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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0231

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Moutag, ä. Aiigiist 1902. Srstes Blatt. 44. Jahioong. — .L179.

Erschciuttäglich Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättcrn monatlich 56 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

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vorgeschriebenen Tagen wtrd keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitnng und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Deutsches Reich

Kicl, 2. Aug. Der Kaiser und die Kaiserin
begaben sich hcute Mittag an Bord der Aacht „Jduna"
nach Hemmclmark, um dort Prinz und Prinzessin Heinrich
von Preußen zu besuchen. Vorhcr hatte die Kaiserin bei
der Frau Admiral v. Koester und bei der Prinzessin
Henriette, ihrcr an den ordentlichen Professor in der Kieler
medizinischen Fakultät Wirkl. Geh. Rat Dr. v. Esmarch
verheirateten Tante, Besuch gemacht. Der Kaiser wird sich
am Montag an Bord der Aacht „Hohenzollern" nach
Rcval begeben. Jn Begleitung des Kaisers befinden sich
der Reichskanzler und der Gesandte v. Tschirschky und
Bögendorff.

Baden.

— Ein liberales Blatt brachte kürzlich eine sehr schwarz
gehaltene Schilderung des zunehmenden Zentrumsein-
flusses in Baden. Es behauptete, daß die Angehöri-
gen des Zentrums mehr und mehr in öffentliche Stellungen
einrückcn, als Richter, Lehrer an Mittelschulen, sogar in
die Verwaltung, von der man nach früherer Ueberlieferung
angenommen hat, daß sie einheitlich im Sinne deS Kabi-
Nets besetzt sein müsse. Die Thatsache ist leider nicht zu
bestreiten, aber die Schuld daran dem Staatsminister v.
Brauer zuzuschreibcn, ist nicht richtig. Die Verklerikali-
sierung der bad. Beamtenschaft wurde, wie in dem „Schwäb.
Merk." ganz richtig hervorgehoben wird, vorbereitet durch die
Zulassung der sogen. Knabenkonvikte, die neben den
Gymnasien in Konstanz, Freiburg, Rastatt und Tauber-
bischofsheim errichtet wurden. Diese bilden Zwingburgen
des Zentrumseinflusses. Ta werden die Zöglinge, solange
bas Gemüt noch weich und empfänglich ist, im Zentrums-
sinne beeinflußt und zu künftigen Kämpen der Partei aus-
gebildet, nicht bloß zu Theologen, sondern zu Staats-
beamten in allen beliebigen Stellungen. Jetzt sangen die
vorhergcsagten Folgen der Konvikte schon an, sich in so be-
denklicher Weise fühlbar zu machen, daß man sie nicht mehr
in Abrede stellen kann, und daß man liberalerseits genö-
tigt ist, mit diesem Faktor der „Verklerikalisierung" zu
rechnen.

L.6. Mosbach, 3. Aug. Eine am Sonntag, den
27. Juli hier abgehaltene sehr zahlreich besuchte Versammlung
von natioualliberalen Vertrauensmännern des Beztrks, in
welcher die Klosterfrage zur Besprechnng kam, hat mit
Stimmeneinhelligkeit sich im Sinne der Heidelberger
Resolution für den Protest gegen die Einführung der
Männerklöster in Baden erklärt.

Bayern.

München, 2. August. Der bayerische Gesandte in
Wien, Frhr. Podewils, ist einer Einladung Sr. Kgl.
Hoheit des Prinz-Regenten folgend, zu den Jagden
vach Vorderriß abgereist. Seine Ernennung zum Kultus-
Minister soll schon vollzogen sein.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Scinc Königliche Hühcit dcr G r o s; h c r z v g hciben
vem Bcrricbssekrcrär Augnst Schuckcr in Karlsrnhe das
^crdicnstkrcnz vom Zähringer Löwcn verlichcn.

— Es wurdcn die Rebidcntcn Ludwig V o l k nnd Eduard
^ euLiier bci Grotzh. Oberdircktion des Wasscr- und -

Ltraszcrwaucs zu Rcvisorcn bei dicser Behörde crnannt, Buch-
^altcr Anton Kuth beim Finauzamt Bvettcn mit dcr Ver-
ichung ciner Rcvidenrcnstelle bci Großh, Stcucrdirektion be-
traut.

Ausland.

Frankreich.

Paris, 2. Aug. Das amtliche Blatt veröffentlicht
heute die gestern im Mini sterrat unterzeichneten Erlasse,
welche die Schließung einer Anzahl von Ordensanstalten
anordnen, nachdem die betrcffenden Oiden stch geweigert
haben, sich freiwillig dem Vereinsgesetz zu unterwerfen.
Der Präsident der Republik hat drei Erlasse unterzeichnet,
die sich auf 237 in 32 Departements gclegene Nieder-
lassungen beziehen. Wenn man dazu die 26 Niederlassungen
im Seine- und die 61 im Rhonedepartement hin-
zusügt, die durch zwei frühere Erlasse geschlossen wordcn
sind, so ergiebt sich, daß im ganzen 324 Niederlassungen
sich mit dem Gesetz nicht abgefunden hatten. Es sei daran
erinnert, daß die Regierung gegen etwa 3000 Ordens-
nicderlassungen einzuschreiten hatte, die dem Gesetz nicht
nachgekommen waren, und daß dann 2700 davon ihre Thore
ohne Zwang schlossen, sobald die Regierung sie dazu durch
die Präfekten in Ausführung des Combesschen Rund-
schreibens aufforderte. Die Präfekten haben heute telegraphisch
Nachricht von den Erlassen crhalten, unter Angabe der
Anstalten, gegcn die sie vorzugehen haben. Die größte
Zahl der nach den gestrigen Erlassen zu schließenden
Niederlassungen befindet sich im Departement Finistöie.
D!e „Lanterne" meint, daß dört einiger Widerstand gegen
die Ausführung der Erlasse zu erwarten sei.

England.

S outh am pton, 2. Aug. (Frankf. Ztg.) Steijn
wurde heute früh an Bord des Dampfers „Carisbrook
Castle" von Fischer, Wessels und anderen Freunden auf-
gesucht; sie fanden Steijn in seiner auf dem oberen Deck
befindltchen Kabine, auf einem Bett liegend. Er schien
krank und abgemattet und trug eine blaue Schutzbrille.
Stcijn ließ durch Fischer sagen, er sei nicht wohl genug,
einen Vertreter der Presse zu sehen und der Arzt habe
ihm verboten, mehr, als absolut nötig, zu sprechen, doch
wolle cr wissen lassen, daß er sür die Güte, die ihm an
Bord zuteil geworden, sehr dankbar sei, und er sügte hin-
zu, er fühle sich infolge der Reise soviel besser, Frau Steijn
bemerkle noch, das Befinden thres Gatten habe sich in
jeder Weise gebessert, aber er sei noch außer Stande, sich
zu erheben, da er an Armen und Betnen gelähmt
sei. Dr. Pouthma vom holländischen Ambulanzkorps, der
Stcijn behandelte, sagte, Steijn leide annervöser Er»
'chöpfung. Seine Krankheit sei schwer zu verstehen
und er habe nie einen deraitigen Fall gesehen. Bezüglich
der Thatsache, das Steijn sofort an Bord des holländischen
Dampfers „Batavier" gebracht wurde, der gleich hinter
dem englischen Dampfer „Carisbrook Castle" ankerte, sagte
Tr. Pouthma erklärend, Steijn berühre nur darum eng-
lischen Boden nicht, weil er die Anstrengung einer Fahrt
nach London nicht aushalten könne. Thatsächlich war ein
Salonwagen für Steijn d?m bereit stehenden Zuge an-

geyangr sur oen Fan, oav er ycy genugeno eryou yaoen
sollte, um nach London reisen zu können.

London, 2. Aug. Jn Anbetracht des günstigen
Verlaufes seiner Genesung hat König Eduard unter
Zustimmung seiner Aerztc nun doch beschlossen, eine
Parade über die zur Krönung nach London gekommenen
Kolonialtruppen abzuhalten. Es heißt. daß der König
sehr energisch darauf bestanden habe, daß gerade dieser
Teil des ursprünglichen Krönungsprogrammes zur Aus-
führung gelange, da er besonders die Eingeborenen aus
Jndien, die unter nicht geringen Opfern wochenlang hier
in einem für sie ungewohnten und ungesunden Klima aus-
gehalten haben, auf keinen Fall enttäuschen wollte. Die
Trnppenrevue soll am Morttag, den 11. August, in den
zum Buckingham Palaste gehörigen Anlagen stattfinden und
man nimmt an, daß der König dabet entweder im offenen
Wagen oder in seinem Krankenstuhle sitzen wird. Voraus-
setzung sür diese Veranstaltung ist natürlich günstiges
Wetter. Außer dem König sollen auch der Prinz von
Wales, Lord Roberts, Lord Kitschener vnd die Mitglieder
des Generalstabes, sowie der Premierminister der Kolonien
und andere besonders einzuladende Gäste bet der Parade
anwesend sein.

Norwegcn.

Christiania, 2. August. „Morgenblad" teilt ein
Tclegramm des Nordpolfahrers Baldwin mit, in
dem es heißt, daß sein Versuch, den Nordpol zu
erreichen, mtßlungen sei. Er fühle sich jedoch von
den Schwierigkeiten keineswegs überwunden und werde
nächstes Jahr wieder versuchen, den Nordpol zu er-
reichen. Baldwin legte drei große Niederlagen an, welche
der nächsten Unternehmung große Vorteile gewähren werden.
Das Fahrwasser am Franz Josefs-Land war im Herbst
1901 durch Packeis vollständig gesperrt, was die Weiter-
fahrt verhinderte. Die Unternehmung war genötigt, die
Reservevorräte an Lebensmitteln und Kohlen anzugreifen.
Da die Vorräte ihrem Ends sich zuneigten, mußte die
Unternehmung umkehren. Baldwin erreichte 81° 44fl (Dr.
Frithjof Nansen erreichte auf seiner berühmten mehrjährigen
Nordpolfahrt 86° 14' zu Schlitten am 7. April 1895,
kam also dem Nordpol nm fast fünf Grad näher als jetzt
Bäldwin. Die Red.)

Asien.

Kanton (China), 2. Aug. Von mehreren Seiten
kommen Meldungen übcr einen Zwischenfall inTzet-
schuan. Der dortige Generalgouverneur lehnte unter
Hinweis auf die unruhige Lage in seiner Provinz die
Ausstellung von Jnlandspässcn ab. Gleichzeitig verlangte
er, daß zwei im oberen Laufe des Iangtse befindliche
"anonenboote, ein englisches und ein franzö -
isches, nach dem Vertragshafen Tschungting zurück-
gezogen werden. Die Zurückzichung wurde angesichts
der unsicheren Verhällnisse in Tzetschuan von englischer
und französischer Seite verweigert. Nachrichten über
weitere Kämpfe zwischen chinestschen Rcgierungstruppen und
Aufständigen sowie über die Ermordung chinesischer Christen
treffen ncch immer ein.

Das revidierte Krönungsprogramm.

Hi London, 31. Juli.

Während der König in Cowes nach seinem schweren
Aronkeniager, gestärkt von der frischen und milden Seeluft,
^ie ersten Versuche wagt, sich aus eigener Kraft fortzu-
^wegen, sei es im Krankenstuhle oder auf seinen Füßen,
0aben in dcr Hauptstadt die Vorbereitungen zur Krönung
Meder ihren Anfang genommeu, und mit jedem Tage
ichreitcn die Arbeitcn der Bauleute und Dekorateure
^scher fort. Jn der Westminster-Abtei selbst hallen wieder
Hammerschläge durch die weiten Räume und es wird
?Ufgebaut, was man in der Eile und ersten Aufregung
!?on niederzureißen begonnen hatte. Auch die Tribünen
das schaulustige Publikum werden wicder in Stand
^setzt und die Nachfrage nach Plätzen ist um so reger,
die Prozesstonsrouie nur verhältnismäßig kurz und die
T's'zahl der zu vergebenden Plätze daher nicht so groß ist,
hxj der für Ende Juni geplant gewesenen Festlichkeit.
Preise für die Plätze sind infolgedessen auch wieder
r" die Höhe gegangen. Unter 20 bis 25 Mark ist über-
?"upt nichts zu haben, und für vorteilhafte Plätze werden
ieder Phantasiepreise von 100 Mark und darüber bezahlt.
d der Käufer sichern sich aber, durch die Erfahrung
alle Fälle, indem sie die Vereinbarung treffen,
ztz ein Teil des Preises zurückbezahlt werden muß, falls
ha, ^?iession nicht stattfinden sollte. Es macht sich über-
^ upj tm Publikum ein starkes Mißtraueu in die offiziellen
sj ^ihte h^Erkbar, und die Gerüchte wollen nicht ver-
UtMen, die eine abermalige Vertagnng der großen Fest-

lichkeit prophezeien. Seitdem aber der König mit Erfolg

die crsten Gehversuche gemacht hat, ist die Stimmung
wieder zuversichtlicher geworden.

Das offizielle Programm, das soeben zur Veröffent-
lichung gelangt ist, crbringt allerdings den Beweis, daß
die Feierlichkeit obwohl zur Schonung der Kräfte des
Monarchen gekürzt, wenig oder garnichts von ihrer ein-
drucksvollen Pracht vcrlieren wird. Die Prozession von
Buckingham-Palast nach der Westminster-Abtei wird sast
denselben Umfang annehmen und sich von der erstgeplanten
nur durch cinige Personalveränderungen unterscheiden. Die
hohen Beamten des britischen Reiches, die dem Ganzen das
Gepräge verleihen, werden ihre Plätze nach wie vor be-
halten, und ihre malerischen, glänzenden Uniformen werden
den Zuschauern unzweifelhaft einen unvergeßltchen Eindruck
hinterlassen. JnSbesondere wird die Gruppe, die den
Monarchen selbst umgiebt, eine nie dagewesene Pracht ent-
falten. Die höchsten Beamten des königlichen Hofes, die
Spitzen der Armee und der Marine, die Feldmarschälle
und Adjutanten des Königs, und vor allem die indischen
Fürsten in ihren mit Diamanten und Perlsn förmlich
übersäten malerischen Trachten.

Außer der Prozesston, deren Mittelpunkt das Königs-
paar selbst bildet, werden noch zwei andere ihren Weg
nach der Westminster-Abtei nehmen, von denen die erste
um 10 Uhr 30 vom Buckingham-Palast abgeht, die zweite
um 10 Uhr 45 vom Aork House, der Residenz des
Prinzen von Wales. Jn der ersten Prozession wird man
die mit dem englischen Königshause verwandten Fürstlich.

keiten fremder Nationalität finden. So werden in dein
achten, von sechs schwarzen Pferden gezogenen Wagen
Prinz Heinrich von Preußen, der K-ronprinz von Däne-
mark, sowie der Herzog und die Herzogin von Sparta
sitzen. Es wird ferner an der Prozcssion der Großherzog
und die Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz sowie der
Großherzog von Hessen teilnehmen, die Herzogin von
Connaught, Prinz und Prinzeß Christian von Schleswig-
Holstein, der Kronprinz und die Kronprinzcssin von Ru-
mänien, sowie der Prinz Georg von Griechenland. Die
zweite Prozession, die vom Aork House abgeht, enthält
nur einen Wagen, in dem der Prinz und die Prinzessin
von Wales sitzen. Der Wagen wird von einer militärischen
Eskorte begleitet.

Die Prozession des Königs selbst wird natürlich den
Mittelpunkt des Jnteresses bilden und die Schaulust des
Volkes wird nicht znm mindesten dadurch gereizt werden,
daß in dieser Prozession Lord Kitchener an der Spitze des
Generalstabes der Armee reiten wird. Auch mehrere andere
Generäle und höhere Offiziere, die an dem südafrikanischen
Feldzug teilgenommen haben, werden sich bei dieser Gelegen-
heit dem Publikum zeigen, und es ist selbstverständlich,
daß der Höchstkommandierende, Lord Roberts, die Feld-
marschälle der Armee in der Prozession führen wird.

Jm Ganzen sollen an den Prozessionen, sowie an mit
der Krönungsfeierlichkeit in unmittelbarer Verbindung stehen-
)en militärischen Veranstaltungen 1 327 Offiziere, 23139
Unteroffrziere und Mannschaften, sowie 2 080 Musiker teil-
nehmen. Hiervon sind 92 Offiziere und 1024 Mann
 
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