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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
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Brandenburg, welche gestern Mittag 12 Uhr im Gewerk-
schaftshaus zusammentrat, ist oon der Polizsi aufgelöst
worden, ehe sie ihre Thätigkeit beginnen konnte. Die Polizei
verlangte die Entfernung der anwesenden Frauen aus
dem Saal, in dem vier in der Mitte aufgestellte' Tische
für die Delegierten bestimmt waren, während an den übrigen
Tischen Zuschauer, darunter auch Frauen, Platz genommen
hatten. Die Polizei ließ fich auf diese Unterscheidung nicht
ein und ließ auch den Einwand nicht gelten, daß die
Agitationskommission, welche die Versammlung einberufen
hatte, ein Verein sei, der nur legitimierte Besucher zulasse.
Es wurde sofort telegraphisch Beschwerde beim Polizei-
präsidium erhoben. Als die Antwort nach Stunden
noch nicht eingelaufen war, schickte sich der Vorsitzende an,
die Versammlung zu begrüßen. Ein Gesangvecein stimmte
ein Lied an. Daraufhin löste der Polizeileutnant auf
Grund des Z 8 des Vereinsgcsetzes die Versammlung sofort
auf. Als um 3 Uhr eine neu angemeldete Versammlung
eröffnet wurde, war die Polizei noch nicht zur Stelle. Sie
erschien aber, noch ehe die eigentlichen Verhandlungen be-
gannen und ließ dann die Versammlung zu, nachdem die
Frauen, welche nicht als Delegierte erschienen waren, auf
der Galerie Platz genommen hatten.

Batzer«.

München, 29. Aug. Die sozialdemokratische „Münch.
Post" entnimmt dem ultramontanen „Marienboten", einer
Monatsschrift für Töchter katholischer Familien, einen
hübschen Bericht über den Unfug, welchen Satan in
einem Mädchenpensionatc angerichtet hat. Kopfkissen
wurden mit Wasser gefüllt und es wurden von unfichtbaren
Händen Ohrfeigen ausgeteilt. Besserung trat erst nach
vielem Gebet ein, nachdem eine aus einer Freimaurer-
familie stammende Schülerin entlassen worden war. Es
wird immer schöner in Bayern!

Sachsen.

— Nach dem kürzlich erschienenm Bericht über die
Schlachtvieh- und F I e i s ch b.e s ch a u sind in
Sachsen 1901 6,08 Prozent weniger Schweine als im
Jahre zuvor geschlachtet worden. Der Bericht führt diess
Thatsache aus einen Mangel an Schlachtschweinen zu-
rück, den er im Jnteresse der Volksernährung bedauert.
Die Schlachtvieh- nnd Fleischbeschau erstreckte sich im
vorigen Jahre auch auf 10 908 Pferde und 2502
Hunde. Natürlich werden die wenigsten Hunde, die
geschlachtet wsrden, zur Besichtigung angemeldet. Mit
Tuberkulose waren 66 610 Schlachtrinder behaftet, das
waren 29,39 Prozent der geschlachteten; von den ge-
schlachteten Schweinen waren 40 123 oder 3,79 Prozent
tnberknlös.

Aus der Karlsruher Zeitung

—> Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem technischen Hilfsarbeiter für Pferdezuchtangelegenheiten
beim Ministcrium des Jnnern, Dr. Karl P a x a v i c i n i die
etatmätzige AmtsstMe eines Wifsenschaftlich gebildeten Hilfs-
arbeiters daselbft übertragen.

— Verwaltungsaktnar Emil Schmeiser wurde zum
Amtsrevidcuten beim Bezirksamt Achern ernannt.

— Für die Besucher der I u b i l ä u m s-K u n st a u s-
stellung in Karlsruhe wird Fahrpreisermäßigung
in der Weise verwilligt, datz die einfachon Personenzugsfahr-
karten nach Karlsruhe, die während der Äusstellungsdauer
jeweils Mtttwochs auf baidischen Stationen gelöst wer-
den, innerhalb dreier Tage — den Lösungstag mitgerechnet
-— zur Rückfahrt in Personenzügen benützt werden dürfen, so-
fern die Fahrkarten in dsr Ausstellung abgestempelt werden.
Die Benützung von Schnellzügen ist gegen die Zulösung von
Schnellzugszuschlagskarten — je für Hin- und Rückfahrt be-
sonders — gestattet.

AusLand.

Frankrcich.

Paris, 1. Sept. Die Presse, insbesondere die
Sportblätter konstatieren mit Genugthuung den Sieg
der Pariser R uderer in Frankfu r t, und den
ungemein sympathischen Empfang, welchen die Frank-
furter Bevölkerung überall den sranzösischen Gästen be-
reitete. Das „Petit Bleu", welches bereits die Bilder
der beiden Mannschaften wiedergiebt, ließ sich sogar die
Liste der Festgäste und das Musikprogramm des Ban-
ketts ini Palmengarten telegraphiereu. Der Berichter-
statter des „Velo" versichert, daß dieser Frankfurter Tag
unvergeßlich bleiben werde. Uebrigens haben ihm 'die
Frankfurter versprochen, das nächste Jahr wieder nach
Paris zu kommen, aber dann „mit einer wirklich furcht-.
baren Mannschaft".

Paris, 1. Sept. Nach dem „Figäro" haben alle
Orden, deren Schulen durch die jüngsten Dekrete des

Besitzer: Fabrikat: kn°M?-°rArk/:

1. Josef Göbel, BergmaimSJndustrie- 4250 7,8 11 Miu.

Mainz werke Gaggeuau 31 Sck.

2. de Dietrich, de Dietrich, 250 ? 12 Min.

Niederbronn Niederbronn 25 Sek.

3. E. Mathis, de Dietrich, — 24 12 Min.

Straßburg Niederbronn 57 Sek.

Dieses Rennen darf als das'interessanteste bezeichnet wer-
den. Jn demselben liefen 8 Motorwagen, wovon Opel ohne
Vorgabe die grötzte Geschwindigkeit erreichte.

Rennen Nr. 7, Klasse V: Grotze Wagen (Gew. über
TSO Klg. b-is zu 1000 Klg.). Offen sür Herrensahrer. Dist.
10 Rnnden — 16 090 Meter. Preise: 1 Ehrenpreis i. W. v.
LOO Mk., 1 Ehrcnpreis i. W. v. 300 Mk., 1 Ehrenpreis i. W. v.
176 Mk.

Besitzer: Fabrikat: PAe-

1. Clarence Georg Mercedes-Simplex; 40 14 Min.

Dinsmore, Daimler Motorenfabrik, 6 Sek.

Newyork Cannstatt

2. Otto Bngatti, de Dietrich, 20 15 Min.

Niederbronn Niederbronn 45 Sek.

3. C.Auffm-Ordt jr., Panhard L Levassor, 16 17 Min.

Baden-Baden Paris

Mit dicsem Rennen hatte die Vercmstaltung gegen 7 Uhr
rhr Ende erreicht, wohlbefriedigt begaben sich die Zuschauer
wieder in die Stadt, während die Automobilfaihrer nach allen
Himmelsrichtungen davonjagten. Heute Mend fand im Hotel
„Franffurter Hof" ein Festessen statt, an welches sich die Preis-
verteilnng schlotz.

Ministerpräsidenten Combes aufgelöst worden sind, für die
geschlossenen Anstalten jetzr noch nachträglich Ermächtigungs-
gesuche eingereicht. Nur ein einziger Orden, der im Finistöre-
Departement seinen Sitz halte, hat geglaubt, sich eines
solchen Gesuches enthalten zu müssen.

Vourgoin, I.Sept. Bei dem Festmahl, das nach
der Enthüllung des Kriegerdenkmals statlfand, führte der
Kriegsminister Andrein einer Rede aus: Jch werde elnen
Trinkspruch auf den französischen Arbeiter ausbringen.
Jm Namen der republikanischen Nation kann ich Jhnen
sagen, daß k-in Mitglied des Kabinets die Verantwortung
für das gemeinsam unternommene Werk fürchtet. Die Rs-
gierung ist entschlossen, den Arbeiter einer Erziehung
zu entreißen, die seine geistige und matericlle Freiheit nur
schädigen kann. Eine Erziehung muß rein weltlich
sein, wenn daS Werk der Republik nicht geschädigt werden
soll. Die ersten Schritte in dieser Richtung haben meine
Freunde bereits unternommen: Millerand durch Regelung
des Ausstandsrechtes und Waldeck-Rousseau durch das
Vereinsgesetz.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 2. September.

** Der hcutige Sedanstag wurde geftern. Abeud durch
eineii Zcipfenstreich Üer Feuerwehr und heute srüh ldurch
Glockengeläute angekündigt. Zahlreiche Häuser haben ge-
slaggt. Ist auch iiaturgemätz die grotze Begeisterung, die das
deutsche Volk am Sedcmstage zu durchbrausen Pflegte, im
Laufe der Zeit verrauscht; können diö nachgLwachsenen Ge-
schlechter, die den uucrmetzlicheii Jübel am Sedanstage 1870
iiichr mirerlebt haven, sich auch nur indirekt in dte damalige
Zeit hineinversetzen, so bleibt dieser Tag doch ein Denkstein
in der Geschichte- des deutschen Volkes, dessen Jnschrift nicht
verlöschcn wird. Fünszig Jahre, sagte Mvltke, werden wir
mit dem Schwert in der Hand hüten müssen, was wir 1870—
1871 errungen haben. Davon sind bis jetzt erst zweinnddreißig
Jahre vorüber; noch schlagen Minister und ParlaMentarter
in Frankreich die Revanchesaite an, wenn sie Eindruck und Bei-
fall erzielcn wolleii. Solange dies geschieht, wollen wir in
Deutschland deii Sedanstag nicht vorübergehen lassen, ohne
ihn zu feiern und der Mahnungen eingedenk zu sein, die er in
Bezug auf straffes Znsammeiihalten und Anspannen unserer
nationalen Kräfte zur Währung des Errungenen an uns
richtet.

-v Bom vadischen Sängerbundesfest. Man schreibt uns:
Verschiedene auswärtige und auch Heidelberger Blätter brach-
ten in den letzten Tagen die Nachricht, datz das nächste badi-
sche SäiigerbundLsfest (Psingsten 1903) anstatt in Mann-
hcim, wte geplant, eventuell in Heidelberg abgehalten
'wcüden solle. D«e Heidelberger Sängerschast beabsichtige,
bei der Hanptversammlung des badischen Säügerbundes in
Wert h e i m am kommend en Sonntage einen hieraufbezüg-
lichen Antrag zu stellen. Die Heidelberger Sängerwelt war
über diese Biitteilnngen in den Blättern ebenso üüerrschat, wte
wahrscheinlich die übrige Bürgerschast HeidelbLrgs. Abge-
sehen davon, daß es dcn MännergcsangvLreinen HeidelbLrgs
im Traume nicht einfällt, die Mannheimer Scmger um das
schon vorbereitete Fest zn bringen, kämen sie in die grötzte
Verlegenheit, wenn sie zu Pfingsten nächsten Jahres bei noch
nicht fertiggestellter Festhalle 6000—8000 Sänger in e i n e m
Raume unterbringen mühtenl Der Verfasser des betreffenden
Artikels äst demnach' mit der Sachlage nichts weniger als ver-
traut. Dem Präsidenten des badischen Sängerbundes wurds
übrigens sofort beim Crscheinen der ersten Notiz in dieser
Angelegenheit von dem Vorsitzenden des „Heidelberger Sänger-c
verbandes" in obigem Siime berichtet.

ch Prcisliste üb-r das Rattenfängerpciifen vom 31. August.
1. Rauhh. Pinscher. Rüden.

1) „Arac", Besitzer: Karl Link, Heidelberg 1a. Preis

2) „Ruppi", B.: L. Stuhl, Mannheim 1 b. „

3) „Schillo", B.: F. Bänmgärtner, Ludwigshafen 2. „

4) „Schnauzer", B.: E. Maier. Mannheim 3. „

5) „Schnaps", B.: Penner, Heidelberg Reservepreis

6) „Schnauz", B.: M. Hoffmann, Heidelberg 3. Pr. L. E.

7) „Rappo", B.: B. Webec, Heidelberg H. L. E.

2. Rauhh. Pinscher. Hüudinii en.

Amie", Ves.: F. Baumgärtner, Ludwigshafen 1. Pr. u. E.-Pr.

-L>

1)

2)

3)

1)

2)

1)

2)

,Schmuck", B.: Witzigmann, Haßloch i. Pf. 2. Preis

-, B.: Sieb, Heidelberg 3. „

3. Terrier. Rüden.

.,Flocky", B.: Gustav Düball, Heidelberg 1. Preis

„Wildfang", B.: A. Utz, Heidelberg 2. „

(Terrier. Rüden nnter 1 Jahr.)

,Fox", B.: F. Berlingbof, Friedrichsfeld 1. Preis

„Airedale", V.: Karl Fischer, Heidelberg H. L. E.

4. Terrier. Hündinnen.

„Trylby", B.: A. Koppxl, Bingen 1». Preis

„Kriemhild v. Walhall", B.: Fritz Batz, Frankfiirt 1 l>.

Nelly", B.: A. Glöcklen, Heidelberg 2. Preis

Terrier", H. Bnrger u. Co., Friedrichsfeld 2. „

Frigg", B.: C. Ackermann, Weinheim 3. „

Gretl vom Feldberg", B.: I. Merz, Frankfnrt 3. „

Fanny", B.: Ph. Maßholder, Heidelberg 3. „

.Bnssy Passiva", B.: G. Ollendorf, Breslau L. E.
Konkurr'enzklasse für rauhh. Pinscher.

1) „Amie", B.: F. Banmgürtner. Lndwigshafen 1. Preis

2) „Ruppi", B.: L. Stnhl, Mannheim 2. „

Konknrrenzklasse für Terrier.

1) „Kriemhild", B.: Fritz Batz, Frankfnrt a. M. l a. -Preis

2) „Trilby", B.: A. Koppel, Bingen 1b. „

3) „Flocky", B.: G. Düball, Heidelberg 3. Preis

4) „Fox", B.: F- Berlinghof, Friedrichsfeld 3.

Große Konknrrenzklasse zwischen Airedale und

rauhh. Pinscher.

Sieger:

1) „Kriemhield", B.: F. Batz, Frankfurt a. M. 1. Ehrenpreis

2) „Amie", B.: F. Banmgärtner, Lndwigshafen 2. „

):( Fernsprech-Verkehe. Belfort in Frankreich ist znm
Sprechverkehr mit Heidelberg zugelassen. Die Gesprächsgebühr
beträgt 3 Mark.

st- Slusgestellt. Jm Schaufenster von Birnstihl Nachsolger,
Hauptstr. 9, ist gegenwärtig die kürzlich eingeweihte prächtige
Flagge des hiesigen Marine - Vereins nebst den Flaggen-
nägcln, Bändern und sonstigen Geschenken (Bilder usw.), die
dem Verein zu der Feier übcrreicht wnrden, ausgestellt. Die
Flagge ist cin Äeisterwerk, die Stickerei daranf autzcrordent-
lich sanber nüd akknrat und dazu künstlerisch ausgcführt, fo
datz man sie als Nadelmalerei bezeichnen kann.

H Schöffengerichtssthung vom 1. Septbr. Vorsitzender:
Herr Referendär Dr. Haas. 1) Friedrich Pfeiffsr von Heidel-
berg erhielt wegen Körperverletznng 10 Mk. Geldstrafe oder 2
Tage Gefängnis; 2) Friedrich Ännweiler von Mannheim wegen
des gleichen Vergehens 30 Mk. Geldstrafe oder 6 Tage Gefäng-
nis ; 3) Eberhard Schlicksupp n. Gen. hier erhielt wegen Haus-
friedensbrnchs rc. 32 Tage bezw. 1 Woche Gefängnis; 4) Georg
Philipp Saner von Eppelheiin erhielt wegen Beleidigung 60 Mk.
Geldstrafe oder 12 Tage Gefüngnis; 6) Johann Peter Hormnth
von Wieblingen wegen Körperverletznng 2 Wochen Gefängms;
6) Heinrich Finzer n. Gen. von Nußloch wnrden von der Anklage

wegen Körperverletzung rc. freigesprochen; 7) Heinrich Bootz hier
erhielt wegeu fahrlässiger Äörperverletzung 30 Ml. Geldstrafe;

8) die Veryandlung gegen Jakob Baumann von Eppelheim wegen
Unterschlagung wurdc vertagt; 9) Georg Schöll hier erhielt wegen
Bedrohung 30 Mk. Geldftrafe oder 6 Tagc Gefüngnis.

X Polizeibericht. Ein Arauentzinrmer wuüde wegen
Umherziehens verhaflet. Nier Personen kamen wegen Ruhe-
störung zur Anzeige.

X Handschuhsheim, 2. September. (P r e i s g e k r ö n t.)
Der hiesige Radfahrer-Klnb „Germania" ervang sich bei dem
am letzten Sonntag in Viernheim abgehalienen Pveiswett-
fahren in der Klasse a den dritten Preis, bestehend aus
einem Potal.

** Dossenheim, 1. September. (Verhaftet) wurde
heute dahier ein lediger Schuhmachergeselle wegen Vergehens
im Sinne des Paragraph 176 R.-St.-G.-B.

Schwetzingen, 1. Septemüer. (Ueber dieDampf-
le s s e l - E x p l o s i o n) teilt der Mannheimer „Gen.-An-
zeiger" noch Folgendes mit: Gegen tzll Uhr vernähm man
einen sehr starken schlag, dem gletch darauf Feueralarni folgte.
Auf bis jetzt unanfgeklärre Weise erfolgte in üer ptitter-
branerei eine Kesselexplosion, welche eine grotze Verwüstung
anrichtete und der leider zwei Menschenlebeii zum Opfer
fielen. Der erst in dem im Frühjahre neu eingerichteten Be-
trieb besindliche grotze Dampfkessel explodierte durch eine scharse
Detonation und verwandelte das Kesselhaus und dessen nüchste
Umgebung in einen großen Trümmerhaufen. Der grotze
Dampskessel wurde zur Hälfte zirka 50 Meter weit in den
Hof geschleudert, während noch grotze Eisenstücke weit über die
Häuser hiilwegflogen. Das Feuer des Kessels wurde in ein
gegenüberliegendes Wohnhaus geschleudcrt, welches sofort in
hellen Flammen stand, und nur mit knapper Mühe koimten
die Bewohner desselben ihr Leben retten. Die rasch herbei-
geeilte Feuerwehr Ivar des Feucrs bald Herr und nun be-
gannen die RLumungsarbeiren. Der in dem Kesselhaus an-
wesende berheirlftete Heizer Kapp aus Plankstadt tonnte gleich
nach der Explosion noch von der zur Unglücksstätte geeilten
Nachbarschaft aus den Trümmern gerettet werden, leider war
derselbe jedoch durch Brandwunden schrccklich zugerichtet. Erst
nach etwa halbstündiger angestrengter Arbeit der Feuerwehr
und Hilfsmannschaft konnte dcr an dcr Eismaschine mit Eis-
ziehen beschäftigte Arbeiter Helm tot unter dcn Trümmern
hervorgezogcn wcrden. Betde werden als sehr brave Arbeiter
gcschildert und haben eine sehr starke Familie. Die Explosion
mutz eine furchtüare gewesen sein, denn die grotzen eisernen
Trüger lagen weit zerstreut und verbogen im Hofe umher,
Nackidem die beiden Berunglückten geborgen waren, wurds
die Unglücksstätte abgesperrt, da sich der grohe Kamin durch die
starke Erschütterung etwas aus die Seite legte. Der durch
die Explosion entstcmdene Schaden ist ein sehr bedeutender,
läßt sich jedoch bis jetzt noch nicht itbersehen. Der Betrieb
wird dadurch auf längere Zeit hinans gestört sein.

Alannheim, 1. September. (Zu der geheim-
nisvollen nächtlichen Affäre), die sich kürzlich auf
der Neckarbrücke abspielte, ist zu berichten, datz gestern Nach-
mittag an dcm Groheschen Kohleiilager die Leiche des Opfers
des vermuteten Attentats aus dem Neckar gezogen wuvde. Die
L-eiche ist alfo nicht weit gekommen. Es ist wirklich der Tag-
löhner Franz Sittinger, der vermißt wuvde. Weitere Auf-
klärung konnte in die Sachc immer noch nicht gcbracht wcrdcn.

Mannhcim, 1. Scpt. (DerKvnig vonJtalien) passierte
gestern Abend den hiesigen Hauptbahiihof. Ueber dem dritten
Babnsteig hingen die ganze Länge der Halle entlang Flaggcn in
den badischen, deutschen und itnlienischen Farben herab. Der
Bahnhof war streng abgesperrt. Als Vertreter des Großherzogs
waren erschisnen: Fliigeladjntant Generallentnant v. Miiller und
Geh. Staatsrat Reinhart ans Karlsrnhe, von hier Geh.
Oberministerialrat Lang, Oberstlentnant von Jägerschmitt, Major
Gradert, Regiernngsrat Gailzsch, sowie der italien. Genercilkonsnl
Fabrikant Bornhansen. Pünktlich uin 9.55 Uhr fnhr der mit zwei
Maschinen bespannte Extrazug des Königs, der über Lampertheim
kam, langsam in die Halle ein, die sofort taghell im Scheine
zahlreicher bengalischer Fackeln erstrahlte, welche an den Scinlen
befestigt waren. Der König war schon znr Rnhe gegangen. An
seiner Stelle einpfing der Generaladjutant, eine große, schlanke,
elastische Erscheinung in italienischer Uniform niit Käppi nnd
breiten Goldslreifen an den Hosen, die Herren und begann eine
lebhafte Unterhaltung mit ihnen. Nach dein Maschiiicnwechsel
verließ der Zug iim 10.05 Uhr unter Hoch- und Evvivarnfen den
Bahnhof.

X KarlSruhe, 1. September. (Nach einer Ueber -
sicht der S t u d i e r e n d e n ) der beiden ba'dischen Uni-
versitäten und der Technischen Hochschule in Karlsruhe gehör-
ten der Universität Heidelberg im Sommerseniester 1902 an
insgesamt 1823 Stuüierende inklusive der Hospitantcn und
Hörerinnen. Hiervon sind Badener 514, Nichtbadener 1309.
An der Unioersitüt Freiburg insgesamt 1949 Studierende, da-
bon 499 Badener, 1362 Nichtbadener und 88 Hospitanten.
Der Technischen Hochschüle in Karlsruhe gehörten an in der
genannten Zeit 1512 Studierende, 72 Hospitcmten, 51 Hörer.
znsammen 1635. davon 446 Badener.

80. Kadelburg, 1. September. (Betrübendes Un-
glück.) Die hier einauartierte siebente Kompagnie des Regi-
ments Nr. 113 wurde von cinem schweren Unglücke betrofsen.
Ein Mann derselben, der Mnsketier Stiegele, ertrank beim
Badcn im Rhein, worauf sich der anssichfführende Sergeant
Heurich in seinem Zimmer erschotz. Man vermutet, datz er aus
Furcht bor Strafe Hand an sich legte, da dnrch einen Regi-
mentsbefehl das Baden im Rhein verboten ist.

6L Vom Kniebis, 1. September. (Die diesjährige
Saison d e r e n cht h a l b ä d e r) ist nicht besonders
gut. Der späte Sommer, die häusig cinfallende Kühle und
die unbestündige Witterung habcn den Besuch geschmälert und
wie anderwürts, so hat man auch hier die geschäftliche De-
pression zu verspüren bekommen. Jmmerhin haben sich die
eigentlichen Krcmken- und Rekonvakeszentenbäder allmählich
ansehnlich gefüllt, wie man in Rippoldsan, Grieslach, Antogast,
Bad. Petersthal bemerken kann.

Aus Baden.^ Auf seinem Gnt bei München ist am letzten
Sonntag Dr. Haas gestorben, der eine Zeitlang Bürger-
meister von Wemheim war und dmm in Mcmnheim sich dem
Zeituiigswesen widmete. Er grün'dete dort den „General-
Anzeiger", später siedelte er nach München über, wo er auch
ein Blatt gründete.

Kleine Zeitung.

— Köln, 1. Septbr. Die Nachricht, dem Kron-
prinzen von Griechenland sei jüngst in Köln auf
dem Hauptbahnhofe eine Reisetasche gestohlen worden, ist
nach dcm Polizeibericht unzutreffend. Der Jrrtum ist
darauf zurückzuführen, daß am Tage des Abhandenkom-
mens einer Reisetasche, auf deren Wiederbringen von dem
Eigentümer eine Belohnung öffentlich ausgesetzt wurde, der
Kronprinz von Griechenland den Hauptbahnhof Köln pas-
siert hat.

— Tricr, 1. Sept. Ein Major vom Fußartillerie-
Regiment Nr. 8 in Metz hat sich am Samstag hier er-
schossen.

— Ein modernes Ketzergericht. Aus Wien wird der
^Magdeb. Zeit." telegraphiert: „Die hiesige Schuhmacher-
 
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