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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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von Dienstbüten, Krämern u. s. w. als gefährliche Pro-
pagandisten und Agitatoren auftreten. Da, wie aus den
eingelaufeneir Nachrichten zu ersehen ist, die Revolu-
tionäre tiefgehende und vielverzweigte Verbindungen im
Volke haben — sie werden vorzugsweise von den Schul-
lehrern und -Lehrerinnen, von den Schülern der geist-
lichen Seminare, Feldscheren und Gärtnern unterstützt
— beauftrage ich Sie, diese Elemente einer ganz be-
sonderen energischen Bewachung zu unterziehen."

Das vertrauliche Zirkular trägt außer der Unter-
schrift des Ministers des Jnnern auch die des stellvertre-
tenden Leiters des Polizeidepartements.

Deutsches Neich.

— Nach der Berechnung der nautischen Abteilung
des R e i ch s m a r i n e a m t s wird das große Werk der
Schafsung deutschen Kartenmaterials sür alle
Schiffahrtsgebiete der Erde rund zwei Millionen Mark
erfordern. Der ersten Forderung von 100 000 Mk. im
Etat 1902 wird eine wesentlich größere im Etat 1903
solgen. Eine Anzahl Seeoffiziere ist bereits zum Reichs-
marineamt kommandiert, um die Seekarten zu bearbeiten.
Acan nimmt an, daß das Unternehmen inr Wesentlichen
innerhalb eines Zeitraumes von 6—8 Jahren vollendet
sein wird. Unsere Marine wird dann in Kriegs- und
Friedenszeiten in ihren Bewegungen vom Auslande un-
abhängig sein.

— Sehr unerwünschte Nachrichten, so schreibt die „Frkf.
Ztg.", kommen aus einer Anzähl deutscher Städte im
Osten wie im Westen, die Fleischpreise gehen
rapid indieHöhe!Jn erster Linie wird von den
Metzgerinnungen der Preis sür Schweinefleisch hinauf-
gesetzt, schon aber folgt Kälbfleisch nach und von sach-
kundiger Seite wird ein analoges Ansteigen des Preises
sür Rindfleisch in sichere Aussicht gestellt. Mit dieser
Werterhöhung der Rohstoffe wird selbstverständlich ein
Anzie'hen der Preise für die daraus hergestellten Waren
verbunden sein. Der Preisaufschlag für Wurst ist be-
reits eingetreten, ein Aufschlag für fertige Speisen wird
nicht lange auf sich warten lassen, da an eine baldige
Senkung des abnorm hohen Preisniveaus leider nicht
zu denken ist. Jn diesen Vorgängen tritt eine Kalami-
tät von großer Schärfe zn Tage, die sich seit etwa zwei
Jahren vorbereitet hat und unter deren Folgen hundert-
tausende deutscher Familien um so bitterer leiden müssen,
als die wirtschaftlichen Verhältnisse an sich schon trübe
genug sind. Auch die Preise anderer Nahrungsmittel
sind gegenwärtig verhältnismäßig hoch. Gemüse tst
infolge des naßkalten Sommers ebenfalls rar und teuer,
so daß sich das Ernährungsproblem für die meisten
Hausfrauen recht schwierig gestaltet. Die Wirkungen der
Syndikate bewegen sich genau in derselben Richtung.
Trotz der Herrschenden Depression wissen die mächtigen
Fabrikantenringe die in der Hochkonjunktur erzielten
Preise meistens aufrecht zu erhalten und der arme Kon-
sument wird von allen Seiten geschunden; er ist der-
jenige, der immer bluten muß. Wenn man unter diesen
Ilmständen an den Winter mit seiner verringerten Ar-
beitsgelegenheit und seinen Mehrausgaben für lsydi-
ziertes Petroleum und syndizierte Kohle denkt, dann
fühlt man sich zu einem fröhlichen Ausblick in die Zu-
kunft völlig unsähig; wir fürchten sehr, daß wir erst
in den Anfängen einer schweren Leidensepoche stehen.
Die Einfuhr von Rindvieh ist so mit Maßregeln be-
lastet, daß überhaupt nur die Einfuhr hochwertiger Ware
möglich ist, die ganz gewiß nicht zur Verbilligung der
Preise beiträgt. An Schweinen hat die Jndustriebe-
völkerung Deutschlands immer einen Bedarf gehabt, der
die inländische Produktion weit überstieg, so daß allein
an lebenden Tieren eine Million Stück und darüber
jährlich vom Ausland bezogen wurden. Auch diese Ein-
fuhr ist verboten und man läßt nur für einzelne Gegen-
den üoch eine kontingentierte Einfuhr von etwa 70 000
Stück zu. Ebenso ist im Zusammenhang mit dem Fleisch-
beschaugesetz dcr Kampf gegen ausländische Fleischfabri-
kate organisiert worden. So wurde die Einführ von
Büchswrfleisch und Würsten, die sehr bedeutend war, be-
reits am 1. Oktober 1900 rädikal verboten. Die Ein-
fuhr von Pökelfleisch in Stücken unter 4 Kilogramm
verbietet das Fleischbeschaugesetz gleichfalls. Vom 1.
Oktober ab treten dazu die Vestimmungen über die Ver-
wendung von Konservierungsmitteln in Kraft und am
1. April 1903 das ganze Fleischbeschaugesetz. Nuu
hat sich allerdings in letzter Zeit eine Einfuhr geschlach-
teter Schweine entwickelt, allein eine solche verbietet sich

in der heißen Jahreszeit von selbft, sie kann auch nie die
Einfuhr lebenden Viehs ersetzen. Die Berichte der deut-
schen Schlachthöfe zeigen seit längerer Zeit schon einen
empfindlichen Rückgang der Schlachtungen. Rechnet man
dazu den vermehrten Verbrauch infolge der Einführbe-
schränkungen, so begreift man ohne weiteres die Preis-
steigerung für das geringwertige Bullen- usw. Fleisch,
das jetzt zur Wurstbereitung in steigendem Maße ver-
wendet werden muß, man begreift äber auch, wie es um
die Volksernährung bestellt ist.

Baden.

Karlsruhe, 20. Aug. Damit die Professoren
nicht leer ausgehen, eifert Wackerim heutigen „Beob."
gegen Prof. Dietrich S ch ä f e r, der einen Ruf nach
Berlin abgelehnt hat. Um welchen Preis Schäfer in
Heidelberg bleibe, wünscht Wacker zu erfähren. Die
Staatskasse müsse mithelfen, dem nationalliberalen Ver-
ein einen Führer zu erhalteu, denn äls Professor und
Mitglied der Ersten Kammer wäre Schäfer leicht zu er-
setzen. Diese Sprache erlaubt man sich gegenüber einem
Historiker, der sich mit großer Objektivität über die deut-
schen Katholiken auszusprechen Pflegte, und der der ver-
breiteten Auffassung entgegentrat, daß die Politik der
römischen Kurie und des Zentrums notwendig undeutsch
sein müsse. Wacker scheint ihn eines anderen belehren
zu wollen. Der Vorfall ist bezeichnend: weil Schäfer die
Protestadresse mitunterzeichnet hat, ist alles vergessen und
er wird als Geächteter behandelt.

Bahern.

Münch en, 21.-August. Die Münchner „Allgem.
Zeitung" schreibt: Ueber den Gang der Veröffentlichung
des Depeschenwechsels Kvischen dem Kaissr und dem
Prinzregenten hat die sozialdemokratische „Münchener
Post" eine Auslassung veröffentlicht, die zwar die Runde
durch bayerische Blätter macht, aber, wie uns von wohl-
unterrichteter Seite bestätigt wird, mit ihren völlig aus
der Luft gegriffenen Behauptungen über angebliche diplo-
matische Vsrhandlungen in dieser Angelegenheit und
andere Vorgänge lediglich den Zweck verfolgt, eine ziel-
loss, grundlos verbitternde Erörterung weiter auszu-
dehnen und der Zentrumspresse einen äußeren Vorwand
zur Fortsetzung ihres Lärmens zu geben. Wie fchon ein-
mal betont, häben amtliche Stellen in Bayern keine
Kenntnis von der Veröffentlichung des Depeschen-
wechsels gehabt, da dieser eine ausschließlich persönliche
Angelegenheit zwischen den Beteiligten gewesen ist.

Elsciß-Lothringen.

Straßburg, 21. August. Bei der anläßlich des
32. Iahrestages der S ch lacht von M ars
la Tour anf dem Schlachtfelde vor dem Monumente
der gefallencn Franzosen äbgehaktenen fran zö sischen
G e d e n k f e i e r, an welcher eine größere Anzahl fran-
zösischer Generäle uud andere höhere Offiziere sowie
sechs nationalistische Deputierte teilnahmen, hielt Bischof
Turinaz von Nancy eine chanvinistische Ansprache, über
welche die „Metzer Zeitung" wie folgt berichtet: Turinaz
wandte sich zunächst an die der Feier beiwohnendeu Elsaß-
Lothringer und bemerkte, diese Elsaß-Lothringer hätten
die Grenze überschritten, um trotz der Kanonen der Deut-
schen, trotz dem llnglück, das noch immer ihr Land gefan-
gen halte, hier auf französischem Boden ihre uner-
schütterliche Treue zum alten Vaterland zu bezeugen nnd
durch ihr Erfcheinen die stumme und doch so beredte
Frage zu stellen: „Wie lange sollen wir noch warten,
wann kommt ihr, um uns zu befreien? Turinaz habe dann
weiter ausgeführt: Leider gebe es in Frankreich jetzt
Leute, die das Vaterlandsgefühl, das sie hierher gerufen,
vernichten wollen. Er verteidige eine heilige Sache, er
sei dcr Bischof Lothringens, des Grenzlandes des Landes
der Jeanne d'Arc. Wenn je cine Regierung kommen
sollte, um die ^Vaterlandsliebe zu ertöten, so würde er
ihr mit feinem Bischofsstabe den Weg versperren und ihr
zurüfen: „Halt! Nicht weiter!" Als man in der Depu-
tiertenkammer zum Verzicht aufforderte, haben die Ab-
geordnetcn aller Parteien gerufen: „Niemals!" Solange
Fraukreich Helden zählt, wie einen Marchand, einen Gan-
til, einen Foureau, brauche es uicht zu verzagen. Bei
dieser Stelle sei der Zwischenruf „Nieder mit Joures!"
erfolgt. Weiter habe noch der französische General Cuny
eine Ansprache vorgelesen, welche mit den Worteu schloß:
„Die Mitkämpfer von 1870 sind hierher gekommen, um
über die Mosel und die Vogesen hinweg ihren Bruder-
gruß zu senden und zu sagen, daß die Hoffnung auf eine
Zukunft, die die Niederlage der Vergangenheit wieder
wettmachen soll, niemals ersterben wird."

Ausland.

Frankreich.

— Zu den Vorgängen in Frankreich hat das
päpstliche Rom bisher geschwiegen. Zwar wurde vor
einiger Zeit gemeldet, der Papst werde eine scharfe En-
cyklika gegen die französische Regierung veröffentlichen,
später hieß es, der Papst werde bloß eine vertrauliche
Kundgebung an die Bifchöfe gelangen lassen, die nicht
zur Veröffentlichung bestimmt wäre, aber bisher ist weder
das eine noch das andere erfolgt. Jetzt ist dem streit-
baren Paul deCassaguac der Geduldfaden gerissen
und er geht scharf gegen den Kardinalstaatssekretär Ram-
polla los. „Hätte Rom", schreibt er, „laut und fest ge-
sprochen, wie wir dies erhofft haben, dann hätten sich die
Bischöfe nicht in ihre Paläste verkrochen und dann wäre
der Klerus, der bewunderungswürdige kleine Klerus,
vorwärts marschiert. Der heilige Vater wird aber, alle
Welt weiß es und niemand wagt es, dies zu schreiben,
von dem Kardinal Rampolla absolut sequeftriert; er
weiß von nichts und kein Gerücht dringt von außen bis
zu ihm. Es ist nicht seine Schuld, wenn wir so kläglich
verlassen sind und wenn die Verfolger frech das Haupt
erheben, sie, die gewiß feige zurückgewichen wären, wenn
Rom einige Entschlossenheit gezeigt hätte. Jener Ram-
polla, der haßerfüllte Jtaliener, ist es, der uns zum
repüblikanischen Regime verdammen wollte und noch will,
jenem Regime, das Frankreich langfam und sicher ent-
ehrt und ermordet."

Asien.

— Die „Times" meldet aus Shanghai vom 20. ds. :
Ein amtliches Telegramm aus Hankau besagt, daß
Ehristenhetzen in Ehen-Chan (Provinz Hunau) stattge-
funden haben; zwei englische Missionäre seien ermordet
worden. Die Meldung sei jedoch noch unbestätigt. —
Aus völlig zuverlässiger Quelle will der Korrespondent
der „Times" wissen, Wang-Chi-Chun, der neuernannte
Gouverneur von Kwangsi, habe von der Kaiserin-Witwe
die Weisung empsangen, jede Anstrengung zu machen,
um den Tod des Reformators Kangyuwei herbeizu-
fllhreu.

kemeinäen, kekörüen ete.


welche


hohe Erträge erzielen wollen,

G

ist die Jnsertion

d

von Sckafwaide- und Iagd-Verpachtungen,


Holz-Versteigerungen rc. in diesem Blatte


u u e N t b e h r l i ch.

d

Schon öfters wurden bei einer in der Heidelberger

Zeitung (alleinigcs Amts- u. Kreisverküudigungs-

G

blatt für das Amt und deu Kreis Heidelberg)

G

iuserierteu Dcrpacbtnng oder Bcrsteigerung

G

ttte z—Mche Zunime

G

gegeu friiher erlöst.

^ > ^


Aer Worgenhusten.

Viele Leute, besonders in den Grotzstädten, klagen darnber.
datz sie regelmäßig jeden Morgen durch einen mehr oder wcni-
ger heftigen Husten gequält werden, der nicht früher nachlätzt,
äls bis sie mehrere Male einen grauweißlichen oder selbst
schwürzlichen Schleim ausgeworfen haben. Sich wegen dieser
Erschcinuug zu beunruhigen, ist, wie wir in dcn „Blättern für
Gesundheitspflege" lcseu, durchaus unbegründet, so lange sich
der Hustenreiz nur auf den Mägen und die charakterisicrte
Schleimäbsondcrung beschränkt. Nicht ein krankhafter Prozeß
liegt hier oor, sondern im Gegenteil eine Selbstreinigung des
Körpers, die eher gesördert als uuterdrückt wcrden sollte, da
auf diese Weise zum Teil die Staub- und Kohlenteilchen wie-
der aus der Lunge entfernt werden, die am Tage vorher durch
die Atemluft in sie gelangten. Bis in ihre feineren Ver-
zweigungen in der Lunge ist die Schleimhaut der Luftröhre
mit Zellen ausgekleidet, auf deren dem Raum der Luftröhre
zugekehrten Basis zartc Härchcn fitzen, die nur bei vielhundcrt-

fhstematisch Jhren Namen durch den Schmutz schleift?" Und
Labei nahm er eine Zigarre.

„Jch? Meinen Namen? Wie soll ich denn das wissen, wenn
es mir niemaNd sagt?"

„Nun — in der Regel kommen ja mit solchen Liebes-
diensten zuerst die guten Freunde — die sogenannten guten
.Freunde! Aber freilich, Sie haben fo eine verteufelte Weise,
fo was abzuwehren."

„Muß doch so schlimm nicht sein, Andlerl"

„Weil ich — na, mein Lieber, Not kennt kein Gebotl Sie
müffen wisscn, daß män Sie wegen Betrugs anklagen wird.
Wie die politische Lage jetzt ist, kommt es der Regierung
ganz gelegen, ein Exempel zu statuieren. Seit der arme
Kerl, der Kassenbote, wegen Unterschleifs vom Schwurgericht
verurteilt wurde, geht ein Entrüstungsschrei um, daß man
mehr als je die grotzen Diebe laufen lasse, um die kleinen zu
hängen. Jetzt sollen wir ans Messer —> wegen des Wehl-
ftedener Bahnbaues. Sehen Sie her, diesen anonymen Brief
bekam ich."

Wolzin las däs ihm gcreichte Blatt.

Es enthielt Anklagen, Beschimpfungen und Drohungen, die
im beleidigendsten Tone gehalten waren.

„Was mcint der Schreiber denn mit den WasseLdurch-
läffen nnd Unterführungen? Berblendsteine statt Quadern?"
fragte Wolzin im Lesen.

Andler sah ihn mit seinem nnangenehmen Lachen schwei-
gend an. Wolzin bemerkte es nicht und fuhr fort:

„Das geht an den Verwaltungsrat in pleno — wir reichen
das Machwerk einfach der Staatsanwaltschaft ein und bitten
um Untersuchung! Denn wenn —"

„Sind Sie nicht recht bci Trost, Wolzin?" fiel ihm Andler
ins Wort.

Derartige Rüpeleien verabscheute dieser. Er verhehlte
anch sein Mißfallen nicht und Andler las es in jeder seiner
Mienen.

„Oeffentlich peitschen sollte man solche Kerle," fuhr Wol-

zin anf. „Dies Blatt ist ja cine Schmach, Andler! Es ist un-
sere Pflicht gegen uns selbst, diesen ehrabschneiderischen Ver-
leumdungen den Boden zu entziehen."

„Meine ich auch, aber nicht auf Jhre Manier, Wolzinl
Sie haben doch lauge genug gelebt, um zu wiffen, datz das
reinste Engelsklcid einen Fleck kriegt, wenn man es mit Schmutz
bewirft. Es bleibt eben immer was hängen, das ist tzje
Geschichte."

„Ja, freilich, das ist leider Gottes wahr! Und das Em-
pörendste bleibt, datz man solche berleumderischen Schurken
nicht gleich hat und sie auf offener Straße durchprügeln kann,
sondern monatelang auf seine Rechtfertigung durch das Gericht
warten mutz, während die gedcmkenkose Menge sich solcher
Beschimpfungen freut, weil sie ein Zeitvertreib sind."

„Alles ganz richtig, Wolzin. Jn unserem speziellen Falle
bin ich aber entschieden miderer Meinung, als Sie."

„Warum, Andler?"

„Wir ignorieren diese anouyme Anzapfung und all das
Gerede, wie bisher. Ehe die Geschichte in Fkntz kommt, gehen
Wochen hin nnd in der Zeit kann manches geschehen — manches
wird totgeschwiegen."

„Wieso, Andler? Jch mcine, je energischer man der Schlange
den Kopf zertritt, um so weniger sticht sie. Wir können nur
gewinnen, wenn wir-- -—"

Andler lcgtc mit seinem fataksten Lächeln die Hand ver-
traulich anf Wokzins Schulter.

„Macheu Sie sich doch erst mal einiges klar, mein Ver-
ehrter. Sie als oberster Verwaltungsrat stehen mit Ehre
uud Bermögcu vorn in der Gefahr. Wir alle sind strafbar
und regretzpflichtig — Sie gebcn aber der Sache den Namen.
Man wird sie die „Affäre Wolzin" nennen."

„Mcin Gott — Andler, da liegt aber doch nichts vor? Nichts
llnehrenhaftes? "

„Ncinl Aber wenn so eine Rotte sich darauf verbissen hat,
so wcist sie nns bci dem Bahnbau allerlei Unregelmäßigkeiteu
nach —"

„Ah? Wohl auch Verwendung schlechten Materraks? Zu-
rückgestellte Schienen?"

„Vielleicht auch dasl Thatsache ist — was hier geschrieben
steht — wir haben ein famoses Geschäft mit dem Bau ge-
macht —"

„Drei Millioneu! Aber dafür hatten wir auch dre Ge-
fahr —"

„Jawohk, Wolzin, und die Leiter des Baues nahmen Teü
an dem Gewiunl Machen Sie sich nur das klar: wird die
Geschichte gerichtlich und dcr Geschäftsbrauch kollidiert mit dcrü

Buchstabeu des Gesetzes, so-"

Wolzin sprang wie von einer Feder emporgeschnellt
auf uud schrie in höchster Wut Andler an: „Und komme was
da wolle, ich werde sofort auf Untersuchuug drängenl Jch habt
also meinen Namen zu Gaunereieu hergegeben? Meiue Händt
sind rein —' däs will ich beweisen l"

„Mit Jhrcu- reinen Händen haben Sie den Gewinn ein-
wandlos eingestecktl" entgegncte Andler wütcnd.

„Das ist es ja geradel Denken Sie, ich werde den Hehlet
machen?"

Es klopfir bereits znm zweitenmak.

„Ein Depeschenbote, Herr Geheimrat!" ricf Karl.

Wolzin ging ärgerlich beschämt zur Thür. So laute Szenrü
kämen sonst nie bei ihm vor.

Cr hatte Lust, üie Depesche auf den Tisch zu schleudcrN'
besann sich aber anders und öffnete sie.

Und pkötzlich wurde er sehr bestürzt, er starrte auf dit
Schriftzüge wie auf etwas Ungkaubliches, tzann sank er schivdt
keuchend auf einen Stuhk.

„Sekidoff — Zahlung eingestelltl" rief er, auf die
pesche tzeutentz. . -

„Sekidoff? Petersburgl Der Akexander Selidoff?" riA
Andler. „Geben Sie her! Das ist nicht möglich — das ^
ja gar nicht denkbar."

(Fortsetzung folgt.)
 
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