Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229-255 (01. Oktober 1902 - 31. Oktober 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0801

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SamsLag, 25. Oktober 1902.

Grstes Blatt.

44. Jahrgang. — 250

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommcn. Prcis mit Familienblättern monatlich 8V Pfg. in's Haus gcbracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

die Post bezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommcn. — Anschlag der Jnserate auf dcn Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschl^gstellen. Fernsprecher 82.

Deuischkand nnd Kngland iN Ianglsethal.

Tie „LimeS" imstdet aus Peting: Die Bedingun-
gen, die D e n t s ch 1 and nnd Fr a n k reich für die
R ä n m n ng S l, a n g h a i s aufgestellt haben, sind
nahezu die gleichen. ErstenS betont Deutschland, es
molle, da die Besetzung und Räumung von Shanghai ge-
meinschaftlich ist, auch an jeder späteren Besetzung teil-
nehmen. Zweitens solle China sich verpflichten, keiner
anderen Macht irgendwelche Vorzüge politischer, militä-
rischer, inaritimer vder wirtschaftlicher Natur im Jangtse-
thale zu gewährcn, wobei die Bestimmung betreffend
die ökonomischen Vorrechte sich nur auf Staaten, nicht
auf Einzelpersoncn bezieht. Drittens soll China sich ver-
Pflichten, keiner anderen Vlacht das Recht einzuräumen,
irgend einen Platz ain Jangtse zu besetzen, der den Fluß
oberhglb oder untcrhalb Shanghais beherrscht. Die
irünzösischen Bedingungen sind ähnlich, nur ertlärt
Frankreich mit geringererDentlichkeit, daß es sich im Falle
einer stzäteren Besetzung die Freiheit seines Handelns
vorbehalte, und in dem zweiten Punkte fehlt die Er-
wähnnng wirtschaftlicher Vorteile ganz. C h i n a hat am
18. Oktober beiden Gesandten die formelle A n n a h m e
dieser Bedingnngen bekannt gegeben.

Jm Zusammenhang init dieser Meldung der „Times"
gewinnt die Thatsache an Bedeutung, daß der G-eschwader-
chef in Ostasien, Vizeadmiral von Geißler, sich veranlaßt
gesehen hnt, persönlich die Operntioncn ini Jainstsethal
zu iibernehmen. Er hat eine ansehnliche Seemacht in
der Miindung und auf dem Stromlauf vereinigt. Der
Oberbefehlshaber trat die Fahrt in das Jnnere Chinas
an. Vor Wustmg verließ er das Flaggschiff „Fürst Bis-
marck" und schiffte sich an Bord des Kanonenbootes
„Lur" ein, das bei seinem geringen Tiefgang für eine
-stronifahrt vorzüglich geeignet ist. „Lux" wird znnächst
Nanking anlaufeii und dann den Jangtse hinauf dam-
Pfen. Dor „Seeadler" befindet sich auf dem Wege von
Tientsin nach den mittelchinesischen Gewässern und dürfte
nächster Tage Shanghai anlanfen.

Bekanntlich bereitet England gegenwärtig einen
Hauptschlag im Iangtsethale vor. Die Ermordung zweier
Missionare dortsclbst bietet ihni die Veraillassung dazu.
Schon haben die Herren der englischen Botschaft einen
Empfang beim Kaiser und die Damen 'beim Frühstück bei
der jungen Kaiserin direkt abgelehnt: eine Anzahl eng-
lischer Schiffe sind im Jangtsethal vereint und englische
Blätter sagen geradeans, nnn sei die Zeit g-ekommen,
die Vorherrschaft Englands ani Jangtse zn begründen, d.
h. Deutschland nnd die anderen Staaten, die dort Gleich-
berechtigung beanspruchen, fortzudrängen. Die Maß-
nahmen nun, die Deists-chland getroffen hat, werden Eng-
land doch wohl zu der Ueberzeugung bringen, daß es
mit dem Wegbringen Dentschlands nicht so leicht geht,
und daß England bester thut, dies lieber gar nicht zu
verfuchen. __

Deutfckes Reich.

. — Tie Kommission für das K i n d e r s ch u tz g e - s

1 e tz setzte gestern ihre Beratungen fort. §

Z 2, dcr Kmder unter 13 Fayren «nd solche Kinder über z
l3 Aahren, dre noch die Schüle besuchen müssen, den Bestim- ;
Anngen dieses Gcsctzcs nnterwirft, bleibt unverändert. Ein >
antrag Wurm, der allgemein das 14. Lebensjahr als Grenze

feftsetzcn will, wurde mit Stimmengleichheit abgelchnt. Z 3
enthält die Definitiou über eigene und fremde K i n-
der und versteht unter den eigenen Kindern uuter anderen
auch Kinder, welche demj-enigen, der sie Ibeschäftigt, zur
zwangsweisen Erziehung überwiesen sind, sofcrn die Kindcr
zum Hausstande desjenigen gehörcn, der sic beschäftigt. Diese
Bestimmung -wurde auf Antrag Wurm gestrichen nnd im übri-
gen 8 3 nnverättdert angenommen.

— Das S ch i e b s g e richt des Königs von Schwe-
deu iu ber S o m o a - A n g e l e g e u h e i t betrifft
Folgeubes:

Jn dic streitigkeiren zwischen deu Anhängern Matafaas
und des -Gcgenkönigs Tanu, des Sohnes von Malietoa, hatt-en
die vor Apia liegenden englischen und amerikanischen Kriegs-
schiffe eingegriffen, Mannschaften gelandet und Apia sowic die
Stranddörfer beschossen. Bon dcutscher Seite wnrde hier-
gegen -Cinspruch erhobe» und für die den deutschcn Rcichs-
angehörigen dnrch das Vorgehcn crwachscnen Schäden Ersatz-
anspruch geltend gemacht. Die Samoafrage felbst crfuhr im
nächsten Jahre durch das Samoaabkommen zwischen Deutsch-
land, England und den M'reinigtcn Staaten eine Lösnng. Für
die Entschcidung über die Schadencrsatzansprüche, das heißt
darüber, ob solche bercchtigten Ansprüche b-estehen, nnd wer
den Schadcncrsatz zu leisten hat, einigten sich dic Mächtc da-
hin,Ren König von Schweden als unparteiischen Schiedsrichter
anzurufen. Auf diescn Schiedsspruch wcist anch Artikel 1 dcs
Samoaabkommens hin. Wie schon mitgeleilt -worden ist, hat
nnnmehr König Oskar Zu Gnnsten Deutschlands entschieden;
Lber dic Einzelheitcn seines Schiedssprnchs 'ist bishe-r nichts
bekanni gMorden.

— Die B ii re n g e n er ale haben bei ihrer Anweseii-
heit in Berlin an den Denkmälern Kaiser Wilh elms I.
nnd Bismarcks keine Kränze niedergclegt. Als
Grund wurde nrsprnnglich angegckcn, daß die Schleifen
nicht rechtzeitig fertig geworden seien. Wie jetzt die „Leip-
ziger Neiiesten Nachrichten" mitteilen, ist die Kraiizlegnng
niiterblieben, wcil De Wet crklärt hatte, daß man darin
etne polittsche Aktion erblickcn könnte, da dic Gencrale nicht
das Gteiche am Sarkophage der Königin Viktoria gethan
hätten, nnd man- zurilckgreiseii werde ans Bismarcks Wort,
Südafrika werde dercinst Englands Grab scin, nm ihre
Absicht zn vcrdächtigcn.

Deutschcr Weichstag.

Bcrlin, 24. Okt.

Weiterberatung des Zolltarifs bei dcr Posi-
tioii Mindcstsätze snr Pferde.

Eiu Antrag des Abg. Frhrn. v. W-angenheim jBnnd
der Landwirte) will d!e Mindestsätze erhöhen.

Abg. H-crvld (Zentr.) -erichtet namens der Kommission.

Abg. Graf Kanitz fkons.) bctont die Bedeutung der
Pferdezucht für Landwirtschaft und Heer. Die Armee decke
etwa der Remonten aus Ostpreußen. Damit ergebe sich
öie Noiivendigkcit, die Pfcrdezucht möglichst einträglich zu hal-
ten. Jn Kriegszeiten seien ctwa 100 000 Pferde mehr nötig,
als in Friedenszeiten. Als in Frankreich die Einfuhr von
Pferden die Ausfuhr überstieg, hat die französische Regierung
das Sechsfache des bestehenden Zolles beantragt.

Mg. Haase (Soz.) bemerkt, der Pferdezoll sei eine
Liebesgabc für die Großgrundbesitzer, besonders für dic ost-
preußischen. Die Pferdezucht sei unter den bisherigen Zöllen
nicht zurückgegangen. Die Sozialdemokraten würden daher
nnter keinen Umständen der Zollerhöhung zustimmen.

Abg. Steinhaner (freis. Ver.) bekämpft die Kom-
missionsbeschlUsse.

Abg. Blödan (kons.) spricht sich snr den Antrag Wangen-
heim ans.

Abg. Dr. P a ch n i ck e (freis. Ver.) meint, höhere Zoll-
sätze würdcn sicherlich eine Preissteigerung herbeiführen, wäh-
rend es zweifclhaft sei, ob eine Produktionserhohung eintrete.
Bcsondcrs würden die Gebranchspserde versteuert, die wir aus
Ocsterreich-Ung-arn beziehen.

Prcußischer Landwirtschaftsminister b. Podbielski be-
merkt, er habe bisher nicht gesprochen, um die Verhandlung
nicht unnötig zu verlängern. Er sei aber zu sofortiger Stel-
lnngnahme, wie es der Vorredner wünsche, bereit. Der Mi-
nistcr schildert dic Pferdezucht bei den kleineren und größeren
Besitzcrn nnd erklärt den Remonteankauf. Er betont die
Pflicht des Staates, in erster Linie den Pferdebedarf für die
Armee zu deck-en. Die Halbblutzucht liege in den Händen einer
klcincn Zahl rheinischer Besitzer nnd uehme eine gnte Entwick-
lnng. Jn Frankreich habe sich seit 1870, seit dem crhöhten
k Zollschntz, cine blühcnde Zucht entwickelt. Das sei auch für
Deutschland zu wünschen. Ter Minifter erklärt schließlich, die
Rcgicrnng könne auf Minimalzölle nicht eingehen.

Abg. v. Treuenfels (Hosp. d. Kons.): Die Leute von
dcr Börse und dcm Großhaudel könnten einen Zoll für Luxus-
pferde sehr -wohl tragcn. Redner spricht sich für den Antrag
Wangenheim, bezw. die Kominissionsbeschlüsse aus.

i'lbg. D e p k e ii (ntl.) empfiehlt die Regierungsvorlage.

Abg. Stadthagen (Soz.) (mit Heiterkeit und Unruhe
cmpfangen) v-erbreitet sich in längerer Rede über die Pferde-
frage unter Zurufen des Abg. Kropatschek (kons.).

Hierauf wird die Dis'kussion geschlosscn.

Der Antrag Wgngenheim wird in einfacher Wstimmung
-abgelehnt. Die Mindestsätze der Kommission werden in na-
inentlicher Abstimmung mit 132 gegen 102 Stimmen bci einer
Enthaltung angenonimen. Die Tarisposition 89 (Pferdc)^
wird in einfacher Abstimmnng nach den Kommissionssätzcn an-
gcnommen.

Weiterberatung morgcn 12 Uhr.

Preuße».

Köln, 24. Okt. Die Er,z b i s cho f s w cih l findet
laut „Köln. Volksztg." am 6. November statt.



Ans der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog habcn
dcm Lakaicn Güti n ger im Dienste des Fürsten von Höhen-
zollern die silberne Verdienstmedaille verliehcn.

— Scinc Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dea Ltersilncru-spcktor Augustki Kleiser m Lhienzen zum
Mnanzamt Ost.-il'iirg, den Oberstenerinspc.'wr Albert Hana
in Dcnnuischingeu zum Finanzamt Rastcat unb dei: Bezirks-
steiier'.uioelivr Ma.r Flei s ch m a n n in Stockach iiun Finanz-

amt

Nie , ich m a n n m Stocka-ch znm Fmanz-
vimueschingeii, sämtlich in gleicher Eigenschaft versetzt;

ferncr den Finanzassessor Ludwig Waibe 'l in Pforzheim znm
Vorstand d-s Finanzamtes Stockach und den Finanzassefsor
Bcrnhard B ii r ck in Köln znm Vorstand d?s Finanzamts
Thiengcn, beidc unter Verleihung des TitelZ Bezirkssteuer-
inspcltor eruannt.

— Seine Konigkiche Höheit der Großhe r z o g habeir
dic Finanzpraktikanteii Johann Ehrler von Heitersheim.
Karl Schntz von Rappenau nnd Hermann Ncckermann.
von Freudenb-crg nnter Verleihnng des Titels Finanzassessor zu
zweiten Bcamten dcr Bezirksfinanzvcrwaltung mit Haupt-
amtskontrolleursrang ernannt-

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
den Ikotar Franz Würth in Psorzheim in den Amtsgerichts-
bezirk Durlach versetzt.

— Bom Jnstizministerinm wurde dem Notar Würth
das Notariat Dnrlach 1 zugewiesen.

K a r I s r u h e , 24. Oktoüer. Die G r o ß h e r z o-
g i ii traf gestern Vormittag 10 Nhr 22 BNnuten in

„Das Fischermädchen".

Roman von I. E d h o r.

(Nachdruck verboten.)

. Ein kleines, weißes Hüuschen fteht dicht am Ostseestrande,
mächtig grotzcr Hügel hrennt es von dem brausenden.
^eerc. Drei Fenstcr nur hat das kleine, steinerne Viereck,
?)Nes zeigt nach dem Strande hinaus und über diesem befindet
tzH im Giebel noch ein zweites, und auf der Dorfseite befindet
"4 das dritte, nebst der -Eingangsthür.

Jn der weiß gekalkten Stube steht sauber gehaltenes Haus-
«ftät, Schränke, Tische, Stühle und eine Kormnode. Auf dem
Mnsterbrett einige blühende Blumentöpfe. Eine Frau steht
dem brennenden Herdfeuer, auf dem ein eiserner Drei-
U) steht, und auf diesem brodelt das kochende Kaffeewasser.

ist ein ärmliches aber sauberes Heim. Der weiße Sand liegt
Lst Mehlstaub auf dcn weißgescheuerten Flurdielen und ein
?'kd, nicht so grotz, aber im massiben Rahmen von Eichen-
ei 3 geschnitzt, leuchtet von der weißen Wand herüber. Es ist
Kunstwerk, dieses kleine Bild, so unscheinbar es auf den
^Mn Blick ist, aber schon der zweite Blick fesselt den Beschauer
^ den dritten vermag der Kenner nicht von dem Stückchen
^üiwand zu reiß-en. Es stellt die Szene dar aus der heiligen
^rjft, mo Christus am Brunnen sitzt und dem Weibe aus
h^warw, welches cincn Krug Wasser holt, seine Sünden vor-

Christus in jugendlicher Schönheit prangend, sitzt auf einem
fiZbringenden Felsstück und an den Rand des Brunnens ge-
steht die schönc- Sünderin mit vorgeneigtem Körper, voll
i^Zunen in das heiligste Antlitz sehend. Eine meisterhafte
Pck.sttcllungl Das Bild besaß eincn Knnstwert, welches seine
Utzcr schwerlich ahnten.

ji, An dem Fenster, welches zum Strande führte, saß ein
6cs Mädchen vor einer Nähmaschine, grobes Leinen in den

zarten, weiszen Händen haltend und mit den schönen schwarzen
Augen sehnsüchtig hinausschaucnd auf das unendliche Meer,
welches unruhig in seinem Bette hin und her schwankte.

Diese zarte, zierlich-e Gestalt, welche kaum die Mittelgröße
erreichte, war das zweite Bild, welches nicht hinein paßte in
die dürftige Fischerwohnnng — das cine von Gotteshand, das
andere von Künstlerhand gema'ltl

Ein Wald blonber Locken, kraus widerstrebend jedem
Kamm, umgab ein engelschönes Gesichtchen mit rosig weißem
Teint, in dem die schwarzen Sammtaugen mit den langen
Seidcnwimpern anffielen und den Beschaner im selben Maße
fesselten wie das Bild an der Wand.

„Gitta, willst du jetzt Kaffee trinkcn?" fragte dic Mnttcr
von dem Kochherd herüber.

Das Mädchen wend-ete langsam den schönen Kopf, als er-
wache sie aus schwercm Traume.

„Wollen wir nicht auf den Vater warten?"

„Wer weiß, wann der heimkoinmt. Es wird böses Wctter.
Die Winde sind könträr — die Fischer werden schlechte Heim-
fahrt haben."

Mit sorgenvoller Stirn schaute die Frau durch das F-enster.

„Es ist doch nicht Gefahr dabei?"

Die Frau zuckte mit der Schulter. „Wir wollcn's nicht
hoffen. Er fährt schon viele Jahre hinaus auf das trügcrische
Element, cs ist immer gut abgelaufcn nnd hente ist dcr Alois
dabei, dann bin ich immer beruhigt. Der Alois ist jung
und stark, cin treuer Mensch, der kcinen im Stiche läßt. Mehr
wie cinmal hat er mir den Vater vom Meere heimgebracht, wo
er ihn mit starker Hand vor dem Tode bewahrt! Jch könnte
dir viel von seinen Heldenthaten erzählen."

Gitta -erhob sich, trat an den Tisch, woranf die Murter den
Kaffee gestcllt und ergriff eine Tasse.

Mit smnendem Ausdruck ruhten die Augen der Mutter
auf der Tochter. „Wie du dich bei nns znrecht finden wirst?"
sagte sie besorgt.

„Ganz gnt) Mutter!" lachte Gitta. Wie oft habe ich mich ^

nach dem sturm- nnd meernmrauschten Häuschen zurückgesehnt
— nach dir und dem guten Vaterl Fa, auch dem Vater, der so
ruhig nnd still seincm schweren, aufops-ernden Berufe nach-
geht . . . Jch konnte immer nicht begreifen, daß ihr mich fort-
gegeben in fremde Hände znr Crziehung."

„Es geschah zu deinem Besten, du sollst doch etwas lcrnem
Unserc Mittel reichten nicht ans, dich in eine bessere Schul«
zu schicken, also muszten wir froh sein, daß dich die Tante
zu sich nahm, sie hatte Zeit nnd als Lehrerin die beste Gc-
legenheit sich deiner anzunehmen."

„Ach, Tante Mathilde war s-e-hr gut, aber ich wäre lieber
bci euch geblieben."

„Nun, du bist erst achtzehn Jahre, hast also noch reichlich
Zeit, bei uns zu bleiben," lächelte die Frau unt mütrerlichem
Stolz ihr Kind betrachtend. „Schau, wir können dich auch
brauchen, du hilsst im Hanse, ich besorge die Küche und der
Vater verdient das Geld. Nnr wird dir unsere einfache
Lebenswcise nicht zusagen."

„Bei Tante Mathilde le-bt-e- ich frcilich anders, aber darum
schmeckt es mir hier doch tausendmal besser, ich esse das Brot
mciner Elternl Jch bin nnn schon vierzehn Tage hier, sage
Muttcr, habt ihr immer so sparsam gelebt?"

Ein dnnkles Rot erschien anf dem Gesicht der Fischerfrau.

„Nimm mir die Frage nicht übel, Mntterl" bat das junge
Mädchen.

„Wir sind in Wirklichkeit arm; der Vater ist alt und ge-
brcchlich .... Wir hab-en freilich einen Notgroschen für die
Zukunft zurückgelegt, aber —"

„Liebc Mntter, ist es denn nicht besscr, ich vcrdiene sclbst
mcin Brot? Jch habe eine Menge gelernt, Tante Mathilde
hat vicl an mich gewendet, ich kann euch sehr gut eine Stütze
sein, dcr Vater braucht sich dann nicht länger quälen."

„Gitta, du bist unser einziges Kind, und wir haben dich
so wcnig nm nns gehabt. Willst du denn nicht bei uns blei-
ben?"

Die^heutige N«mme<umfaßt vier Bliitter, zusammen 16 Seiten.
 
Annotationen