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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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Samstag- 16 AugusL 1902.

Aweites Blatt.

44. JahMNg. — 190

^rscheink täglich, Sonntags ausgenommm. — Preis mit Familienblättern monatlich 5V Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

^ nz eig enpr ei s: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiefige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
dorgefchricbcnen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Aus -em Himmcischeu Weich.

London, 14. August.

Der Lritische Mtlitärlaplan, Roo. E. I. Hard y
Oi Hongtong, verössentlicht in Ehambers Journal seine
^-tudie über C h i u a und Chiuese u, die bei ihrem
gedaukenvollen nnd interessauten Juhalt der Beachtung
tvert ift.

„China", lescn wir da, „bildet das Problein des
<0. Iahrhunderts. Was immer aus dem großen Lande
diird nnd was die europäischen Mächte auch daraus ma-
chen, es wird mehr als irgend etwas anderes das Schick-
lal der Welt beeinslussen. Fünfhundert Millionen eines
hochst intelligenten, geduldigen Volkes, das sozusagen,
don der Lnft leben tann und das eüie Furcht vor dem
<ode nicht tennt — was kann ein solches Bolk nicht alles
bollbringen? Das Schlimmste ist, daß niemand China
dersteht und daß niemand weiß, waS China thun, was
lein nächster Schritt sein wird! ES ist wie ein Frauen-
siinmer: ein Rätsel. Wenn man zum erstcnmale nach
China kommt, so erscheint einem alles verkehrt. Es ver-
halt sich aber durchaus uicht so, wie es ims scheint. Der
Chinese kann für alle seine Sitten und Gebräuche ebenso
gute Gründe anführen,, wie der Brite für die seinigen.
Dlas nns zuerst gcradezu verrückt erscheint, erkennen
Ivir nachträglich als höchst vernünftig an. John China-
Mann mit seinein geduldigcn Lächeln und seinen schies
geschlitzten Zlugen, mit denen er um die Ecke sehen zu
tönnen scheint, ist gar nicht so dumm, wie er aussieht.
China ist für uns die richtige verkehrte Welt. Sein
Äompaß weist nach dem Lüden, der unsere nach dem
Nordcn. Der Bug ihrer Dschunken gleicht dem Heck nn-
serer Schiffe und die Dschunken scheinen rückwärts zu
segeln. Im Westen ist ein Polster, ei-n mit Federn gefM-
ter Lack, urii den Kopf zu stützen; in China ist der Polster
eine Stütze für den Hals, entweder ein kleines Gestell
ans Bambusrohr, oder eiu Holzblock, am häufigsten aber
ein Zicgelstein. Was unserem Rufnamen entspricht,
setzt er hinter seinen Familiennamen; wir beachten die
Umgekehrte Ordnung. Wenn dcr Chinese grüßt, setzt
er seinen Hut auf, wir nehmen ihn ab. Sie lachen beim
Cmpfang fchlimmer Nachrichten, um dem Teufel ein
Schnippchen zn schlagen nnd ihn zu ärgern. Lange
Fingernägel sind in China das Zeichen der Achtbarkeit,
bei uns törperlicher Vernachlässigung, wenn nicht der Un-
reinlichkeit. Der Ehrenplatz an der chinesischen Tafel
isl zur Linken des Gastgebers, bei uns zur Rechten. Der
Chinese steht beim Reiten nicht mit den Ballen, sondern
rnit der Ferse im Steigbügel. Geht er mit jemandem,
so darf er nicht gleichen Schritt halten. Beim Lesen
eines Buches fängt er von rückwärts an und liest und
schreibt die Zeilen von oben nach unten, statt der Quere
nach. Ihre Trauerkleider sind weiß, die unsern schwarz.
Bei einer Festtafel hören sie mit der Suppe anf. Wir
fangen damit an. Die chinesische Weiblichkeit trägt Ho-
sen, die Männer dagegen Frauenröcke. Der Chinese
zahlt den Arzt, damit er ihn nnd seine Familie gesnnd
erhält, er zahlt ihn nicht fiir die Behandlung, wenn
er erkrankt. Wir zahlen den Arzt, damit er uns gesund
rnacht. Begegnet der Chinese einem Bekannten, so schüt- s
telt er nicht diesem, sondern sich selbst die Hände.

Von der Svarsamkeit und der Wirtschaftlichkeit der '
Chinesen kann mau sich kaum eine Vorstellung machen. s
Sie essen alles, was gelebt hat; ob ein Tier krank war

und krepiert ist, verschlägt dabei nichts. Ganz kleine
Äinder werden ausgeschickt und man sieht sie auf Bänmen
Blättcr pflücken, als ob es Früchte wären, die dann
als Brenmnaterial verwendet werden. Kein Ltrohhalm
geht verloren. Jn den Häusern der unteren Volksklassen
brennt abends eine winzige Oellampe in einer Oeffnung
der Scheidewand, damit sie zwei Zimmer zngleich er-
lcuchte. Eine alte Fran, die fich kaum noch weiter
schleppen konnte, wurde gcfragt, wohin sie gche. Sie er-
widerte, sie gehe zu Verwandten, um dort zu sterben, weil
ihre Leiche dann nicht soweit zum Friedhof getragen zu
werden brauchte und das Begräbnis so billiger zu stehen
kommen würde.

Der Chinese nimmt sich zu allem Zeit. Er ist nie-
nials in der Eile. Es ist aber erstaunlich, was fiir eine
Masse er dabei, stets bei bester Laune, zu verrichten im-
stande ist. Ein Südseeinsulaner sagte von seiner Rasse:
„Sobald wir unsern Mnnd öffnen, ist eine Lüge geboren.
Der Chinese schämt sich nicht, ganz kühl dasselbe von sich
k zn sagen. Fn seincn Nugen sind alle Menschen, gleich
- ihm, geborene Lügner. Der Chinese traut darum nie-
s mandem. Es giebt wohl Chinesen, die glauben, daß ein
^ gegebcnes Versprechen gehalten werden sollte; iin all-
i gemeinen denken sie aber, wie jener Chinese, der, als man
s ihm vorwars, daß er sein Versprechen nicht gehalten habe,

^ sagte, das sei von keiner Bedcntimg, da es ihm nicht
' schwer falle, ein anderes Versprechen zu leisten. Der
Chinese sagt auch, man sollte einen Bittenden niemals
barsch abweisen; man soll ihn auf morgen vertrösten
und wenn er daun wiederkommt, ihn abermals auf den
nächsten Tag verweisen und so immer weiter; denn das
gäbc dem llngliicklichen, was ihn anfrecht erhält: Hoff-
nimg, und indem er von Tag zn Tag anf Hilfe hofft,
hilft er sich schließlich selbst, oder es wird ihm von andern
gcholfen und man hat mit dem Versprechen ein gntes
Geschäft gethan, ohne sich sclbst zu schaden.

Deutsches Reich.

— Gegenüber der Ansicht der „Nationalliberalen
Korrespondenz", daß die zweite Lesung des Z o 11-
tarif s in der Kommission sich in zwei Monaten werde
erledigen lassen, meint die „Germania", daß nach Aus-
scheidung der minder wichtigen Positionen bis zum Zu-
sammentreten des Reichstagsplenums die zweite Lesung
des Zolltarifs sehr wohl beendet sein könne.

— In ivelchem llmfang das FernsPrechnetz
des Reich'es in Anspruch genommen wird, geht aus
einer neuen Zusammenstellung des Reichs-Postamtes her-
vor. Darnach sind im vergangenen Kalenderjahr im
Reichs-Telegraphengebiet (also ohne Baycrn nnd Würt-
temberg) nicht wenigcr als 692 687 730 Gespräche durch
den Fernsprecher vermittelt worden. Dabei sind die von
außerhalb des Reichs-Telegrap'hengebiets, also auch vou
Bayern und Wiirttemberg, aus veranlaßten Gespräche
nicht einmal mitgezählt. Täglich wird im Durchschnitt
2 212 017 Mal dcr Fernsprecher benutzt. Auf den Tag
und die Stelle kommen 7,6 Gespräche. Von den Ge-
sprächen beschränken sich naturgemäß die meisten auf den
Bereich desselben Ortsfernsprechnetzes. Zwischen Teil-
nehmern am Ort wurden 66614 Millionen Gespräche gc-
wechselt, im Nachbarorts- iind Vorortsverkehr einschließ-
lich des Bczirksverke'hrs ctwas über 73 Millionen,

Eine Geldyeirat.

34) Roman von L Haidheim.

(Fortsetzung.)

Ueber drei Jahre sind vergangen.

Jn dcn Vorbergen der Alpen blühen auf de» sonnigen
Halden Pfirsiche, Aepfel und Kirschen. Das Grün der Wiesen
und Wälder, die fernen Gipfcl schneebedeckter Bergzüge bilden
eine wundervolle Szenerie.

Zwei Damen haben in dem kleinen, sauberen Gebirgsdörf-
cheu beim Bärenwirt den aus vier Räumen bestehenden Ober-
stock bezogen, obwohl der Wirt und die Wirtin ihnen viel lieber
in dem ncucrbauten Nebenhause Quartier gegeben hätten, um
dieses durch die bornehmen Gäste einzuweihen.

Jm Juli, crzä'HIten sie glückstrahlend, kamen seit einigen
Jahren viele Fremde ins Dorf, bis dahin sci es leider leer
genug, weil man eben da drautzen noch nicht wutzte, wie schön
?s bei ihnen schon vom Erblühen des ersten Veilchens an sei.

Den beiden Damen war es just recht, allein zu sein. Sie
8aben schon durch ihre Erscheinung den Wirtsleuten zu raten
?uf- Die Schönere, grotz und schlank, bon zartem feinen Aus-
)ehen dunklen, melancholischen Augen, hätte ihrer

Dicinung nach die Vornehmere ^ der beiden sein müssen, sie
^rug aber nur eincn einfach bürgerlichen Namen: Burghausen,
Evährend die andere, nicht halb so fein von Gestalt und Aus-
when, die kostbaren, auffallenden Kleider um die hagere, lange
Gestalt hängend, von der Kammcrfrau und dem altcn Diener
siets feicrlich „Unsere Gnädige" genannt wurde.

, Jm Fremdenbuch stand sie als Frau von Glaichen einge-
jchricben. Weder der Diener noch die Zofe spachen sich über
jvrc Herrschaft ans, doch trugen sic beidc dcn ganzen Tag und
ll'de Stundc Sorge, daß cs der Gnädigen nur an nichts fehle,
Pfitz jcdc Aufregung vcrmieden werde, datz man ihr ja nichts
^rauriges erzähle, überhaupt sie möglichst unbeachtet thun

lasse, was sie wolle. Jm übrigen langweilten sich Frau Git-
ter und Herr Jenke in fast unerträglicher Weise, denn Frau
von Glaichen und Früulein Ulla Bürghausen, deren liebste
Freundin, stellten sehr wcnig Ansprüche an sie.

„Die Vornehmen sind eben wunderliche Leute", sagte die
Wirtin und ärgerte sich, dah ihre Gäste nicht in dcm kleinen
sanberen Gärtchen sitzen wollten, sondern sich ihre mitgebrach-
ten, bequemen Bambussessel und das dazu gehörige Tischchen
in den ganz über und über ülühenden Obstgarten hatten tragen
lassen, in welchem die alten Gänsemütter ihre KLchlein weideten
und die zwei augebundeiien Ziegen fratzcn, w«s sie an Gras
und Blumen nur erreichen konnten.

Die Aussicht war hier freilich unbeschreiblich schön, aber
die sah man ja überall den ganzen Tag.

Frau Anna ruhte lang hingestreckt unthätig in ihrcm
-stuhl, eine Handarbcit im Schotze haltend und den Blick auf
Ulla gerichtet, die an einem Briefe schrieb, der bis über die
erste Seite noch nicht hinausgekommen war, als sie auch schon
die Feder hinlegte und lächelnd sagte: „Es ist ja fast eine
Sünde, an solch herrlichem Tage nicht in den Himmel hinein
oder in die Fcrne zu sehen!"

„Gottlob, datz es dir hier so gut gefällt, liebes Herzl Es
macht mich rühiger, wegen des Opfers, das du mir bringst,"
sagte Anna langsam und träumerisch, wie sie jetzt oft sprach.

„Nach den trübseligen Jahren in Berlin — ein Opser?
Das denke nur ja nichtl Deinem Vater war es, glaube ich,
sehr bewußt, datz mir Berlin unter den Füßen brannte. Jn
seine gütigcn Weise wutzte er den schönsten Auswcg zu fin-
lien", erwidcrte Ulla hochaufatmend, wie von eincr Last befreit.

„Du meinst, Weil Fritz zum Generalstab versctzt ist? Wir
sprachen noch nicht davon; ich wutzte nicht, ob ich das Thema
berührcn dürfe?"

„Gewitz, Anna, latz uns offen nnd schwesterlich, wie sonst,
ruhig das Einst besprechen. Die Wunden sind ja heil und wenn
wir auch zuweilcn den Schmerz noch fühlen, so wäre cs doch
unnatürlich, wollten wir das, was uns das Wichtigste ist, diplo-

im Fernverkehr 19)4 Millionen. Von der Ein-
richtnng, Telegraniine dnrch den Fernsprechcr zu sprechen,
Ivird verhältnismäßig noch wenig Gedranch gemacht.
Den F-ernsPrechanstalten zur Weiterbesördernng zuge-
sprochen wnrden 1 095 498 Telegramme, von den Aemi-
tern wnrden an Teilnehmer gar nnr 689 305 Tele-
gramme zngesprochen. Die sortgesetzten Mahnungen 'der
Postverwaltnng haben also bis jetzt noch nicht sehr viel
erreicht. Zur Bewältigung der Arbeit der Vermittelung
dieser mehr als Niilliarden Gespräche waren 8189
Beamte erforderlich. _

Aus der Karlsrnher Zeitung

— Nach cinem von der Kgl. italienischen R e g i e-
r u n g am 13. April d. I. erlassencn Reglement für den
freien Zutritt zu den Mu s e e n, G a l e r i e n, Aus-
graüunge n und Denkmälern sollcn von Zahlung der
Gcbühren für den Besuch der Mertumsmuseen, Sammlungen
dcr schönen Künfte, Gemäldegallerien, archäologischen Aus-
grabungcn nnd Denkmälcrn auch Ausländer befreit sein, Wenn
dicsclben einer der folgenden Kategorien angehören:

1. Künstler.

2. Studicrende dcr Kunstgeschichte und Kunstkritik, welche
bemcrkenswertc Schriftcn veröffentlicht haben.

3. Profcssoren der Archäologie, Geschichte, Litteratur und
Kunstgcschichte.

4. Studierende der archäologischen, historischen und Kunst-
inftitute sowohl der italienischen wie der ausländischen.

Deu Gesuchen um Gestattung des freien Eintritts müssen
beigcfügt wcrden: von Künstlern (Ziffer 1 und den imter Zif-
fer 3 bezeichneten Professoren) eine akademische Urkunde über
ihre Eigcnschaft. Diese Urkunde mutz beglaubigt sein von dem
Königlich italicnischen diplomatischen Vertreter (Gesandtschaft
in Berlin) vder cinem der italienischen Konsule in dem Staate,
dcm der Künstler oder dcr Proscssor angehört (in Baden
von dem Königlich italienischen Generalkonsul in Mannheim)
odcr von dcm Deutschen Botschafter in Rom.

Die Studierendcn der archäologischen, historifchen und
Kunstinstitiite (Ziffer 4) haben ein in gleicher/Weise beglau-
bigtcs amtliches Dokument vorzulcgen, aus welchem hervor-
geht, dah sie in dem Jahr, in welchem sie die Erlaubnis zum
imcntgeltlichen Bcsuch der Museen und so weiter nachsuchen,
den bctrefsenden Jnstituten angehören. Professoren und Sti-
pendiatcn fremdcr archäologischcr oder Kunstinstitute, welche
ihrcn Sitz in Jtalien haben, erhalten freien Zutritt auf Grund
ciner entsprechenden Erklärimg des Vorstehers dieser Anstalt.

Die in Ziffer 2 genannten Stndierenden der Kunstge-
schichte und Künstkritik habcn irgcnd eine ihrer Veröffentlich«
ungen vorzulegen.

Gesuche um Geueralpermesse zum freien Zutritt zu sämt-
lichcu staatlichcn Musecu, Gallerien, Ausgrabungen und Denk-
mälern sind auf Stcmpelbogen (zu 1,20 Lire) nnter Anschlutz
obiger Dokumente und einer unanfgeklebten Photographie des
Antragstcllcrs in Grötze 6:8 Centimeter in das Ministerium
dcs öffentlichcn Unterrichts (Ministerio della Publica Jstru-
zione) in Rom zu richten, solche zn den archäologischen und
Kunstinstituten eincr einzigen Stadt anf Stempelbogen zu
60 Centimes an eincn der Chefs der genannten Anstalten.
Diesen ist autzcr deu Dokumcntcn cbenfalls einc Photographie
wie oben anzuschließen, wenn dic Erlaubnis für länger als
cincn' Monai erbeten wird.

Den im Großherzogtum Baden wohnhaftcn.Künstlcrn wird
ihre Cigenschaft als solchc von der Grotzh. Dircktion der
Nkademie dcr bildenden Künste in Karlsrnhe bescheinigt. Die
Ansstellung des Nttestes crfolgt nur dann, wenn der Nach-
suchcnde der Direktion der Akademie als Künstler von Bcruf
bekannt ist oder sich als solcher durch Vorlage künstlerischer
Leistungen besonders ausweist.

Die bor Erlanbnis des ncucn Rcglemcnts ausgcstelltcn

matisch vcrmeiden. Jch gestehe offen, dah ich Furcht hattc,
Fritz irgendwo zu begcgnen. Jch glaube, die kalte Vernunft,
die mir damals eingab, mich von ihm loszusagen, ist ein
schlechter „Grund" — und ein noch schlechteres Heilmittel."

„Aber du sagtest doch eben, deine Wunde sei heill"

lklla errütcte. „Hast du nie gchört, datz Wunden sich wie-
der öffnen?"

„Du hast ihn also immer noch lieb? Er hat dir ja
auch nichts zu Leide gethan."

Ulla schwieg eine Weile. Dann sagte sie, noch tiefer er-
rötend: „Mcinst du nicht, Anna, dah er meinen Verzicht sehr
widerspruchslos aufnahm? Und dann dieser Brief, den scin
Onkcl Heinz mir schricbl Dersclbe, dcr damals so eutschieden
unsere Vcrlobung protegiertel Wie er mir für mcine Ver-
ständigkcit dankte und mich lobte, datz ich seincm Neffen nicht
„den Weg verspcrrtel" Ach, er wutzte sich wohl nicht in meine
Seele zu versetzeu. Scincm Kritz hat er das Gcld zn einer
Reiso uach dem Orient gcschenkt, der ist aber damit nach
Macedonicn und Kreta gegangen, hat dort den türkisch-griechi-
schen Krieg studiert und sich mit seinen Arbeiten darüber einen
Namcn gemacht. Onkel Schragert ist meinem Vater cines
Tages begegnci und hat ihm das alles voller Freude er-
zählt."

„Und Fritz hat nie wicder eine Annäherung an dich ver-
sucht, Ulla?"

„Niemals. Mein Vater vcrkaufte bor einem Jahre unser
cinstmals mit solchcm Entzücken bezogencs Haus Haselberg —"

„Jch weitzl Kantrupps berkauften ja auch^ nur die licbeu,
alteu Eltcru wollten sich nicht von ihrcm Garten und dem
Puppcnhäuschen trennenl"

„Siehst du, Anna, was uns damals trenntc, war dis
fehlendc Kaution. Wenn Fritz jetzt —"

Ulla stockte, der Gegenstand war ihr zu peinlich.

„Hast du seine Eltern jemals wiedergesehen, Ulla?" fragte
Anna wciter.

„Ncinl Doch ja, natürlichl Gleich damals —"
 
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