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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0270

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liche Erzeugmsse, nämlich: Butter, Käse, Eier, lebemdes
und totes Geslügel, Honig, frische Gemüse aller Art,
frische Beeren und Obst aller Art (mit Ausnahme von
Südfrüchten), frische Weintrauben und Feldblumen mit
den von der Verwaltung hiezu bezeichneten Zügen gegen
Bezahlung der Fracht nach den Sätzen der allgemeinen
Stückgutktasse als Expreßgut befördert, sofern diese
niedriger ist, als die allgemeine Expreßguttaxe und das
Gewicht des einzelnen Frachtstückes nicht mehr als 25
Kilogramm beträgt. Wird die ermäßigte Fracht in An-
spruch genommen, so muß auf der Adresse angegeben sein:
„Zum Tarif für landwirtschaftliche Erzeugnisse".

Der zum badischen Expreßguttarif, Teil 2, auf 10.
I. M. ausgegebene Nachtrag 1 enthält außer den Be-
stimmungen über die Frachtberechnung zwei Frachttafeln;
in der einen Tafel n sind die Erhebungsbeiträge für Sen-
dungen bis zu 100 Kilogramm auf Entfernungen bis
270 Kilometer angegeben, während die Tafel b dis
Frachtsätze für je 100 Kilogramm auf Entfernungen über
270 Kilometer enthält. Die Maßregel bezweckt die Er-
leichterung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse
nach den Verbrauchsplätzen. Der Nachtrag wird an Jn-
teressenten unentgeltlich verabfolgt.

Bis auf Weiteres werden die Expreßgutsendungen
mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit den für die Be-
förderung von Expreßgut freigegebenen Personeni- und
Schnellzügen befördert. Wenn jedoch bei besonders stark
belasteten L-chnellzügen infolge regelmäßigen Andranges
einer größeren Zahl solcher Sendungen die Beförderung
nur durch Einstellen weiterer Wagen, deren Mitführung
bei der starken Belastung unthunlich wäre, möglich ist,
steht der Ausschluß der betreffenden Schnellzüge zu er-
warten. Jmmerhin ist durch die große Zahl der zur
Verfügung stehenden sonstigen Züge eine räsche Beförde-
rung gewährleistet, so daß die Ssndungen auch auf wei-
tere Entfernungen in der Regel am Tage der Aufliefe-
rung, und bei Aufgabe am Spätnachmittage oder Abend
im Laufe des folgenden Vormittags ihren Bestimmungs-
ort erreichen.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 9. August.

Gebissen. Eine Anzahl von Drvschken bmchte gestern
Nachmittag eine vom Cook'schen Reisebureau geleitete Reise-
Gesellschafr — Amerikaner — aus den Schloßberg. Als eine
zurGesellschaft gehörendeDame an einemDroschkenpferde vorüei
ging, fuhr dasselbe herum und bitz die Frau in den dem Pferde
zugekehrren Oberschenkel. Mit einem gellenden Schrei stürzte
die Gebissene zu Boden, wurde ohnmächtig und mutzte in Sie
in der Nähe gelegene Bergbähnwirtschaft getragen werden.
Die Dame erholte sich bald wieder von dem ausgestandenen
Schreck. Der malitiöse Droschkengaul scheint es nur auf die
Damen abgesehen zu haben, da derselbe die an ihm vorbeigehen-
den Mannspersonen unbehelligt läßt.

Schlafsucht. Wie aus einer in heutiger Nummer ent-
haltenen bezirksamtlichen Bekanntmachung hervorgeht, wurde
in Bammenthal am 7. August ein in Schlafsucht verfallener
unbekannter Herr aufgefunden und in das hiesige akademische
Krankenhaus verbracht. Kleidung und Aussehen lassen den
Schluß zu, datz der Aufgefundene nicht zu den niedersten
Kreisen zählt. Gen Schlafenden fand man uur im Besitze
eines seidenen Schirmes. Geld oder Wertsachen wurden bei
ihm nicht vorgefunden. Ob es sichchier um ein Verbrechen han-
delt, konnte bis jetzt nicht festgestellt werden.

f Polizeibericht. Verhaftet wurden ein Frauenzimmer
wegen Umherziehens, ein Taglöhner wegen unehelichen Zu-
fammenlebens und ein weiterer Taglöhner wegen Diebstahls.
Wegen Ruhestörung kamen zwei Personen zur Anzeige.

" - Eppclyeim, 9. August. (Verhaftet) wurde gestern
der früher in der Kreispflegeanstalt untergebracht gewesene
Taglöhner Joh. Phil. Zimmermann von hier, weil er einem
auf Eppelheimer Gemarkung sitzcnden Haufen Hafer ange-
zündet hatte. Da der Verhaftete drohte, auch das Anwesen
des Bürgermeisters und das des Ratschreibers in Asche zu
legen, ist es gut, daß der Brandstifter für einige Zeit kalt ge-
stellt wurde.

j Neckargemiind, 9. August. (N a t i o n a l st e n o g r a -
phie.) Hier ist ein Kurs in Nationalstenographie im Gange.
Die erste Unterrichtsstunde für Herren und Damen ist am
rnorgigen Sonntag von 8—9 Uhr vormittags, und zwar im
Schulhaus, 2. Stock. Für Schüler hat der Kurs bereits be-
gonnen, und es beteiligen sich ca. 20 Knaben und Mädchen da-
ran. Mögen auch recht viele Herren und Damen die Gelegen-
heit benutzen und sich das neueste und sehr leicht erlernbare
Stenographiesystem zu eigen machenl Zur Erlernung des-
selben sind nur acht Stunden erforderlich. Nach dieser kurzen
Zeit kann man jeden Text stenographich schreiben. Damit das
System, welches erst drei Jahre besteht und jetzt schon über
18 000 Anhänger hat, auch wirklich nationales Eigentum des
deutschen Volkes werde, wird der Unterricht unentgeltlich er-
teilt.

Wom türkischen MuchHandet.

Henry Otis Dwight hatte sagen hören, daß man in
Konstantinopel für einen Staatsverbrecher gehalten wird,
wenn man überführt sei, eine noch so bescheidene Biblio-
thek zu haben, und daß es daher nicht gut sei, im Reiche
des Beherrschers der Gläubigen die Profession eines
Buchhändlers auszuüben. Da er seinen Ohren nicht
trauen wollte, nahm er aus eigene Faust eine Unter-
suchung vor, deren Ergebnisse er jetzt im Forum ver-
öffentlicht. Es giebt in Stambul eine Anzahl Buchhänd-
ler. Es sind Perser, Araber, Wessinier und auch, ob-
wohl sehr selten, Türken. jzhre Läden sind kleine finstere
Höhlen, die in den schmutzigsten der vielen schnmtzigen
Gäßchen der Stadt versteckt sind. Sie verkaufen vor
allem folgendes: 1. Ausgaben des Koran, übersetzt in
alle Sprachen des Orients; 2. theologische, juristische,
historische Abhandlungen über den Koran, in türkischer,
perstscher und arabischer Sprache; 3. Annalen, in denen
bewiesen wird, daß alle Großherren der ottoma-
nischen Dynastie geniale und heilige Männer waren;
<l. märchenhafte Erzählungen; 5. mehr oder minder phan-
tastische Reiseschilderungen, in welchen hauptsächlich
bewiesen wird, daß man nur dann anständig, klug^rüd
glücklich ist, wenn man türkischer Muselman ist, den Sul-
tan verehrt, Stambul nie verläßt und alles, was über
Europa gesagt wird, für Lüge hält. Daneben giebt es
noch zahlreiche mystische uüd erotische Gedichte und mathe-
matische und astronomische Abhandlnngen. Das ist alles.
Dwight erzählt dann amüscmte Einzelheiten. Es ist einem

LL Karlsrnhe, 8. August. (Gewitter.) Gestern uud
heute sind wieder einmal schwere Gewitter üüers Land nieder-
gegangen, die namentlich in den Wein und Tabak bauenden
Gegenden nicht unevheblichen Schaden angerichtet hcrbeu. Jn
Hesselbach (Renchthal) schlug der Blitz in das Oekonomiege-
bäude des Hofbauers Anton Huber und tötete eines der schön-
sten Stück Vieh. Es standen als'bald die Gebäulichteiten in
Flammen und brannten bis auf dcn Grund nieder. Das Vieh
konnte mit knapper Not gereüet werden, während alles andere
ein Raub des verheerenden Elements wurde. Jn Sommerau
schlug der Blitz in das Haus des „Schmiedbaders". Jn kurzer
Zeit brannte das Anwesen total nieder. Autzer dem Vieh konnte
nichts gerettet werden. Der Abgebrcmnte ist versichert. Bor
einigen Jahren ist ihm ebenfalls ein Haus durch Brand zer-
stört worden. Jn Waldkirch schlug der Blitz in die Amsche
Ziegelhütte in der Oberstadt und entzündete die Sparren des
Dachstuhles. Das Feuer konnte jedoch durch die rasch herbei-
geeilte Feuerwehr wieder gelöscht werden. Gleich darauf wurde
der zur Gemeinde Altsimonswald gshörige Kapellenhof vom
Mtze entzündet. Derselbe brannte völlig nieder. Jn Jhrin-
gen schlug der Blitz in das Wohnhans des Kaufmanns Nathan
Willmersdorf ohne jedoch zu zünden. Doch wurden zwei
Kamine zertrümmert und das Dach sehr beschädigt, womit
dem Eigentümer ein Schaden von etwa 400—500 Mark
entstanden ist.

-f- Pforzheim, 8. August. (Das herannahende
8. K r e i s t u r n f e st) macht sich überall in der Stadt bemerk-
bar. Jn allen Stratzen ist man mit Ausschmücken der HLuser
beschäftigt. Jn Turnerkreisen selbst sind die mit den Arbeiten
betrauten Ausschüsse rn lebhaster Dhätigkeit. Als Festplatz
jmd die Hammerwiesen am südwestlichen Ende der Stadr in
einen imposanten Stand gesetzt. Wirtschaftsräumlichkeiten,
Schaubelustrgungen und Verkaufsstände sind in Menge auf-
geschlagen. Dem Wohnungsausschutz ist es gelungen, 3000
Freiquartiere berert halten zu könncn. Das Fest verspricht
ein recht grotzartrges zu werden, zumal seitens der Bürgerschast
alles dazu beitragen wird, den auswärtigen Turnern einige
schöne, frohe Tage zu bieterr. Ob Seine Körrigliche Hoheit
der Grotzherzog das Kreisturnfest wirklrch mit seinem Besuche
beehren wird, ist bis jetzt noch nicht bestimmt.

8O Vom Wiesenthal, 8. August. (T h a ls p e r r e.)
Am oberen Ende des Wiesenthals bei Todtrrau soll laut „Str.
Post" eine grotze Thalsperre aufgeführt werden. Diese soll
das 6 Kilometer lange Brandenbergerthal abschließen mit
einem an der Sohle 50 Meter breiterr und 50 Meter hohen
Damm. Das Wasser der Wrese und ihrer Seitenbäche sollen
seeartig aufgestaut und sämtliche Fabriken rm Wiesenthal von
ernem starken Kanal gespeist werden, der auch die Wresen und
Matten versorgt. Die Kosten des Planes werden auf fünf
Mrllionen Mark geschätzt. Auch datz ber Maulburg einmündende
„kleine Wiesenthal" soll in ähnlicher Werse mit einer Thal-
sperre abgeschlossen und zum Teil in einen Stausee verwandelt
werden.

Aus Baden. Der Erbgrotzherzog und die Erbgroßherzogin
von Baden haben für die Brarrdbeschädigten rn Oberöwis-
heim nnd Biesrrrgerr je 300 Mark den betrefferrderr
Groszh. Bezirksämtern zur Verteilnng zugehen lassen.

Kandel und Merkeyr.

Mannheim, 8. August. (Aktien.) Oberrh. Bank 117.S0 G.
Rhetn. Creditbank 142.30 G. Rhein. Hypoth.-Bank 180 50 G.
Brauerei Kleinlein, Heidelberg 160 G- Schroedl'sche Brauerei.
Aktien 175.— G. Portland Zement Hetdelberg 107.— B.

Frankfurt, 8 August. Effektensozietät. Abends 6'/. Ubr.
Creditaktien 216 80 b., Diskonto-Kommandit 187.70 b., Staats-
bahn 163.30-50 b.. Gelsenkirchen 165 20 B. 10 G., Harpener
161.75 b.. Hibernia 166.50 b., Elektr. Allg. (Edison) 168 b. G..
Elektriz. Lahmeyer 77 b.

6'ü bis 6 V- Uhr: -.—.

Mangels Änregung blieb der Verkehr auf allen Gebieten sehr
still. Oesterreich. Staatsbahn waren etwas höher.

Heidelberg, 9. August. (Marktpreise.) Heu der Zentner

2.50—2.80, Korn-Stroh der Ztr. 3.90—3.20, gem. d. Ztr.

2.00—2.20, gelbe Kartoffeln der Zentner 4.20—4.50,
neue das Pfund 5—6 Butter in Ballen 1.05—1.10,
in Pfd. 1.10—1.20, Johannisbeeren das Pfd. 12—15
Stachelbeeren das Psund 15—20 Kirschen das Pfd. 25—28
Zwiebeln 7—8 Knoblauch 35 Bohnen das Pfund 10 bts

15 Erbsen das Pfd. 10—15 Gebund Gelbrüben 2—3

Heidelbeeren das Pfd. 20—22 <-j, der Ltter 25—28 Eier das
Stück 5—6 das Hundert 5.20—5.50 Pfirsiche das
Stück 5—6 Trauben das Pfund 00-00 Mirabellen das

Pfund 1.00-00 ^L, Blumenkohl das Stück 35—40 Rotkraut
das Stück 25—30 Weißkraut 20-25 Wirsing 8-10
Kohlrabi 2—3 Sellerie 5—6 Lauch 2—3^s, Rettich3—S^,

Meerrettich 20—25 Gurken das Stück 8—12 Etnmach-
gurken 100 St. 1.00—0.00 Rote Rüben das Stück 6—8
Kopfsalat 5—6 Endivten 6—8 Aepfel das Stück 3—4
das Psd. 12—15 Birnen das Stück 1—2 das Pfund
10—12 Gebund Petersilie 1—2 Gebund Schnittiauch 1
Radieschen 2—3

Eppinge«, 8. August. Der heutigeSchweinemarkt war gut
besucht, und waren 426 Stück Milchschweine und 26 Läufer zu-
geführt. Das Paar Milchschweine kostete 26—36 Läufer
52-74

Muselmün verboten, ein Exemplar des Koran zu verkau-
fen. Wenn man das 'heiiige Buch kaufen will, muß man
also verfahren: Man nimmt eine vevkiärte Miene an
und sagt zu dem Buchhändler: „Du wärest wrrklich sehr
iiebenswürdig, wenn du mir dieses Exemplar fchenken
wolltest!" „Da ich ein Gläubiger bin," antwortet der
Buchhändler, „halte ich es für eine Pfiicht, dazu beizn-
tragerr, daß ein Ungläubiger unfer Gefetz kennen iernt.
Du hüst auch das Ansehen eines ernsten Mannes, und ich
bin überzeugt, daß, wenn du einm Koran zu besitzen
wünschst, soiches nicht aus eitier Neugier geschicht, son-
dern damit du deine Bekehrung in die Wege ieiten kannst.
Daher will ich dir dieses Exemplar schenken, obwohl es
mir lieb und wert ist und viel gekostet hat." Man nimmt
dann das Bnch und steckt es in die Tasche. Eine Minute
später nimmt wieder der Buchhändler das Wort und
spricht: „Du wärest wirkiich sehr liebenswürdig, wenn du
mir diese und diese Summe schenken wolltest." Wenn man
feilscht, mutz man sich sehr hüten, das Wort Koran auch
nur in den Mund zn nchmen. Man muß so handeln,
als wenn man ein Wucherer wäre, der sich mit einem
hartnäckigen, nicht ganz sichern Geldborger herum-
schlägt.

Kleine Zeitung.

— Dcr Volksgarten in München hat eine hübsche
Attraktion: eine 17jährigs Löwenbändigerin, Fränlein
Tilly Bebe,ein Wiener Kind. Wie vom Spiel auf

N e ck a r.

Hetüelberg, 9., 1,48, geft 0,13>u
tzeilbron», 8., 0,80, gest. 0.05m
Mannhetm. 8., 4,20, gef. 0,03m

Wasserstaud-nachrichte«

Rhein.

Lanterbnrg. 8. 4,62, gef. 0,00»»
Maxan. 8.. 4,70, gef 0.00m
Rannhetm. 8.. 4.27. gef. 0,04m

Die Kaiserzusammenkunst aus der Mhede von
Mevat.

Reval, 8. August. Die gestrigen Nachtschieß -
üLungen dauerten bis um 1 Uhr. Die Offiziers-
messen der fünf freien russischen Kriegsfchiffe hatlen
gestern Abenö die deutschen Kameraden an Bord ihrer
Schiffe geladen. Heute Vormittag 10 Uhr statteren
Kaiser Nikolaus nnd Großfürst Alexis der Jacht „Hohew-
zollern" einen Besuch ab unü wurden von Kaiser Wil-
helm am Fallreep empfangen. Sodann begaben si-ch die
Ntonarchen in die Offiziermesse der „Hohenzollern", wo
ihr erster Offizier, Kapitän von Holleben, dem Kaifer
SUkolaus für fein kostbares Geschenk dankte unö ein
Hurrah auf ihn ansbrachte. Der Kaiser von Rußland
erwiderte in deutscher Sprache un'd schloß seinen Trink-
fpruch mit einem Hurrahruf auf den deutschen Kaiser.
DerKaiser und die Prinzen begaben fich dann an Bord der
Jacht „Polarstern" und wohnten von dort aus etner
Ruderregatta von Booten der russifchen Kriegsschiffe bei.
Nach ihrer Beendigung geleitete Kaiser Nikolaus uitter
einem Ehrenfalut von 33 Schuß und 'den Klängen der
preußischen Nationalhymne seinem Gast vom „Polar-
ftern" an Bord der Ja-cht „Hohenzollern" zurück und fuhr
selbst sodann nach dem „Standart" hinüber. Um 1 Uhr
fand an Bord des Standart" Frühstück statt. Vor dem
Frühstück meldeten sich sämtliche deutsche Herren, die mit
russischen Orden ausgezeichnet worden waren, an Bord
des „Standart" beim Kaiser bon Rußland. — Jn An-
erkennung der vorzüglichen Leistungen des Arfillerie-
lehrgeschwaders während lder) Anwefenhiüt des deur-
schen Kaifers hat Kaiser Nikolaus den Chef dieses Ge-
fchwaders Kontreadmiral Rojdestewenski zu seinem Ad-
miral a la suite ernannt, eine Auszeichnung, die bis-
her noch nicht verliehen wurde. Auch der deutsche Kaiser
sprach dem Admiral seine Befriedigung und die herzlich-
sten Glückwünsche zu der ihm zuteil gewordenen be-
sonderen Auszeichnung aus.

Die beiden Kaiser hatten heute nach dem
Frühstück auf dem „Standart" eine längere eingehende
Befprechung. Der Kaiser von Rußland überreichts beim
heutigen Frühstück dem Kaiser Wikhelm einen etwa drei
Viertelmeter hohen, in Silber getriebenen, reich mit
allen in Rußland vorkommenden Edelsteinen und kost-
baren Perlen verzierten BojarenheIm, dessen Jn-
neres als Rauchservice ge'dacht ist, während Kaiser Wil-
helm dem Kaiser Nikolaus zur Erinnernng an die Zu-
sammenkunft in Reval ein Schreibzeug in Gold
schenkte.

Kaifer Nikolaus verlieh dem Prinzen Friedrich
Heinrich von Preußen den Andreasorden, dem Ltaars'-
sekretär von Tirpitz den Alexander Newski-Orden, dem
Chef des Militärkabinets Grafen Hülfen-Häeseler den
Weißen Adlerorden, dem Chef des Marinekabinets Vize-
admiral Freiherrn von Senden-Brbran eine kostbare
Dose mit dem Namenszug des Kaisers Nikolaus in Bril-
lanten, dem Gesandten von Tirschky und Boegendorff den
Annenorden erster Klasse, dem Generaladjutanten von
Scholl die Brillanten zum Annenorden erster Klasse und
dem dentschen Botsch-after Grafen Alvensleben den Ale-
xander Newski-Orden.

Reval, 8. August. Die Jacht „Hohen-
zolle rn" hat um 3f^ Uhr die Anker gelichter und ist
mit Kurs auf Wisby (Schweden) in See gegangen. Tie
Kaiserbegegnung ist, vom herrlichen Wetter begünstigt,
in befriedigender Weise verlaufen. Bei dem ständigen
Zusammensein der beiden Monarchen hatte der Verkehr
ein äußerst herzliches und intimes Gepräge.

Neueste Nachrichten.

Berlin, 8. Aug. Laute, ehrlich empfundene Totens
klage tönt aus der liberalen und freisinnigen Presse um
Rudolf v. Bennigsen. Nicht nur die Organe der
politischen Richtung, der er angehört hat und die ihm nahe
gestanden haben, auch die Gegner aus dem konservativen
und ultramontanen Lager stimmen in die Klage über den
Tod dieses Mannes ein. Die „Germania" hebt ihn
über seine nationalliberalen Genossen. Die „Kreuzztg."
schließt einen Artikel wie folgt:

grüner Wiese sich verirrend, betritt sie mit fröhlicheM
Lachen den Käfig, in dem 12 Löwen umherlungcrn, die
den lustigen Ankömmling mit Knurren und Brumnren
begrüßen. Die Kleine aber wirft sich mitten unter sie
und mit Schmeicheln und Streicheln weiß sie die üble
Laune der in ihrer Beschaulichkeit gestörten Bestien rasch
zu vertreiben. Bald spielen sie mit ihr wie Katzen, dis
sich ihrer wilden Kraft noch nicht bewußt sind, lasfen siÄ
allerlei Schabernack gutmütig gesallen und gehor-cherr
mehr oder minder willfährig dem Kommando, das sie,
zu unfreiwilligem Treppensprung, zum Treiben einec
Rolle, zu hübfchen Gruppenstellungen zwingt. Drollig
ist das Tänzchen, das die junge Dompteuse mit einern
Mitglied ihrer Löwentruppe ausführt und einen Beweis
ihrer Kraft liefert sie, indem sie einen 84 Kilo schweren
Löw-en auf ihren Schultern durch die Arena trägt. Nach'
dem sie die ganze Löwenherde in eine Ecke getrieben hat,
wählt sie sich eines der schönsten Exemplare aus, um aUl
diesem die Arena zu umreiten. Ein reizendes Bild-
iMan denke sich ein Münchener Kindl, das in einer Harro
die weiß-blaue Fahne, in Äer aüderen einen Maßkrug
fchwingt, auf dem bayerifchen Wappenfiere reitend, urrd
man wird begreifen, daß ein Beifallssturm die Zrr^
schauermenge dur-chbraust.

— Genua, 8. Aug. Heute Nacht stürzte auf deiü
Bahnhofe in Arcola bei Spezzia der Postwagen eines
Zuges um. Fünf Postbeamten wurden verletzt, davo^
einer schwer.
 
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