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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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kommenden Verhaftungen die Verhafteten sofort an
Ort und Stelle zu verhören. Die Abfahrt der Truppen
wurde in den aufsässigen Orten Ploudaniel. St. Möen
und Le Folgoet den Führern der Bewegung von Brest aus
telegraphisch gemeldet; auf ihre Alarmzeichen hin sammelten
sich die Bauern mitKnütteln und allerlet Waffen
vrr den Schulen, um die Truppen zu empfangen. Reiter
und Radfahrer spähen nach ihnsn aus. Ngch liegt keine
Dteldung darüber vor, daß die Truppen angekommen
seien. — 3» Audierne ist heute Morgen die Ordensschnle
ohne ernsten Zwischenfall geschlossen worden.

Paris, 16. Aug. Es wird berichtet, in der Bretag n e
herrsche die Ueberzeugung, daß die Widerstands-
bewegung mit der Schließung der Schulen nicht zu
Ende setn dürfte. Wenn die Schulen der Klosterschwestern
im Oktober nicht wieder eröffnet werden sollten, seien die
Landleute fest entschlossen, die Eröffnung der weltlichen
Schulen um jeden Preis zu verhindern.

Paris 16. Aug. Der „Figaro" meldet, daß die
Karthäuser ihre Likörfabrik bei Gränoble einer Privat-
gesellschaft um eii e Jahrespacht von acht Millionen
Franken überlassen haben. Die Karthäuser werden bereits
im Monat Oktober nach Oesterreich auswandern.

Asien.

Tientsin, 15. Aug. Die Rückgabe Tientsins
an die Chinesen erfolgte, wie schon kurz gemeldet, heute.
Die Reise des Generalgouvrrneurs Iuanschikai von Peking
uach Tientsin gestaltete sich zu einem wahren Triumphzuge.
Eine große Anzahl Militär, Beamte und Personen aus dem
Bürgerstande waren zum Empfange erschienen. Die
Provisorische Regierung veranstaltete ihm zu Ehren ein
Bankett. Um 5 Uhr Nachmittags räumten die fremden
Truppen die Stadt. Die Provisorische Regierung hat
während ihres Bestehens die Taku-Küstenforts bis nach
Shanhaikwan zerstört und die Piraterie und das Räuber-
unwesen auf dem Peihoflusse, welches bis dahin eine be-
ständige Bedrohung und Schädigung des HandelS bildete,
völlig unterdrückt. Sie hat ferner Tientsin zu einer gesunden
Stadt gemacht, in welcher Ordnung und Sicherheit herrschen,
und die alten Stadtmanern durch große freie Plätze ersetzt.
Außerdem wurde für die auswärts gehenden Schiffe ein
Lotsendienst auf dem Flusse eingerichtet. Die Rückgabe der
Eisenbahn Peking-Shanhaikwan an die Chinesen, wodurch
die Verpflichtungen der Verbündeten dem Wortlaute des
Protokolls entsprechend ihren Abschluß finden solllen, wird
durch die Haltung Rußlands verzögert.

Aus Stadt und Land.

Heide lber g, 18. August.

Der Kronprinz des Deutschen Reichs traf in vorletzter
Nacht um 3,55 Uhr hier ein und setzte um 4,8 Uhr seine Reise
nach Homburg v. d. H. fort.

-s- Von der Universität. Professor Dietrich Schäfer
geht nicht nach Berlin, sondern bleibt in Heidelüerg. Er hat
-d.«««Ruf nach Berlin abgelehnt. Diese Nachricht wird hier in
den weitesten Kreifen mit großer Befriedigung aufgenommen
toerden, denn man hätte deu hervorragenden Gelehrten nur
sehr ungern scheiden sehen. Die nationalliberale Partei hier ins-
besondere darf sich zu dem Entschluß Les Herrn Professor
Schäfer, in Heidelberg zu bleiben, Glück wüuschen.

Eine nene „Berechtigung" der Oberrealschnlen. Eine Be-
lanntmachung des Reichstanzlers vom 26. v. M. bestimmt, daß
für den Beruf eines Tierarztes (einschlietzlich Militär-Rotz-
arztes) vom 1. April 1903 ab zum Nachweis der allgemcineu
wisseuschaftlichen Norbildung nicht mehr das Zeugnis der Reife
für die Prima eines Ghmnasiums oder Realgymnasiums ge-
nügt, sondern das Reifezeugnis einer 9-lursigen Mittelschule
vorgelegt werden mutz. Dabei ist es gleichgiltig, ob dieses
Zeugnis erworben ist an einem humanistischen Gymnasium oder
an cinem Realghmnasium oder an einer Oberrealschule. Jn
keinem Falle ist eine Ergänzungsprüfung in Latein oder irgend
einem anderen Fache erforderlich.

Die Unterländcr Jrrenanstalt. Gegenüber der durch die
Blätter gegangenen Meldung des „Pf. B.", eine Untersuchung
Les für die ilnterländer Jrrenanstalt in Wiesloch in Aus-
sicht genommenen Geländes habe ergeben, datz wegen der
Stollen und Schächte des Nutzlocher Bergwerks der Boden zum
Bauen durchaus unbrauchbar sei und deshalb ein anderer
Platz für den betreffenden Zweck gesucht werden müsse, kann
die „Bad. Presse" auf Grund zuverlässiger Jnformationen
mitteilen, datz hiervon an matzgebender Stelle nichts bekannt
ist.

** Böse Vorwürfe macht uns ein anonhmer Postkarten-
schreiber. Er sagt, jeder vernünftige Mensch sähe, datz die
Nachricht, in Würzburg habe eine Frau ciner andern Familie
ein Kind entrissen, um es katholisch taufen zu lassen, Schwindel
sei und knüpft daran allerhaud unparlamentarische Ausdrücke
der Entrüstuug über uns. Die Entrüstung des Kartenschreibers
ist sehr berechtigt, aber sie wendet sich an die falsche Adresse.
Der von jedem vernünftig Denkendeu sehr zu tadelnde Vor-
fall bat iieb thatsnchlich ereignet.

— Kröiiiinlispostkiirten. Es ist nuu festgestellt, datz die
Schwindler, welche uuter der Firma „Continental Publishing
Company II in London" Krönungspostkarteu au alle Lcute
bersenden wollten, die vorauszahlten, die deutschen Zeitungen
und das deutsche Publikum um Hunderttausende geprellt haben.
Kein Ansichtskartensammler erhielt für sein Geld eine Karte
und keine Zeitimg bekam ihre Anzeigen bezahlt. Die Gauner
hatteu in London auch acht Tage ciu Zimmcr gemietet, näh-
men die wagenweise eintreffenden Bestellbriefe und Gelder an
und verdufteten dann. Die englische Polizei kümmert sich um
solche Spitzbuben nicht viel, namentlich wenn sie Ausländer
rupfen. Die Schwindler werden also schwerlich ihre Strafe
erhalten.

weichen Schnee und rief dem Träger Culet Zn, Hilfe zu
bringen. Dieser muß nun vollstündig den Kopf verloren
baben, ist ebenfalls in eine Spalte gestürzt nnd auf der
Stelle tot geblieben. Durch einen glücklichen Znfall hatte
ein Gastwirt in Chamonix dicsen letzten Unfall mit dem
Fernrohr bemerkt und bot sofort eine Rettungsmannschaft
auf. Die drei entseelten Körper wnrden rasch gefunden,
später erst der Führer Blanc, der Füße nnd Ohren erfroren
hatte. Von Alpenknndigen wird die Kälte anf dem
Montblanc jetzt anf mehr alS 17 Grad geschätzt. EZ ist
also begreiflich, daß die bei solcher Tempcratur vom Schnee-
sturm überraschten Bergsteiger elend haben erfriereu müsseu.

üä Schöffengeriiiitsfitzung vom 16. August. Vorsitzender:
Herr Oberamtsrichter Frhr. v. la Roche. 1) Georg Anton
Stadler aus Ziegelhauseu erhielt wegen Körperverletzung 2 Wochen
Gefängnis- 2) Chriitiau Gutfleisch, Maurer, uud Aoam Oehl-
schläger, Maurer, beide in Wilhelmsfeld, wurden von der An-
klage wegen Körperverletznng freigesprochen. 3) Philipp Scheffner,
Bierbrauer hier, erhielt wegen Ruhestörmig 10 Mark Geldstrafe
event. 3 Tage Haft. 4) Eduard Alwin Winter, Kellner aus
Frankenthal, hat sich der Polizeistrafe unterworfen. 5) Adam
Götz, Taglöhner in Heiligkreuzsteinach, erhielt wegen Bedrohnng
5 Mk. Geldstrafe. 6) Karl Mehler, Bretzelverkänfer hier, wurde
von der Anklage wegen Uebertretung der Straßenpolizei frei-
gesprochen.

Selbstmord. Ju deu letzten Tagen der verflosseiien
Woche erhängte sich oberhalb des hiesigen Friedhofes der in
üen mittlereu Jahreu steheude Gärber Fas ch o u aus Laugeu-
brückeu. Am Samstag wurde die Leiche aufgefundeu. Ileber
deu Grund zur That des Maunes ist uichts Näheres üekaunt.

st- Polizeibericht. Ein Frauenzimmer wurde wegen Um-
herzieheus unL zwei Maurer ivegeu Laudstreicherei verhaftet.
Wegen Ruhestörung kameu 8 Persouen zur Anzeige.

Haiidschuhshcim, 17. August. (Diebstahl.) Jn
den letzten Tagen wurde die Geldschatulle eines hiesigen LauL-
wirts erbrochen und daraus ein Betrag Von etwa 120 Mark
entweudet. Äls der That verdächtig wurde ein hier in Arbeit
gestaudeuer Gärtnergehilfe aus dem Württembergischen ver-
haftet.

Handschuhsheim, 17. August. (B e s i tz w e ch s e l.1 Die
Wirtschaft „Zum Rosengarten" dahier ging an Herrn Münch-
Heidelberg um den Preis bon 72 000 Mark über.

X Sandhausen, 17. August. (Eine Lutzerst rohe
That) wurde in der Nacht von Freitag aus Samstag dähier
verübt. Einem Manue wurde sein ganzer Hopfenbestand, ca.
800 Sätze, von ruchloser Hand abgeschnitteu und so die Ernte
auf einige Jahre hinaus vernichtet. Es ist dieser Verlust um
so schmerzlicher für deu Geschädigten, als er uicht zu den
Bemittelten gehört und gerade diescs Jahr Aussicht auf eine
gute Ernte vorhanden ist. Hoffeutlich gelingt es, deu Thäter
zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen.

Wertheim» 15. August. (T o d e s fa l l.) Nach längerem
schweren Leiden ist gestern Abeud 7 Uhr im Alter vou 51 Jahren
der Grotzh. Oberamtmann Geh. Regierungsrat Emil Killiu-
ger, Amtsvorstaud des Großh. Bezirksamts Wertheim, in der
Nervenheilanstalt in Neckargemünd, wo er Heilung seines
Leidens erhoffte, entschlafen. Emil Killinger, als Sohn des
f Fürstl. Löwenstein-Freudenbergschen Rentamtmanns Killin-
ger in Triefenstein geboren, hatte der „Werth. Ztg." zufolge
das hiesige Lyceum absolviert, nahm äls Freiwilliger im 2.
bayer. Feld-Artillerie-Regimeut am 1870er Feldzug teil, stu-
dierte dann Rechtsivissenschaft und wuvde nach bestandenem
Eramen in die Reihe der badischen Staatsbeamten gestellt. Er
wirkte an einer Anzahl von Bezirtsämtern teils als zweiter
Beaniter, teils als Amtsvorstand, zuletzt hier in Wertheim,
wo er sich überall durch sein leutseliges, biederes Wesen die
Achtung seiuer Untergebenen in hohem Matze erworben hatte.
Die Stadt nud der Bezirk Wertheim werdcn dem pflichttreuen
gefälligen Beamten jederzeit ein ehrendcs Andenken bewahren.

-s- Ev.-Tcuncilbroiin, 17. August. (Brand.) Das dem
Landwirt Josef Aubert hier gehörende Wohnhaüs brannte voll-
ständig nieder. Das Feuer griff so rasch um sich, datz sich
die ganze Familie durch das Feuster retten mußte. Der
Schadeu beträgt 6000 Mark. 16 Hühner verbrannten.

-i- Gengenbnch , 17. August. (L a n d es v e r s a m m-
luug der badischen Gewerbevereine.) Unter
dem Vorsitze des Stadtrats Ostertag-Karlsruhe fand heute in
unserem festlich geschmückten Schwarzwaldstädtchen die Landes-
verfammlung der badischen Gewerbevereine statt, die zahlreich
besucht war uud einen erfculichen Berlaus uahm. Von der
Regieruug wareu Geh. Oberregierimgsrat Braun und Regic-
rungsrat Mattenklott erschienen. Nach den üblichen Begrütz-
ungsansprachen crstattete Schriftführer Emmcle den Thättg-
keitsbericht, dcm zu entnehmen ist, daß der Verband 203 Ver-
eine mit 13 749 Mitgliedcrn umfatzt, von denen 10 184 dem
Handwerkerstaude angehören. Präsident Ostertag berichtete
über den jehigen Stcmd der Warenhausfrage, worauf nach
kurzer Debatte eine Resolution cmgenommen wuvde, wonach
die Versammlung mit Befriedigung davon Kenntnis nimmt,
datz die Regierung die Vorlage eines Gesetzes plant, welches
die Souderbestimmung der Warenhäuser im Sinne einer erheb-
lich stärkeren steuerlichen Belastung Zum Zwecke hat. Die
Versammlung ist gegen die Absicht der Regierung, dic Erhe-
bung der Steuer in das Ermcssen der Städte zu stellen, sic ist
vielmehr für Auferlegung einer Staatsstcuer, veranlagt nach
der Höhe des Umsahes uud progressiv wirkend. Zur Frage
der Meisterprüfungen wird uacki einem Vortrage des Hand-
werkskammersekretürs Eckert-Freiburg eine Resokution ange-
nommen, derzufolgs die Landesversammlung die durch das
Handwerkergesetz eingeführte Mcisterprüfung begrützt und die
Handwerkskammern gleichzeitig beauftragt, geeignete Matznah-
men zn treffen, der Meisterprüfung einen nachhaltigen prakti-
schen Wert zu verleihen, nämlich die staatlichen und städtischen
Behörden zn veranlassen, bei Vergelmng von Arbeiten und
Lieferungen in erster Rcihe solche Handwerksmeister zu berück-
sichtigen, die befugt sind, den Meistertitel zu führen. Weiterhin
wurde ein Antrag des Karlsruher Gewerbevcrcins angenom-
men, den Landesverbaud zu ersuchcu, dahiu zu wirken, datz
1. die Aufgaben zu den Werkstücken und Arbeitsproben bei
den Gesellenprüfungeu für alle Berufe in alleu vier Kammcr-
bezirken emhcitlich geregelt werden und 2. datz allc Aufgaben,
soweit thuulich nur nach gegebenen Matzskizzen aüszuführen
sind. Als Ort der nächsten Versammlung wurde Durlach
bestimmt. Zum Präsidenten >des Verbandes wurde, da Oster-
tag eine Wiederwahl entschiedeu ablehnte, Stadtrat N i e d e r-
b ü h l- Rastatt eiustimmig gewählt. Nach kurzcu geschifftlichen
Mitteilimgen und nachdem auf Antrag aus der Versammluug
Herr Ostertag zum Ehreupräsidenten erncmnt worden war,
wurde die Lcmdesversammlung gegen 2 llhr geschlossen.

j Freiburg, 17. August. (V o m Gymnasium.)
Als Nachfolger des zum Oberschulrat besiimmteu Herru Obcr-
realschuldircktors Rebmauu wird Herr Professor Teith vom
Karlsruher Gymnasium genaunt.

Riist (Amt Metzkirch), 16. August. (Wie furchtbar
d >e r Hagelschlag ) ani letzten Freitag war, geht darans
hervor, datz am Wohnhaus des Lcmdwirts Joh. B. Merk,
das einsam an der Stratze nach Walbertsweiler steht, üüer
100 Fensterscheiben zertrümmert, viele Ziegel auf dem Dache
zerschlagen und heruntergeworfen wurden. Die Hausbewohner
mutzten währeud des Gewitters aus der Stube fliehen, da die
Hagelkörner durch die zerbrochenen Fenster bis an die hintere
Wcmd der Stube geworfen wurden; selbst Zweige von Baum-
ästen flogen hinein. Als die Familie Merk zu Bette gehen
wollte, fanden sie in dcn Zimmcrn der Wetterseite die Betten
mit Hagelkörnern bedeckt. Auch die Familie I. Muffler mutzte
aus der Stube fliehen. Landwirt Georg Matheis, der im
Riedbauerhof gegen Roth wohut, hatte nach dem ersten Hagel-
wctter die Frncht anf einem 10 Minuten cntfernten Felde be-
sichtigt, wurde auf dem Heimwege von dem rasch einbrechenden
zweiten Hagelwetter überrascht und zu Boden geworfen. Cr
konnte sich durch Bedecken mit emer Decke ctwas vor den Hagel-
körnern schützen, hatte aber unter dem Hagel das Gefühl,
als ob er vou einer Mauer zngedeckt und ihm jeden Augenblick
das Atmeu uumöglich würde. Emc Frau von Roth, dic mit
einem Fuhrwerk heimfuhr, mutzte, da das Vich zu scheuen

aufing, rasch die Stricke abschneiden und slieheu; sie kam
blutüberströmt zu Hause an. Leuie, welche Fensterlädeu zi^
macheu wollten, wurdeu so vou Hagelkörnern getroffen, daß
die Häude bluteten. Am Wirtshaus, Schulhaus und auch an
der Kirche siud viele Fenster zertrümmert.

X Billingen, 17. August. (A u s g e b r o ch e n.) Der
wegeu Diebstähls hier inhaftier-e Bilderhändler Mlhelm
Förster aus Bonudorf ist aus dem hiesigen Untersuchungsge-
fäugnis ausgebrochen und hat man bis jetzt noch keine Spur
vou ihm. Das Eisengitter seiner Zelle war, vermutlich mit
eiuer Uhrfeder, durchsckinitten.

Heidelberger Bereinsangelegenlietten.

Vo. Fahnenweihe des Marine-Bereins. Eine eigenartige
und im volleu Siuue des Worres wohlgelungene Feier war die
Fahneuweihe des M a r i u e v e r e i n s, welche dieser
gestern im festlich geschmückten städtischen Saalbau abgehalten
har. An der Feier beteiligten sich nicht nur die hiesigeu
Militärvereine, sondern auch in corpore der Marrne-Verein
Manuheim,. sowie zahlreiche Vertreter der Marine-Vereine
aus alleu Gcmerr des deutschen Vaterlandes. Eine besoudere
Ehre wurde dem Verein durch die Anwesenheit des Ehren-
vorsitzeuden Kapitän v. Halfern zu teil. Mit dem Marsch
„Uutcr der deutschen Flagge" wurde die Feier nachmit-
tags 3 Uhr eingeleitet, worauf der elste Vorsitzende des Ber-
eius Herr Kuust die Anwesenden begrützte und einen
Rückblick auf die Vergangenhert Ivarf. Aus seinen

Ausführungeu ging hervor, datz der Marineverein
am 11. November 1892 ins Leben gerufen worden ist.
Damals waren es einige ehemalige blaue Jrmgens, welche sich
in der Restauratiou „zum Engel" zusammenfanden und den
Wuusch äuherten, öfters zusammen zu kommen. Aüs diesen
Zusammenkünften entstand der Verein. An die Oeffeutlichkert
tmt er zum erstenmal am 13. Jauuar 1893 und zwar mii
einer Weihnachtsfeier. Jm Jahre 1894 veranstaltete der Ver-
eiu ein Wohlthätigkeitskonzert für dte Verunglückten des
Schrffes „Braudenburg", rm Jahre 1899 einen Vorrrag mrr
Lrchtbildern über „Deutschlauds Macht zur See", welcher
rm Stadttheater ausgeführt wurde. Ein bedeutungsvoller Tag
für den Vereiu war der 13. Juli 1901, wo nnser allverehrter
Grotzherzog das Protektorat übernähm. Mit dem Wrrnsche,
datz sich die Auwesenden heute recht wohl im Marineverein
fühleu möchten, schlotz der Redner. Hrerauf trug der Gesaug-
vcrcin „Erntracht" unter Leitung seines bewährten Diri-
geuten Herrn Musikdirektor Mann das Lied „Sei stolz, mein
Lieb" von Angerer vor und erntete damrt wohlverdienren Ber-
fall. Alsdann sprach Fräulein Bordolo-Abondi einen
Prolog, in dem sie die Anwesenden begrützte, sowie einen Rück-
blick auf die Entstehung des Vercrns warf und auf die Be-
deutung dcr Marine hinwies. Durch den gefühlbollen Vor-
trag und rhrc Unerschrockenheit erntete Frl. Bordolo reichen
Beifall. Nach einer kurzen Pause bewegten sich unter den
Klängen eines schneidrgen Marsches die Festjurrgfrauen in kleid-
samem Matrosenkostüm mit der verhüllten Fahne, sowie die
Fahnendeputatronen der anwesenden Vereine zur Tribüne,
wo der Einweihungsakt stattfand. Fräulern Kunz übergab
mit crner gereimten Ansprach« die Fahne dem Ehrenvorsitzenden
Kapitän v. H ä l f e r n, welcher dreselbe an den Fahnenträger
mit der Hoffnung nnd dem Wunsche übergab, daß sich um die
Fahne noch mehr Kameradcn schareu möchten und datz dieselbe
stets hoch in Chreu gehalten werdc. Der Fahnenträger dankte
für dre ihm zu teil gewordene Ehre uud versprach, dem eben
Gehörten eutsprechend zu handelu. Jm Auftrage der Frauen
nnd Jungfrauen des Vcreins Lbergab Fräulein Wagner eine
Fahnenschleife. Herr Göppels übergab dem Verein einen
Wimpel. Unmittelbar nach dem Einweihungsakte setzte die
„Eintracht" mit Kremsers „Dankgebet" ein, was einen er-
hebenden Eindruck machte. Aks ein Zrrfall ist es zu betrachten,
7>aß bei dem Einweihungsakte auch die Glocken einer Krrche
läuteten, was den Akt um so feierlichcr machte. Bei der Ent-
gegennahme von Glückwünschen überbrachte Herr Karlowa
die des Badischen Leibgrenadiervereins und überreichte als An-
denken einen Fahnennagel, dasselbe that der Bertreter der Ber-
einigung deutscher Marinevereine aus Kiel, sowie diejenigen
dcr Marinevereine Mannheim, Frankfurt, Straßburg, Cassel,
Karlsrühe, Mctz, Prinz Adalbert zu Wilhelmshaven, Breslau,
Stuttgart, Altona^ Prinz Adalbert Wilhelmshafen, Breslau,
Weitzeufels a. d. S., Oldenburg, Geestemünde, Wresbaden,
Pforzheim, letzterer auch eiu bou eiuem Kamcradeu gemalres
Bild. Der Kriegervercin Kirchheim überreichte eineu
Lorbeerkranz. Glückwuuschtelegrarnme trafen ern vou den
Brudervereiueu zuBonu, Bochum, Barmen.Neu-Ruppiu, Hörde,
Hetistedt, Crefeld, Hagen i. W., Pirua, Müuster, Swiue-
müude, Esseu, Pforzheim, Charlottenburg, Kattomrck, Magde-
burg, Hanuover, sowie von Generalmajor Fritsch-Karlsruhe,
welcher gleichzeitig bedauerte, der Feier nicht beiwohneu zu
könueir, und vom Vorsitzenden der deutschen Marinevereine
Kiel. Herr Dr. Reis überbrachte Glückwünsche des badischen
Militürvereins-Verbandes und des Pfalzgau-Verbandes uud
schlotz mii einem Hoch auf deu Marineverein. Hierauf hielt
Herr v. H a l f e r u Lie eigentliche Festrede, worin er die Eur-
stehung >der deutschen Marme besprach und welche in ein Hoch
aus Se. Majestät den deutschen Kaiser ausklang. Prof. Ro h r-
h u r st feierte iu eiuer lüugeren Rede die Verdieujte unseres
Großherzogs uud brachte ein Hoch auf denselben aus. Hieraus
verabschiedete sich Herr v. Halfern, wober ihm die Ver-
sammelteu ein donnerndes „Hippl Hipp! Hurrahl" nachriefen.
Hauptmaun Krel aus Wiesbaden berichtete erniges von deM
Abgeordueteutag der deutschen Marinevereine in Karlsruhe,
brachie ein Hoch auf die gute Kameradschafi der deutschen
Militär- und Utarinevereine aus. Herr Wittmer feierte
das deutsche Lied, welches auf den Schiffen nach schwerer Arbeit
alle Müdigkeit vergessen lätzt, und brachte ein Hoch auf den
Gesangverein „Eintracht" aus. An den Grotzherzog wurde
sodaun ein Telegramm gesandt, welches folgenden Wortlaut
hatte: „Ew. Königliche Hoheit unserem erhabeneu Protekror
übermittelt der Marinevereiu Heidelberg anläßlich seiner Flag-
genweihe in ehrender Gegenwart der Vertreter deutscher Ma-
riuevereme aus Rord und Süd, sowie des Pfalzgau-Verbandes
die Versicherung rmwmrdelbarer Treue zu Kaiser und Reich,
zu Fürst und Vaterland. Der Marineverein Heidelberg-
Ehrenvorsitzender Kapitän z. >S. v. Halfer n. 1. Vorstand
Kun st."

Damit hatte die Hauptfeier rhr Ende erreicht.

Die F a h ii e ist ern Kuustwerk ersteu Ranges. Sie zeig^
auf der ernen Seite auf weihem Felde ein Kriegsschiff sowjs
die Wappen des Deutschen Reiches und Herdelbergs und dis
Hauptabzeichen der Marme. Ueber dem Kriegsschiff steht
folgeuder Vers:

„Dre alten Zeiten sanken,

Ein neues Reich erstand,

Du, Seemacht, schafs die Zukunft
Dem deutschen Vaterland!"

Auf der anderen Seite befindet sich ru blauern Felde da->
badische Wappen und der Name des Vereins.

Am Abend hielt der Verein eine Unterhaltung mit thech
tralischen Aufführungen ab, welche so zahlreichen Besuch auch
wies, datz der Saal brs auf den letzten Platz besetzt ivar.
Unterhaltung nahm um halb 9 Uhr ihren Anfang. Nach einü
gen Müsikstückeu kam als erste Nummer ein lebendes Bild, deü
Untergang des Schiffes „Augusta" darstellend. Bei demselbetz
eutledigte sich Herr Kühu in meisterhafter Weise seiner Aüsi
gabe. Die 2. und 4. Nummcr, Vorführung von Pyramid^^
 
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