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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0139

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borgeschriebenen Tagcn wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag dcr Jnserate aus den Plakattafcln der Heidelbergcr Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluh Nr. 82

Ier WücktriiL des Vizekönigs von Irland.

London, 18. Juli. Wie erwartet wurde, ist Lord
l-adogau dciu Beispiele vou Sir Michael Hicks-Beach ge-
gefolgt und hat seinen AnStritt aus dem Kabinet an-
gcincldet. Jn Jrland wird sei» Rücktritt vou dcm Posten
des Vize-Königs allgemein bedauert werden und in der
That sind schon Stimmen in der Presse beider irischen
Partcien lant geworden. Unter der loyaleu Bevölkeruug
waren Lord und Lady Cadogan außerordcutlich bcliebt. Sie
hieltcn offenes Haus und waren äußerst licbenswiirdig. Jn
der nationalen Presse und unter den nationalen Parteiführern
gehörte es selbstverständlich zum Handwerk, bestäudig gegen
die „Schloß-Vogtei" zu Felde zu ziehen und gegen sie uach
besten Kräften zu hetzen. Lord Cadogan ist dieses Schicksal
auch uicht erspart gcblieben. Trotzdem muß abcr gcsagt
werden, daß sich wenigstens während der letzteu beideu Jahre
die Nationalisten in diescr Bezichung auch ciner gewissen
Mäßigung befleißigt haben, die ganz und gar auf den per-
!önlichen Charakter Lord Cadogans zurückzuführen ist. Das
Füllhorn ihrer Gehässigkeit und ihrer maßlosen Angriffe
Wurde dagegen über das Haupt des irischen Staatssekretürs,
Dkr. Wyndham, ausgegossen, der, wie eS hcißt, gleichfalls
große Lust verspürt, von seinem wenig beneidenswerten
Posten zurückzutretcu. Jn den Kreisen der Regierung ist
wau sich vollständig bewußt, daß für Lord Cadogau uicht
leicht eiu passender Ersatz zu finden sein wird. Die Stellung
ist an und für sich, trotz des Glanzes, dcr sie umgicbt, bei
bcr priuzipiellen und stets bis anf die Spitze getriebenen
Gegnerschaft der nationalen Partei keine sehr verlockcnde.
Sie erfordert außerordentlichen Takt und ebenso vicl Geduld
Uiid Nachsicht, die oft auch, wie im Falle dcs unglück-
iichen Lord Cavendish und des damaligen Staats-

Wkretärs, Air. Bourke, die beide gleichzeitig im „Phoenix
Park" unter den Tolchen der irischen Verschwörer ihr
Ende fandcn, wenig fruchtet. Wie es heißt, sind mit
bcm Herzog von Mailborough Veihandlnngen wegcn Ueber-
Uahme des in Erledigung geiangtsn Postens angeknüpft
Worden, wobei wohl auch die Persönlichkeit seiner Frau,
wner den Jrländern sehr sympathischen Amerikanerin, mit
i» Berechnung gczogen worden sind. Jn dcn irischen Kreisen
giebt man sich den Anschetn, daß man der bevorstehenden
Äeiiderung mit vollständiger Gleichgiltigkeit ge enübersteht,
was jcdoch kciniswegs dcr Fall ist, denn die Persönlichkcit
bcs Vice-Königs übt immer auf die Hallung der Re-
gierung der irischen Bewcgung gegenüber einen großen
Einfluß ui.d es ist sraglich, ob der Nackfolger Lord
Eadogans in gleicher Weise Energie mit Versönlichkeit und
Strenge mit Nachsicbt zu vereinen wissen wird.

Deutfches Reich.

Badcn.

Karlsruhe, 19. Juli. Zur Verlegung dcs
^arlsruher H auptbahnh o fes wird eine Eisenbahn-
bauinspektion hierselbst uad zur Weiterführung der Murg-
ihalbahn eine solche in Gernsbach errichtet. Die
Hafcnbauinspektion Kehl wird niit Ende d. I. ausgehoben.
Der Amtssitz des Großh. Bahnbauinspektors I in Offen-

burg wird ab 1. August d. I. nach Kchl verlegt. Zur
Leitung desBahnhofumbaues i» Offenburg wird
eine Eisenbahnbauinspektion in Offenburg errichtet. Mit dem
1. August wird zur Versorgung des maschrncntechnischen
Dienstes der Eisenbahnbetriebsverwaltung ein weiterer
Dienstbezirk, der Maschineninspektorbezirk Offenburg,
geschaffen. — Das Stattonsamt II Dinglingen wird
in eiu solches I umgewandelt, Jhringen, bisher III wird II,
und Windschläg bisher IV wird Stationsamt III.

Koiistanz, 20. Zuli. Landestommissär Freiherr
v. Bodma n hat, wie der „Konstanzcr Abendzeitung" von
gut unterrichteter Seite mitgctcilt wird, das ihm angebotene
Amt eines Gencraldirektors der Badischen Staatseisenbahnen
ausges ch l a g e n.

Batzern.

Würzburg, 18. Juli. Die Handelskammer für
Unterfranken schloß sich einstlmmig dcr von den vereinigten
Handelskammern des niederrheinisch-westfälischen Jndustrie-
bezirks ausgehenden Bcwegung gegcn die Gerichts-
ferien an.

Würzburg, 19. Juli. Bei der heutigen Senats-
wahl der Universität wurden die dem bisherigcu
(demonstriereuden) Senat angehörigen Professoren: v. Burk-
hard (Jurist), v. Frcy und Stöhr (Mediziner), Albert
(Theologe), Voß und Wilcken (Philos.) wiedergewählt. Neu-
gewählt wurden die Professoren Mayer und Piloty (Jurist),
Heß (Mediziuer), v. Scholz (Theol.), Martin Schanz (bisher
Rektor) und Wien (Juristen), Senator Beckenkamp, der den
Piotest nicht unterzeichnete, wurde nicht mehr gewählt.
Zum Rektor für 1902/3 wurde Prof. Maurer (Jurist)
gewählt, der den Protest gegen v. Laudmann ebenfalls
unterzeick net hat.

Ausland.

Schweiz.

— Tie gemeinsame Benützung der Kircheu,
wie sie in vielen schweizer Gemeinden üblich ist, hatte in
Steckbcrn zu einem Anstand geführt, über den die „Neue
Zür. Ztg." berichtet: Das kathol. Pfarramt von Steck-
born erhob den Anspruch, daß die Kränze und der Schmuck
des Fronleichnamsfestes über den Sonntag nach dem-
selben, während voller 8 Tage in der Kirche bleiben. Die
evangelische Kirchenvorstehcrschaft verlangte Wegschaffung
dcs Schmuckes auf den Sonntag nach dem Fronleich-
namsfest in dern dem evangel. Gottesdienste gewidmeten
Teil der Kirche. Der Slreit ging durch alle Jnstanzen
bis vor die Regierung und diese hat ihn dahin entschieden,
daß die katholische Kirchenvorsteherschaft Steckborn gehalten
sei, dafür zu sorgen, daß die auf das Fronleichnamsfest
angebrachte Dekoration im Schiff der Kirche jeweilen vor
dem nächsten cvangelischen Gottesdienste wieder entfernt
werde.

Frankreich.

Paris, 19. Juli. Jn einem Kapitel seiner Erinne-
rungen verspottet Gallifet die Communards von 1871,
welche ihn, als er Paris passierte, um sich nach Ver-
sailles zn begeben, in der Hand haticn und nicht sest-

nahmen. Galliset erklärt, er sei damals entschlossen ge-
wcsen, einen Kutschcr, welchen er für einen Agenten der
Commune hielt, kurzer Hand zu erstechen. Ueber Thiers
äußcrt Gallifet geringschätzig: dieser große Organisator
sall in Versailles vor lauter Todesangst das Gedächtnis
in dem Grade verloren habcn, daß er beispielsweise durch
die Existenz einer Armee deS Generals Vinoy völlig über-
rascht war. Gallifet kündigt an, daß das demnächst zu
publizierende Kapitel seiner militärischen Carriöre bis ein-
schließlich Sedan gewidmet ist.

— Die jetzt angeordnete Schließung der 2500
Ordensschulen ist nur der Anfang des Kampfes
zwischen Kirche und Staat in Frankreich. Worum es sich
in Wahrheit darin handelt, zeigen andere Zahlen. Für
den Unterricht der schulpflichtigen Jugend im Alter von
6 bis 13 Jahren sorgen in Frankreich mit Einschluß
Algeriens 62192 öffentliche Staatsschulen und 22167
Ordensanstalten. Jene zählen 3 780405, diese 1 629 612
Zöglinge. Von den Kleinkinderschulen für Kinder untcr
dem schulpflichtigen Alter sind 2574 mit 359 661 Kindern
öffentlich und stehen unter Aufsicht des Staates, während
2905 mit 362 214 Kindern den'Orden gehören. Jm
Mittelschul- (höheren) Unterricht der Knaben zählen die
Staatslyzeen und städtischen Kollegien zusammcn 85 599
Schüler gegen 10 182 der weltlichen und 68825 Schüler
der geistlichen freien Schulen, wobei gegen 23000 Zög-
lingeder kleinen bischöflichenSeminarien,dienichtunbedingtfür
dcn geistlichen Stand bestimmt sind, nicht einbegriffen fii d.
Jm höheren Mädchenschulunterrichte haben erst die seit
20 Jahren begründeten Mädchenlyzeen in den größern
Städten den Wettbewerb gegen die Orden aufgenommen,
aber nur eine kleine Bresche in den Vorrang zu legen
gcwußt, den die Orden auf diesem Gebiete des Unterrichts
behaupten. Alles in allem hat Waldeck-Rousseau das
Richtige getroffen mit dem Ausspruch, daß durch dtese Lage
der Dinge die Jugend Frankreichs in zwci Hälften zer-
sprengt uebcneinander aufwachse, ohne sich zu kennen, bis
sie stch eines Tages so unähnlich wiederfinden würden,
daß sie sich überhaupt nicht mehr verstehen würden. Noch
zehn Jahre, meinte er in einer andern Rede, und es wäre
zu spät gewesen, dieser Entwicklung vorzubeugen.

England.

London, 19. Juli. Der König der Belgier,
dessen Aacht im Solent liegt, stattete heute Vormittag dem
König Eduard cinen halbstündigen Besuch auf der Aacht
Viktoria and Albert ab.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 21. Juli.

* Das musikalische Leben in unserer Stadt wird nach Fertig-
stellung der Festhalle einen hervorragend günstigen und schönen
Ranm für seine Bethätigung zur Verfügung haben. Es ist be-
absichtigt, nach dem Vorgang anderer Städte, hier eine besondere
Gesellschaft zn bilden, welche sich die Pflege der Tonkunst dnrch
Abhaltung von Konzerten znr Ausgabe macht. (Näheres siehe
Jnserat.)

-i- Jubiläum. Die Aktiengesellschaft „Schleppschiffahrt auf
dem Ncekar" in Heilbronn feiert am 25. Juli ihr 2Sjähriges
Beste'hcn.

Aie Segekwettfahrt Kelgoland-Aovec.

Dover, 18. Juli.

Die deutsche Segelwettfahrt von Helgoland
»ach Dover stand gestern (Donnecstag) für die ganze dem
^egelsport huldigende Weit des mecrnmschlungenen Eng-
^nd im Vordergrunde der Ereignisse. Dover hat gestern
"kd heute einen Zustrom in seinen Mauern gesehen, wie
Er dem hübschen Gegenüber der französtschen Küste schon
!"nge nicht beschieden war. Vom frühen Morgen bis
^dät in die Nacht hinein waren Molen und Ufergelände
Tausenden von Menschen besetzt, die im Tageslichte
k"d bxjm Schimmer des Mondes die deutschen Iachten
Mfenden Auges betrachteten und ihre Meinungen über
Aussehen und Bauart austauschien — oft mit, noch
°Iter ohne Verständnls. Selbst die schärfsten Kritiker fanden
wenig auszusetzen und allgemein wird den deutschen
^nchten das Zeugnis besonders trimmen AussehenS und
"rtrefflicher Bauart zugestanden und mit dem Lobe nicht
^^nrgr. Am meisten bcwundert ward natürlich des Kaisers
" ^eteor" und als sie gestern gegen zwci Uhr als erste am
Hiele einlief, da erhob sich unter den nach Tausenden zäh-
dab " 3uschauern ein wahrer Beifallssturm. Alles glaubte,
bou ihr der Sieg zugefallen sei. War si- doch

dg/ zwei Stunden und noch einige Minuteu

arubex, vor den anderen Mitbewerberinnen ange-
Nsnien und Niemand daran dachte, daß die Zeitvorgabe
e.'^üend eine der anderen Iachten diescs Zeitausmaß über-
gen könne. Groß und aufrichtig war darum die Ent-
nichung, als bekannt wurde, daß der erste Preis, der

von H-rrn oon Buch gestistele prachloolle Krönungsbecher
im Werte von mehr als 12 000 Mk., dsr zweieinhalb
Stunden später eingelaufenen „Lasca" des Herrn G. W.
vom Bruning zugesprochm worden sei. Dem Kaiscr
fiel dcmentsprechend d-r von Sir Henry Seymour
King gewidmete zweite Preis zu. Den dritten

Preis errang des Herrn G. Watjen „Navohoe", die
eine Viertelstunde vor der „Lasca" einlief. Der Wind war
während der ganzen Wettfahrt schwach. Ecst knapp vor
Thorschluß erhob sich eine etwas frischere Brise und unter
dieser zeigte die „Meteor", was ste leisten könne. Von der
etwa dret Seemeilen von Dover entfernten St. Margarets-
Bay an durchschnitt ste, vvn der Flut begünstigt, mit
geradezu fabelhafter Schnelle die See und bot einen
wunderschönen Anblick. Kaum vor Anksr gegangen, be-
gaben sich Mitglieder des Royal Iacht Club und des
Cinque Port Aacht Club an Bord der „Meteor" und
beglückwünschten ihren Kapitän, Herrn Parker, und Grafen
Moltke, der stch als Vertreter des Kaisers an Bord befand
nnd der Ueberbringer des Preisbechcrs war, zu der glän-
zenden Leistung. Den schwachen Wind in Rechnung ge
zogen, war die Fahrt, 310 Seemeilen, eine gute und
wurde die Strecke von der „Meteor" genau in 48 Stunden
zurückgelegt. Zum allgemeinen Bedauern segelte die kaiser-
liche Aacht nach Einbruch der Nacht nach Southampton
weiter, so daß heute nur noch die übrigen vier Iachteu
vor Dover liegen. Gestern fand zu Ehren der deutschen
Gäste ein großer Empfang im Cinque Port Ilcht Clllb
statt, der sich zu einer äußerst glanzvollen und wohl-
gelungenen Festlichkeit gestaltete. Kapitän Fred Ftnnis,

der die dcutschen Gäste im Namen des Klubs begrüßre,
sprach den Wunsch aus, daß die internationalen Wettfahrtcn
Jahr für Jahr fortgesetzt würden, da fie mehr als manches
andere dazu beitrügen, die Bande der Freundschaft zwischen
dsn beiden Nationen fester zu knüpfen. Seine Ansführungen
wurden von allen Anwesenden mit lautem Beifall begrüßt.
Jm weiteren Verlaufe des Festes fand die Verteilung der
Preise statt, bei welcher Herr von Buch die prächtige
Krönuugstrophäe welche den ersten Preis bildete, Hecxn
von Bruning, dem Eigentümer dcr „Lasca", überreichtc.

Kleine Zeitmrg.

— Kempten, (Allgäu), 19/ Juli. Gestern ist der
Jngenieur Adam aus Augsburg von der Bokkarscharte an
der Mädelegabel beim Abfahren über Schnee abgestürzt.
Er überschlug sich zweimal und wurde so schwer verletzt,
daß er nach 3 Stunden starb.

— London, 19. Juli. Die Abendblätter melden aus
Hougkoug: Ein ungewöhulich heftiger Taimn richtete
gesteru Nacht großcn Schaden iu der Stadt uud der Um-
gebuug an. 20 Personeu solleu um das Leben gekommen
seiu.

— Bombay, 18. Juli. Die „Times of Jndia" mel-
det: Eiu heftiger Erdstoß, der drei bis vier Minuten
dauerte, hat am 9. Juli iu Beuder Abbas stattgefunden.
Alle Hauptgebäude habeu geliiteii, eiu Eiugeboreuer ist ge-
tötet. Am 9., sowie am 10. Juli wiederholteu sich die
Erder schütteruugen. Dieselben schienen von der Jusel Kishm
 
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