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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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Donnerstag. 28. August 1902. Aweites Blatt. 44. Jahrgang. — ^ir. 200.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit FamilienblLttern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»

zogen vierteljährltch 1.3b Mk. ausschlteßlich Zustellgebühr.

AnzeigenpreiS:20 Pfg. für die Ispaltige Petitzcile oder deren R-um. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
»orgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommm- — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Khronik.

(Lom 10. bis 22. August.)

Aug. 10.: Der Bayerische K n l tn s m in i ste r v
Landmann ist durch ben üisherigen bayerischcn Ge-'
sandrcn in Wien von Podoivils ersetzt wordeu.

„ 11.: In Frantrei ch haben sich einzelne Offiziere gc-

weigert, an der Schlicszung von Kongrega-
IionsschuIcn mitzuwirkeu.

„ 12: Dcr Kaiser triffr in Stctrin zum Stapellaus

-es Lloyddampfers Kaiser Wilhclm II. ein.

„ 12. Aus den Gouverneur von Charkow» Obolenski,

ist ein Atrcmat ausgcübt worden. Der Gouverncur
wurde leichr verletzt.

„ 13: Es wird bekannr, datz der K a i s c r dcm P r i n z-

regentcn von Bayern die von der baycrischen
Zwciten Kammcr abgelchnten 100 000 Mark für
Kunstzwccke angeboten hat. Der Prinzregent hat
dankend abgelehnt. Die Summe ist ihin von einem
Reichsrat zur Bersügung gestellt worden.

„ 14. : Llufsehen errcgt, datz dcr wcgen Dnells verurtcilte

und nach vcrhältnismätzig kurzer Zeit vom Kaiser
begnadigte Leutnant Hildebrandt bei seiner
Abreise aus Gumüinncn rn- seme neue Garnison
in dcmonstrativem Zuge an den Bahnhof geleitet
worden ist-

„ 15.: Der Kaiser bcsucht die Düsseldorfer Ausstellung.

Er sagt dort, er hoffe, die schönen und fricdltchen
Aussichten, die sich entsponnen hätten, lange zu er-
halien.

„ 15.: Die Verwaltung von T i e n t s i n ist au die

Chi n esen zurückgegeben worden.

„ 16. Dcr Kaiser unternimmt eine Fahrt rhe.inauf-

fvärts und nimmt in Gonseuheim eine Parade ab.

„ 16.: Die Burengenerale treffen in London ein

und werden dort fast überschwänglich gefeievt.

„ 16.: Der Kronprinz wird auf eincm Ausflug ins

Elsaß überall sehr warin begrüßt.

„ 17.: Die Burengenerale statten dem König von England

einen kurzen Besuch ab.

„ 19.: Jn Homüurg findet in GcgeMvart des

Kaiserpaares die Enthüllung eines Denk-
ni a ls für die Kaise r i n Fried r i ch statt.

„ LO. : Jn dem französischen G e n e r a l st.a b s-
werk über den Krieg 1870—71 wird zuge-
geben, daß die französische Armee schon Marsch-
befehl hatte, ehe sich dic Ereignisse in Eurs zu
trugen.

„ LO.: Jn iCLv nberg findet in Gegenwart !des

Kaiserpaares die Enthülluvg eines D.enkmals für
den Kaiser Friedrich statt.

„ 20..: Die B u r e n g e n e r a l e treffen in Holland ein.

„ 21..: Ler Schweizerische Bundesrat hat

die aus Frantreich Lingewarvderten Ko.n-
gregatio.nerr aufgefardLrt^ die SclMciz zu
.verlassen.

22.: Bci dcr Strchwcrhl im .RLichsratswahlkrers in
F o r chh e im - K u lm b a.ch irehmen die Natro-
nalliberalen dam Aentrum deir Wahlkreis ab.

Aie poMischen WerlM'tnisse Lm Kaptand.

Die letztW drachrichtM iiber die Nerhandlungen im
Parla m e n st der K apk.olonie zsigerr, daß daselbst
eine Lage geschafsen ist, die in der Geschichte dieses Landes
oielleichl anch iur parlamentarischen Leblln des britischen
steiches ohne Pz-äcedenzfall idasteht. ÄLan muß zur
Erklärrmg der eigentümliäMr L-itnation ein wenig zu-
cückgreifxrr. BekWmtlich hatte ster Premierminister.dieser
stolonie, Zir Gordan sprigg, Äer SuspenstonsLewexung

, gegenüber erklärt, er halte es für das beste, vor der
? Hand erst einmal das Parlament einzubernfcn, und zu
: versnchen, aus verfassungsinäßige Weise das politische
! Leben dieses L'andes wieder in geordnete Bahnen zu
-z leiten. Anf die Einwendungen, daß dies nicht ohne eine
sichere Majorität möglich sei, antwortete er, er sei einer
solcher Majorität sicher. Auf diese Verstchernng hin
lehnte die englische Regierung die Einmischung ab, und
das Parlament wnrde einbernfen. Der Gang der Wer-
handlrmgen in den letzten Tagen hat gezeigt, daß Sir
Gordon Sprigg zu seiner Behauptung begründete llr-
sache yatte, er rechtfertigt aber auch die Vorwürfe seiner
Gegner, daß er mit dem Afrikanerbund liebäugele. Die
Majorität der Kapregiernng besteht zum größten Teile
aus Bondmitgliedern. Mit ihrer Hilse wurde ain Fre'i-
Lag die Jndemnitätsvorlage durchgebracht nnd der Vor-
schlag, fofort Ersatzwahlen sür die acht frei gewordenen
Mandate vorznnehmen, abgelehnt. Nicht genng damit,
erklärten die Führer der Bondpartei im Parlament,
Merrinm nnd Saner, daß sie und ihre politischen Frennde
die Politik des Arinisteriums sür die kommende Scssion
nnterstützen murden. Beide rmtivierten,den Entschluß,
der etwas Nerraschend kam, damit, daß sie Sir Gordon
Sprigg für seinen erfolgreickM Widerstand gegen die
Suspensiünsbewegnng zn Danke verpslichtet seien. Weiin
sie ihren Dank dadurch zum AttSdrnck bringen, daß sie die
parlamentarische Maschine des Landes im Gange erhal-
tcn, so werden sie stch den Dant ihrer Wähler nnd der
englischen Regiernng erwerbeu. Thatsächlich ist die Lage
in der Kapkolonie jetzt die, -daß eine aus wenigen Pro-
gressimn und vielen Bondmitgliedern zusammengesetzte
Acehtheit mit einem progrefsiven Minister an der Spitze
die Geschicke des Landes l-eitet. Es ließe sich wenig gegen
den Znstand einwenden, wenn nicht immer noch die Be-
fürchtnng vorläge, daß der Bond das gegenwärtige Mini-
steriwn nnr so lange miterstützt, als die Gesahr ein.es
EmZreifens von seiten der englischen Regiernng vorlicgt.
Es ist kaum anzunehmen, daß der Bond dauernd sich
für 't'in loyales dNinisterinm interessiert, andererseits
hat es aber doch den Anschein, ats ob die Rassenfeind-
schast durch die Schwierigkeit der Lage in den Hinter-
gruwd gedrängt, wenn uicht gar übcrhaupt iin Llbnehmen
begrtffen sei. Die grötzte Gefahr liegt jetzt in der Hal-
tnug der Opposition, dlis heißt der extremen Loyalisten,
die mtt Sir Gordon Sprigg unzufrieden sind. Dieselben
wolle.n nämlich ein Hochverratsgesetz einbringen, ein Ge-
fetz, das die Behandlung derjenigen betrifft, die Sympa-
thie mit den eingefallcMnBiiren an denTag gelegt haben.
Ein Plcher Gesetzentwnrf ist natürlich mehr als alles
.-andere geeignet, die atte Rasssnfeindschaft anfs nene
zu bellwen und die cben begonneue friedliche Arbeit für
unabfLbare Zeit unmögLich zn machcn. Der hochkonser-
vative „Standard", der gute Beziehungen znm engli-
schen Ministerium unterhalt, warnt die Progressive Par-
tei vor einem solchen Unternehmen, das der Entwickelung
I 'des LatL-es:verhmrgnisvM werden könnte. Aber die Ge-
fchichte der letzten Monate chat schon mehr als einmal ge-
zeigt, da'ß 'die extremen Loyalisten guten Ratschlägen,
von welcher Seite diese auch kommen mögen, weit unzu-
gänglicher - :nd, als die vrkl angefeindeten Afrikander
setbst.

Weutsches Reich.

—Die Kraftausdrücke des großen Führers des Zen-
trums in Bayern, Dr. S ch ädler , auf dem 9N a n n-
heimer K a t h o l i k e n t a g haben ob ihrer cinem
Geistlichen schlecht anstehenden tlnverfrorenheit uberall
Kopfschütteln erregt. Wie tann ein Geistticher, ein Manir
der Ordnung nnd der Gerechtigkeit, so sprechen! Es sei
hier wiederholt, was Schädler sagte:

„Wo fin'dct der katholische Mann, der katholische Arbciter
Ivirklich seine Hülfe? Daß der Staat sich anf seine Pfiich:
besonnen hat, das hat lange gedauert. Und was uns der
Staat bietet, das sind in der Hauptsache Kanonen und Steuer-
zettcl (Beifall). Und die Arbeitgeber? Wie viel gicbt es
noch, die den Arbeiter gleich bewerten mit der Zitrone, die sie
auspresseu tönnenl . . . Wer war es, der die wahre Glcich-
heit gebracht, die die Sklaverei beseitigt, üie Arbeit gcheiligt
hat? Die Kirchel (Beifall.) Millionen Menschen hat sie zurück-
gegeben die Menschenwürde, die Gottähnlichkeit . . . Die
Kirche ist es gewesen, die die Hochachtung dcs Menschen dcm
Menschen gegenüber gelehrt hat, insbesondere die Uchtung der
Mcnschenwürde scitens dcs Stürkeren, Grotzen gcgcnüücr üem
Untergebenen."

Der „Schwäbische Merkur" bemerkt hiezu: Bessere
Vorarbeiter als solche Redner, wie den Prülaten Schäd-
ler, können sie sich gar nicht wünschen! Wie groß anderer-
seits im Zentrum die Furcht ist, von der Sozialdemokratie
als der natürlichen Erbin abgelöst zu werdeii, erbellt
aus den Schlußworten des Redners, wo er mit Nach-
druck jeden für eine Memme erklärt, der die katholische
Fahne verlasse, und diesen Ausdruck, nm ihm mehc
Wucht zu geben, noch einmal wiederholte. Das alles
wird nichts nützen, wenn durch das Vorausgehende der
Appetit nach Schlagwortern in so derber Weise gereizt
wird; demi in der Befriedigung dieses Appetits sind die
Sozialdemokraten entschieden die Vordersten und Rück-
sichtslosesten.

Die „Konst. Ztg." sagt in gleichem Sinne: Der Zweck
solcher demagogischen llebertreibungen ist klar: man will
in den Arbeitern das Gefühl wecken, daß das deutsche
Reich, das doch in dcr sozialen Gesetzgebung ein wohl-
thätiges Riesenwerk geschaffen, und datz das Gros der
Arbeitgeber, die doch so viel füc Wohlfahrtseinrichtnngen:
ihuii, nnendlich -znrückstehen in ihcen Leistmigen sür biE
Arbeiterwelt gegenüber der Kirche und dem liLbru ZbN-
triim. llnd was bietet dieses vor allem? Schöne A'n-
träge und Reden, während Staat und Arbeitgeber Mil-
lionen nnd Millionen zum Wohle der Arbeiterschaft
aufwenden.

Auch der sozialdemokratische „V o l k s f r e n n d"
amttiert in seiner Art über die Schädlerschen dreisten
Spruche, indem er schreibt, daß es das Zentrnm ist, wel-
ches die Kanonen bewilligt. Er Verschwicg aber auch,
'daß es das Zentrum verhindert, daß die Kosten für die
Kanon.en,^Schisfe, Gewehre usw. dem deutschen Volke
anf dem Stenerzettek präsentiert werden. Er verschwieg,
datz das Zentrum die Kosten sür den Militarismus stets
auf die „brciten Schultern" der Massen des Volkes ab-
wälzen hilft, damit die Reichen davon verschont bleiben.
Er verschwieg, daß es in erster Linie die Arbeiter sind,
Ivelche unter dieser schweren Last des Militarismus zn lei-
den habcn. Er verschwieg, daß das Zentrnm eben dabei

ine Geldheirat.

-41)

Romar. von L Hardheim.

(Fortsetzung.) s

Seine zähc Encrgic wsr für alle, Lte Wolzin lieb hallen,
eins ErM-utigung.

„Er darf nicht sterben, chis scin Namc wiedcr rein da-
steht/' sagte er zu drm Häuflnin Getreuen. Sie fürchteten alle,
er werde cs mcht erst:ben.

Ulla mxrkte wohl, daß Onb-l Schragert mit Fritz veckhrte,
aber niemals xrioähnte er desssn Namen untz auch die Ber-
tobungsanzeige erschie« noch immer nicht.

Es war eine traurige Zcit, wcnn cs auch Schragert M-
lang, sich mit Hilfe der Angestellrrn Wolzins mehr und mehx
eincn Einblick in die Verhältnisst der einzelnxn Unterneh-
rnungcir zu vcrschaffen, so bewies ihm dieser >doch erst recht,
ivie sehr der sonst so thatkräftige Mann in den letztcn Jahreri
des Familieiiunglücks schon nachgelaffen, ehe andere cs be-
Nrerkten.

Das Schlimmste war, datz sich beircffs der Quittungen
nixgcnds Aufschlutz fand. Es blicb rätst'Ihaft, wo die Gel'der
.geblieben, falls Wolzins Untcrschrift echt war. Und wenn
ste gefälscht war — wer konnte cs gethan haben?

Und die Ltrankhcrt wich nicht. Die Aerzte begannen ernste
Vesorgnisse zu hcgen, datz die Kräfte des Kranken nicht aus-
teichcn möchten.

* » * "

FLr Ulla kamen jetzt öfter Stunden großer Niedergeschla-
Senheit und wenn sic sich auch gestand, 'datz es beschamend
sti, in einer Zeit so schwcrer Betrübnis für das Haus Wolzin
strem persönlichen Leid nachzuhängen, so konnte sie sich doch
Isicbt immer zu dcr Selbstlosigkeit aufschwingen, die sie von
i'ch fordern zu müssen glanbte.

Was hattcn ssie -inrd Anna deiLN verbrochen, daß sie vom
SHucksal Uuglüst, Herzeleid und Freudlosigkeit zucrteilt hiel-
teni indcs eine ganze Reihc dcr Freundinnen, jung verheiratet
oder Bräute im itzWcke fchwelgtcn?

tzlnna sagtc seWl zwar ofr: „Jch hahe das Glück doch gehabt
und gekannt", und ste begnügte sich, ciugedenk der Lehre ihres
ärztlrchen SeelsovgerK, wenigstens einstweilen damit.

Aher in Ulla wyr ein Hunger nach Glück uüd Frcude,
der sie yuälte; die LKbeskraft ihrcs Hcrzens lag brach und
sie wutzte nicht, wohin damit? Dazu kam «nn auch noch, daß
einer bon Wolzins Aerzten — ein intelligent aussehcndcr
stattlicher Dreißiger, der sie östce dort sah — große Sym-
pathie für sie zu fühlen fchien u»d sich ihr auf alle Weisc zu
NZHern suchte.

Was stc diesem Arzt zuerst näher gebracht, Ivar die zu-
fällige Entsteckung, daß er ber Lcm Gesandtschaftsrat Serano
fremidschaftllch vcrkehrte. Ulla verflocht ihn sofort in einc
lebhMe Unterhaltnng, fragte ihn cingehend nach Anita und
hörte mit lächclndcn Lippcn und zuckcndem Herzen dercn Lob
singen. Doktor von Reuter wußte nichts von Ullas früheren
Bekanmcn, er beantwortete daher ihre Bemerkung — es heiße,
die jnnge Tamc sci mit dem Hauptmann von 'Glaichcn vom
Generalstabe vcrlobt, — auch einfach bejahend, sehte aber
hinzu, andere wiederum erzähltcn, Anita sei mit einem Sohne
des Fürsten von N., >der bei der Garde diene, berlobt. Ilch,
Ulla hatte Anita so vertraut mit Fritz gehen sehen — sie fand
cs gar nicht der Mühe wert, au die letztere Version zu denkcn.

In ihrer tiefen innerlichen Bedrücktheit machte sie sich eines
Tages auf, Leontine zu besuchen. Bei der liebenswürdigen
jungen Frau fcmd sie stets heitere Anregung, Trost, liebevolles
Jnicressc und nach alledem schmachtete Ulla förmlich.

Aber wie es so oft in solchen Momenten ge'ht, sah sie
sofort, daß ihr heute nichts davon blühen würde, dcnn Lcontine
hatte geweint und Wildling sich offenbar schon länger bcmüht,
sie zu trösten.

Er kam Ulla auch schon mit dcm Erleichterungsausruf ent-

gcgen: „Lic fuhrt cm guter Geist zu uns, Fräulein Ullal" Und
dann empfahl er stch so schnell er konnte, mit der aiigcnehmcn
Entschul'digimg dcs Dienstes.

Ulla erfuhr es schnell gcnug und es durchzuckte sic cin
Schreck, der sie ganz stumm niachte: Oberstlentuants waren bei
Hans m dessen neuer Heimat, weil — Hilde, einc Stunde
nach der Geburt eines Söhnchens, ganz unerwartet gestorben
ivar.

Ulla saß wie erstarrt. Hildc tot? Hilde, die sic im Sommer
noch geschen? Dic sie damals vertricken aus ihrcm beschcidcnen
Asyl. Diese verblühte, verhärmte Frau stand vor ihrem Geiste,
als hätte sie even erst ihrc Klagen, ihre ticfc Rcue ausge-
sprochen.

„Und jetzt — jeht zu sterbcn, wo sie cken sorgenlos ge-
ivordcn loaren, nach drei schrecklichen, trostloscn Fahrcnl

„Hans soll ganz sinnlos scin vor Schmerz, er bctrachtet
ihren^ Tod als seine Strafel" crzählte Leontine traurig weiter.

Sie allc hattcn Hans und Hilde fallcn gelassen, jedcr sie
vcrurteilt und sich nicht um sie gekümmert; als aber Anna gc-
nescn war nnd dann durch UÜa die erste Kunde von ihnen
kam, da fing doch das Mitlcid an, sich mit den Vcrfchmten
zu bcschäftigen.

„Ach, und sie ist so glücklich gewesen, als sie jcnes schreck-
liche Ncst verlaffcn durften und nun in eine grotze, schöne
Wohimilg kamcnl Sie soll plötzlich wieder gmiz aufgcblüht
sein —"

„Von weni weißt du das?" sragte Ulla, cbcnfalls weinend
uin dics zcrstörte Glück, das doch nur ein halbes gcwcsen.

Leontme erschrak, sah Ulla zögern'd an nnd bekannte dann:
„Frih war hier — er hatte Hans und Hilde erst vor zwei
Wochen bcsucht und kountc nicht genug sagen, wie vicl bcsser
Hildc jetzt in ihrer Dcmut und Zartheit gcfalle, als in ihrer
Müdchcnzcit."

Leontine hatte in fliegcndcr Eile weiter gcsprocheii, Ulla
'hörte nnd dachtc nichts, als: Fritz war hier.

Man vcrmicd allerseits sogleich, sie an ihn zu erinncrn.
 
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