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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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Das Gesamtmliiisterium in seinsr gegenwärtigen Ge-
staltung steht unzweiselhaft außerhalb üer Parteien; es
Mill von keiner einzigen Partei sich die Richtung vor-
schreiben lassen und es will durch keine Parteimehrhsit
andere politische Bestrebungen unterdrücken. Das
schließt nicht aus, daß jeder einzelne Minister Stellung
wie zu den schwebenden politischen Fragen im allge-
rneinen, so zu der Ordensfrage genommen hat. Der
leitende Staatsminister, Herr v. Brauer, hat in seinem
langjährigen Wrken bei der ReichsdiMomatie untsr
Bismarck sich einen weiten Blick erworben. Er kennt
die Schwierigkeiten und Kämpfe, die jeder Staat niit
der römischen Kirche und ihren Obden zu bestehen hat. Er
kennt insbesondere die Ersahrnngen, welche selbst das
mächtigs evangelische Preußen seit lange auf diesem Ge-
biet gemacht hat. Er mag es deshalb als ein minde-
stens nntzloses Ringen erachten, wenn ein Staat von
der Größe Badens Rom das verweigert, was große Staa-
ten ihm zugestanden haben. Wir wissen ja aus der Rede,
die er zu Änfang des nun geschlossenen Landtages gehal-
ten hat, daß er es nicht als die Aufgabe von Regierung
und Volksvertretung in Baden erkenne, hohe Politik zu
treiben; sie besäßen mehr die vornehmlich volkswirtschaft-
liche Aufgabe eines Provinzialtags. So mag er in einem
Kulturkampf nur ein Hemmnis für eine befriedigende
Lösung dieser Aufgabe erblicken und würde wohl gern
den inneren Frieden mit der Genehmigung von zwei,
vielleicht mit der Zeit auch von noch weiteren Ordens-
niederlassungen erkaufen. Er mag diese Stellung um
so mehr einnehmen, als er den kulturellen Nachteil von
Männerklöstern nicht sehr hoch anschlägt, wenn er ihnen
wohl auch keinen Nutzen zugestehen mag.

Der Justiz- und Kultusminister, Freiherr von Dusch,
stand bisher üem Politisch-Parlamentarischen Leben fern
und ist als langjähriger Staatsanwalt und Richter ge-
wohnt, jede Frage mit Hintansetzung eigener Gefühle
und Wünsche streng nach Recht und Gewissen zu Prüfen
und zu beurteilen. Deshalb hat der Abgeordnete Wacker
gerade ihm gegenüber das Ministerium als ein Ministe-
rium der Geradheit und Gerechtigkeit bezeichnet und be-
zeichnen können. Minister von Dusch wird hiernach die
Klosterfrage von dem Gesichtspunkt aus erwägen, daß
religiöse Orden im Großherzogtum theoretisch und grund-
sätzlich znlässig sind, und wird jeden einzelnen Fall da-
rauf Prüfen, ob keine speziellen odsr allgemeinen Be-
denken gegen die Genehmigung sprechen. Ein Freund
von Männerklöstern ist er nicht; aber das Recht der
Katholiken, solche zu fordern, soweit keine bestimmten
Verhältnisse ihre Gewährung als unzuläsfig erscheinen
lassen, wird er allzeit zugestehen, und weil er diesen
prinzipiellen Standpunkt in der Zweiten Kammer klar
betonte, sind von Leuten, die mehr politisch als juristisch
zu denken gewohirt sind, falsche Schlüsse aus seinen
Worten gezogen und ein neuer Kulturkampf wach gerufen
worden.

Den beiden Ministern von Braner und von Dusch
können wohl bis zu einem gewissen Grade die Minister
Buchenberger und Schenkel entgegengestellt werden.
Beide gehören nach ihrer Vergangenheit und nach ihrer
Denkungsweise dem Liberalismus an. Der Finanzs-
minister hat aber als solcher wohl wenig Neigung und
Veranlassung, in der Ordensfrage irgend eine scharf
ausgeprägte Rolle zu spielen. Jhm liegen finanzielle
und soziale Pläne näher, und er wird daher sich in dieser
kirchlich-politischen Frage sehr im zweiten Treffen halten.
Aber gerade er weiß auch recht wohl, daß seit der Zeit,
da vor tausend Jahren Mönche Wälder rodeten, die
Gründung eines Klosters nirgends und niemals mehr
einen wirtschaftlichen oder kulturellen Fortschritt Pe-
deutete.

Sein Kollege, Herr Geheimrat Dr. .Schenkel, kann
sich als Minister 'des Jnnern und damit als der eigent-
liche politische Minister in dieser Angelegenheit weniger
in gedeckter Stellung halten und wird dazü auch kein
Bedürfnis fühlen; denn auch seine Gegner müssen ihm
zugestehen, daß er eine durchaus überzeugungstreue,
offene Natur ist, die nicht mit ihrer Meinung hinter dem
Berge hält. Seiner ganzen Vergangenheit nach, als
Protestant und liberaler Politiker, kann er die Errich-
tung von Männerklöstern in Baden nicht wünschen. Wenn
er sich vielleicht als Verwaltungs- und Wahlminister
die Krast zutraut, den Beeinflussungen durch zwei
Klöster gewachsen zu sein, so wird er persönlich doch kaum
für die Genehmigung von Ordensniederlassungen zu

großem Maßstabe angewandt. Das Wasser rieselt in
geschlossenen Türmen über groben Kies und wird dann
in feinverteiltem Zustande der Ozonwirkung ausgesetzt.
Das auf diese Weise von den pathogenen Keimen befreite
Wasser schmeckt wie gutes QUellwasser, 'da sich das Ozon
sehr schnell wieder in den gewöhnlichen Sauerstoff der
Luft zersetzt. Bevor das Verfahren in Schierstein zur
Anwendung kam, haben das Reichsgesundheitsamt unter
Leitung des Gsh. Rats Dr. OhImü11er, sowie das
Jnstitut für Jnfektionskrankheiten, an dessen Spitze der
bekannte Bakteriologs Professor Robert Koch steht,
längere Zeit Versuche damit in technischen Probeanlagen
gemacht und die einwandfreie, keimtötende Wirkung fest-
gestellt. Jn den großen Schiersteiner Ozonwasserwerken
sind ebenfalls vom Kochschen Jnstitut init glänzendem
Erfolge Versnche über die zerstörende Kraft des Ozons
auf jene pathogenen Bakterien ausgeführt worden, die
als Träger der bekannten Epidemien zur Zeit angesehen
werden, und das Werk wird anch weiterhin der fortdau-
ernden Kontrolle des chemisch-bakteriologischen Jnstituts
von Professor Fresenius unterworfen sein. Schon jetzt
interessieren sich eine größere Anzahl von Orten, nament-
lich Bäder, die auf ein allen Ansprüchen der Hygiene ge-
nügendes Trinkwasser halten müssen, sür das neue Sie-
mens und Halskeschs Ver'fähren.

— Bcrlin, 3. August. Der sogen. Graf v. S a l-
viac ist heute Nachmittag aus der Untersuchungshaft
entlassen worden. Er war, wie wir s. Zt. berich-
teten, unter der Unschuldigung der Bigamie, des Dieb-
stahls und der Urkundenfälschung vor vier Wochen im
Zusammenhangü mit dem EheischeidungspiMessch den
seine Gattin, Frau Kanter, gegen ihn angestrengt hatte,
verhastet worden.

gewinnen sein. Wir erwarten gerade von ihm, daß
er aus der Frage für seine Person eine Kabinetsfrage
machen wird. Er ist jedenfalls von den gegenw -tigen
Ustnistern derjenige, welchem vom Zentrum am ' .üg-
sten Vertrauen entgegengebracht wird, und es erjcheint
uns deshalb als ein Fehler der nationalliberalen Partei,
sich wegen der Verfassungsfrage in eine Opposition zu
ihm drängen zu lassen.

Ganz anders als die genannten vier Minister stellt
sich das fünfte Mitglied des Staatsministeriums, Herr
Geh. Rat Dr. Reinhard zur Ordmsfrage. Jnfolge seines
konzilianten Eharakters, seines feinen nnd billigen Ur-
teils hat er es verstanden, obwohl er seit Jahrzehnten
dem Verwaltungsdienste angehörte, sich frei von jsder
einseitigen Parteistellung zu erhalten und hat insbe-
sondsre nie ein Hehl daraus gemacht, daß er ein Gegner
des srüheren Kulturkampfes war. Da er außsrdem
Katholik ist, fand er bei dieser seiner Geistesrichsting
Fühlung nach beiden Seiten, und mag, nunniehr ins
Ministerium berufen, seine Hauptaufgaöe darin sehen,
in jenem versöhnenden Geiste zu wirken. Als eine
Hanptbedingung hierzu erscheint ihm wohl die Bewilli-
gung von einigen Ördensniederlasfungen. Während
somit die Herren von Brauer und von Dusch zwar nur
ungern, aber immerhin zur Genehmigung einiger Klöster
gelangen können, wird Geh. Rat Reinhard dieses Ziel
mit vollem Willen anstreben.

Zum Schlusse fügt der Verfasser hinzu, daß sich
nicht übersehen lasse, wie die Entscheidung ausfallen
werdo. Er selbst ist nicht nur persönlich gegen die Er-
richtung von Männerorden, sondern läßt auch durch-
blicken, daß er vom politischen Standpunkte aus ihre Ab-
lehnung wünscht.

Aus Stadt und Land.

Heidelber g, 6. August.

Verwunderte Gesichter machten heute früh die Be-
wohner der westlichen Hauptstratze. Ueber Nacht wurden die
Stromleitungsdrähte für die neue elektrisch betriebene Stratzen-
bahn gclegt. Die starken Kupferdrähte sind blihblank. Um
beim Legen und Befestigen dersclben unbehindert zu sein, wird
zu dieser Arbeit die Nachtzeit verwendet, wo der Strahenver-
kehr ruht. Die Wagen für die neue Bahn sollen auch bereits
fertig sein. Jn der Hauptsache wird es sich jetzt nur noch
um die Fertigstcllung der neuen Wagenhalle handeln, die
gegenwärtig zur'Aufnahme der Wagen hergestellt wird.

Jn rasendem Galopp durchsauste gestern ein an ein
Gig gespannter Hengst mrt dem Eigentümer des Fuhrwerkes
dnrch die Untereneckarstratze und die Sophienstraße bis beim
„Europäischen Hof" das Pferd anrannte und zu Fall kam, !vo-
bei das wild gewordene Tier eine starke Verletzung am linken
Vorderfutz davontrug. Bei der Ausfahrt am Marstall war
das Gebitz am Gcschirr des' Pferdes gebrochen, so datz der Len-
ker des Fuhrwerks jede Herrschaft über das Pferd verlor. Es
ist als fast ein Wnnder zu betrachten, dah keine Menschen zu
Schaden kämen, es wnrdcn durch die stürmische Fahrt nur eine
Bank und ein Wagen beschädigt.

-s- Polizcibericht. Gestern Wend halb 10 Uhr wurde in
einem Konditorladen ein schon vielfach vorbestrafter und erst
kürzlich ans dem Gefängnis entlassener Taglöhner dabei be-
trofsen, wic er den Jnhalt der Ladenkasse an sich nahm. Der
überrafchte Dieb nahm Reitzaus, wurde aber mit Hilfe bon
Stratzenpassanten festgenommcn. Weitcr wurde ein Dienst-
mädchen verhaftet, das sich eine ganze Reihe von allerlci
Gegenständen aus verschisdenen Häusern, darunter recht wert-
volle'' Sachen, auf unrechte Weise aneignete. Eine Kellnerin
wurde wegen Umherziehens vcrhaftet. Wegen Ruhestörung
kamen 2 Personen zur Anzeige.

O Ans dem Kreis Heidelberg, ö. Aiig. (Der 14. Jahres-
bsricht des Landesvereins zur Erziebung israeli-
tischer Waisen) im Großherzogtum Baden ist erschiencn mid
bietet auch allgemeines Jnteresse. Jn Fürsorge des Vereins be-
fanden sich am 1. Januar 86 Waisen, 17 würden im Berichts-
jahre entlassen, 12 nen anfgenommen. Das Vereinsvermögen ist
auf 176 498 Mk. angewachsen, sodaß wohl bald an die Er-
bammg eines Waisenhanses gedacht werden kann. Än Mitglieder-
Beiträgen und Geschenken gingen im Jahr 1901 15 698 Mk. ein.
Der Sitz des Vereins ist in Bruchsal.

Wciler (bei Sinsheim), 8. August. (Ein nettes
Stückchen von Kindesliebe) erzählt die „Badische
Post". Am Sonntag, dcn 27. Juli, machte ein hiesiger Bürger
mit seinem Sohne eine Spazierfahrt nach Kirchardt und Führ-
feld. Anf dem Heimwege gerieten sie in Zwistigkeiten, was
dazu beitrug, datz ein jeder bon ihnen, nach der Heimkehr,
seinen Zorn im Wirtshaus ertränken wollte. Als der Vater
um 10 Uhr nachts heimging, wurde ihm unweit seiner Woh-
nung von seinem Sohne aufgelauert und der letztere eröffnete
ein Steinbombstrdcment und traf sogleich mit einem dcr ersten
Geschosse seinen Vater derart an den Oberschenkel, datz diefem
der Futz brach. Als nun der Vater zusammensank und liegen

— Kicl, 4. August. Der WienerLuftschiffer I
S t r o h s ch n ei d e r unternahm mit einem Begleiter
einen Aufstieg. Aus bedeutender Höhe stürzte plötzlich
der Ballon in den Kriegshafen hinab, unweit des Panzers
„Kaiseis Friedrich III." Der Geschwadercheß (Prinz
Heinrich, ließ sofort Pinassen klarmachen, bestieg, wis das
„Berl. Tgbl." meldet, eine zur Beteiligung an dem Ret-
tungswerk und rettete den Luftschiffer, dessen Begleiter
schwimmend ein Linienschiff erreicht hatte.

— Paris, 4. August. Dr. Garnault 'hat, um
die Ilnhaltbarkeit der These Kochs von der Unübertrag-
barkeit der Rindertuberkulose auf den Menschen zu er-
weisen, am 17. Juni zwei Stunden lang auf eine
künstlich wund gemachte Stelle seines Armes tuberkulose
Materie vom Rinde aufgelegt. Nach dem 10. Juli zeig-
ten sich auf der so behandeiten Stelle Neubildungen, die
Dr. Garnault für tuberkulöse hält. Er ließ am 31. Juli
durch Prof. Tuffier ein Stück der erkrankten Haut her-
ausschneiden, davon wurden kleine Teile Meerschwein-
chen eingeimpft imd der Rest dem Jnstitut Pasteur zur
llntersuchung übergeben. Ueber das Ergebnis derselben
teilt Dr. Garnanlt heute dem „TemPS" in einer Zu-
schrift Folgendes mit: „Die mikroskopische Untersuchung
der Hautstücke hat die für die tuberkulösen Bildungen
charakteristischen Zellen in großer Anzahl erkennen lassen.
Tuberkulose-Bazillen wurden indes nicht gefunden. Das
ist fast immer so in diesen Fällen. Aber man kann es
als nahezu gewiß ansehen, daß diese Bazillen sich in den
geimpften Meerschweinchen werden feststellen lassen. Doch
kann diese letztere Untersuchung in zuverlässiger Weise
nicht vor Ablauf von 14 Tagen begonnen werden." Dr.
Garnaiilt hält dafür, daß sie mit „unbodingter Gewiß-
heit" die Nichtigkeit der Theorie Professor Kochs dartun

blieb, wurde es dem Sohne doch bange, denn er näherte süü
ihm mil den Worten: „Vater, soll ich dich heimrragen?" Dieser
aber wies ihn ab, er möge ihn ja nicht mehr anrühren. Der
Verwundete wurde dann unter grotzen Schmerzen von vier
Mann heimgetragen. Nun wollte der Sohn es nichr gestat-
ten, dah mit den Pferden seines Vaters der Arzt geholr
wurde, rndem er erklärre: „Dre Gäule gehören mein und mit
denen wird kein Doktor geholt!" So mutzte denn ein anderer
junger Mann den Arzt holen. Diese empörende That dürfre
noch ein gerichtliches Nachspiel hcrben, trotz der Bitte des
Vaters, seinen Sohn nicht in Strafe zu bringen. Wenn mcm
die Verhältnisse in dicser Familie näher kennt, so erfährr
man wieder die Wahrheit des Wortes: „Was der Mensch säet,
das wird er erntenl"

-i- Waldmichelbach, 6. August. (Abgereist.) Ein hiesi-
ger Ellenwarcn- rmd Kleiderhändler namens Valentin Moldr-
zik ist seit 14 Tagcn mit Frau und zwei Kindern fpurlos
verschwunden. Da unterdessen mehrere Wechsel von ganz be-
trächtlicher Höhe zur Einlösung eintraten, so ist der Bersiche-
rung, dah sie wieder zurückkehren würden, wohl kein Glauben
beizumessen, umsomehr, da fie es verstanden, in wenigen Ta-
gen sich in den Besitz von ca. 6000 Mark zu setzen. Dcr Be-
treffende, ein preutzischer Pole, kam mit den Eisenbahnarbeirern
vor vier Jahren hier an und heiratete alsbald als Chrift und
junger Mensch von 21 Jähren eine Person von hier mir
89 Jahren und zwar war dies die einzige Jüdin im ganzen
Amtsgerichtsbezirk. Die Wohnung der Flüchtigen wurde heute
amtlich erbrochen und fand man, datz alles Wertvolle ver-
schwunden Ist. Die wenige Habe wurde unter Siegcl gelegt.
Es werden eine ganze Menge von Gläubigern üas Nachsehen
haben. Denn Moldrzik verstand es vortrefflich, iich Kredit zn
erwerben.

Mannhcim, 6. August. (Eine beachtenswerre
Schulreform) hat sich hier vollzogen. Man har nicht
nur Hilfsklassen für weniger begabte oder mir Defekten be-
lastete Kinder, fondern auch besondere Wiederholungsklassen
für solche Schüler eingerichtet, die mangels genügender Auf-
sicht im Hause oder wegen geringerer Begäbung fchon in den
ersten Schuljahren das Klassenziel nicht erreichen. Auch für
Stotternde sind besondere Heilkurse eingerichtet.

Mannheim, 5. April. (D i e A k u st i k der Mann-
heimer Festhalle) wurde heute Vormittag durch die
Herren Baurat S t u r m h ö f e l - Berlin und Prof. Bruno
Schmitz, dem Erbauer der Festhalle, eingehend geprüfr. Zu-
nächst sprachen- die Herren Poesie und Prosa in den grotzen
Saal hinein steils mit lauter, teils mit leiserer Stimme. Wo-
hin man sich auch begab, ob man in der Nähe stand oder weiier
ab, ob auf der Gallerie oder unten im Saale, überall konnte
man, wie der „Gen.-Anz." berichtet, das gesprochene Wort
deutlich verftehcn. Voraussetznng dazu ist natürlich, datz der
Redner nicht einen grotzen Wortschwall in den Saal hinein-
schüttet, sondern der Grötze der Halle gemätz wohl accentuierr
und langsam spricht; zu schreien braucht er nicht. Nachdem die
Sprechversuche beendet waren, ließ sich die Orgel vernehmen.
Sie wird zwar noch aufgebaut, konnte aber immcrhm schon
zu Probeversuchen benutzt werden. Auch sie verliefen günstig.
Eine gute Akustik in der großen Halle zu erreichen, war umso
schwieriger, als wenig Ornamentik angebracht werden sollre.
Jnfolge dessen galt es, durch andere Mittel als Ornamenie
den Schall gewissermatzen zu zerstäuben. Auf Anraten des
Herrn Baurat Steinhöfer, der den Erbauer der Halle in akusri-
schen Dingen unterstützte, wurden die Felder der Wände und
Decken mit rauhem Putz versehen. An ihm brechen sich die
Schallwellen nach allen Seiten. Damir dieser Vorgang in der
richtigen Weise für jeden Platz eintreten kann, ist der Putz
je nach Bedürfnis in verschiedener Dicke aufgetragen worden.
Die grotze Halle felbst ist sehr einfach gehalten. Sie wirki
durch die Größenverhältnisse und die Schönheit der ornamcn-
talen Linien. Zwölf Säulen tragen die erste Gallerie, wäh-
rend die zweite auf dieser zurückfteht und ganz von Holz
erbant ist. Blickt man von hier in den Saal herab, so ver-
stärkt sich noch der Eindruck des Imposanten, den die Halle
schon von unten aus hervorruft. Von da oben begreift man
auch, datz nicht weniger als 8000 Sitzplätze vorhandcn sind.
Werden aber die Gallerien vom Gestühle befreit, dann kann
eine Volksversammlung von 16 000 Mann in der Halle tagen.
Das dürfte genügen. Jm Gegensatz zum grotzeu ist dcr zweite,
kleinere Saal antzerordentlich reich an Ornamentik. Sie wurde
besonders auf Wunsch des Herrn Sturmhöfel so stark verwen-
det, damit auch. in diesem Saalc cine gute Akustik erzielt
würde. Wie grotz dieser „kleine" Saal immer noch ist, ergiebt
sich aus dem Vergleich mit dem Berliner Opernhaus. Die
Berliner Stätt'e der Musen faht alles in allem 1446 Plähe,
unscr Saal aber deren 1500. Die grotze Halle wird aM
25. August fcrtig sein.

Lndwigshnfen, 6. Äugust. (E i s e n b a h n u n f a l l.)
Jm Rayon des Güterbahnhofes beim früheren Uebcrgang an
der Gräfenaustraße fuhr gestern Abend eine mit vollem Damvf
von Frankenthal kommende Personcnzugsmaschine auf einen
im toten Gleis haltenden Rangierzug auf. Durch den Zu-
sammenprall entgleisten sowohl Hie tzeranstürmende Loko-,
motive wie auch die Maschine des Rangierzuges nebst drei
Wagen, einige Wagen rissen sich los und liefen gegen dcU
Viadukt zu. Wie wir hören, ist der Materialschaden ein
bedeuiender; Personen sind bei dem Zusammenstotz nichi ver-

I werde. Er hat übrigens am 16. Juli einen zweiteN
Versuch am eigenen Leibe vorgenonimen, indem er untek
die Haut des Armes em erbsengroßes 10 Zentigramill
wiegendes Stück tuberkulöser Masse einschob, das dort
verbleiben soll.

— Kopenhagen, 6. August. Nach einer hiesigen Melduuv
wurde Professor Birkeland, der Leiter der Erpedirion zU-
Untersuchung des Nordlichtes in Archangel von einem iolleU
Hunde gebissen und in das Pasteursche Jnstitut überführt.

— Pfahlbauten in Nvrwegcn. Jn der Nähe voU
Stavanger hat der Konservator des dortigen MuseuM^
bei der Vornahme, von Ausgrabungen einen ganzen Kon^
Plex von PfahIbauen gefunden. Diese sind 20 Fub
lang, 14 Fuß breit und ruhen auf drei parallelen Pfalm
reihen mit 4—6 Pfählen in jedor Reihe. Auch wnrdeu
Waffen und Hausgerät in großer Menge, alles aus Stei>
und wohlkonserviert, gefunden. Nach der Aussage wiu
Sachkundigen ist dieser Fund aus der Steinzeit d^
größte, der bisher in Skandinavien gemacht worden. ^

— Pctcrsburg, 4. August. Der einzige Sohn Aistu
Rubinsteins, Jakob, ist, wie soeben hier gemeldet rorr j
in der Nähe von Paris in einer Nervenheilanstalt 6
storben. .n

— Präsident Roosevelt als Schütze. Die Amerikancr Z.
es mit Stolz erfüllt, datz der Präsident Roosevelt seine ben^,
Güste, die Burenführer Suhman und Reitz, im Wettschrcv.^
besiegte. Der Präsident traf mit einem Revolver, der
Geschenk eines Freundes aus Deutschland ist, bei einer E ^
fernung von 45 Meter fünfmal nacheinander dcnselben
im Zentrum. Auch im Büchsenschietzen bei 90 Meter
fernung blieb er Sieger. Er tröstete jedoch, unter
auf seine Abstammung, seine Gäste damit, datz cs
schlimm sei, wenn sie als Buren von einem Holländcr gsschlE
würden.
 
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