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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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DoimcrMg 14 Augrlst 1902.

ZMeites Blatt.

^r. 188

44. Iahrg ug. —

Erscheint täglich, Sonntags ausgensmmen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'S Haus gcbracht, bci der Expedition und den Zweigstcllen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

KnzeigenprciS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile odcr deren Rauw. Reklamczeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- «nd Privatanzeigen crmätzigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
»orgeschriebenen Tagcn wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zettung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschlnß Nr. 83

Kyronlk.

(Vom 27. Iuli üis zum 9. August.)

Juli 27. s-u P ci r i s findcn D c m o n st r a t i o n c n für

und gcgcn Lie Schlicsznng dcr K o n g r c g a t i o n s-

schnlcn statt.

„ 28. Die P r o t c st k u n d g c ü u n g e n gcgcn die Ein-

sührnng von M ä n n e r k l ö st e r n in Baden dau-

crn fort. So hat einc Versammlung in Emmcn-
dingcn nnd die Diözcsansynodc in Eppingcn sich da-
gcgcn ausgcsprochcn.

" 30. Sehr abfällig wird in der dcntschen Pressc die That-

sache bcsprochcn, datz dcr Provinzialstcucrdircktor
von Posen, Löhnin g, seinen Abschicd nehmen
mutztc, weil cr sich mit -cr Tochter eincs Subal-
tcrnbcamten, chcmaligen Fcldwcbcls, vcrhciratcte.

„ 30. Dcr K a is e r bcsucht Emdcn. Jn eincr Rcde dort-

selbst spiclt cr abwciscnd auf die Klagcn dcr Agra-
ricr an.

„ 31. Dcr ^Bcrl. Volksfr." wünscht, datz anf dcm dics-

jährigcn Parteitag der S o z i a l d c m o k r a t i e
dcm Zcnt r n m cin Spiegcl vorgehaltcn wcrde.

Aug. 1. Prinzcssin Ma x von Badcn wird von einec
T ochte r entbunden.

., 1. Tcr K aisc r rrifft in Schwcrin cin.

„ 2. Nach cinem Erlatz dcs Präsidcnten der sranzösischcn

Republik sollcn in 32 Departements 237 kongr c-
ganistische ^ N i e d e r l a s s u n g c n ge -
geschlossen wcrdcn.

„ 3. Der ehcmalige Präsident dcs Oranjefrcistaats,

Steijn, trifft, schwcr crschöpft, in Holland ci».

„ 4. Dcr Kaiscr lritt von Kiel aus cine Fahri nach

Rcval zum Besuch des Zarcn an.

„ 6. Die Zwcitc b a y e r i s ch e Kammcr lchnt

die von der Erstcn Kammer wiedcLhcrgcstellten For-
rungen für Kunst abermals ab.

„ 6. Der Kaiser trisft in Rcval ein.

„ 7. Fast sämtlichc ordcntliche Professore n der

drei badischcn Hochschulen haben an dcn
G r o tz h e r z o g cine Eingabe gegcn dic Männcr-
klöstcr gerichtet.

„ 7. Rudolf v. Bcnnigse n stivbt.

„ 8. Dic Scssion des b a y c r i s ch e n Landtags

wird geschlosscn. Jhr politischcs Ergcbnis ist cine
bösc moralischc Nicderlage des Zentrums.

„ 8. Jm cnglischen Kabinet treten cine Anzahl

von Veränderungcn ein, dnrch welche das Ministe-
rium crheblich vcrjüngt wird.

„ 8. Dcr Kaiscr reist von Rcval ab. Scin Verkehr

mit dcm Zaren war schr hcrzlich.

9. Jn London findct die Krönung dcs c n g l i-
schen Königspaars statt.

Die Wevölkerung Deulschlands nach ihrer
Wuttersprache.

Eine Uebersicht iiber die Bevölkerung Deutschlands
uach ihrcr Muttersprache ist im kaiserlichen statisüscheu
Amt zusammeugestellt worden. Bou der 56 367 178
starken Bevölkerung (27 737 217 mäuulich und
28 629 931 weiblich) habeu 51 883 131 (26 610 624
Männlich nnd 26 372 489 weiblich) Deutsch als Mutter-
spvache. , Dc'utsch und eiue fremde Sprache sprechen
252 918 Persouen (137 283 männlich uud 115 635 weib-
lich), daruuter deutsch uud holländisch 4512, deutsch wtd
sriesisch 550, deutsch uud däuisch odcr uorwegisch 4212,
deutsch uud schwedisch 651, deutsch und euglisch 2220,
deutsch uud frauzösisch 9356, deutsch und wallouisch 680,
deutsch und italieuisch 1236, deutsch und spauisch 272,

deulsch und Portugiesisch 90, deutsch und polnisch 169 634,
deutsch und masurisch 10 898, deutsch uuö kassubisch
1652, deuksch und wendisch 23 779, deutsch unid mährisch
1861, deutsch uud tschechisch 8606, deutsch uud russisch
1381, deutsch und litauisch 9214 uitd deutsch uud uuga-
risch 1292. Eine fremde sprache sprecheu 4 231 129
Personeu (2 089 322 mänulich mtd 2 144 807 weiblich.)
Uuter dieseu 4 231 129 siud 3 086 489 .Poleu (1 496 374
mämtlich und 1 591 116 weiblich.) Holläudisch sprecheu
80 361, friesisch 20 677, däuisch oder norwegisch 14 161,
schwedisch 8998, euglisch 20 217, französisch 211 679,
wallonisch 11 872, italieuisch 65 930, spanisch 2059, por-
tugiesisch 479, masurisch 142 049, kassubisch 100 213,
weudisch 93 032, mährisch 64 382, tschechisch 43 016,
russisch 9617, litauisch 106 305 und uugarisch 8158
Personen. Was die Poleu aubelaugt, so ist es bekannt,
daß diese von Hen poluischeu Agitatoreu angehalten wer-
dcn, sich stets zur polnischen Sprache zu bekeuneu, auch
dann, wcuu sie des Deukscheu so niächtig siud, basz es
ebenso als ihre Biuttersprache gelteu köuute. Dem stati-
stischeu Amt steht eine Prüfung über die Berechtiguug
der ihm gemachteu Angabeu uicht zu, uud es muß sie so
hiuuehmeu, wie sie vou deu einzelueu Personen gemacht
werden. Audernfalls würde die Zahl vou 3 Milliouen
Poleu sich gauz weseutlich vermindern, zmn miudesteu
durch Uebergang iu dic doppelsprachige Klasse, die mit
169 000 osfeubar sür die thatsächlichen Verhältnisse viel
zu uiedrig gegrifsen ist. Eine interessante Erscheinuug
ist es, daß sich uur wenig über 200 000 Persouen zum
F-rauzöstschen als ihrer Muttersprache bekannt haben. Es
ergiebt sich daraus, daß vou Äcu Bewohneru Elsaß-Loth-
riugeus fast 90 Prozeut Teutsch als ihre Muttersprache
augegeben habeu.

Deutfches Reich.

Badcn.

— Jm sozialdemokratischen „ Volks freliud " liest
mau:

Gegcn dic Antiklosteradrcssc dcr badischen Hochschulprofes-
svrcn zieht Hcrr Wa ck e r im „Beobachter" vom Ledcr.
Gcstern täm via Zähringcn dcr crste dreispaltige Artikel. Wie
vicle Fortsehungcn folgen, lätzt sich noch nicht abseheu. Datz
die Artikcl später in Bnchform erscheinen, ist jedoch nicht zu er-
warten. Von dcn früheren Wackcrschen Broschüren liegen im-
mer noch zentnerschwerc Ballcn in dcn Räumlichkeitcn der
Administration des „Beobachters". Wic man hört, sollen
sie in Bäldc als Maknlatnr cingestampft werden, damit sür
zutünftige „Geschichtswerkc" des Pfarrcrs von Zähringen wie-
dcr Platz gcschaffcn wird. Herr Wackcr hat nämlich eine
eigcne Mcthbde als „Geschichtsschrciber". Zucrst schreibt cr
kilometerlange Artikel im „BcobachteiA. Mlttelst Kleister und
Schcere fabrizierk cr dann aus diesen Kilometerartikcln „Ge-
schichtswerke" und spätcr bckommcn dann die an Zähringer Kost
gcwöhntcn Lescr dcs schwarzen Zentralorgans die bor Jahren
gcschricbcnen Kilomctcrartikcl im Excerpt zum zweiten-, manch-
mal sogar zum drittenmale wiedcr in Wackerscher Sance ser-
vicrt. Das finanzicllc Ergcbnis der Wackerschcn Bro-
schüren soll zwar für ihn s c l b st nicht ungünstig scin, da-
gcgen ist es für dic „Aktiengcscllschaft Badeuia" jcweils sehr
mics.

Durch die augeskellten Erhebungeu ist amtlich
festgestellk. daß seik Jukrasttreten der Bekanutmachung
voui 28. Zanuar 1899, betreffend die Eiur i ch tuug
und den B etrieb -er R o ßhaa r s P iunereie u,
Haar- und Borsteuzurichtereien, sowie der Bürsteu- und

Pinselmachereieu bis zum Herbst vorigeu Iahres iu An-
lageu dieser Art 41 M i l z b r a u d e r k r a u k u n g e n
vorgekommen sind, von denen 9 einen tötlichen Ausgang
genommcn haben. Nach den Erhebungcn ist ein Teil die-
ser Milzbrandsälle auf Nachlässigkeit und Nichtbeachtung
der Veror'dnnng zurnckznführen gewesen, insbesondere
war die Ausführnng der Desinfektion vielfach sehr man-
gelhaft; znm Teil ist sie ganz unterblieben. Ferner wurde
die Beobachtnng gemacht, daß dic Milzbrandinsektion
fast nnmer in bestiminten Betrieben wiederholt ausgetre-
ten ist, währeud die Arbeiter anderer Betriebe gleicher
Art verschont blieben. Hicraus ergiebt sich, daß es zur
Besseruug lder .Zustäude in erster Linie eiuer fortgesetzteu
soiUfältigen Durchsührimg der vorgeschriebeuen 'Vor-
sichtsmaßregelu bedarf. Wenu auch im Großherzogtum
seit Filli vorigen Jahres in Betrieben der in Frage steh-
enden Art Milzbranderkrankungen nicht mehr vorge-
kommen sind, so werden die Aemter, soweit erforderlich,
im Benehmen mit Großh. F-abrikinspektion, doch fortge-
setzt siir eine besonders strenge Ileberwachnng der in Be-
tracht tommenden Betriebe Sorge tragen.

11E .)! arlsru h e, 12. August. Unter dem Titel
„K t ö st e r inBad e n" ist im Vertag von F. I. Reiff
hier eine kleine schrift erschienen, die in popnlärer Form
die Klosterfrage behandelt. Als Stichprobe sei eine Nokiz
herausgenommen, in welcher die Behauptung, daß ge-
wisse Klöster mit Vorliebe unsere reichsten nnd arüeits-
fähigsten Bauernmädchen einfangen, recht drastisch illü-
striert wird. „In einem Dorfe Lei Konstanz," so heißt
es in der lesenswerten Schr'ift, „gingen vor einiger Zeit
ans eiuinal die Kapitalsteueru auffällig zurück, für
60 «)00 Mark soll's geweseu seiu. Als der Steuekbeamte
uach der Ursache forschte, stellte sich heraus, daß mehrere
Mädchen mit der Aussteuer ius Kloster gegangen wa-
reu." — Recht lehrreich ist auch das Kapitel „Kapuziner
in Badeu". Es wird zunächst die „friedUch-harmlose"
Wirksamkeit dcr „gutmütigeu" Käpuziner iu den badi-
scheu Lauden geschildert uud dann erzählt, wie sehr die
32 Käpuziuertlöster neben den audereu Bettelorden das
Laud aussaugten. Jm Ländchen Geroldseck stritten sich
die Kchpuziner nnd Hie Franziskaner darnm, wer ini Ter-
ininieren die Vorlese oder Nachlese haben solle. 1699
reichten die Kapnziner zn Baden dem Markgrafen bittere
Beschwerden ein, als er in Rastatt ein F-ranzistänerkloster
errichtcn woltte: „massen dnrch sotche Mnltiplikation der
d'Nendicanten-(Bettel-)Klöster die armen Unterthanen mit
gar ,zu viel iind kontinniertichcr Bettelsternnniernng
iibcrtrosfen, anch ein Tcil dem anldern die Nahrnng vor
dem Maul hinwegnehmen wnrde." Und 1708 hat die
bigotte Martgräfin Sibylle die Franziskaner am Fre-
mersberg a»f 6 vermindert, „weil die aufs Blut aus-
gesangten Unterthanen die visherige Zahl zn unterhalten
nicht im Stande seien". Wie atmeten die „armen, Lis
anfs Blut ausgesmigten Unterthanen" auf, als im Jahre
1803 die 187 Klöster im Lmide.Bäden aufgehoben wür-
den! Und ivetche Erleichternng wär das anch für den
Staat! AIs Baden-Baden nnd die Pfalz äii unser badi-
sches Fürstenhmis kam, waren diese klösterreichen Lande
tief verschnldet, dagegen das protestantische Baden-Dur-
lach hatte so viel Geld, nm diese und andere Verpflichtun-
gen für diese neiien Gebiete zn übernehmen.

Eine Geldheirat.

^2) Noman vou L Haidheim.

(Fortsetzung.)

Ulla hatte Auna in vvllcr Harmlosigkcit Vv» sich gehen
lchcn, nm Hans zurückzuholen.

Fast in derselben Zcit abcr^sah Fritz sie mit allcn Ge-
Wrden eincr auf Ueberraschung Sinnendcn durch dcn Garten-
laal schleichen.

^ Offcnbar hatte sic dort an dcr Thür durch eine Finger-
aeivegung das elcktrischc Licht entzündct. Datz dies Schlcichen
?»f cincn Vcrdacht hinauslicf, schicn klar. Aber Anna, die von
Udcui Verdacht wcltcnfern ivar? Wie wäre sie dazu gekom-

, Wvlzin ging schwcigcnd hinaus; nach ciner knrzcn Weile
^a>N cr, noch vleicher, als vorher, zurück.

, „Hcnke hat ihr verraten, datz sie schon lange bctrogen
?Urdc. Er hat ihr auch gcsagt, sic solle fich leise ius Früh-
auckszimmer schlcicheu, da sähen „sie" beisammcn — sie
^asse aber glcich Licht machcn. Der gnädige Hcrr sei aus
Garten durch den Gartensaal hincingcschlichcn, das gnä-
'üe Fräulcin dnrch die Bibliothek dahingclangt."

^ Hcnke war cin trcucs, altcs Faktotum und aus Wolzins
zBashalt der jungen Frau gefolgt. Das ganze Personal habe
s,l°u scst xw paar Wochen gcwutzt, was ihneu allen seit längerer
U0>l verdächtig geschicnen — hatte dcr alte Diener Wolzin
^uiend gestanden.

, . Dcr reichc, stolze Wvlzin war wie vcrnichtet. Und nicht
^'dvr vernichtct fühltc sich Fritz nm des Bruders willenl
?'och kciner hatte ihm gcsagt: „Wie kommst du hierher?"
s^.uu war vom crsten Momcnl an zu Muic, als sci scine eigene
d,Huus mit vernichtct. War dcr noch scin Brudcr nach
Stnnde? Es gewährtc ihm cincn gcwisscn Trost, als Ulla
"oller Ueberzeugung gegen die Annahme eincs schon länger

> dancrnden Liebesverhältnisses protestierte. Nein, sv schlecht wa-
^ ren weder Hans noch Hilde — und lctztere hatte ihr dies
svgar erst neulich direkt gesagt.

Der scharfc, erstauntc Blick Bnrghauscns und Wolzins
Frage: „Abcr wie konnte cin solches Gcspräch zwischen Jhnen
nnd — und „jcncr Pcrson" aufkommen?" lockte dann auch dcn
Bericht jener abcndlichen Bcgcgnung mit Hilde und deren
Bcgleiter ans Ulla herans.

„Ncin, jencr flüchtige Verdacht, das sei Hans gewesen, war
cin Jrrtum. Hilde hatte dcnselben erzürnt zurückgcwicscn," be-
harrtc Ulla übcrzeugt.

Wolzin fuhr sich wild durch die Haarc nnd knirschte: „Was
hilft mir nnn all mein Gcld? Jch wollte mein Kind damit
glücklich machcnl Und wcnn —"

Hicr stocktc cr in seiner Wut, offenbar nur um Fritz' wil-
lcn.

Und dcm warcn die ungcsagtcn Wortc, die scines nndank-
baren Brudcrs Ehrlosigtcit galten, schon wie cin Peitschcnhieb.

„Jch fühlc, Herr Geheimrat, dasz meine Gegenwart Jhnen
nicht angenchm scin kann. Jch bin dcr Brudcr des Manncs —"

So war cr rasch auf Wolzin zugetretcn, aber weiter konnte
cr nicht — dic Stimme brach ihm vor grenzenloser Pein. Und
das alles mnszte er erlcben in Gegenwart Burghauscns —
Ullas —1^

„Und Sie wcrdcn heutc dcn Mann cntschuldigcn, dcr nur
als Vater für sein Kind, nicht — aber — für Sie empfinden
kann", hatte Wolzin erwidert.

Mit kcinem Wort hielt cr Fritz zurück, nnd so gerccht dieser
auch urtciltc, vcrlctzte ihn dies doch.

Er war ja völlig unschuldig an diescm schrecklichcn Trauer-
spicl. Er wntzte ja nicht, datz Wolzin — dcm hcute nichts
ferncr lag, äls jcdcr Gcdanke an eigene Wünsche —- ihn dennoch
nnbcwutzt dcn lange schon aufgcspeichertcn Hatz empsinden lietz.

Burghausen drückte dcm Vcrlobtcn sciner Tochter, dcssen
peinlichc Lage cr nur zu gut mitcmpfand, die Hand nnd be-
glcitete ihn mit Ulla hinans.

„Was führte Sie cigcntlich »ach Berlin, Fritz?" fragte
er dort.

„Jch dcnkc, das wisscn Sie? Ulla hat mir mciü Wort
znrückgcgcbcn. Jetzt frcilich — nach dcm hcutigcn Erlebnis
— wage ich gar nicht mchr —"

Die Stimme vcrsagte ihm; er wandtc dcn Kopf ab und
lcgtc dic Hand übcr dic Augcn.

Datz Burghausen nich'ts geahnt, war ihm sofort klar ge-
worden.

Dieser hatte sich seiner Tochtcr zngewendct und sie schwci-
gcnd an scin Herz gezogcn. Er war ihr dankbar, aber er
fühlte doch Ullas Leid mit, i» dercn krankhast blcichem Ge-
sicht cs wic von verhaltenem Wcinen znckte.

„Du -Armerl" sagte sic leise un-d bot Fritz beide Hände —-
abcr nicht wic svnst die Lippen.

„Ja, freilich, das ist ja mein ganzes Unglück, datz ich arm
bin", erwidcrte er mit ticfster Bitterkeit.

Sie schwieg. Mit höchstcr Anstrengnng hiclt sie ihre
cigcncn Gcfühlc niedcr. „Es mntz sein! Es mus; seinl" sagte
sie sich. So erschien sie ihm kalt wie Eis.

Jn seincn wcit geöffncten Augcn las sie dcn Schrecken
darüber. Datz sie so jedc Spnr der Licbe zu ihm vcrlengnete,
hcnte, wo ihn so glühend nach ihrcm Trost und ihrcr Zärtlich-
keit verlangte — das verlctzte ihn unbeschrciblich und machte
ihu völlig irre au ihr uud au sich selbst.

„Alsv cs war dir voller Ernst mit dcincr Absage, Ulla?"
fragtc cr mit schwcrer Zunge und es war ihm, als wollten
sich die Gcdankcn auf scinen Lippcn nicht zu Worten fügen.

„Fritz, Fritzl" schluchzte sic laut auf, sich abcr plötzlich wie-
der fasseud, sctztc sie hinzn: „Ja — cs war mir Ernst, um
dcinetwillcn und um —"

„Dann frcilich habe ich uichts mchr zu sagen — uach den
lctztcn Stundcu wcnigcr dcnn jc. Lcbcn Sic wohl, Herr Ober-
rcgicrungsrat — Sic wcrdcn mich nicht nngcrn gehcn sehenl
Und dn — Ulla — lcbe wohl — häbc dank für^—-"

Sie sahcn ihm nach —, als er fvrtstürzte, schrie Ulla laut
 
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