt
Kirück. Aus dem Wilhelmsplatze hatten dic Stadtbehör-
den sich versammelt. Oberbürgermeister Adolph hielt
eine Ansprache, die Tochter des Bürgermeisters Frantz
sprach eiu Gedicht und überreichte einen Blumenstrautz.
Tie Kaiseriu dankte und sprach ihre Freüde aus, datz sie
die Stadt wicder habe bcsuchcn können, wo sie als Braut
geweilk. Die Kaiserin bogab sich dann zum Frühstück
Zur Prinzessin Heinrich XXX. Reutz. Gegen halb 1 Uhr
Sog dcr K aiser mit dem Kronprinzen an der Spitze
der Fahnen nnd Standarten in die Stadt ein. Der
Kaiser hiclt zn Pferde uuter dem grotzen Baldachiu auf
dem Wilhelmsplatze. Der Oberbürgermeister hielt eine
Begrützungsansprache, während die Fahnenträger einen
Halbkreis nin den Kaiser bildeten. Jn seiner Ansprache
an den Kaiser wies der Oberbürgermeister darauf hin,
was das HohenzollernhauS in sast einem halben Jahr-
hundert auch an der alten Haupi> und Handelsstadt
Franksnrt' gethan. Die Stätte, aus welcher die Ver-
sanimlung stehe, sei heilig. Von hier aus sei 1506 Joa-
chim I. zur Gründuug der Alma mater viadrina geschrit-
ken. Unweit liege Kunersdorif, wo Friedrich seinen
Heldenkampf gekämpft habe. Redner wies ferner auf
das gegenüber errichteto Kaiser Wilhelin-Deukmal hin,
dankte für die rastlose Fürsorge des Kaisers nnd bot den
Ehrentrunk dar. Dcr Kaiser ergriff den für diesen
Tag gestiftetcii silberncn Pokal und sprach vom Pferde
uus etwa Fokgendes: Auf meinem Wege zu meinen
Grenadieren durchreite ich die Stadt Frankfurt und
Ntbiete ihr meinen kaiserlichen Gruß. Jch danke der
Stadt für den Empfang, den ste nür bereitete, ich danke
der^ Stadt für die Gesinnungen, die mir aus den frohen
lIesichtern der Bürger, Kinder und Vereine entgegen-
strahtten. Jch danke der stadt für dic Treue, mit welcher

sie an meinem Hause fcstgehalten uud hosic zu Gott, datz
unter meiner Regicrung und untcr dvrjeuigcn meiner
Nachfolger die Stadt sich immer wciter und blühender
entwickeln möge. Daraus lecre ich diesen Bccher. —-
Taun ritt der Kaiser weiter zum Frühstück beim Offizier-
korps des Leibgrenadier-Regiments in dessen Kasino.

W i l d p a r k st a t i o n, 6. Sept. Der Kaiser, die
Kaiserin, sowie der Kronprinz trafen heute Nachmittag
halb 6 llhr auf der Wildparkstatioii ein imd begaben sich
zu Wageu nach dem ueuen Palais.

Deutsches Reich.

— Die Formalitäteii des Besuches der Kaiserin im
Posener Dom habeu dem „Berl. Lok.-Anz." zufotge sehr
diploiiiatische Erledigung gefunden. Me Kaiserin suhr
iiämlich uach der osfiziellen Ansage nach der Watlischei,
um die dorüge Arbeiterkolouie und Kleinkinderschnle
zu besichtigen, waS sie hinterher auch gethan hat. Als
die hohe Frau den Dom, auf desseu First der Erdball
mit üec Tiara darüber Prangt, Passierte, hielten sich „zu-
fällig" der Erzbischof und seiue Domherren aus dem
Ptatze vor dem erzbischöflicheu Palais auf. Es war
nicht zu vermeiden, datz Erzbischos Dr. von Stablewski
zu eiuem Besuche des Domes aufsorderte. Der Einla-
dung wurdc Folge gegeben. Bei Gelegenheit ihres Be-
suches des' Diakoniüenhauses hat die hohe Frau einer
Patientin, die durch einen Msenbahnzug überfahren
worden ist, hundert Mark aushändigen lassen. Die
Kaiserin enipfing in der Kommandantur den sünf Jahre
alten Sohn des Grundbesitzers Grieger aus dem Kreise
Schroda mit seinen Eltern. Der Kleine ist der siebente
Sohn seines Vaters; der Kaiser hat vor fünf Jahren bei
ihm Patenstelle übernommen. Scither ist ein achter
Bruder eingetroffen. Die Kaiserin umarmte und küßte
den Kleinen und schenkte ihm zwei Zwanzigmartstücke.
Wcorgen wird die Kaiserin nach dem Frühstück bei der
Priuzessiu Reutz iu Frauksurt a. O. das Lutherstift und
das Predigerwitwen-Jnstitut besichtigen.

— Der Kaiser hat nach der „Magdeburgischen Ztg."
den Spruch des Ehrengerichts bestätigt, nach dem der
vietgenannte Oberstabsarzt Dr. S ch immeI von jeder
Anschuldigung eines militärischen Vergehms glnnzend
s r e i g e s p r o ch e n wurde.

— Das „Mititär-Wochenbtatt" enthätt die V e r a b -
schiednng des Oberstleutnants Weiß, Kommnndeiirs
des Fetdartillerie-Regiments Nr. 1, nnd des Majors
Dyckerhoff dessetben Regiments, womit der jüngstc Vor-
fall in GnmLimien seinen Abschlutz erhalten hat. Beiden
Offizieren wurde der Abschied bcwilligt, so datz also ein
von ihnen eingereichtes Abschiedsgesuch vorgelegen hat,
wenn dessen Einreichimg auch eiue unfreiwillige gewesen
ist. Neben der gesetzlichen Pension ist beiden Verabschie-
deten die Ertaubnis zmn Tragen der Regimentsnniform
erteitt worden, was bei der Vcrnbschiedung als ein
Gnadcnbewcis angeschen wird, da kciner tier Verab-
chiedeteu au sich ein Anrecht auf das Tragen einer Uni-
'orm hat.

— Ter Verein deutscherBahnverwciltungen,
wetcher diese Woche in Freiburg i. Br. tagt, konute mit
eiriger Genugthuung den Eintritt französischer Bahnen
in den Vereins-Reiseverkehr begrüßen. — Die Entscheidung

über Abcinderung der Sicherheitekuppelung und Prüfung
der Brems- und Signalvorschriften mußte in Folge der
noch vielfach anzustellenden Erhebungcn und praktischen Ver-
suche für dieses Mal verschobcn werden. Vielleicht ist im
nächsten Jahre dicse Frage spruchreif.

— Der „Berliner Lokal-Anzeiger* läßt sich aus Posen
melden, es seien ihm verbürgte Aeußerungen desKaiserS
über den Fall Löhning zu Ohren gekommen. Sie
sollen darauf hinauslaufen, daß die Angelegenheit, soweit
die Person Löhntngs in Betracht komme, als erledigt gel-
ten müsse. Der Provinzialsteuerdirektor sei längst reichlich
reif gewesen zum Uebcrtritt in den Ruhestand. Es unter-
liege indessen keinem Zweifel, daß bei feiner Penstonierung
nicht geschickt zu Werke gegangen worden sei, und
namentlich das Wort von der Feldw ebelstochter sci
durchausbedauerlich. Die „Kölnische Zertung" be-
merkt dazu: Ob sich der Kaiscr in Poscn in solchcr Weise
geäußert hat, wissen wir nicht. Wir haben aber Grund
zu der Annahme, daß er im Falle Löhning allerdings auf
einem Standpunkte steht, der diesen Angaben entspricht.

Norderuey, 6. Sept. Reichskanzler Graf Bülow
ist in Begleitung des Geh. Legationsrats Rücker-Jenisch
hier eingetroffen.

Baden.

— Aus die Mitteilung des „Guardians" der Sigols-
heimer Kapnziner inbetreff der Teufelsaustreibung durch
den Pater Jrenäus fragt Herr Iunghanns:

Jst Lourdeswasser auch eines der „alterprobte a" su-
pranaturalen Mittel dcr katholischcn Kirche? Und wie to-nnnt
es, datz die Frau gerade zu den Kapuziueru gcgangeii ist, um
sich dcn Teufel austreiben zu lassen? Weshalb uicht zu ihrem
Ortspfarrer? Und Ivenn sie sich, wie wahrscheinlich, vorher
an dicscu gewandt hat, weshalb hat uicht diescr die Proben
gcmacht?

Datz dic katholische Liirche die Möglichkeit ciuer Besesseu-
heit lehrt, ist mir selbstverstäudlich bekauur, Abcr wie pflegeu
cs üenn Weltgeistliche zu halteu, wenn solche behauptet wird?

Sie sollcn nach bestchcnder Vorschrist oder wenigsteus
Uebung auch den „kleineu" Exorzismus uicht anweuden, bcvor
nicht eiu Zeuguis cines katholischcu Arztes darüb'er vorliegt,
datz die K-rankheit aus uatürlichcm Wege nicht zu erklären
und zu heilen ist. Deshalb hört man auch nie vou Teufels-
austrcibimgcu durch Weltgeistliche. Der Pater Jrenaeus 'hat
aber nicht etwa das' Zcuguis eines Arztes abgewartet, soudcrn
ohne weiteres und trotzdem auch sür ihn als Priester iu erster
Linic die Wahrscheinlichkeit vorlag, datz es sich um eine uaiür-
liche Krankheit haudlc, die bekaunteu supranaturalcn Mittel
angcwandt.

Jch nemie das uach wie vor abergläubisch und kurpfuscherisch
und werde fortfahrcn, gegcn dic Kapuziner zu „hctzcn", um
unscr Volk vor derartigen Diugen zu bewahrcn.

H.O. Karlsruhe, 7. Sepi. Unier dem Vorsitze dcs
Herrn Präsidenten Eckhard aus Mannheim fand heute hier
eineSitzung des Engeren Ausschusses der natlib.
Partei statt. An der Beratung nahmen auch die natlib.
Landtagsabgeordneten und die Reichstagsabgeordneten
Bassermann und Blankenhorn teil. Die Erklärung, welche
die Fraktion in der Klosterfrage durch den Abg.
Wilckens in der Kammer abgab, wurde einstimmig gut-
geheißen. Es wurde beschloffen, den Landesausschuß
auf den 28. Sept. nach Baden einzuberufen mit folgender
Tacesordnung: 1. Gedächtnisrede auf Herrn v. Bennigsen,

'Leiner Königlichen Hoheit dem Groß
herzog Friedrich von Vaden

zum S. September 1S«2.

Der lauten Tage des April
Denkst Du auf Mainau heute:

Jm Jnnern ist's so selig-still,

Nur draußen rings Geläute!

Der Glocken Ton spricht froh und frei
Von Deines Volkes Liebe,

Die, ob die Lippe stumm auch sei,

Doch tief im Herzen bliebe!

Und sang man Dir am Jubelfest
Manch Lied von alten Tagen,

Noch immer bleibt vom Dank ein Rest,

Den Dir Dein Volk will sagen:

Für Recht und Licht und freie Bahn,

Drauf Du sein Schicksal lenktest,

Für alles, was Du ihm gethan
Und auch der Nachwelt schenktest!

Vom Dank für jedes deutsche Thun,

Drin Du vorangegangen!

Jn solchem Streben nie zu ruhn
Sei stets anch sein Verlangen!

Der Jugend gilt ja immer nen
Du treuer Fürst, Dein Mahnen:

O daß sie oft noch Dich erfreu'

Durch heller Zukunft Ahnen!

Nur gnte Deutsche, schlicht und recht,
Soll uns Dein Beispiel werben!

Kein rückwärts schauendes Geschlecht
Darf Friedrich's Land einst erben!
Durlach, 5. September 1902.

vr. Gottfried Kratt.

Kleine Zeitung.

— Wiesbadm, 6. Sept. Nach einem gestern Abend
auf dem Neroberge abgehaltenen Begrüßungsabend wurde
heute Vormittag 9 Uhr die 29. Gencralversammlung des
Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins
im Kurhause eröffnet. Als nächstjähriger Versummlunzs-
ort w rde Bregenz am Bodensee gewählt.

— Berlin, 6.Sept. (ZumAblebenVirchows.) Die
feierlichc Bestattung von Rudolf Virchow wird am
Dienstag Vormittag 11 Uhr vom Rathause aus auf städtische
Kosten erfolgen. So hat heute der Magistrat von Berlin in
außerordentlicher Sitzung im Einverständnis mit der Familie
des verewigten Ehrenbürgers beschlossen. Bei dem Tranerakt
im Nathause werden Prediger Kirmß, Prof. Waldeyer und
Oberbürgermeister Kirschner sprechen. Seine letzte Ruhestätte
wird Rudols Virchow auf dem Apostelkirchhof (Collcnstraß-)

finden. Am Montag Abend wird die einbalsamicrte Leiche
nach dem Rathanse überführt nnd im Festsaale aufgebahrt
werdcn. Wie jetzt mitgeteilt wird, ist der Brnch des Ober-
schenkelhalses, den Virchow sich beim Absteigcn von der
Straßenbahn s. Z. zuzog, nicht mehr geheilt, da der
Knochen infolge des hohen Alters nicht mehr zusammen-
gewachsen ist. So lange seine Kräfte reichten, beobachtete
Virchow den Hcilungsprozeß als kritischer Arzt. Er selbst
demonstrierte seinen Freunden den „Fall" an der Hand
eines Röntgenbildes, das von seiner Verletznng hergestellt
worden war. — Das Telcgramm des Kaisers an die
Witwe des Prof. Virchow lautet: „Die Kunde von dem
Hinscheiden Jhres Gatten hat mich mit aufrichtiger Teil-
nahme erfüllt und spreche ich Jhnen und den Jhrigen mein
wärmstes Beileid zn dem schweren Verluste aus. Möge
Gott, der Herr, Sie in Jhrem großen Schmerz trösten und
der Gedanke Sie aufrichten, daß den großen Forscher, Arzt
und Lehrer, dessen Lebensarbeit der deutschen Medizin neue
Bahnen erschlossen hat, mit der ganzen gebildetcn Welt sein
König in dankbarer Gesinnnng betrauert. Wilhelm Ik."

— Vorlänfigc Mitteilungc» iibcr cinigc Ergcbniffe
dcr Krcbssvrschnng verössentlicht die „Deutsche medizini-
sche Wochenschrift". Es handelt sich nm Versuche, die
auf der Klinik des Geheimrats v. Leyden an mit Krebs
behafteten Hunden angestellt worden sind. Die Krebs--
geschwnlst wurde ausgeschnitten, zerkleinert und ver-
slüssigt nnd mit derselben Kaninchen geimpft. Das von
letzteren gewonnene Serum wnrde dann zur Bchandlung
eines an Krebs erkrankten Hnndes benutzt, worans nach
cinigcr Zeit Rückbildnng der Krebsgeschwiilst bis znm
 
Annotationen