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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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Mittwoch, 30. Arrli 1902

Gvfkes Blatt.

N 175

44. Jahrglmg.





H rscheint täxlich Sonntags ausgeKumen. Prcis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zwcigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ansschltetzlich Zustellgebühr.

Ä nz cig enpreis: 20 Pfg. für dle Ispaltige Petitzeilc oder deren Rauw. Neklamezeile 40 Pfg. Für biesige Geschüfts- uud Privatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme von Anzcigen an bestimmt
dorgeschriebenen Tagen wird kcine Perantwortlichkcit übernommen. — Anschlag der Jnserote auf den Plakattafcln der Hcidelbcrgcr Zeitnng nnd den städt. Anschlagstcllen. Fernsprcch-Anschluß Nr. 82

Die Knlvökkernng Itakiens.

Die Auswanderung aus Jtalien nimmt derartig zn,
daß sie anfängt, die Ausmerksamkeit der Behörden auf sich
zu lcnken. Früher begnügten sich die Arbeitsfähigen da-
mit, auf eine bestimmte Zeit, etwa sechs Monate, die hei-
matliche Scholle zu verlassen und dann mit dem in der
Fremde erarbe teten Gelde der Familie über die Not dcr
schlcchten Jahrcszeit hinwegzuhelsen. Besonders Deutsch.
land hat diese italienischen Hilfsarbeiter schätzen gelernt.
Diese Auswanderung auf Zeit !st auch jetzt noch im
Gange,7. aber schon übelflügclt, nach einem Bericht der
„Straßb. Post", durch die vollständige Auswanderung
auf Nimmerwiedersehen. Nameutlich lcidet Süditalien
untcr dieser Entvölkerung, welche in einzelneu Gegendcn
der Landwirtschaft die nötigsten Kräfte entzieht. Ein Bei-
spiel: Die Präfektur von Caserta stellte verflossencs Jahr
nicht weniger als 10 600 Auswanderungspässe im Ver-
laufe von drei Monaten aus. Unter solchen Umständen ist
es schon zu glauben, daß dort einzelne Ortschaftcn nahezu
entvölkert sind. Die Ausgewanderten hören nicht aur,
ihre Landsleute zum Nachkommen anzufeuern. Andercrsei^s
senden sie den Jhrigen vicl Ersparnisse zurück; so soll, wie
ein Mailänder Brief dcr „Neuen Züricher Ztg." berichtcl,
in einem Bezirke der Abruzzen, aus dem nach und naü
1500 Bürger ausgewandert waren, van diesen in eine n
Jahre eine Million Lire mittels Postanweisungen in d.e
Heimat zurückgesandt worden scin. Aber freilich geht auch
viel italienischcs Auswanderergeld in die Hände der meiu
auswärligen Dampfergcsellschaften über; im ersten heurigen
Halbjahr sollcn diese Gesellschaften allein 19 Milliomn
Lire bezogen habcn. Jm allgemeineu wird den Jtalicnen,
das Einwandern am Hauptziel — Vereinigte Staatcn von
Amerika — nicht leicht gemacht; die dortigen Behördcn
lassen bekanntlich keine miltelloseu Leute in ihr Land
hinein. Trotzdem soll sich allmählich die Zahl der italieni-
schen Einwanderer in den Vereiniglen Staaten bis auf 700 000
erhöht haben. Jn New-Aork hatte sich 1901 die Zahl der
Einwandcrer gegen das Vorjahr um 36 000 vermehrt, und
dus Jahr 1900 wies bereits 135 000 italienische Ein-
wanderer in Newhork auf. Eine merkwürdige Kreuzung
zcigt die Fahrt der italicnischen Auswanderer nach Ame-
rika. Die bei weitcm meisten Süditaliener haben sich in
Ncapel nach Nordamerika cingeschifft, während die Nord-
ttaliener von Genua meist nach Südamerika gehen. Brasilien
und Argentinicn brauchen schlicßlich mchr Arbeitskräfte als
die Vereinigten Staatcn. Ob diescs Auswandern zu einee
wirklichen „Entvölkerung" des schöneu Jtaliens führen
Wird? Das arme, besitzlose Volk wird sicher dem Drange
uach Westen weiter solgen, während die Besitzer zurück-
bleiben, aber ohne Hilfsarbeitskräfte. Viclleicht führt dics
Verhältnis zu eigeuartigen sozialen Entwicklungen.

Deutsches Reich.

— Der diesjährige sozialdemokratisch e Partei-
tag jst auf den 14. Septcmber nach München einberufen.

Kiel, 28. Juli. Die Aacht „H ohenzollern"
wit dem Kaiser an Bord traf auf der Reise nach Emden -

gcgen 10 Uhr vor der Außenföhrde ein uud passierte das
dort vor Anker liegende Geschwader. Wie noch erinnerlich
ist, wollte der Kaiser im August v. Js. der Einweihung
des Emdener Hafens beiwohnen. Gleichzeitig sollten dort die
Dcnkmäler des Großen Kurfürsten und Friedrichs des
Großen enthüllt werden. Alles mußte unterbleiben wegeu
des kurz vorher eingetretenen Todes der Kaiserin Friedrich,
und so wurde der Hafcn ohne jede Feierlichkeit unter dcm
Wehen der Trauerfahnen dem Bctriebe übergeben. Damals
erhielt der Oberbürgeuneister der Stadt, Fürbringer, ein
Telegramm des Kaisers, in welchem der Monarch sein
herzliches Bedauern über die Unmöglichkeit seines Kommens
aussprach, aber hinzufügte: „Meinen dcr Stadt Emdeu
zugedachten Besuch werde ich, so Gott will, vielleicht im
uächsten Juhre zur Ausführung bringen." Das Ver-
sprechen wird dcr Kaiser nun einlösen.

Badcn.

— Der „Beob." bringt jetzt Etwas über dic
Heidelberger Erklärung gegen die Klöster. Seine
Ausführungen sind anßerordcntlich schwach und besteheu
eigentlich in nichts weitcr, als in dcr Behauptnng, die in
der Erklärung vorgeführten Gründe scien uur RedenSarten.
So sagt das Blatt zum 1. Grund (die Klöster sind kcine
Notwendigkeit):

Das ist doch wirilich sche leichte gcistige Ware. Wo
i,i aller Welt wollcn die Hcren dic Äompetenz hernehmen, in
Zachen der tatholischen Scelsorgc nnd dcrcn Bedürfnisse ein
Urrcil abzugeben oder gar enlscheidcn zu wollen? Dazu
schlt ihnen doch auch jeglichc Voranssetzung.

Und wo in aller Wclt ist die Frage dcr Zulassung von
Männerordcn untcr dcm Gcsichtspnnkte des Seelsorgebedürf-
nisses zu erledigen?

Wenn die Herren sich in Rcdensarten über die „Konkurrenz
dcr Ordensseelsorgc" ergehcn, so kann das den Respckt vor
ihrer Ehrlichkeit und Sachlichkcit nicht erhöhcn. Der Welt-
klerus hat allen Anlasz, sich solche Fürsorge für seine Standes-
intcrcssen ernstlich zu vcrbitten.

Zum 2. Grund (wirtschaitliche und politische Gefahr):

Man mutz sich wirklich wnndcrn, datz Männer wie Wilckens
nicht daran dcnkcn, wie sehr sie bci Tanscnden und Abcrtanscn-
den verlieren, wcnn sie in solchen Redensartcn sich crgehcn,
dercn Nichtigkeit doch wahrhaftig zur Genüge dargethan ist.
Das mützte cine sondcrbarc Regierung sein, die solche Ein-
wcndungen andcrs als mit eincm minder schmeichelhaften
Achselzuckcn entgcgennchmen würdc.

Zum 3. Grnnd (die Einführiing von Männerordeii
wäre politisch verfehlt):

Dic zahmen Hcidclberger Ordcnsstürmcr müssen wirklich
vom polirischen Pnblikum und ganz Lcsonders von den Krci-
scn der Regierung cinc sehr gcringc Mcinnng habcn, wcnn
sie im Ernste glaubcn, mii solchcn „Gründen" Eindruck machcn
zn können.

Wir glanbeii, es genügt, die Ausführnngeii des „Beob."
hier ohne jede Bciiierkiing abzudrucken. Wir habeu das
Gefühl, daß dnrch solche haltlosen Rcden der Gegner dcr
Eindruck der Heidelbcrger Erklärnng nnr verstärkt werden
kann.

— Dem „Schwäb. Mcrk." schreibt inan aus Karlsrnhe:
Jn den Pretzerörterungcn über dic Klostcrfrage tritt
immer hänfiger dcr Gcsichtspunkt hervor, datz, wcnn in Re-
gicrungskreisen dic Znlasfnng von Männcrklöstern für cine po-
litischc Notwcndigkeit gchalrcn wird, es n i ch t Sachc li-
beraler Minister scin könnc, dicscn Schritt zu vollziehcn.
Das jctzige Kabinct zähli in scincn Reihcn Männer, die noch

eincm ansgcsprochcncn liberalcn Ministerium angchört odcr
° doch sonst sich zu libcralcn Anschauungcn bckannt habcn. Es
würde zur Klärung dcr Lagc bcitragcn, wenn dicse Männer
vor dcr vcrhängnisvollen Beschlutzfassnng ausschcidcn und die
Anslicfcrung Badcns an dcn Älerikalismns dnrch ein aus-
gcsprochcn tl c r i k a I e s Kabinct gcschchcn lictzcn. Dcn
Ministern, die dicsc Bcrfügnng nntcrzeichncn, wird mau
später kein Dcnkmal setzen, wie dem Minister Wintcr, dem
Schöpfer dcr badischcn Staatsbahnen, sondern man wird ihre
Namcn nenncn mit dem Bcisatz, datz sie Baden nach cincm
Jahrhundert des Liberalismus und des Fortschritts durch die
Znlassung cincr mittelalterlichcn und rückschrittlichen Einrich-
tnng bcglückt habcn. Es ist ctwas ganz andercs, ob dieses
Zugcständnis durch ein Ministcrinm gcschicht, auf dem noch
dcr Abglanz dcr frühcren liberalcn Zcit rnht, odcr ob es von
cincm Zenrrumsministcrium gcmacht wird. Erstcres ist eine
llnfolgerichtigkcit, dic verdunkclnd nnd verstimmcnd wirkt,
lctztcres ivürdc nnr folgcrichtig crschcincn nnd dcswegcn auch
cinc frisch nnd fröhlichc Opposition allcr liberal denkcn-
dcn Boltskrcise hcrvorrufcn. Für den Libcralismus würde es
Ivic ci» Stahlbad wirkcn, ivenn er sich cinmal eincm Kabinet
gcgcnübcrsähc, das dcn Rückschritt auf seinc Fahne gcschriebcn
hat. Das würdc allc dic klcinen Spaltnngcn und personlichcn
Rcibcrcic», dic sich im Lanfe mehrcrcr Jahrzehnte cntwickelt
habcn, gegcn die grotzcn Zicle dcs Liberalismus znrücktreteu
lasscn und dic libcralc Partci wicdcr zu cinem einhcitlichen
(Äanzcn zusammenschweitzcn. Deswegen wird man dcr Losung
zustimmcn könncn: Keinc Versumpfnng, klare Sachlagcl
Klcrikalc Politik dnrch eine klerikalc Partei und cin klcrikales
Ministcrinm! Das Zcntrumsvcrgnügen würde in Baden nicht
langc daucrn, und es würde einen gnten Uebergang bilden zu
cincr ncncn, vcrtrauensvollen libcralcn badischen Politik.
Niänncr, dic cincm liberalen Namcn ihrc Stellnng opfern,
wnrdcn dics kcincsfalls zu bcreuen haben.

— Der engere Vorstand des „Bad. Lehrero ereiu S"
uiiter Vorsitz des Herrn A. Grimm in Achern bringt ein
Rundschreihen an die Vereinsmitglieder zur Veröffentlichung,
welchcs die in den letzten Landtagssession erzielten Errungen-
schafken finanziellcr Natnr belenchtet und dankbar anerkcnnt.

Durch dcu Nachtraggcsetzcntwurf znm Elementarunter-
richtsgesctz, dcr in dcr vcrgangcncn Session von dcn Land-
ständcn cinstimmig genehmigt wurdc, sind dic Fordcrnngcn der
badischen Lchrcr cincn gntcn Schritt Vorlvärts gckommcn. Die
Ucbcrgangsbcstimmnngen fielen nnd damit sind vicle Lehrer in
mirtlcrcn Jahrcn von 1600—1:00 Mk. mit cinem Schlag
znm Vollgchalt von 2150 Mk. — 150 Mk. sind nnr Zulage
nnd zählcn bci dcr Pensionicrnng nicht mit — aufgcrückt.
Ferncr find dnrch dic von dcr Regicrnng bciüchaltenc 150 Mk.
Znlagc allc Hanptlchrcr crhöht wordcn, währcnd die nichtetats-
mätzigcn Lchrcr cine Aufücsserung von 100 bczw. 200 Mk. er-
hielten. Anch wnrdcn die Ilmzngsvcrgntnngen in cincr dcm
Lchrcrstandc wünschcnswcrten Weisc gercgclt, cndlich ist der
Paragraph 38, scncr Zankapfcl zwischcn Pfarr- nnd Schnl-
hans, gcfallcn, allcs bedcutcndc Erfolgc. Es darf wohl aner-
kannt iverdcn, so bcmerkt dic „Strahb. Post" mit Recht, datz
cin gntcs Tcil Vcrdienst an dicsen Errungcnschaftcn anf Konto
dcs „Badischcn Lchrervcrcins" zn sctzcn ist, dcsscn 4000, nickst
durch konfcssioncllen Hadcr geschicdenc Mitglicdcr hier wicdcrnm
gczcigt habcn, datz geschlosscnes Vorgehcn für alle gemcinsameu
Zicle von grohcm Bortcilc ist.

Bapcrn.

^ - Fn B a y e r u eristierto 1803 k e i n K I o st e r,
1811 hieß es ini Konkoröat, daß „ e i n i g e" Klöster ein-
geführt wcröen soüten. Jn öen Iahren 1825 bis 1834
waren bereits 43 zngelassen. 1831 wuröe im bayenschen
Lanötag laut geklagt iiber öiese Vermehrnng. 1837
waren es 84 Klöster mit 600 Ordenslenten, 1848: 161,
1893: 949, 1899: 1119, 1900: 1173. Dcr Grnnd,
öaß öie Klöster wirtschaftlich nngünstig wirken, liege

KLeine Zeitung.

-— Hochschlilnnchricht. Wic dic „Allgm. Ztg." mittcilt,
wird Prof. A. G r c n n an dcr Universirät Kijcw im näch-
ncn Lcmcster als Privatdozcnt Vorlesungen über Okknl -
^ l s m n s beginnen. Mit dcn Vorlcsungen werden auch Psycho-
^gische Erpcrimcnte vcrbnndcn sein. Profcssor Grcen ist dcr
^rsm Privadozenr für Okknltismns in Europa.

^— Aus Bingcu wird berichtet: Der SchlePPkahn
^Gertrnöe Sybille" stieß am vergangcnen Mittwoch in
Nähe öes Binger Lochs anf einen der änßersten Fel-
Mst ar,f, modnrch er Leckage erhielt nnd nnterhalb Binger-
MÜck sant. Kanm war das Schiff untergegangen, als
?uie nngehenre Menge toter Fische des Wasser be-
eckw Das Schiff, öas sonst mit schlacken beladen war,
AÜlnclt wahrscheinlich auch noch Sänre oder ahnliche Snb-
'"wzen, öie nnler öen Fischen ein großes sterben ver-
"ulaßten.

Enstirchcu lRegiernngsbezirt Kötn), 28. Fnli.
sstestern Abend ranntc bci Odendorf ein Motorwagen
llAten eine Schranke der Eisenbahn Bonn-Enskirchen nnd
-ierte anf dem Geleise. Die Jnsassen, ein Herr nnd

eiiw

-ame, wurden dnrch Brandwunden schwer verletzt.

Diirch Eingrcifen des Bahnwärters konnte der her-
"liahende Zng zum Stehen gebracht werden.

^ — Köln, 29. Juli. Heute Vormitiag verkündete der
^"dgerichtsdirektor Herbcrtz das Urteil, das die Straf-
'wmer tn der Anklage gegen die Direktoren der
N,^"ischenJmmobilien-Aktienbank gefällt hat.
in ^"öeklagten wurden für schuldig erklärt des Betruges
A> » der Untreue iu 9 Fällen. Die Strafe der
geklagtcn wurde auf 2 Jahre Gefängnis bemeffen.

Auf die erkannte Gefängnisstrafe kommen 6 Mouate Unter-
suchungshaft zur Anrechnung. Bei dem Urteil kamen 56
Fälle nicht in Betracht, von denen inzwischen in 49 Fällen
Verjährung eingetretcn ist.

— Kassel, 29. Juli. Bei dem gestern niedergegangenen
schweren Gewitler schlug der Blitz in zwei Carouffels auf
dem Festplatz zu Reddighausen. Eine Frau und ein Kind
wurden erschlagen.

— Hamburg, 29. Juli. Zum großen Schiffsunglück.
Heute sind abermals 19 Leichen besiattet worden. Die
weiteren Bergungsarbeiten am Dampscr „Primus" ruhen
einstweilen, da die Staatsanwaltschaft, um die Untersnchung
nicht zu erschweren, diese Arbeiten untersagt hat. Bci
niedrigem Wasserstande will die Staatsanwaltschaft morgen
Nachmittag nochmals cine genauece Besichtigung vornehmen.

— New Z)ork, 29. Juli. Gestern wurde in den
Staaten Nebraska, Dakota, Jawo ein Erdstoß verspürt.
Auch inKalifornien wurden mehrere Erdstöße wahrgenommen.

— „Wünchner Fremi>wörter" hat cin Dr. Lusticns, dcr sich
als Mitglied mchrerer fcnchtcr Eckcn nnd sonstiger gclchrtcr
Gescllschaften Lckennt, mühsam gesammclt nnd wisscnschastlich
erklärt zum Gcbranche für durchreisende Engländer, Franzosen,
Russen, Türkcn, Berlincr nnd andere, die sich a bisl hart
thnn. Das Büchlein ist dnrchans kein Schmarrn, scin Autor
kein Tepp, im Gegenteil ein richtiger Plancr, der ohne Zwei-
fcl mchr Haare anf der Znnge als am Kopf hat. Bcweis etliche
sciner selbständigen Definitionen, als da sind: Damisch wird
einer, wcnn er mit cinem Matzkrng oane nanfkriagt. G r a n-
t i g ist der Münchncr, wcnn ihm schlccht cingeschenkt wird.
G'schlengt ist ciner, der eine schlcchte Brühe trinkt und

glanbt, es wärc Hvfbräubier. Zwider ist's, wcnn man noch
Turst hat nnd die Polizei gebietet Fcicrabend. Lackl führt
sich gcwöhnlich so anf, dah cr nausgcschmissen wird. Wie der
gcncigte Lcscr crsieht, steckt in dcn Verdentschnngcn gleichzeitig
cin gnt Stück Lcbenswcisheit. Tic Frcmdwörtcrsammlung ist
gnr, die nngefügtcn 100 Schnadahüpfel sind noch besser. Anch
hicrvon cinc Probe: Am Frauentnrmfensterl san Vorhangerl
dran — dah dcm Türmcr auf d' Nacht »icmand cinischaun
kann. — Ein andercs: Hätr dcr Wnlsisch statt dcm Jonas a
Fatzl baprisch Bicr g'schlncki — hätt' cr's am drittcn Tag
ganz gwitz nöt ausgspnckt. — Und znm Schlutz: Jn München
find die Straßcn ganz mnstcrhaft zwar, doch dic Kindsmädchen
fahren meist auf dcm Trottoir.

GrLografi.

Schon nat dcr NLcnd, cs gct untcr
Di Sonc blntroth vi noch nie;

Ein spärcs Glökchcn bimclt mnntcr
Und von dcr Weide kert das Fi.

Mcin Brudcr Filip sagte heute:

Dn, Bcrnher, gesr du abends aus?

Bcoarc, sprnch ich, ürafe Lcute
Di bkciben hnbsch solid zuhaus l

Fon Crcfcld rciste heut nach Cöln
Mcin andrcr Bruder Kölestin;

Alein genng! Di flüchtgen helen
Schimcr dcs Thages schon entflin.

Es ist warhafrig doch ein Scgen
Dns hener nicht das Veter fchlecht —

Fck wil micki in mcin Belhe legen
Sonsr find ich mich nicht mer zurechtl

(Münchner „Jugend".)
 
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