Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI chapter:
Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0010

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
tvinnen. Die Berbilligung der Kohlen sei für das ganze Ober-
land wichtig. Die Regulierung sei eine Ehrenpflicht gegenüber
dem Reichsland. Man sollte nicht auf 80 Prozent Kosten-
beitrag bestehen, denn auch 40 Prozent feien nicht zu bean-
standen. Die bciden andern Vorbedingungen seien gerechtfer-
tigt. Redner stimmt dem K'ommissionsantrag freudig zu,
Mannheim werde trotzdem fortblühen.

Freiherr b. Ncubronn bestreitet die Rechtsauffassung,
batz die beiden Mannheimer Kollegen sür die Forderung stim-
men müßten, weil das Budget ein Ganzes sei. Das sei eine
staatsrechrliche Frage. Halte man die Regulierung füc eine
Kalamität für Baden, so wäre es doch peinlich, dafür stimmen
zu müssen. Hier handle es sich nicht blotz um eine Budget-
frage, bei der die Stimmcn beider Kammern durchgezählt
werden, sondcrn nm einen Staatsvertrag mit Bayern und
Elsatz-Lothringen, der abgelehnt sei, wenn ihm die Erste Kam-
mer die Zustimmung versagt. Aehnlich sei es mit den Staats-
verträgen betreffend Eisenbahnbauten, wo die Erste Kammer
auch ganz selbständig entscheide. Es frage sich, ob man ein
Jahrzehnt lang die Staatsfinanzen belastendes Werk wolle,
das die Regiernng in das bescheideile Gewand einer Budget-
position von 900 000 M. gekleidet habe. Nehme man an,
datz der der Begründung angeheftete Staatsvertrag mit vor-
gelegt sei, so bedürfe dieser besonderer Beschlutzfassung. Die
geringeu Rechte der Crsten Kammer brauche man sich nicht ver-
kümmern zu lassen.

Minister Dr. Schenkel: Die Frage sei gewiß nicht über-
stürzt worden, seit neun Jahren werde verhandelt. Die Frage
der Regulicrung sei durch die Bewilligung des Kehler Hafens
grundsätzlich bejaht worden. Redner freut sich, datz Difsens
und Scipio trotz ihrer Bedenken, aus eincm richtigen Gefnhl
heraus, weiln auch nicht grundsätzlich so bestimmt wie Freiherr
b. Neubronn es wünschte, doch für die Anforderung des
Kostenbeitrags stimmen werden. Das badische Oberland habe
ein sehr großes Jnteresse an der Verbilligung nicht nur der
Ruhrkohlen, sondern auch anderer Rohmaterialien. Mann-
heim erleide, was vielen andern Städten schon widerfahren,
datz fie die besondere Gunst einer Verkehrslage ohne Schuld
einbühen. Die Nachteile würden aber nicht so grotz sein. Der
Umschlag in Kehl werde den badischen Bahnen in steigendem
Matz Güter zuführen. Trotz des Aufkommens von Stratzburg
sei der Umschlag in Mannheim nicht zurückgegangen, sondern
weiter gewachsen. Ein Vertreter der Generaldirektion sei
nicht anwesend, weil alles Notwendige schon gesagt wurde.
Cs wcrde sich auch neuer Verkehr für unsere Bahnen entwickeln;
Kaiserstühler Wein und andere Waren, die bisher wegen hoher
Frachten nicht wcit versandt werden konnten, würden die
Wasserstratze von Kehl abwärts benützen. Den Beitrag von 40
Prozent hält der Minister für richtig; die Lage Bayerns sei
eine andere, weil es ein Oberland nicht habe. Da aber die
Zweite Kammer 30 Prozent beschlotz, so würde ein abweichendes
Votum der Ersten Kammcr das Zustandekommen gefährden.
Redner bittet daher um Annahme in der Fassung der Zweiten
Kammer. Dem Freiherrn v. Neubronn ist der Ministcr dank-
bar für die Besprechung der staatsrechtlichen Frage. Nach
Ansicht der Regierung liege kein Staatsvertrag vor, der der
ständischen Genehmigung bedarf; bei Eisenbahnen sei dics in
der Regel anders. Redner zitiert ähnliche Fälle, bei denen
ebenfalls nur eine Budgetposition beantragt wurde.

Freiherr v. Göler: Schon oft hätten Mitglieder der
Ersten Kammer gegen einzelne Positionen gestimmt, ohne dcs-
wegen das Finanzgesetz zu vcrwerfen. Stimme hier eine
Mehrheit gegen die Regulierung, so bleibc bei der Durchzäh-
lung die Erste Kammer in der Minderheit. Die Regierung
habe Staatsverträge verschieden behandelt; sie hätte das Jn-
teresse der Ersten Kammer besser wahren können.

Geh. Rat Lewald ist der Ansicht, datz der Staatsvertrag
'keiner ständischen Genehmigung bedürfe. Doch sollten so
wichtige Fragen nicht bloß in Form einer Budgetforderung cin-
gebracht werden.

Freiherr v. Neubronn verteidigt seine Ansicht, datz
für ein so weittragendes Werk die Zustimmung beider Kammern
eingeholt ivcrdcn sollte. Diffens und Scipio könnten ganz wohl
gegen die Forderung stimmen. Redner selbst hält den Nutzen
der Regulierung für überwiegend nnd stimmt dafür, besonders
auch weil der Kehler Hafen nun einmal gebaut ist.

Geh. Rat Diffene verwahrt sich gegen das Erstaunen
des Freiherrn v. Göler über die Abstimmung der beiden
Mannheimer Mitgliedcr; Scipio habe dieselbe gestern schon in
Ler Kommission deutlich angekündigt.

Berichtcrstatter Geh. Rat Engler: Jn der Kommission
war man der Ansicht, datz die Mitglieder das Recht hätten,
anzunehmen oder zu rerwerfen. Redner beantragt, fcrner die
Mannheimer Petitioncn zu^ Rheinregulierung für erledigt zu
erklären.

Die Anträge der Vudgerkommission werden einstimmig an-
genommen.

Schluß 2 Nhr. Nächste Sitzung heute Nachmittag 4s4 Uhr.
LO. KarlSruhe, 27. Juni. (21. Sitzung der Ersten
Kammer.) 1. Vizeprästdent Graf v. Bodman eröffnet die

Fritz. Er hatte sich zwar eine kleine Privatburg anbauen
wollen, bei diesem Unternehmcn aber leidcr an seiner Tante
nicht die nötige Arbeitskraft und Unterstützung gefunden.
So brachte er seine Tage damit zu, sich abwechselnd im Wasser
natz zu patschen und dann in der Strandburg trocken zu rekeln.
Die Tonne betrachtete er nach wie vor qls sein ausschlietz-
liches Eigentum und sogar der Assesfor wagte sich nicht mehr
heran.

— — Heute war Fritzens grotzer Tag.

Nach windstillen, warmen Tagen, an denen Meer und
Menschen sich träge gesonnt hatten, wurde Westwind und Hoch-
flut gemeldet. Tante Liesbeth war auch heute früh gleich an
den Strand gelaufen. Sie waren alle lustiger, lebendiger wie
je. Wie ein Rausch von Krast und Frische gings aus von dem
starken Seewind, den steigenden Wellen.

Der Landrichter kommandierte wie ein Deichgras und ar-
beitete selbst kräftig mit, um die Strandburg möglichst wider-
standsfähig gegen die Flut zu machen.

Und nun kamen sie heran, die dunkeln, schaumgekrönten
Nordseewellen. Das junge Volk jauchzte ihnen entgegen, im
stolzen Gefühl der eigenen Kraft, der eigenen Unruhe, der
eigenen Sehnsucht.

Das war auch ein grotzer Tag für Liesbeth Leverenzl
Sie wird es nie im Leben vergessen, wie sie arbeiten mutzten,
um jede Lücke wieder mit trockcnem Sande ausznfüllen, welche
die Wellen in ihren Strandbau hineinnagten, und wie der
dicke Landrichter dabei eine tüchtige Spritzwelle über den
Rücken bekam. Der Atem ging ihm aus.

„So Kinderl jetzt hab' ich genug von dem Vergnügen,"
sagte er. „Jch will heraufgehen und die Frau Staatsanwalt
herl nach Hause bringen. Die Zelte bleiben heute auch wohl
kaum trocken. Und Jhr drei, seid mir vernünftigl Hans,
ich verlasse mich auf dich, datz du unsere Tante zur rechten Zeit
aufs Trockene bringst. — Und diesen Bengel hier auch. Uebri-
gens, nasser kannst du auch nicht mehr werden, mein Junge,
und den sogenannten trockenen Faden hast du auch wohl längst
nicht mehr am Leibe."

Dabei klopste er Fritz wohlwollend auf die Schulter und
enffernte sich.

Nun schlug die erste Welle doch über den Schubdamm. Sie

standen auf einmal alle drei seelenvergnügt im Wasser. Da

Veihandlungen um 4^ Uhr mit der Aujeige neuer Ein-
läufe.

Bericht der Budgetkommission über das Budget der Eisen-
bahnschuldentilgungskasse.

Freiherr v. Göler teilt namens der Kommission mit,
datzffür 1902 45 Millioncn und für 1903 43 Millionen in
Ausgaben und Einnahmen gestellt werden, zusammen 88,8
Millionen. Aufgenommen sollen werden 96 Millionen. Der
Unterschied von 714 Millionen 'dient zur Crgänzung der Zins-
und Tilgungsquote der Eisenbahnschuld. .Der Antrag geht
auf Genehmigung, welche ohne Erörterung einstimmig aus-
gesprochen wird.

Bcricht der Budgetkommiffion über das F i n a n z g e s e tz.

Freiherr v. Göler teilt die nach den Landtagsbeschlüssen
und nach den Rechnungsergebnissen berichtigten Ziffern mit.
Der Fehlbetrag im ordentlichen und autzerordentlichen Budget
zusammen beziffert sich aus fast 16 Millionen und soll durch
dle Aktivzinscn der Amortisationskasse, sowie durch Kapitalein-
zchrungen und Schatzanweisungen, diese jedoch nicht über
5 Millionen, gedeckt werden. Die Kommission stellt den Antrag
auf Zustimmung in abgekürzter Form.

Finanzminister Dr. Buchenberger dankt der Kom-
mission, datz sie es ermöglicht hat, das Finanzgesetz heute zum
Abschlutz zu bringen. Wenn man die gesamten Reserven heran-
ziehe, habe man mit einem Fehlbetrag von rund 9 Millionen
zu rechnen. Solche Fehlbeträge habe man auch schon früher
in ähnlicher Höhe gehabt, aber diesmal sei besonders unerfreu-
lich, daß dieser Abschlutz in eine Zeit wirtschaftlicher Depression
salle. Man wisse nicht, ob die vorgesehenen Steuerbeträge
auch wirklich eingehen. Der Minister könnte hiermit schlietzen,
mutz sich aber noch gegen die gestrigen Bemerkungen des Frei-
herrn v. Neubronn wenden, der leider heute Nachmittag nicht
anwesend sei. Das Gesetz vom Jahre 1842 stehe nicht im
Widerspruch mit der bisherigen Praxis, auch die Staatszu-
schüsse zu Privatbahnen der Eisenbahnschuldentilgungskasse zu
entnehmen. Der W-ortlaut spreche nur von deu zum Eisen-
bahnbau notwendigen Mitteln, und der Zwcck sci, das Eisen-
bahnwesen rechncrisch vom übrigen Staatshaushalt zu trcnnen.
Dies gehe aus der Begründung des Gesetzes hervor. Die Ne-
benbahnen seien ein Teil des badischen Bahnnetzes; sie alimen-
tieren die Staatsbahnen dadurch vorteilhast aus, datz sie keiue
Betriebszuschüsse erfordern. Ebenso sei es nicht anzufechten,
daß auch einzelne Hafenbauten von der Eisenbahnschuldentil-
gungskasse bestrittcn wurden, denn die Häfen seien nur grotze
Sammelbehälter für die Bahnen und hätten sehr nützlich ge-
wirkt. Darum habe die badische Eisenbahnverwaltung darauf
gehalten, rechtzeitig den Hafen in Kehl zu bauen, um die
Gütcr auf die Bahnen der rechten Rheinseite zu lenken. Der
Minister rechtfertigtferner die Entschädigung, die der Stadt
Karlsruhe als Jnhaberin der Maxaubahn gewährt wurde, und
mit der sie teilweise die Kosten ihres Hafcns bestritt. Regie-
rung und Landtag hätten das bisherige Versahren mit mehr
als Zweidrittelmchrheit scmkiioniert. Die Anregung zu dieser
Buchungsweise sei von ihm, dcm Finanzminister ausgegangen,
in der Absicht, den notwendigen Bau von Nebenbahnen in
rascherem Tempo zu bewirken, was im Staatsbudget bei der
Konkurrenz des Ressorts und bei dem Gesamtbetrag der Zu-
schüsse zu Privatbahnbauten von 9 Millionen nicht möglich
gewesen wäre. Das Staatsministerium sei einmütig dieser
Ansicht Leigetreten.

Freiherr v. G ö l e r: Der Wunsch sei berechtigt, die Staats-
dotation der Eiscnbahnschuldentilgungskasse zu crhöhen, und
das hätte dadurch geschehen können, datz man ihr die Zuschüsse
zu Privatbahnen abnahm. Aber die Mitglieder der Ersten
Kammer, die früher so dachten, seien überstimmt worden, und
so war die Sache erledigt.

Das Finanzgesetz wird einstimmig angenommen.

Schlutz 514 Uhr. Nächstc Sitzung Freitag, den 4. Füli.

Bavern.

— M ünchen , 28. Juni. Ter Ministerpräsident
p. Crailsheim erklärte dem Jnnsbrucker Bürgermeister
Erler und dem Jngenieur Riehl, die dcn Wunsch Oester-
reichs nach eine direkten Bahn Jnnsbruck-
M ü nchen über Scharnitz darlegten, daß don Bayern
aus keine Bedenken bestünden.

Preuße».

Berlin, 29. Juni. Beim Reichskanzler Grafen
Bülow und Gemahlin fand am Samstag Abend zu
Ehren des Staatsmtnisters v. Thielen und Ge-
mahlin ein Abschiedsessen statt, an dem unter anderen
sämtliche Staatsminister, Staatssekretäre und Gcmahlin-
nen teilnähmen. Der Neichskanzler widmete, wie dis
„Nordd. Allgem. Ztg." erfährt, dem scheidenden Minister
warme Worte der Anerkemumg für die Berdienste, die
er um dis Hebung des Verkehrswesens sich erworben
habe.

uahm der Assessor einfach die Tante und trug sie hinauf aufs
Trockene.

Sie mutzten nnn das Vorwerk aufgeben und rettetcn sich
mit allen Flaggen nach der Landseite ihrer Burg, wo auf
hohem Damm die Tonne trohnte. Die andern Burgen waren
fast alle schon geräumt, aber sie hielten sich stolz auf ihrem
Deich, den vor Freude halbwilden Frih Zwischen sich. Und
wenn eine feine Welle herankam und donnernd vor ihnen
brach und ihren Gischt zu ihnen heraufwarf, dann sprang der
Junge jubelnd hoch in die Höhe und pretzte die beiden HLnde
die seine nassen Finger umklammerten, fest mit den kleinen
Fäusten zusammen.

Der Herr Landrichter hatte unterdessen die Frau Staats-
anwalt mit all' ihren Kissen und Decken glücklich vom Strande
herauf auf den Holzsteg gerettet. Auf dieser laugen „Tram-
pelbahn" rasteten sie nun ein Weilchen zwischen dem heute gauz
aufgeregten Badevölkchen und schauten, über das Geländer ge-
lehnt, strand- und seewärts. Da unten standen nur der
Assessor und die Tante ganz ruhig Hand in Hand nebenein-
ander und sahen hinaus auf das wilde Wasser. Dicht hinter
ihiien führte Fritz eincn tollcn Freudentanz auf seiner
Tonne auf.

„Sie halten sich — alle Achtung," sagte der Landrichter
stolz. „Feine und solide Anlage, meine Burg — was?" Er
sah auf die Uhr. „Richtig, die höchste Flutzeit ist vorüber
und die Sache wird sich nun so langsam wieder beruhigen.
Jch denke, wir frühstücken nun einmal gründlich, gnädige
Frau."

Die Frau Staatsanwalt beobachtete die drei da unten mit
tiefem Jnteresse, und dcmn sah sie den Landrichter an und
seufzte. Cr verstand sie ganz gut und nickte ihr freund-
lich zu.

„Das braucht uns nun weiter gar nicht zu betrüben, gnä-
dige Frau," sagte er, „und Jhre Seufzer können Sie für pas-
sendere Momente aufsparen. Das ist ganz einfach Jugendrecht
— Standrecht sozusagen. Die beiden werden auch schon ganz
allem mitemander fertigl Und die alte Heringstonne haben
sie emmal wieder glücklich gerettetl Die nehme ich mir übri-
gens mit herm, das wird dann später so eine Art Familien-
reliquie. Und als Regenfatz können die jungen Leute sie auch
uoch rmmer verwenden!"

Ausland.

Schweiz.

— Der Berner Bund hat in widerwärtiger Weise rn
einem Lokalblatt den Prof. Vetter wegen dessen Nürn-
berger Reds angegriffen. Er schreibt: „Suchen wir nach
Beweggründen, so taucht zur Stunde nur etne einzige
Möglichkeit anf: daß Herr Vetter die günstige Gelegen-
heit, welche sich in Nürnberg bot, benutzen wollte, nm
sich trotz seiner Ausländer-Eigenschaft als geeigneten
Kandidaten für einen deutschen Lehrstuhl mit fetter Be-
soldung und Pension vorzustellen. Mag auch, was wic
zugeben, der „Mehrer des Reichs" nicht persönlich zur
Stelle gewesen sein, als diese Rede gehalten wurde, so
konnte doch immerhin „die werbende Kraft" des Herrn
Vetter indirekt einsetzen, dnrch Mittelspersonen und
durch die Zeitnngsberichte, wie zur Zeit des Eintreffens
des Kaisers einer in der Münchener Zeitung erschienen
ist. Wenn dres der wahre Zweck der Nürnberger Rede
war, und es scheint dies nicht ganz unwahrscheinlich,
so hätte der Redner in der That und Wahrheit seins
ofsizielle Sendung als Vertreter des Berner htstorischen
Museums um seines Persönlichen Vorteils willen miß-
braucht. Wir werden, wenn es anders ist, gerne Beleh-
rimg entgegennehmen." Jnfolge dieses schmählichen
Angriffes hat der Leiter des Feuilleton des „Bund",
Dr. Widmann, seine Mitarbeiterschaft an dem genannten
Blatte aufgegeben.

Bern, 29. Juni. Die Regierung des Kantons
Genf hat den wegen seiner Spitzelumtriebe bekannlen
ehemaligen türkischen Generalkonsul Baron R i ch t h o-
f e n, der bereits zweimal Gegenstand von Jnterpella-
tionen im Nationalrat war, ansgewiesen,

Eugland.

— Der Untergang des deutschen Tor-
pe-dobootes giebt dem „Standard" Veranlassung
zu Worten des Dankes gegen dte Bemannung, dis trotz
der Plötzlichkeit, init der das schreckliche Eretgnis etntral,
das erste Augenmerk mit darauf richtete, zunächst dis
englischen Gäste, die sich auf dem Schisse besanden, in
Sicherheit zu bringen. Lolch edles Gebahren, meint das
Blatt wörtlich, stehe einfach einzig da und es wird
sa schnell von dem britschen Volke nicht vergessen werden.

— Jn Anbetracht des günstigen Verlaufs der Krant-
heit König Eduards ist beschtossen worden, daß dis
Königin im Laufe der Woche eine Revue übec
die nach London gekommenen Kolonialtruppen abhalten
soll, falls sich nicht etwa unvorhergesehener Weise eins
plötzliche Wendnng zum Schlimmen einstellen sollte.
Da es unmöglich erscheint, dte Truppen so lange hier
zu behakten, bis der König so weit wieder hergestellt
ist, daß die Krönung stattfinden kann, und da anderer-
seits die Kosten für einen zweiten Transport zu hoch
sind, hat man zu diesem Ausweg gegriffen, damit dis
Truppen wenigstens Gelegenhett haben, die Königin zu
sehen.

Rußland.

— Die Volkszählung vom 1. Januar ergab sür
Moskau eine Einwohnerzahl von 1 173 472 See-
len. Seit 1871 ist die Zahk der Einwohner um 95
Prozent gestiegen.

Aus Stadt und Land.

80 Mannheim, 29. Juni. (Ueberdie Festnahme
eines O-Z u g - D i e b e s) auf dem hiesigen Bahnhol
schreibt der „Mannh. G.-A.": Als am Montag, 23. Juni, der
mittags 1 Uhr 32 Min. fällige O-Zug Mailand-Basel hier
einlief, rief ein Passagier nach der Polizei. Dem herbeieilen-
den Schutzmann teilte er mit, datz ihm soeben von einem
reiseNden die Briestasche gestohlen tvorden sei. Man sollte den
Mann festhalten. Der Bestohkene stand in dem Gang des
O-Wagens und schaute zum Fenster hinaus, als der Dieb aN
ihn herantrat und ihm die Brieftasche aus der inneren Rock-'
tasche herauszog. Der Bestohlene merkte aber sofort seineck
Verlust und packte den Dieb. Dieser fiel vor dem BestohleneN
auf die Kniee und bat ihn in slehendem Tone, er möge M
doch gehen lassen, es sei daS erstemal, datz er eine derartigo
That begehe. Auch eine in dem gleichen Abteil sitzende Darrw
bat den Bestohlenen, er möge dem Mann doch nichts thun-
Die Dame machte sich durch diese Aeutzerung der MitwisseN^
schaft schuldig und wurde auf telegraphische Requisition voN
Mannheim aus bei der Ankunft des O-Zuges in Mainz fesff
gehalten. Bei dem Verhöre stellte sich jedoch herans, datz
Dame mrt dem Diebe in keinerlei Beziehung steht; sie wob'U
in Wiesbaden, war auf der Heimkehr von einer Vergnügung^
reise begriffen und hatte die Bitte, den Dieb laufen zu lassetz
nur aus Mitleid mit diesem geäutzert. Sie wurde deshab
nach längerem Verhör bald wieder auf freien Futz gesetzt. D^,
in Mannheim verhaftete Dieb gab an, er heitze Markus MenAn
nnd sei aus Rumänien. Er zeigte auch auf diesen NaM(^
lautende Legitimationspapiere vor, jedoch stellte sich herauk'
datz das in den Papieren enthaltene Signalement mit deN
Aeußeren des Verhafteten nicht übereinstimmte. Auf ein^
dringlichen Vorhalt gab der Verhaftete schlietzlich zu, dah seiu.
Angaben falsch seien. Er heitze vielmehr Henry Cools,
Belgier und wohne in Brüssel. Er gab zu, schori sechsnim
wegen Taschendiebs bestraft zu sem. Cools hat die O-ZUn
Diebstähle gewerbsmäßig ausgeführt. Wahrscheinlich hat nian
in ihm den Verbrecher erwischt, der in den letzten Tagen wiedev''
holt die O-Züge mit seinen Diebereien unsicher machte. . „

Karlsruhe, 28. Juni. (D i e B a u t h ä t i g k e i t
Karlsruhe) hat sich diesen Sommer in einer Weise eN'
faltet, die man nach der teilweisen Arbeitslosigkeit des ves"
flossenen Winters nur willkommen heißen könnte, wenn
eine gesunde wäre. Es scheint aber, datz man bielfach
baut, um eben zu bauen, ohne RLcksicht anf das wirkliche
dürfnis. Gewisse Formen der Bauunternehmung sind geeigm (
recht ernste Bedenken wachzurufen. Mehr als je wird, va
Handwerkern, die nicht über ausreichende Mittel verfüEZ
auf Gegenseitigkeit gebant, nnd darin liegt im Fall einer Krv
eine Gefahr. Ferner kommt es vor, datz Bauunternehmer v
den Verkäufern der Bauplätze Vorschuß erhalten, um mit
Bauen anfangen zu können; ist das Haus unter Dach,
sollen sie eine Hypothek aufnehmen, um den Vorschuß
zuzahlen. Auch bei dieser Form laufen die beteiligten Hw
werker Gefahr, mit ihren Forderungen durchzufailen, da ' ^
natürlich hinter die erste und nötigenfalls hinter die
Hhpothek geschoben werden. , ^

80 Vom südlichen Schwarzwald, 29. Juni. (Die ^
Aussicht genommenen Einquartierung^^
anläßlich der Herbstmanöver begegnen sehr geteilten Beurr ^
lungen. Neu ist, datz in den Amtsstädten unverheiratete Bew
mit kleinem Einkommen mit Einquartierung belegt wev
so Postassistenten, Aktuare, Finanzassistenten u. s. w. Ma"
 
Annotationen