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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256-280 (01. November 1902 - 29. November 1902)
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Donnerstag. 13. November 1902. Gvstes Blatt. 44. Jahrgang. -- 266.

Badisches in Kiayrischen Mrättern.

Tie badijchv !,1lüsterangrk'grnheil hat den „Münchnrr
Ncuesten Slachrichtcn" Rnlatz zu mehreren Artikeln ge-
geben. Einer davou hat ivcgen seiner Brutalität in
Badcn iiberall aufs unangcnchmste beriihrt. Tatz darin
von dem augeblich selbst natioualliberalen odcr doch ge-
mäßigt liberalen Miiuchener Blatt die nationalliberale
Partei scharf augcgrifscn tvird, darüber tönnte man hin-
wcgsehen, jeücnfalls ist es ein Zeichen dafür, datz der
Artitel nicht aus uationallibcralen Parteikreiscn stammt.
Aber der bösartige lillatsch, der da gegen das badische
Aürstenhaus ausgestreut wurde, hat allgemein einpört.

Es hat uns widerstrebt, Stellen aus dem Artikel als
Probe abzndrucken. Statt dessen Inssen wir hier eine
Erwiderung folgcu, die der „Allgemeincn Zeitung" in
Nstinchen von ei.nem hervorrageüden ka t h o l i s ch e n
Geistlichen zugcgangen ist. Aus ihr sieht num, FN
weläzer Richtung die AuSführungen der „Älünchner
slleuestcn tllachrichten" sich bewegt haben. Die Znschrift
lautet:

B aden - Bad e n, 9. Novembcr.

Ueber die tirchlichcn Berhältnisse in Baden l,aben sich
deutsche Zeitungen jüngst in einer Weise ansgesprochen.
welche sehr dazu geeignet ist, salsche Urteile über die maß-
gebenden Persönlichkeiteu hervorzurusen. Jni Auslande
find solche Urteile bereits hervorgerufen wordeu, schricb
öoch der „National Brurellois" in seiner Nummcr vom
7. ds. allen Ernstes: „Man wisse ja, datz der Erbgrotz-
herzog tatholisch. fei."

Wahrscheinlich zog das belgische Blatt diesen Schlutz
aus den ihm von den „Münch. Ncnesien Nachr." ge-
lieferten P.rämissen, nach welchen es allerdings fast den
Anschein gewinnt, als sci dcr Erbgrotzherzog eigens ans
Äoblenz nach Hanse geeilk, um — was seine Atutter bis-
ber allein nicht fcrtig gebracht - seinen Vater zngunsten
der Zulassung dcr Beuroncr Benedikkiner in Baden um-
znstimmen.

Gewitz sind wir dic letztcn, welche unsere badischen
Nachbarn mit Mönchsorden versehen wollen, allein wir
fehen anch nicht eiu, mit welchcm Rechte man üen Mit-
gliedern dcs regierendcn Hanscs solche Mfichten unter-
schiebt; denn wer seine Insormationen nicht mützigem Ge-
rede, sondern der Wirklichkeit entuimmt, weiß bestimmt,
daß kein Mitglied des Grotzherzoglichen Hauses an eine
solche Zulassung ernstlich gedacht haben kann.

Geradezu komisch wirkt die öffentliche Gelvissenser-
forschung, welche aus diesem Anlaß mit der Grotzher-
zogin Lnise vorgenommen wird. Wer diese hochgebildete
Zürftin kennt, kann sich bei Lcsung der über sie gefällten
Urteile eines „Schütteln des Kopfes" nicht erwehren. Ge-
wiß, die Grotzherzogin ebcnso wie der Grotzherzog begeg-
nen ihren Unterthanen cvangelischer, katholischer nnd is-
raelitischer Konfession in jener glei-chen, ungekünstelten
Liebenswiirdigkeit, welche das badische Herrscherpaar
kcnnzeichnet und nicht wenig zn der großen Popnlarität
beiträgt, welche — anläßlich des diesjährigen Jubiläums
— wieder so klar zutage getreten ist. Von der Bestellung
von Seelenmessen aber sind die durchaus strenggläubigen
evangelischen Herrrschaftcn genau ebcnsowcit entfcrnt wie
von der Bestellung spezifisch religiöser Verrichtungen in
dcr Synagoge.

Wenn der vcrstorbcne Prinz Lndwig sich

fcinerzeit für die Prinzeß von Bourbon, die heutige <

Erbprinzessin von Hohcnzollcrii, interessiert haben sollte,
so lönnte das dem jungen Mamre verziehen werden, denn
die Prinzessin soll damals ein ganz nettes Mädchen ge-
wesen sein; aber wemr dieses Jnteresse wirklich Lis zu
Heiratsgedanken ging, so hat die Grotzherzogin diese
Gedanken zuni allermindesten nich.t gesördert, obschon
dieser großen Menschent'ennerin der Katholizismus der
damaligen Prinzessin von Bonrbon unmöglich Behenken
ivegen etwa zn befürchtender Verwicklungcn religiöser
Art gegeben haben kann.

ÜNit der Förderung dieser Heirat durch die Grotzher-
zogin verhält es stch ungefähr wie mit ihrer „Wallfahrt
nach Einsiedetn"! Thatsächlich handelte es sich nm einen
Besuch der Grotzherzogin bei der Fürstin von Sayn-
Wittgenstein, welcher vom Hof'bericht ni-cht mit Unrecht
als „Reise in die schweiz" verzeichnet wird, weil die
Fürstin sich in der Schweiz anfhielt; zmar nicht in Ein-
siedeln, aber in Lansanne! Um dann auf die Benroner
Benediktiner zurückznkommen, so kann sür jeden, der die
i badischen Verhäitnisse richtig beurteilt, das Urteil nnr
! dahin lauten, datz von ihrer Znlassnng in Baden gar
s teine Rede sein t'ann. Diese „geistreichen nnd gebildeten
i Alönche nnö Beichtväter" werden hier selbst in den matz-
! gebenden nltramontanen Kreisen nicht gewünscht, und
j der Fürst Leopold von Hohenzollern ist em viel zn vor-
! nchmer Mann, um dieselben, zum Nachteile des ihm
dnr-ch Verwandtschaft nnd Frenndschaft gleich verbnn-
denen Grotzherzogs, aus Beuron fortzuloben!

Was man immer von diesen Benroner Benedit'tinern
denken möge, eine Eigenschaft lätzt sich thnen ni-cht ab-
sprechen: sie verstehen das Haushatten und verstchen es
gründlich. Lie tonnten den Zesuiten das hcrrliche Kloster
i» Laach niit seinen großen Besitznngen bar abkausen und
s haben auch sonst noch jedenfalls so viel üürig, daß sie das
j Gelübde der Armut nicht gar zu stark aus sich einwirken
! ;u lassen branchen. Den Einflnß, den Geld und Gut ver-
^ leihen, mögen sie daher immerhin geltend machen können,
dagegen ist ihr Einstutz als Oröen ganz und gar unbe-
öentend und ebenfo unbedeutend ist die Herknnft des weir-
aus größten Teiles der Benroner Mönch'e'! Man könnte
diesetben thatsächtich in keine größere Verlegenheit brin-
gen, als wenn man sie in die Notwendigkeit versetzte, dem
über sie gefällten Urteile gere-cht zn werden und sich als
„geistreiche nnd gebildete Mönche nnd Beichtväter in ganz
Deutschland, Oesterreich nnd überall . . ." zn qualifi-
zieren.

Speziell ani Hofe des Fürsten von Hohenzollern
spielen sie gar keine Rolle. finm Fürsten Leopold, der,
Ivie sein verstorbener Vater, cin dnrchaus ldberaler Mnnn
ist nnd keinerlei nltramontanc Machenschaften in seiner
Nähc dnldet, stchen die Venraner Benedittiner im Ver-
hältnis von Pächtern znm Gutsherrn; ein recht unper-
sönliches Verhältnis, wenn man bedenkt, daß die hohen-
zollernsche Verwaltung einzig nnd allein in den Handen
der Hofkammer gelegen ist.

Der Karlsrnifer Korrespoüdent der „Münchner
Nenesten Nachrichten" hat, als er den Erzabt Wolter her-
vorhob, iim ihn als hochgebildeten Mann und autzer-
ordentlich feinen Kopf hinzustellen, ein jedenfalls sehr
wahlwollendes Urteil ausgesprochen, denn wenn der alte
Erzabt eine gute Mittelmäßigkeit erreicht, kann er ganz
nnd gar mit sich selbst zufrieden sein.

Allerdings hat Wolter in seiner langen Mönchslauf-

bahn den Tatt gehabt, sich nm mancherlei nicht zu küm-
mern, was ihn nichts anging, und das mag ihm unmittell
bar in Sigmaringen nnd mittelbar in Karlsruhe und.
Berlin eine gute Note eingetragen haben, m Zeiten, wq
maii in der übrigen Klerisei diesen Takt besonders arg
vermißte. Man mag ja die Zurückhaltung des Erzabtes
dnrch die Sorgen um die Verwaltung seiner Kloster-
güter erklären, welche ihm zu andereim. keine Zeit ließ,
i oder man mag sie auf richtige iselbftkenntnis zurückfüh-
! ren, ihr Faktnm lätzt sich jedenfalls nicht 'weglengnen.

! Von der Anerkennung üieses Taktes aber bis zur Zu»
lassung der Benedittiner in Baden,ist doch noch ein recht
weiter Schritt, ein Schritt, der, wie wir versichern kön-
nen, nicht geschehen wird.

i Was dann endlich'den Laacher Abt v. Slotzingcn —
! nicht Stotzinger — anbetrisft, so mag sich derselbe in
! Woiters Schule zu Benron jene Eigenschaften angeeignet
haben, welche ihm in den Angen der Regierung vor an-
deren Kandidaten fiir den Kölner Bischofsstuhl den Vor-
zng geben, so datz er in diesem Sinne allenfalls „Kaiser-
kandidat sür Köln" geiiamit lverden kvnnte, auf jedcn
Fali aber war gerade dieser Herr von den Klerit'alen
weder erhofft noch veriangt, denn er war dem Klerns
jowohl als dem Volke durchaus unsympathisch.

Gewitz verdammen wir jedwede Vogel-Strautz-Politik
der liberalen Parteien nnd jhrer Presse und wünschen anch
selbst nichts schnlicher als ein kräftiges, energisches Vor-
gehen gegen alle nltramontanen Einflüsse an den Höfen-
ein solches Vorgehen aber tann nnr dann von Erfotg sein,
wenn es sich aus volle objektive Wahrheit stützt, sich nicht
gegen eingebildete, sondern wirtliche Feinde richtet, und
densekben jene Einschätznng zutonimen läßt, welche fis
verdienen.

Falsche Anschnldignngen imd nngerechtsertigte An-
griffe tragen die Gefahr in sich, der guten Sache zu
schaden nnd ihre Anhänger zn entfreniden.

Soweit der Artikel des hervorragenden katholischen
Geistlichen in der „Allgemeinen Feitimq". Daß ein katho-
fifcher Geistficher sich so zur badischen Klasterfrage äußert,
ift gewitz bemerk'enswert.

Die „Allgemeine Zeitnng" selbst giebt auch von siH
ans nnd für sich ihre Meinimg in dieser Frage ab. Sis
sagt: Wir haben zi, keiner Stiinde ein Hchl daraus gs-
macht, datz auch wir, in Anbetracht der kirchenpolitis-chen
Verhältnisse in Baden »nd in Anbetracht der Vorwärts-
bewegung des Politisch organisierten Katholizismns zuin
Schaden der Religiösen im Katholizismus auf allen Punk-
tcn, die Neuzulassnng von Mälinerklöstern in Baden nicht
nnr für nnnötig, sondern 'direkt für einen verhäng»
nisvollen politischen Tenkfehler halten.

Sine deutsch-amerikanische Ieier

BerIi n, 12. Nwvember. Der d e n t f ch - a m e r i-
kanische Verei n Veranstaltete gestern Abend zn
Ehren des biherigen amerikanischen Vo t schafters
im Kaiserhos ein Festbankett, zu dem sich eine glänzende
Vcrsammlung einfand. Staatssekretär Graf Posa -
dowsky brachte das Hoch aüf den deutschen Kaiser und
den Präsidentcn Roosevelt aus, dic beide bestrebt seien,
dic altc Frenndschast zwischeii Dcntschland und den Ver-
einigtcn Staaten zn hütcn. Professor H a r n a ck' feierts

Die Wodensteinersage.

n. Hcidclberg, 12. Iiovember.

^m Harmouie-Laale vchandelte Professor L o r e u tz e n
gestern vor ziemlich zahlreichcr Zuhörerschafi die Rodensreiner-
sagc. Auf den Höheu zwischen den Thälern, wo spnier die
RoLensteincrsage hcimisch war, lagcn alte Kulrstätten des
Wodan, der Böllstein zum Beispiel ist ein solcher Ort, des-
gleichen der benachüarte iSchnellertsberg^ -Ja Schnellerts,
welches Wort noch jetzt in der Gauncrsprache Jäger vedeutet,
wird zum Beinameu des Wotau, und Wotan felbst, der Aufüh-
rer des wilden Heeres, haust auf dem Schnellerts rmd meilt
nur vorübergeheud auf dcm Rodenstein, desjen Namen Vvn
Donars rotem Barte hcrrühren soll. Die Sagen, die sich an
den Rodenstein knüpfen, sind viel geringer an Zahl als die
Schnellertssagen, die mit ihnen vertnüpft werüen. Sie sind
iin Jnhalt mit der vom wildcn Jäger vevwandt. Einmal wirü
der Geist gesehen, da er rafelt, meist eilt er zu Pferde dahiu.
lleber diefen Auszng des Schnellertsgeistes vom Schnellertch
-lum Rodenstein mit gespenstischem Gefolge ließ der Amtmann
doi, Reichelsheim über 20 Jahre lang Protokoll führen, das
genug wunderbare Erscheimmgen verzeichnete. Jm Jahre
17-12 zog der Geist ans und blieb zwei Tage fort, dami im
diahre 1747 gar 6 Monatc, vom Fuli bis zum Dezember,
1768 war er 6—7 Wochcn fort, 50 fuhr er iu einer Kutsche
Aus, den Hubertsburger Frieden feierte er mit einem großen
Aagdgelage. Hier hören die Berichte auf, doch noch viel später
dehaupteten Leute, den Anszug dcs Schncllertsherrn gehört zu
naben. Von Zeit zu Zeit berichten die öffentlichen Blätter
?on den Wundern im Odcnwald, so soll ein neuer Äuszug vor
°kr Wiederkehr Napoleons aus Elba stattgefundeu habeu. 1853
^ogte es fich wieder, bis dami 1854 Scheffels Gedicht erschicn,
M dem Auftauchen der Gespensterberichte ein Ende machte.

Erscheinungen wurden von dcm einen ranonalistifch in-
^rpretiert, es seien elcktrische Kräfte, vielkeicht gar Uhus,

von dcn andern gläubig, als ob man an der Existcnz von
Geistern überhaupt zweifeln lömic. Noch 1821 veröffentlichte
Heinrich Seefuchs (?) eine grvße Schrift, die mit spekula-
tionen über die Geisterhypothefe crsüllr war. Aehuliche Sageu
wie die Rodeusteinersage findeii sich im südlichen Odemvald, wo
man den Geist den Lindenschmidt nennt. Er trägt den Charak-
ter eines Raubriiters, bald waudelt er sich iu eiucn Iäger.
Er erscheiur bei Kriegen, die am Rheine spielen, ist der heiligc
Strom bedroht, so reitet der Lindenschmidt am Rhein anf und
ab. Aus üem Schnellertsherru des Volkes machteu üie Üreise,
die für die Romantik des Rittertums etwas übrig hatten, ciuen
Ritter vom Rodensteiu. Warum soll dem, der auf Stoffe fiir
'Nifierromane uud Schauerbnlladcu ausgeht, nicht das Gespenst
des Volksglaubens zu einem Ritter vou Fleisch und Blut
werden? Die Rodeustciner kamen allmählich herunter nnd
verschmolzen durch Mihheirat mit dem inederen Adel. Mil dcm
Jahre 1071 sterben sie aus. Der Anficht, dah die cinfam
gelcgene Burg im Walde ücn Aulaß zur Entstehung dcr 'Sage
gegeben habe, ist entgegen zu halteu, daß die Burg nicht ent-
legen liegt und ehemals nicht im Walde lag. Zunächst üringt
man diefen Ritter von Rodciistein auch nicht in Bezichung zum
Schnellertsherru. Erst Langbein läßt in eiucr Dichtung dcn
Schnellerts vom Roöensteiner besiegt und verfolgt werden. Die
Mär von diesem rauflustigen Rittcr erweitert fich durch den
Zusatz einer Liebesepisode. Rodensteiner sieht auf deni Tur-
nier in.Heidelberg ein Fräuleiu namcns fMaria, cr wirbt
nm sie, gelobt Besserung, führt sie hcim. Das Gliick dauert
solcmge, bis es einem Feinde gefällt, ihn zu beleidigen, da mutz
er iwiederum ausrückcn. Da er hcimkehrt, wird er von
Geistern umfchwebt: es ist sein totes Eheweib mit sciiiem
totcn Kinde. Hier ist der Einflnß der Romantik, das Künst-
liche, Verschrobene, das der Sage aufgeklebt wird, deutlich zu
erkenneu. Verschiedene Schriftsteller machten sich an dcn Stoff.
So Kellner, Spindler Eine Opcr, die 1835 in Stuttgart er-
scheint, behandelt ihn auch, pu^t ihn nur noch durch Züge aus
dem wilden Jager auf. Jn emer andern Version taucht die

Rittcrsage bei Aiois Schreiber auf. Hier steckr der wilüs
Edelmann sciuer Geliebieu, weil sie ihu nichi erhörr, die Burg
iiber dem Kopf au.

llm 1822 erhält der Roüeiisleinerstoss eiu ueues Gepräge»
er wird parriorisch. Rodenfteiner wird ein Schutzgeist, öcr in
Kriegszeiteu, uuruhevoll üüer das Geschick seines Volkes, eiu-
hcrzieht. Jn diesem Sinue gestalret August Ludwig Grimm
eine Rodeusteiuersigur iu dcm Gcdicht: Was reitet vom Schnel-
lerts? Auch diese Fassung („Jm Frieden zog er zur Stamm-
burg fort") ist angeblich dem Volte entlehnr, au ihrer Rcdaktio,,
soll die Schwiegermutter des Schulmcisrers von Fräntisch-
Crunibach nicht unfchuldig seiu. I» dem erwähnten Orte
fiiidct sich das Grabmal Hausens von Rodenstein, dcr 1500
in Rom gestorben ist. Wirtungsvoller als das Gedicht von
Grimm ist eine Erznhluiig, die einen Rodensteiner mit dcm
Kaiser Friedrich II. zum heiligen Krieg ausziehen läht. —
Die Zeitgedanken formen die Menschen, sie formen auch üie
Gcstalten der Sage; in den Vierzigerjahren des neunzehnren
Jahrhunderts wird der Rodensteiner zum HeroS der Jugend
im Kampfe Deurschlands gegen scme Bedrücker; der demokra-
tische Gedanke der vormürzlichen Zeit lebt in ihm auf. Deo
Reducr verliest ein ungedrucktes Gedicht des Studenten Wil-
helm Bauer, gestorben als Generalsuperiniendent der Rhein-
provinz: Jch lrege tief in dunkeln Nächten. Hicr kommt diese
neue Auffassung zum Ausdruck.

So hat der Rodensteiner als Landgerst in merkwürdigeii:
viclseitigen Formen die Hemüter beschäftigt, ja, er hat nuf
seincm Gebiete beinahe dcm Barbarossa Konkurrenz gemacht^
da trat 1854 eine verblüffende Wendung in seiner Geschichte
ein; er wird zu dcm Saufaus, der totkrank noch vom Gaul
herabseufzt: Raus da, raus aus dem Haus da, dcr dahintobr
vom Durst gequält und jcden straft, der allzu früh die Her-
berg schließt. Hier ist einc Dcutuug der Sage, die mit dei:
bisherigen lleberlicferung völlig brach. Scheffel hatte eine
Unterhalfirng geführt über dic aktenmätzigcn Berichte, betreffcnd
die Geistererscheinungen im Odenwald. Jn grster Laune war
 
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