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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 305 (01. Dezember 1902 - 31. Dezember 1902)
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Freitau, !2. Dezemver

Mvstes Blatt.

Iahrganü. 44. — 291

Erscheint täglich, Sonntags ausgenovnen. Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'L Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

die Post bezogen vierteljährlich 1.3L Mk. ausschliehlich Zustellgebühr.

A n z ci g e np r e is: 20 Pfg. für die Ispalrige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeilc 40 Pfg. Für hiesige Geschästs- und Privatanzeigen ermätzigt. - Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnferate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Der MtdLuim tiei Ässuan.

s s II n n, 10. Tcz. Der Große Dam m m der
Nal>e Assuans ist heute in feierlicher Weise emgeweicht
worden. An der Einweihnngsfeierlichkeit nahnien das
diplomatische Korps teil, darunter als Vertreter des
deutsä>en >laisers Generalkonsul v. Miiller. Als der
Khedive nnd die geladenen Gäste an dem Großen Damm
eingetroffen waren, hielt der Minister der öffeirtlichen
Arbeiten eine Ansprache an den Khedive, in welcher er
die großen Verdienste Derjenigen von Herzen anerkannte,
welche hauptsächlich an der Durchführung des großcn
Workes beteiligt waren, und die Acithilfe in gleicher
Weise hervorhob, die von den Kommissaren der Oeffent-
lichen Schuld geleistet wurde. Nach einer Erwidernng
des Khedive setzte die Herzogin von Connanght anf Ersu-
chen des Khedive den letzten Stein in den Damm. Hie-
rauf sprach der Herzog von Connaught dem Khedive sei-
neu Dank sür die Einladung zur Eröffnung des großen
Werkes ans, dankte dem NnterstaatSsekretär dcr öfsent-
lichen Arbeiten nnd den übrigen an dem llnternehmeu
Beteiligten und hob das Entgegenkommen der Kasse Ler
Oeffentlichen Schuld bcrvor, welche einen erheblichei:
Teil der nötigen Geldsummen beigeffeuert habe. AlS-
dann setzte oir Khedive die Maschinerie in Bewegung
nnd öffnrte die fünf Schleusen, dnrch welche sich das
Wasser mit fnrchtbareni Ranschen ergoß. Nach der Feier
begab.'n sich die Festteilnchnier >m BorL oon Lamvsern
niä' Aisuan znrück, wober sie ras ersie die Dampfer-
n> inuen am Großen Damm paisiirteir

Deutsches Reich.

— Der „Köln. Ztg." zufolge werden im nächsten
Sommer Hcrzog Karl Eduard von Sachsen-Kvburg-
Gotha und der Erbprinz Adolf zu Schaumburg-Lippe
sowie des letztercn Bruder, Prinz Moritz zu Schanmbnrg-
Lippe, die stniversität Bonn beziehen.

Deulscher Weichstag.

Berlin, 11. Dtz. Das Haus ist gut besetzt. Der
Reichskanzlcr ist schon vor Beginn der Sitzung anwesend.
Es beginnt die mnterielle Verhandlung des Antraqs
Kardorff.

Mg. Basscrmann (Natlib.) empfichlt namcns der
Mehrheitsparteicn den Antrag znr Annahme. Dcr Antrag
bildct eincn Teil dcs mir der Regierung unter dcm Drucke
der sozraldemokratisähcn Obstnuktion bereinbarten älompro-
niisses. Der Tarif müssc znstande gebracht werden, wenn
nicht cin unabschbarer Wirrwarr in nnfcrem wirtschaftlichen
Lcben Platz greifen solle. Vielen Mgcordnetcn seiner Partei
sei dic Zustimmung zum Nntrag und bcr Verzicht auf wcitere
Wünsche schwer gefallen. Jndessen hätten sie sich gcstanden,
daß cr ohne eine Verständigung dcr vicr tariffreundlichen
Parteien unmöglich sci. Redner schlietzt nntcr dcm Beifall der
Mehrhcit mit der Vcrsichcrung, datz sich das Hans dnrch dic
Annahme des Tarifs „ein grotzxs Verdicnst" crwerben werde.

Reichskanzlcr Olraf B ü l o w giebt folgende ErkIärnng
ab: Meinc Herrcnl Der Herr Äbgeordnetc Basscrmaim hat
dem Wnnsche Ansdruck gegeben, daß ich mich aussprcchen möchte
über dic im Antrag Kardorfs vorgesehene Herabsc-tzung cincr
Anzahl von Industriezöllen, übcr die Viehzölle und übcr die
Handhabnng der Senchcnpolizei. Was zunächst dic Hcrab-
setznng cincr Anzahl von Jndustriczöllen angeht, so möchte ich

daraus allgemein hinweisen, datz es sich> bei der Zolltarifvor-
lage dcr verbimdctcn Rcgierungen nm einen antonomen Tarif
handelt, der bestimmt ist, als Grnndlage für Handclsvertrags-
imterhandlnngen zu dienen. Vou entscheidender Bedeutnng
kann es deshakb für dic verbündeten Regierungen nicht sein,
wenn die Sätze dcr Positionen in der Kommission im einzel-
nen nach obcn oder nach nnten Abändcrungcn erfahrcn wer-
den. Die verbündeten Regierungen müsfen ciber doch Wert
daranf legen, datz die in ihrem Tarifentwurf enthaltenen Ver-
handlnngsobjekte keine zu weit gchende Abschwächung erfahren.
Als erwünsckst kaim ich dcshalb die in dem Antrag Kardorff
und Genossen vorgesehenen Ermätzignngen von autonomcn
Zollsätzen des Tarifs nicht bezeichnen. Wenn indessen der
Reichstag die vorgeschlagene Ermätzignng einer Anzahl von
Jndustriezöllen beschlietzen sollte, so würdcn die verbündeten
Regierungen dicscn Vorschlag in eine der Wichtigkcit der Sache
cntsprechende crnste nnd wohlwollendc Erwägnng ziehen. (La-
chen links.) Dic handelspolitischcn Gründe, aus welchen dic
verbündeten Regierimgen anf eine gcsetzliche Bindung der
Niehzölle nicht cingehcn könncn, sind von mir und mcinen Bcr-
tretern wicderholt nnd eingehend dargelegt worden. Die ver-
! bnndcten Regierungen sind aber fest cntschlossen, beim Abschlutz
i von Handelsvcrträgen imscrer hcimischen Viehzucht einen Zoll-
! schutz in dcr Höhe zu sichern, welche ersorderlich ist sür ihre

> gedcihliche Fortenüvicklimg und ihr eine solche göwährleistet.

^ Die verbündcten Regierungen wcrdcn auch keine Bestimmnn-
j gen in cincn Handelsvertrag oder in ein Abkommcn mit einem
- andcrn Staat anfnchmen, welche sie verhindern wnrden, alle
i erforderlichen veterinärpolizeilichcn Matznahmen zu treffen,

! nm nnsern Viehstand gegen dic Gefahr der Einschleppnng

von Viehkrankheiten aus dem Anslandc wirksam zu schützen.

: (Lebhafter Bcifall bei den Mehrheitsparteicn. Lachen links.)

Darauf werden zwei nmfangreiche, von den Sozialdemo-

> kratcn eingebrachte Abänderimgsanträge zum Antrag Kardorff
' vcrlesen. Die Verlcsnng nimmt 5 Viertelstunden in Anspruch.

Während dieser Zeit lcert sich der Saal immer mehr. Nach der
! ersten halben Stnnde wird der verlescnde Schriftführer durch
j einen anderen abgelöst, der den Rcst liest. Nach Beendigung
! der Verlesung teilt Präsidcnt Graf Ballestrem mit, datz
dic Drucklegnng der Anträge in der Reichstagsdruckerei 30
Stimdcn und in ciner grötzeren Druckerei bei Beschäftigung
von 50 bis 60 Setzern bis 8 Stnnden erfordern würde.

Abg. Beüel (Soz.) kritisiert die Bcgründungsrede des
Abgcordneten Bassermcmn, dic so dürftig gewesen sei, daß in
keincm andcren Parlamcnte der Welt bei einem so wichtigen
Antrag eine ähnlich nnznlängliche Begründungsrede denkbar ge-
wescn sci. (Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Der
Reichskanzlcr habe im ganzen 4'ch Minuten gcsprochen. Aus
seiner Rede habe das deutsche Volk nichts von den Gründen
erfahren, wclche die verbündeten Regierungen veranlassen, ihre
Zustimmung zn eincm solchcn Antrag zu geben. (Sehr rich-
tigl bci den Sozialdemokraten.) Dcr Abgeordnete Basser-
mann habe selüst scine hentige Rede am besten kritisiert und
zwar auf dcm Eisenacher Partcitage, wo er die Mehrheit des
Rcichstagcs reaktionär bis ans die Knochen genannt habe.
Heute stellt cr an dcr Spitze derselben Mehrheit einen Antrag
so göwaltsam imd so nnerhört nnd so rcaktionär, wie noch kein
Antrag hier im Deutschen Reichstage ausgesprochen wordcn
sei. (Üe-bhaftc Znstimmnng links.) Der Redner geht darauf
ausführlich anf die Wirkung ein, die der deutsche Zolltarif auf
das Ausland geiibt habc, nnd anf die Zollerhöhungen der an- i
deren Ländcr, die dic Folgc dcs Zolltariss gewcsen seien. Durch
das cwige Heraufschranben der Zollsätze würdcn die Vertrags- I
vcrhar.dlnngcn antzerordentlich erschwert. Die jetzige Kom-
missionsvorlage sei übcrhanpt kcine geeignete Grundlage für
solche Vcrhandlnngen. Redner erwähnt die Meldung der
„Frankf. Zig.", Ivonach dic Regicrnng beabsichtige, späterhin
in eincr Novcllc znm Tarisgcsctz cinige der Kommissionssätze
hinausznsetzen. Ja, was sind wir denn eigentlich, sind wir Ge-
sctzgeber oder Kcssclslickcr? (Sehr gut! links. Ilnruhe bci dcr
Mchrheit.) Dazu kommt das geivaltthätigc Vorgehen der Mehr-

hcir. Dic Gcschäfisordnnng sei inödergctrampelt worden.
(Vizcpräsident Ol.af Stolberg rügt diescn Ausdruck.) Der An-
trag Kardorff sci nicht durch die Taktik der Sozialdemokcate.il
veranlatzt, sondern dnich die Einsicht bei der Mehvheit: Lieber
die Tanbc in der Hand iZurufe: den Sperlingl). Nein, es ist
kein Spcrling, den Sic in der Hand haben, also lieber die
Taubc in der Hand, als däs Huhn auf dem Dache. (Stürinische
Hciterkeit.) Abgeordncter Lertel hat, nachdem er noch gestcrii
i in dcr Tageszeitnng das .ffompromitz einen Verrat an dcr
I Landwirrschast genannt hai, heute Morgen den Antrag Kar-
> dorss nnterschrieben. Sie lnoch rechts) werden diesen Antrag
j ja annehinen und ihn Jlren Gesinnungsgcnossen als Weih-
j nachtspräsent anf den We-Hnachtstisch legcn. Aber Jhrcr Zu-
scicdenheit stcht gcgenüber dic Entrüstnng und dec Zngrimm
der hungernden unö doilcnden Massen, die die Kosten zn tragen
habcn. Sie mögen sich frenen, aber das Volksgericht bei den
Wahlen wird nicht avsöleibcn und es wird vcrnichtender aus-
fallen, a!s Sie cs Nch haben je träumen lasscn. (Lebhastec
Beifall bei den Sozialdcmclraten.)

Abg. M ü l l e r - Meiningcn (Freis. Vp.) erklärt, es
handle sich um cinen Rcchtsbruch der Mchrheit. Seine Parter
wolle mir dem Abändernngsantrag Bargmann wcnigstens einen
kleinen Versnch machen, die grötzten Gefahrcn, die dcr Ankrag
Kardorff bringe, illnsorisch zu machen. Redner begründet den
Abänderimgsantrag, dcr dic Zollsätze für eine Reihe von Po-
sitionen teils mätzigen, teils anfheben will. Mg. Müller
schlietzt: Ein Gesetz, auf dem das Brandmal des Rechtsbruchs
ruht, könnc nimmermehr dem dentschen Volke zum Segen ge-
rcicheg. (Beifall bei den Freisinnigen.)

Mg. Gothein (Frcis. Ver.) spricht in dem Sinne des
Vorredners. Es habe aber jetzt keinen Zweck, iwch Anträge
zum Antrag Kardorff zu stellen, da die Mehrhcit ja jeden Mo-
ment ihre Guillontine arbeiten lassen und über die Amen-
dcments zur Tagesordnung übergehen würbe.

Abg. Liebermann b. Sonnenberg (Reformp,):
Niit Einrechnung der Kommissionssitzungen sei 159 Tage über
den Zolltarif verhandclt worden. Die Regierung habe es dem
Vcrhalten der Opposition zu danken, datz der Zolltarif zustande
kommt. Seine Partei werde gegen den Antrag Kardorff
stimmcn, da er dem Geiste der Geschäftsovdnung widerspreche.

Es wurde ein Anirag Spahn auf Schluh der Debatte
mit 195 gegen 113 Stimmen bei 14 Enthaltungen angenom-
men. Nach Bemerkungen einzelner Abgeordneten wird auf
Antrag Späh» mit 202 gegen 119 Stimmen bei vier Enthal-
tnngen über sämtliche Amendements zur Tagesordnung über-
gegangen.

Der Antrag Kardorsf wird mit 184 gegen 138
Stimmen bei 9 Enthaltnngen angenom-
m e n.

Paragraph 1 des Zolltarisgesetzcs, wie er sich nunmehr nach
Annahme des Antrages Kar-dorsf gestaltet, wird mit 182 gegen
136 Stimmen bei nenn Enthaltungen angenonimen. Damit
ist die zweite Lesung der Tarifvorlage beendet.

Die Beratung der Petitionen und Resolutionen wird bis
znr dritten Lesung zurückgestellt.

Nächste Sitzung: Samstag, vormittags 10 Uhr. Dritte
Beratung der Zolltarifvorlage.

A ch t ii n ü L r e i ß i g Tage hat das Plemim des
Reichstags gebraucht, bis das Zolltarisgesetz in 2. Lesung
durchberaten ivar, h u n d e r t n e u n u n d f ü n f z i g
Tage wnrden aus die Beratnng verwendet, wenn inan
die Kommissionssitzungen mitrechnet, und das ist durchaus
nötig, denn die eigentliche intime Beratung einer solchen
Vorlage ist doch nur in der Kommission möglich. Man
kann also doch gewitz nicht sagen, datz der Reichstag dieser
Vorlage nicht die entsprechende Beratungszeit gewidmet
habe.

Aiis Lor aeiiriaeii Erkläruna des Reickiskanzlers ist

Konzert der Karmonie-Heselrschaft.

X Heidclberg, 12. Dezcmber. Das Konzert bot dcr znhl-
reichcn Zilhörcrschaft Gelegenheit, sich an einer Fülle gut ans-
Ssivählier Mnffk -u rrfreuen. Herr Musildirektvr S a hle n-
d e r dirigierte dic Ouverture zur „Zanbcrslvtc", zwei Sätze
äus der Lisztschen „Fanst"-Symphonic, zwei Griögschc Melo-
dien sür «trcichorchestcr und seine eigene erste Snitc für gro-
ßes Orchester. Die beiden Ecksätze derselben, „Auszug", nnd
»Jn der Heimat", umrahmen drei exotische Bilder: Arabischer
Tanz, Zigeuncrlager, unter den Korsaren. Diesc einzelnen
bölkerpsychologischen Stimmungen sind nicht übel instrnmen-
tiert und zu frcundlichcn musikalischcn Szenen gcstaltct. Der
Stil des Komponisten, der unter dem Einslutz von Smetana
Su stehen scheint, bcvorzugt das Anmntige, ins Ohr Fallende
bor dcm Herbcharaktcristischen. Klavheit der Auffassnng,
Sicherheit der Gestaltung und eine gowisse Wärme des Tempe-
vcnnents bezeichnen die Art Herrn Sahlenders als Dirigenten.
llnter dcn Orchesterstücken ragtcn hervor die beiden hier znm
krstcnmale gespielten Melodien sür Streichorchester von Grieg,
--Norwcgisch" und „Erstcs Begegnen" nnd die beiden Sätze
rer „Faust"-Symphouien. Das Grethchen hat Liszt wunderbar
Sarakterisicrt, das Stück ist etwas zu laug, cm einer Stelle
Elingt das Ave Maria von Schubert ein wenig an. Der wun-
Vervolle Schlntzchor „Alles vergängliche" ritz die Hörer mif die
Hvhe reiner Kunst empor; Orchester, Männcrchor nnd Solo-
itirmne vercinigten sich hier zu einer Wirkung von zu Hcrzen
Nhender Göwalt. Der Solotenor steigt ans der Polyphonie
dimmen cmpor mit seinen verheitzungsvollen, berückenden
^hnen: „Das Ewigweibliche zieht nns hinanU" Die Art,
jNe Hxxx Opernsängcr Heinrich Hensel vom Opernhaus
B Frankfnrt diese «olostimme behandelte, war wundcrvoll.

Sängcr, dessen lyrischer Tenor eine schöne Ausgeglichenheit
^rgt, sang zuerst die Arie dcs Lensti vor dcm Dnell. Auch
Wffes melancholisch-rührende Stück aus der vornehmen Tschai-
^vskyschen Musik zum „Eugen Onegin", wie die drei

Lieder von Gounod, Brahms nud Richard (von denen das
letzte, „Maiwunder", wiedcrholt wcrden mntztc) botcn dem
sympathischcn Sänger Gelegenheit, allc scinc Vorzüge, 'besonders
seine cdlc, schlichte Vortragsweise zu zcigcn. Ein Stück für
Orchester, „Festlichcr Aufzng", vom Komponistcn I. Bartelt
dirigiert, wies leichten melodischen Flutz auf und ein gewisses
Geschick 'der Jnstrnmentation. Es wnrde freundlich aufgenom-
men.

Kleine Zeitung.

— Ttockhotm- 11. Dez. Bei Ler gestrigeii Verteilung
üer Nobelpreise teilte Ler Präsident der Akademie
Ler Wissenschaften, Pros. Theel, init, Laß Lie Zuerken-
nung Les physikalischen Preises an die holländischen Pro-
fessoren Lorcntz nnd Zeemanii für deren gemeinsam aus-
geführte bahnbrechende Arbeiten iiber den Zusammen-
hang zwischen den optischen, elektrischen nnL magnetischcn
Phänomenen, nnd die Verleihnng des chemischen Preises
an Prosessor Fischer-Berlin für seine verdienstvollen syn-
thetischen Arüeiten über die Zuckerarten erfolgte.

— New-Iork, 9. Dez. Seit gestern herrscht großc
Kälte im ganzen Osten und in den mittleren Staaten.
Jm nördlichen Teile des StaateS New-Nork zeigt das
Thermometer 35 Grad, in der Stadt New-Iork 10 Grad
und in Chikago 17 Grad Celsius nnter Null. Ueberall
macht sich großer Mangel an Anthrazitkohlen geltend. Jn
Boston, Baltimore und St. Lonis trcffen die Behorden Bor-
kehrungen zur Linderung der Not der Armen. Jn New-Iork
ist die Not unter den Armen sehr groß. Die Kohlen sind
nicht einmal eimerweise käuflich. Tansende snchten in der

verflossenen Nacht Obdach in den Polizeistationen nnd den
öffentlichcn Gebäuden.

— Die Abwendung der Hagelwetter durch Schießen.

Die großen Erfolge, die man in Oesterrcich und Norditalien
in Bezug auf Vertreibung oder Verhindernng von Hagel-
wettern und Gewittern mit dem Abfeuern von Böllern er-
zielt haben wolltc, sind von den Fachleuten stets bezweifelt
worden. Jn dieser Angelegenheit haben mehrere Kongresse
stattgefnnden. Der erste 1899 zu Casale Monferrato, anf
dem die Wetterschießer ziemlich ausschließlich das Wort
führten, erklärte den Nutzen der Böllerschüsse gegen Hagel
und Gewitter sür unzweifelhaft und über jeder Erörterung
stehend; der zweite Kongreß 1900 zu Padna hielt die
Wirkung für fraglich, dcr dritte 1901 zu Lhon für sehr
fraglich und eine vom 21. bis 24. Jnli des gegenwärtigen
Jahres zu Graz anf Anlaß des österreichischen Ministers
abgehaltene Versammlung von wissenschaftlichen Fachleuten
erklärte dic Erfolge für zweifelhafter als je. Damit ist
das vor einigen Iahren mit so viel Geschrei angeprieseue
Wctterschießen wissenschaftlich abgethan, und wenn in Graz
ansgesprochen wurde, die Versuche könnten immerhin noch
ein paar Jahre fortgesetzt werden, so geschah dies nur, um
dic Euthusiasten draußen nicht allzu sehr vor den Kopf zir
stoßen. Es wiederholt sich hier, was auch anf andern Ge-
bieten der Witterungskunde vorgekommcn ist; daß zufällige,
gleichzeitige Vorkommnisse von Laien für gesetzmäßige Folge-
Erscheinungcn gehalten und die Bedenken der Fachleute m
den Wind geschlagen wurden.
 
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