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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0443

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icheiut täglich, SonnlagS ausgenommen. — PreiS mit Familiendiättern monatlich 50 Psg. in'S Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgcholt 40 Psg. Durch die Poit de.

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Donnerstag L. Septcmber 1902._ Zweites Blatt._44. Jahrgang. — ^r. 206.

Zie Wnrengenerare aöermats in Kngland.

L o n 5 o ii, 1. Sopt.

Trotzdem das Londoner Puütikiiiii den drei Buren-
iührern am Sonntag einen üei weitem weniger enthu-
iiasiijchen Empfang üereitet hat als üor drei Wocheii,
?a sie zum ersteiimale die englische Küste betraten, sind
Üch alle ernsthaft denkenden Politiker darin einig, daß
üieser zweite Besuch von ungleich größerer Bedeutung
surd wichtigeren Konscquenzen sein muß, als der erste.
^amals galt es nur die Anknüpsnng der persönlichen
dBetanntschast, heute gilt es ernste Arbeit, „Geschäft",
wie der Engländer sagt. Daß es sich darum, unö nm
^ichts anderes handelt, haben die drei Generale mehr
ats.einmal sehr deutlich und osfcn ansgesprochen, und die
Bhatsache, daß die Generale diesmat nicht allein, son-
dern in Begleitung Mr. Fischers, des Mannes erjcheinen,
dein die Engländer augenscheinlich die Aülehnung ihrer
lreundlichen Einladnng zur Flottenparade zu verdanken
oaüen, läßt keinen Zweisel üüer die Gesinnung der süd-
airikanischen Gäste zu. Iä es wird sogar erklärt, daß
chtr. Fischer die Generale nicht nur begleitet, sondern der
Aiiführer der t'leinen Deputation isl. Niemand wird
trugnen können, daß dies einen Sschritt rückwärts aus
deni Wege zum loyalen englischen llnterthanen üedeutet,
und es ist serner klar, daß nmn sich in England gewaltig
getäuscht hat, wenn man glauüte, den Männern, die
lahrelang unter den schwersten Entbehrungen sür ihre
Unabhüngigkeit gekämpst haüen, durch Machtensattung
unponieren oder etwa durch Nersprechungen guter Stel-
wii im Ltaatsdicnste den SNund stopfen zu können.
Man geht kaum fehl in der Annahme, daß die drei Ge-
u?rale mit einem sesten Programm ihre Heimat ver-
ueßeu, und sie werden diese Ziele, im Einverständnis
hut ihren Gesinnungsgenossen in Europa, mit - aller
GUen eigenen Zähigkeit verfolgen und sich weder durch
^ersprochungcn noch dnrch Drohungen davon aübringen
mssen. Nach ihrer üisher an den Tag gelegten Schweig-
wMkeit dars inan kaum erwartcn, daß viel von ihren
^Z'rhandlnngen mit den englischen staatsmännern an
Uw OLssentlichkllit dringt. Die englische Pressc behauptet
Uuerdings, daß sich die Regierung auf gar keine Ver-
handlungen cinlassen werde. „Dic politische Existenz
mr Buren," sagt der „Standard" heute, „hat mit der
Beendigung des Kricges ihren Abschluß gcfunden und
miin nicht dadnrch wieder zum Lsben erweckt werden,
^aß wir ihre selbstgewählten Delegierten aus irgend eine
Mrsis der Gleichheit init der Reichsregierung stellen.
Zwischeu einer souveränen Nkacht und ihren llnterthanen
aiinen keine diploMatischen llnterhandlungen gepslogen
Mrden. Das will osfen ausgesprochen sein, selbst auf
p.s^Gesahr hin, jemand zu üeleidigen." Diese «prache
-aßt allerdings an Ossenheit nichts zu wünschen übrig,

„ 'w niuß, von einer der Regierung nahestehenden Zcitung
^Mnwiid, als eine offizielle Warnung angesehen werden.
tt's' aie Burenvertreter sich dieselbe zu Herzen nehmen
Ittr "'-Zft eine zweite Frage, und die eng

.'chen Staatsmänner iind denn docki nu vorsickitia. un

taatsmänner sind dcnn doch zu Vorsichtig, um
aw alle Verhandlungen ein für allemal von der Hand
weisen. Die Burengeneräle diirften jedoch in Mr.

sagen hat. „Wir fühlen uns verpslichtet," heißt es da,
„ein Wort der Warnung mit Bezug auf die vorgeschlagene
Erhöhung des Unterstützungssonds zu sagen. Die Buren
iind bereits mit der weitestgehenden Generosität behan-
delt worden. Noch niemals wurden solche Bedingungen
einem besiegten Feinde gewährt, und wir sind sicher, daß
jede Erweiterung der darin gemachten Konzessionen eine
nachteilige Wirkung in Südafrika ausüben, und auch in
diesem Lande nicht günstig beurteilt werden dürfte."
Demnach scheint Mr. Chamberlain nicht geneigt zu seiu,
weitere Konzessioncu Zu machen, und die Lage in Süd-
asrika dürfte dadurch nicht wenig erschwert werden. Denu
ein Rücktritt der drei _GeneräIe von der Mitarbeit an
der Pazisizierung des vom Kriege verwüstcten Landes
würde die unzufriedene nnd nnversöhnliche Partei in
Südafrika ungeheuer stärken und der englischen Ver-
waltung die Ärbeit wesentlich erschweren.

Der Ilückgang der AröeiLslöhne in Kngland.

Ter amtliche Bericht nber die Arbeitslöhne zeigt, daß
zum erstenmale seit 1803 ein Lmnken dieser Löhnc einge-
trcten ist. Die Schätzungen sür das erste halbe Zaür
.1902 lassen ferncr erkennen, daß dieses Sinklln noch kei-
neswegs ausgehört hat. Die „Times" glaubt daraus
schließen zu müssen, daß schlimme Zeiten beoorständen,
und fordert Ilnternehmer und Arbeiter auf, sich die Mit-
teilungen des Berichts zur Warnung dienen zu lassen.
Sie sagt: „Die Thatsache, daß dic gezahlten Wochen-
löhne um 1 684 000 Pfd. St. zurückgingen, ist inhalt-
reich.... Jn der Bergwerk- und Steinbruch-Jndustrie
betrug dcr Rückgang in den Jahreslöhnen 1 076 000, in
der Metallindustrie 760 000 Pfd. St., während noch im
Iahre 1900 ein Steigen der Löhne um 6 Millionen
Psd. St. zu verzeichnen war. Der Rückgang war all-
gemeiu, aber am deutlichsten in Schottland. Die Kohlen-
bergleute haben im Durchschnitt einen Rückgang des
Wochenlohnes um 1 Schilling 6^, Pence erlitten: dse in
Schottland erleidcn aber eine bedeutend größere Ein-
bnße, denn dort gingen die Löhne von 90 000 Arbeitern
um 10 Schilling auf den Kopf und die Woche zurück.
Es ist bezeichnend, daß die Löhne der Arbeiter im Staats-
dienst während derselben Zeit gestiegen sind. Auch die
Eisenbahnangestellten haben eine Lohnerhöhung zu ver-
zeichnen." Die „Times" ist der Ansicht, daß die Arbeiter
sich manche Entbehrungen auserlegen müßten, da sonst
eine stete Verschlechteruug dcr Lage zu erwarten sei. Es
sci aber auch anderseits Pflicht der llnternehmer, sich
eisriger der Sache ihrer Leute zu widmen. Der Unter-
nehmer sei heute zu sehr geneigt, schon in jungen Jahren
den Landcdelmann zn spielen und sich mit Orchideen und
Fasanen zu beschäftigen, statt sich deni Staub der Fabrik
und der Bureaus auszusetzen.

Deutsckes Reich.

— Ganz a u ß erge w ö h n l i ch e Sicher -
h e i t s m a ß r e g e l n werden, wie der „Berliner
^ ^ie «urengcneraie vurjien levolp IN rocr. ^ Bolkszeitung" aüs Posen geschricben wird, dort anläß-

^i^berlain einen Gegner finden, der ihnen stärkeren ! lich des Kaiserbesuches zur Anwendung gelangen. Die

Es ifl - Posener Polizei ist durch viele hunderte Polizeibeamts
aus Berlin und Breslau verstärkt und dazu kommen
noch unzählige Geheimpolizistcn. Jm Provinzstil-

'-'"nand entgegensetzt, als Lord Kitchener.
rS' ialb bon Jnteresse, was der „Daily Graphic", das

des Kolonialamts, über die Ängelegenheit zu

mnseum, wo die Prunkmahle stattfinden, werden, so
wird weiterhin gemeldet, schon seit einigen Tagen dis
Säle Tag nnd Nacht durch Militär bewacht. Längs der
Front nach der Neuen Straße — hier stehen unter ande-
rem auch die rgroßen Silberbestände — sind im Innern
seine Drahtnctze gespannt, wohl damit die Scheiben von
außen nicht herausgeschnitten werden können. Der Zn-
tritt zum Provinzialmuseum ist außerordentlich erschwert
und erfolgt nnr auf Kartcn, die vom Hofmarschallamt
ansgegeben nnd dnrch dieses wieder eingezogen
werden. Selbst zahlreichen Beamten wird der Zutritt
nicht niehr gestattet. Ebenso wurden im Provinzial-
miisenm in den letzten Tagcn wiederholt sämtlichc Heiz-
kanäle iind Entlüftungsrohre besonders sorgfältigen
Revisionen nnterzogeii. Die Prüfnng und Ilntcrsiichung
dtescr Hcizkanäle nnd Entlüftungsrohre wirö von jetzt
ab täglich erfolgen.

— Tie Nachricht, das; die Reichsregiernng nachge-
gcben nnd die Hanptbeöingung des Vatikans für die
Errichtnng der theologischen F a k u l t ä t in
S t r a s; b n r g, wonach dem jeweiligen Bischof in Straß-
bnrg ein Vorschlags- Md Absetzungsrecht der Prosessoren
dieser Faknltät zusteht, angenommen hat, wird von der
„Allgem. Ztg." auf Ertnndigung an unterrichteter Stelle
als unri ch t i g bezeichnets

— Zn den Preßäußerungen über den angeblichen
Rücktritt des Botschafters Fürstcn zu Eulen -
b u r g meldet die „Allgemeine Zeitung", daß Fürst zu
Enlenimrg lediglich cinen Urlaub von drei Monaten
znr Wiederhersteüung seiner Gesundheit erhalten habe.

Badcn.

— In der Frage der Männerorde n schwankt die
konservative „Landpost" hin und her, entsprechend den
beideu Richtungen, die sich innsrhalb der konservatiben
Partei zu erkennen geben. Nenestens bringt sie einen
Äussatz des Herrn v. Göler, der sich gegen die Zulassung
der Orden ausspricht. Es wird darin gesagt, daß die
Mönche nicht beanspruchen können, wie gewöhnliche
Staatsbürger betrachtet und behandelt zu werden, weil
sie selbst eine Ausnahmestellung für sich beanspruchen und
zwar nach zwei Seiten. Und dieser Satz wird wie folgt
begründet:

Es ist cine gottgcwollte Ordnung, datz jeder Mcnsch ciner
Gemeinschaft angehört, in deren Mitte er sich bildct und in dcr
cr wirkt. Der Nkönch durchschneidet durch seinen Eintritt in
den Ordcn alle diese von Gott gewollten und gehciligten
Wcchsclbeziehungen. Er verzichtet auf das Band zur Fa-
milie, zur Hcimatsgemcinde, zum Vaterland. Schon dadurch
ist cr für uns eine frcmde, cine unheimliche Erscheinung.
Was gcltcn ihm alle diesc Beziehungen, wenn es gilt, dem
Bcfchle sciucs Obercn nachzukommen? Frühcr, als die Welt-
geistlichen noch nicht in so hohem Maße wie heute unter dcrn
gcwaltsamen Cinfluß der Jesuiten standcn, waren sie deshalb
vom Bischof bis herab zum Kaplan auch keine Freunde dcr
Ordensbrüder, die, wenn sie den Frieden in ciner Gcmcinde
zerstört 'hatte, sie diese wicder spurlos verließen, imd die Folgen
ihrcr Wirksamkeit auszukosten dcu Weltgeistlichcn übcrlictzen.

Dicse Ausnahmsstcllung der Ordensbrüder innerhalb dcr
mcnschlichen Gescllschaft fällt um so schwerer in die Magschale,
als sie gleichgeitg für sich auf jene persönliche Freiheit, sür
wclche Hansjakob so warm eintritt, vollständig verzichten. Sie
müsscn gcgcnüber dcr Ordcnsregel, gegenüber dem Befehl ihres
Llbts, Priors oder gar ihres im Auslande lebenücn Ordens-
gcncrals mit vollständigcm Verzicht auf eigene Meiimng und
eigenc lleberzengung mit militärischem Gehorsam Folge leisten.

Eine reiche Frau.

Erzählung von A. vom Lande.

(Nachdruck verboten.)

die T?sst^ttwe Hartmann stand in ihrem Laden und bediente
dex Kunden, dcrcn Ab- und Zugattg das Bimmeln

Pfi^llsirglocke eintönig begleitete. Man war kürz vor dem
Haiw>n uud .das Verlangen nach Waschscise äuherst rege.
dex Ä-E es sjch doch nicht nur darum, Dielen und Treppen
blitzblank zu schcucrn, nein, auck; die weitzen
Städi< Unterröcke dcr Frauen und Jungfranen des

ble„.z Nnitzten ins Waschfaß, um beim Königschietzen in
^nider Frische zu prangen.

über ^^''6 Hartmann war noch jung und von zierlicher,
^ütbep,- boller Gestalt. Jhre fcingeschnittenen Gesichtszüge
ne„ Z,, n uicht der Anmut, und sie schaute aus grotzen brau-
deZ sanft und freimdlich in dte Welt. Itach> dcm Urteil

ei„ dcr gcgenüber scinen Laden hatte, war sie

Gattni ,„"^ppLtitliches Weibchen", welchen Ausspruch seine
bezo^. ömcklicherweise nur auf den Anzug der kleinen Witwe
»Me daher immer wieder mit dcn Worten zurückwies:
^Ä'tz cinen Seifcnsieder gcheiratet hätte, könnte ich

iäne frischgewaschene Schürze umbinden."

^cinjs ,m^„dami aber mchr mit Kaffee und Zucker sparen,
^bi'aufÄ' Pflegte Herr Sützmilch üarauf zu antivorten,
^chälck.Z^^Ein meistens vcrstummte, denn sie licbte ein
„ Frai, ÜLer alles.

bewegte mit wirklicher Anmut hinter ihrem
<ENen lvenn sie die wohlgeformten Arme hob (von

^ei„ a„s Arbeit gern die Aermel zurückschob), um

.-ÄÄZeiter sllhenden Lchrling ein Pack Scife abzu-
^it de,„ N -Een auch verwöhutere Kenner vou Fraucnschün-
^aiin» zugestimmt.

Kmdcr in dcn Laden, so strählte ihncn aus Frau

Roses Augen einc Fülle vou Herzensgüte entgcgen. Sie
kannte die Klcinen fast alle beim Namen und wutzte ihre Krank-
heitsgeschichte voni ersten mit Schmerzen errungenen Zahn,
bis zu dcn letzten glücklich überstcmdeuen Windpocken aus-
wendig. Jhren freundlichen Worten Pflegte sie bei besondercn
Lieblingen noch einen sützen Nachdruck zu g-ebcn, indem sie in
ein Schuüfach griff, das mit kleinen Zuckertütchen gefüllt war,
nach denen die Kinderhände sich verlangend ausstreckten. Drei
kleine Gräber wölbten sich drautzen auf dem Kirchhof neben
des ehrsamen Meister Hartmanns Ruhestätte und all die Mut-
terliebe, die tu dem Herzen seiner Witwe so warm emporge-
keimt war, suchte sich bei dcn zappeluden und schreienden Klei-
nen gus ihrem Kuiidenkrcise zu entschädigcn.

„S'ist wirklich 'ne gute Frau," pflegten die armen Weibcr
zu sagen, die ihr Zehnpfennigstück hinlegten und dafür das sorg-
fältig abgewogene Stück Seife empfingen, „aber sie hat auch
nicht Kind noch Kegel, uitd unsereins schind' sich und plagt sich
's gcmze Fahr mit den Bälgern 'rum."

Heut, wo das blühende Geschäft sie so befo-ndcrs in An-
spruch nahm, lag üüer Frau Roses Wesen -eine ungewohnte
Uiirühe. Den ganzen Täg schon hatte sie dieselbe gcspürt.
War es das köstliche Frühlingswctter, das ihr das Blnt so
kräftig durch die Adern trieb? Sie blickte oft schnsüchtig auf
die Stratze hinaus; die Fliedersträucher des kleinen Vorgartens
standen poller Blüten, die kurz bor dem Aufbrechen warcn —
sie sehn-te den Schlutz dcr Geschäftsstunden herbei, um drautzen
in Gottes freier Natur andere als Seifendüfte einzuatmcn.

Allmählich lietz der Verkehr nach, die Mittagsstundc machte
sich fühlbar.

Da trat em-e selt-ene Erscheinung in den Laden, ein sovg-
fältig gekleidetcr Herr, den Frau Hartmann mit Verwunderung
begrüßte.

„Habe ich das Veranügen, Frau Rosina Hartmann, hintcr-
lasscnc Witwe des Seifensieders Theodor Hartmanii, zu be-
-grützen?" fragte er, chrerbietig den Hut ziehend. Als sre

bejahtc, während ihre braunen Augen zaghaft in seincm Ge-
sicht zu lescn suchten, stellte er sich bor:

„INlcin Name ist Richtcr, ich bin erster Buchhalter bei
Goldstem in St. und habe Jhnen eine sehr ang-enehme Ii-ach-
richt zu üb-erbrmgcn. Jhr verstorbener Gatte, hm — Herr
Gemahl hat bei uns ein Los dcr M.er Staatslotterie gespielt
— das ich — merken Sie wohl auf, verehrte Frau, ich einst
für ihu zu zieh-en die Ehre hatte."

Er hiclr inue, wie um Frau Rose Zeit zu geben, dicse
wichtige Thatsache zu begreifen. Sic säh ihn erlcichtert auf-
atmeu'd an und lächeltc ein wenig.

„Sehr freundlich von Jhncn, mein Herr. llnd nun hat
die Nnmmer wohl einen kleinen Gewinn gemacht?"

Er sah sie fast mitleidig an.

„Fawo'hl, einen kleincn G-ewinn," sagte er ironisch lächelnd.
„Aber," sich in dcm Laden nmseheüd, „sollte dies der Ort für
eine solche Mitteilung scin?"

Sic begriff und errötcnd, weil man sie auf cine Pflicht der
Höflichkcit aufmerksam machen mutzte, öffnete sic hastig dis
Thüre d-es kleineu Lädenstübchens und schritt dem Fremden
voran üb-er bie Schwellle.

Plötzlich üb-erficl sie eine jühe Furcht. Wie oft las man
von seigen Raubmördcrn, die in eleganter Verkleidung ihre
Opfer niedcrwürgten und sich dcmn der Kafse bemächtigteu.
Sie wandte dcn Kopf und sah thren Gast durchdringen-d an.
Sein pfiffig lächclndes Geficht sah gar nicht blutdürstig aus.
Bcruhigt bot sic ihm einen Stuhl und setzte sich> thm gcgenüber.
Er zog eine Bricstasche hervor.

„Nim," fragte er bchaglich lächelud, „wicbiel meinen Sie
wöhl, datz Sie gewonncn haben?"

Sie sah erwartungsvoll zu ihm hinüber.

„Sind es 300 Mark?"

„Mchrl"

„Filnfhundcrt?"

„Mehrl"

Tauscnd?"
 
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