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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
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Krklärung.

Die heurigen Tagesblätrer enthalten eüie Bekaiintmachuug
dcr hiesigeu Fleischcrinuung, die eine Erhöhuug der Ver-
kaufspreise verschiedenec Wursrwaren aukündigt und Las
Miudcstgewicht auzeigt, uuter welchein eiuige Wurstivaren nicht
mehr abgcgeben werdeiu

Eiue Erhöhuug der Preise für Leber- und Griebenwurst,
sowie für Schwartenmagen war für uns gebvten durch das
fortgesetzte Steigen der Einkaufsprcise für Vieh, insbesondere
der für Schweinc, welche hier in Heidelberg mit die höchsten
im gauzen Reiche sind.

Der bisher bei manchen Wurstwaren bielfach übliche Verkanf
ohne Gewicht soll unterbleiben und die allein richtige Ver-
kaufsweisc nach bestimmten Gewichtsmengen eingeführt werden.
Der Dutzcudverkauf, sowie das Geben vou sogenaunten „Drein-
würsten" wnrde als uicht mehr zeitgemäh abgcschafft.

Wir halteu es fiir mvglich, durch die Einführung einer
gcordnetcn Vcrkaufsweise der Wurstwaren bon ciucr Erhöhung
der Verkaufspreise für Rind- und Schweiuefleisch llmgang
uehmen zu könuen. Die derzeitigen Fleischpreise haben schon
jctzt cinen bcdeuteuden Rückgang des Konsums im Gefolge
gehabt. Bei eiuer weiteren Steigerung würde dieses in ver-
stärktem Mahe der Fall sein.

Es wird aber nicht angehen, auf die Dauer die heutigen
Ueischpreisc beizubehaltcn, geschweige denn dieselben zu ver-
miudeim, ivcuu zum Beispiel die beanrragten Zollsätze für
Schlachtvich Gesctz werden, denn diese kommcu in der ange-
setztcn Höhe eiucm Eiuführvcrbot gleich — so kostet zum Bei-
spiel ein mittlerer Ochse mit 13 Zentner Lebendgewicht nach
dem Regicrungseutwurf 12 Mark per Doppelzentner, also
78 Mark Zoll (heute 26 Mark das Stück) uach den Wüuschen
der Agrarier aber mindestens 117 Mark. Wir werdcn zu
noimialen und annchmbaren Fleifchpreiseu uur daun zurück-
kommcn köunen, wenn die Grenzen für Einfuhr bon Vieh, ins-
besondere von Schweinen, geöffnet werden. Denn dic dcutsche
Landwirtschaft ist eben einfach nicht imstande, den Bediirfnissen
unsercs Volkes betreffs der Fleischnahrung in ausreichendem
Mahe gerccht zu werden.

Eine Einfuhr aber könnte unter Beobachtung dcr nötigen
sanitären Kontrvlle (Ueberführung nur per Bahn in öffent-
liche Schlachthäuser und nur zum Zwecke sofortiger Abschlach-
tung) unbedcuklickp gestattet werden. Alle gegcnteiligcn Be-
hauptungen sind nichtige Vorwände, die nur zu dem Zwecke
gemacht werdcn, die Auslandkonkurrenz fernzuhalten.

Wir hielten es für angebracht, durch eine kurze Klar-
legung der Verhältnisse unsere Matznahmen dem Publikum
gcgcnüüer zu rechtfertigen.

Heidelbcrger Fleischerinnung.

Aus Ltadt uud Land.

Heidelberg, 6. September.

* " Die Erklärung dcr hiesigen Fleischcrinnung (siehe
vbcn) bestätigt unsere neuliche Mitreilung, datz die
Fleischpreise nicht erhöht und datz der Berkauf von Wurst
nach Gewicht cingeführt werden soll. Auch kündigt sic eine
Erhöhung des Preises verschiedener Wurstwaren an. Nach
Lage dcs Fleischmarktes wird hiergegen schwer etwas eiuzu-
weuden scin. Dagegen ist eine Angabe der Jnnung so gefatzt,
datz fie zu Jrrümeru Anlatz geben könnte, weshalb sie hier
erlüutert wcrden soll. Wenn gefagt wird, die Regierung schlage
einen Fleischzoll von 12 Mark per Doppelzentner bor, so be-
deuret dics nicht etwa, datz dies der definitive Zoll ist, der
thatsächlich zur Erhebung gelangen soll. Wie bekannt, beab-
sicküigeu wir mit deu anderen Staaten Handclsverträge ab-
zuschlietzcu uud daüei werden wir an den Fleischzölleu des Ta-
rifs nachlasscn müssen. Wir sind darauf auch gefatzt uud gerade
um uachlasscn zu köuiieu, wird der Zoll irn Tarif bou der Rc-
gierung so hoch vorgeschlagen. Wie sich schlietzlich der Ver-
tragszoll, der praktisch allein in Frage kommt, stellcn wird, das
weih yeute noch nicmaud, jedenfalls aber wird er niedriger
scin, als der Tarifzoll. Dies zur Ergänzung der Erklärung
der Fleischerinnung.

" Zur Nniiclegenheit Bauer. Wie wir hören, hat Herr
Laudgcrichtsrat Dr. Bauer infolge der amtlichen Erklüiung
in dcr „Karlsruher Zeitung" umgehend sein Gesuch um Ent- I
lassuug aus dcm Staatsdienst eingereicht.

Dic Bcsichtigung des Grcnadicrregiments Nr. 110 durch
deu Brigadekvmmaudeur vou Hoffmcister fand am Dienstag
auf dem Exercierplatze bei Nenzingen in der Gegend von Cn-
gcn statt. Vorgestern begannen die Brigadeübungen. Die schwüle
Temperatur der letzten Tage hat den Soldaten arg zugesetzt.
Ernstlichc Erkraukungen sind jedoch bis jetzt nicht vorgekom-
men.

w Schöffcnsicrichtssthnng vom 4. Septbr. Vorsitzender:
Hr. Referendiir Dr. Haas. 1) August Göhringer küer erhielt
wegen Unterschlagimg 7 Monat Gefängnis; 2) Otto Barth und
Peter Nahm von Dossenbeim erhielten wegeu Körperverletzung je
1 Woche Gefängilis; 3) Heinrich Balschbach hier erhielt wegen
des gleichen Vergehens 50 Mk. Geldstrafe oder 10 Tage Gefäng-
nis; 4) Georg Hofbaner von Eppelheim erhielt Körpe'rverletzimg
einen Verweis; 5) wegen Körperverletznng, Hansfriedensbrnchs
und Rnhestörnng erhielt Karl Jakob Baier von Nntzloch 3 Monat
Gefängnis und 3 Wochen Haft nnd Geoig Peter Heid von da 3
Monat Gefängnis; 6) Leonhard Weber von Altenbach erhielt
wegen Beleidignng 10 Mk. Geldstrafe oder 2 Tage Haft 7) Hch.
Schnlz in Haft hier wegen Diebstahls 1 Woche Gefänguis;
8) Giasinto Forato, in Haft hjer, wegen Widerstand rc. 2 Wochen
Gefängnis nnd 3 Tage Hast.

" Körpervcrletzung. Jn eincr Bäckerei Nenenheims wurde
vergcmgene Nacht durch das Zufallen eines Deckels der Teig-

rend er von der Regierung sür 30 Lis 50 Pfenniq ab-
gegeben wird. Demnach erscheint es allerdings veriiünf-
tiger, daß diejenigen, die „asrikanische Rittergutsbe-
sitzer" wcrden wollen, sich besser an Herrn Leutwein
wenüen, als an englische Gesellschaften. — Die inneren
Verhnltnisse sind nach Leutwein günslige, es herrscht ein
jehr gutes Einvernehinen zwischen der Regierung nnd
ben Eingeborenen, die immer mehr die Segnungen deut-
scher Herrschaft anerkennen und schätzen.

Rüir eine unangenehme Kunde hat Oberst Lentwein
wein initgebracht. Es ist bekannt, daß in seinem Bezirk
.dentsche Ntädchen mit gutem Erfolge angesiedelt worden
sind. Sie erhielten freie Ueberfahrt, gewisse Unterstütz-
nngen, nnd wenn sie erst dort waren, in verblüffend
knrzer Zeit — einen Mann. Also für dentsche Frauen,
so lange es bei uns mit dem Sinn für das schöne Ehe-
leben seitens der Männerwelt immer noch schlecht genng
bestellt ist, ein Dorado. Das hört auf! Denn es sind
nunmehr genug Frauen dort, ein Zeichen, wie schnell
nnd gründlich dieser Ansiedelungsgedanke von unseren
weitsichtigen jungen Damen ersaßt wurde. Den dort
Angesessenen steht allerdings ihr Recht nach wie vor zu,
ihre Vermandten nachkommen zu lassen. Die Rnbrik
„Kousine" soll immer noch stark überfüllt sein, so daß
e!n Mangel an jungen Damen für die allernächste Zeit
nichk zn befürchten steht.

maschine dcm daran arbeitenden Bäckerüurschen der Daumen
der linken Hand abgeschlagen.

X Polizeibericht. Verhaftet ivnrde ein Maurer und ein
Frauenzimmer wegen Vergehens im Siime des Paragraph
72 P.-Dt.-G.-B. und eiu Sck)uhmacher wegen groben Unfugs,
wegcn des gleichen Vergchens kamen fünf Perfvnen zur An-
zeige.

-i- Bon der Bergstrafie, 4. September. (Von der
S ch a u e n b u r g.) Vvr nicht allzulanger Zeit berichieten
wir, datz die Ausgrabuiigen auf der alten Burgrume Schauen-
burg bei Dossenheim einen erfreulichen Fvrtgang nehmen und
schon so weit gediehen sind, datz man in einem Wehrgang, der
seinerzeit zunächst um die Burg gegangen ist, gehen kann. Auch
sind noch andere Wehrgünge aufgedeckr worden, die von hohen
Mauern umgrenzt waren, aber noch nicht vollständig freige-
legt sind, wie der erste Wehrgang. Autzerdem ist in letzter
Zeit ein gut erhaltenes steineriies Thürgestell und ebenso ein
Fenstergestell aufgedeckt worden, aus dem mit Sicherheit zn
schließen ist, datz nicht allein die Burg bewohnt, sondern
auch rings um die Burg, ivohl aber innerhalb der Wehrmauern
Wohnungen bestanden haben müssen. Leider müssen wir heute
berichten, datz fnr jetzt die Ausgrabungen mcht fortgesetzt
werden, sondern vorläufig eingestellt find, da die dafür aus-
gefetzten staatlichen Mittel verausgabi sind und weitere frei-
willige Quellen sich rricht zu öffnen scheinen. Damit soll aber
nicht gesagt sein, daß die Ausgrabungen als beendet zu be-
trachten find, neiii, vietmehr sollen in das nächste Bndget Mittel
eingestellt werden, welche es ermöglichen, die Ausgrabungen
fortzusetzen und die Bnrg so frci zu legen, datz sie von dem
Besucher bequem mngangeii werden kaim. Es wäre ja auch
jammcrschade, wenn die Grabimgen ganz eingestellt würden,
imd nicht Mittel bewilligt würden, nm dieselben zu Ende zu
führen; denn man hofft auf alle Fälle, autzer Aufdeckung der
We'hrwege, wenn die Ausgrabimgen auf der Burg von der
westlichen oder vorderen Seite begoimen nnd fortgcsetzt wer-
den, allerlei Altertümer anfzufmden, wie sie zum Teil in den
60er Jahren bei Ansgrabimgen schon gefunden wurden. Be-
sagte Fimde, die damals zn Tage Vefördert wurden, sollen
im archäologiscksen Jnstitnt in Karlsrnhc anfbeivahrt sein.

-si Neckarbischofsheim, 4. September. (D a s fünf-
zigjährige I u b i l ü n m der hiesigen Pr-ivat-
Realschule) fand gestern nnter zahlreicher Beteilignng
hiesiger und auswärtiger Festteilnehmer statt. Jnsbesondere
waren es frühere Schüler, die in dankbarem Gedenken mr ihre
frühere geistige Nährmutter es fich nicht nehmen ließen, cm
dem Feste teilzunehmen. Unter anderen war nuch Herr Städt-
psarrer S ch m i t t h e n n e r - H e i d e l b e r g, frnherer
Schüler und nachmaliger Lehrer und Leiter der Schule ein-
getroffen. Eingeleitet wurde die Jubiläumsfcier durch ein
Bankett am Dienstag Abend, das eine grotze Anzahl Teil-
nehmer im Gasthaus ziim „Adler" vereinigte. Der eigentliche
Festakt fand gestern Vormittag im schön dckorierten Rarhaus-
saale statt, Ivoran sich ein Festessen im Gasthause zum „Drei
König" anschlotz. Die von Freundcii und ehcmaligen Schülern
gestiftete Jubilänmsgabe ergab den schönen Betrag von ca.
1250 Mark, ans dessen Zinsen unbcmittelten, aüer befähigten
Schülern Schnlgeldnachlässe gcwährt iverden sollen. Ein Vier-
tcl des Zinsertiägnisses wird kapitalisiert, bis däs Stiftungs-
kapital Mark 3000 betrügt. Es war eine- schöne Fcier, dic
Zengnis ablcgte von der Liebe und Dankbarkeit, die die
früheren Schüler der Schule entgegenbringcn.

8L Mannheim, 4. September. (D i e M a n nheimer
F l c i s ch e r i n n u n g) bcschlotz, dcn Preis fiir Schweme-
fleisch auf 90 Pfennig (bisher 80 Pfennig), für Kotelettes auf
1 Mark zu erhöhen, fiir Rindfleisch bleibt der Preis von
70 Psennig. Auch für Wurstivareii ivnrdc ein cntsprechettder
Preisaiifschlag beschlossen.

Mannheim, 4. September. (S e I b st m o r d.) Jn
FeudenlsiLim stürzte sich gestern dcr 30 Jahre alte
Landwirt Valentin Schaaf, Sohn des Altbürgermeisters
Schaaf, ans dem dritten Stock des Wohnhauses nnd war
sofort tot. Als Beweggrimd der That nimmt man Geistes-
umnachtimg an.

Karlsrnhe, 4. Scptember. (Todesfall.) Leopold
Willstätter, dcr Mitinhaber dcs bckaimtcn Bankhanses
Veit L. Homburger, ist heute in dcr Schweiz am Herzschlag
g e st o r b e n.

8L Offenburg, 4. September. (S t ü d t i s ch e s.) Das
Ministcrium dcs Jnnern erhob gegen die Zulassung einer be-
schränkten Anzähl von Frauen znr Mitgliedsckiaft des Armen-
rates keine Bedenken. — Am 1. Jannar (b-eim Jnkrafttreten
der Städteordmmg) findet eine vollständige Erneuerung der
Gemeindcvcrwaltimg statt.

Diirrhcim, 4. September. Hcute verlietz die vierte
diesjährige Llbteilnng erholungsbedürftiger Kinder, 57 an
dcr Zahl, das Kindcrsoolbad. Fiir die nächste Abteilung,
wclche Ende diescr Woche eintrisft, sind bercits wicder 60
Kindcr angemeldet. Die Resultate dcr Knr sind günstig, zum
Teil sogar vortrefflich.

8L Boxvcrg, 4. September. (Auf der hiesigen
Schlotzruine) des Hcrrn bon Rosenberg sind die Grund-
mauern des rnnden Turmes aufgedeckt worden. Die Schützen-
gesellschaft läht den Tnrm nen erstellen, anf der Ruine
eincn Schießplatz imd antzerdcm auch Restaurationslokalitäten
einrichten.

7 Schiltoch, 4. Sepember. (Erstochen.) Auf dem
Schöngrund, Gemeinde Lchcngericht, kam es zwischen dem
24jährigen ledigen Schneidergcsellcn Hermcmn Huber rmd dem
37 Jahre alten verheirateten Landwirt Mathias Wolber zu
einem Wortwechsel, der in Thätlichkeiten ausartete. Hierbei
stietz Herm. H. dem Lmidwirt M. W. mit einer Scheere in den
Hals nnd durchstach die Hanptschlagader, so dntz Wolber nach
Verlauf einer Viertelstimde eine Leichc war. Der Thäter
stellw sicki sclbst.

80 Bonndorf, 4. September. (Sturz.) Leutnant
Nicolai vom 6. badischen Artillerie-Regimcnt Nr. 76 stürzte
im Manövcr mit seincm Pferde imd brach lant „Fr. Ztg."
ein Bein.

Dienstnachrickiten. Nus dem Bereiche des Großb. Ministerinms
des Jimern. Franz Schweinfurtb. Verwoltimgsaktuar beim
Amt Wiesloch, wurde eine Nktnarsstelle beim Amt Rastatt über-
tragen.

Heidelberger Bereinsangelegenheiten.

-i- „Concordia." Jn der gestern Aüend im Vereinslokal
„Harmonie" abgchaltenen Versammlung wurde einstimmig be-
schlossen, dcn diesjährigen Süngerausflug am Soimtag, den
14. September ds. I. nach Michclstadt-Erbach zu unternehmen.
Bietet doch schon der Ausflng an und für sich durch die Natur-
schönheiten der Gegend einen herrlichen Genntz, so bnrgen dis
getroffenen Vorbereitungen des Reiscmarschalls Herrn Seelig
gewih dafiir, dah jeder Teilnehmer auch sonst seine Befriedi-'
gimg findet. Die Mfahrt erfolgt morgcns gegen 7 Uhr und
die Riickfahrt gegen 8 Uhr abcnds.

Das Kapuzinerstückchen von 19V2.

Der Guardian der Kapuziner in Sigolsheim teilt im
„Beobachter" ein Schreiben des Paters Irenäus über

das neulich erwähnte Vorkommnis von 1896 mit. Das
Schreiben lautete:

Jm Fahre 1896 lam eine Frau von Forchheim am Kaifersruhl
mit einem Schreiben, in dem ich ersncht wurde, diese Frau,
wetche sich für vesessen hielr, zu prüfen. Meine erste Frage an
dieselbe war die berr. nachgefuchker ärztlicher Hilfe. Dieselbe be-
stanü darauf, datz fie besessen sei und ein Arzt ihr nicht helfen
lönne, und verlangre Exorcismus. Jch sagte ihr, datz ich
dazu bischöflicher Erlaubnis von Stratzburg bednrse. Sosort
wollre die Frau nach Stratzburg reisen, solche für mich zu
erwirken. Tas verwehrte ich ihr mit der Bemerkung, datz
ich unter keinen Umjtänden den Exorcismus aiiwenden würde.
Denn ich konnre mich nicht überzeugen, datz Besessenheir bei
ihr vvrliege. Um jedoch grötzere Sicherheit für meine Ableh-
nung zu gcwimien, wandle ich die gewöhnlichen, kirchlich gur-
geheitzenen Prüfungsmitrel an. Datz die Frau bei Berüh-
rung gewöhnlichen Wassers erregt wurde, ist wahr; datz sie
geschrien und gerobt habe, spielt jedoch nur in der Phantasie
des Herrn Jimghanns oder seines Gewührsmaimes. Da ich
nun in keiner Weise auf Besessenheit schlietzen koimte, riet ich
der Frau, an einen Arzt sich zu lvenden und entschlotz mich,
die exorcistische Gebetsformel Papst Leo IX. über sie zu spre-
chen und mit dem priesterlichen Segen sie zu entlassen. Als ich
damil angesaiigen hartc, nnterbrach sie mrch mit den Worren:
„Jch will nicht den kleinen Exorcismus sondern den grohen."
Von ersterem muh sie also Kermtins gehabt haben, da ich
durch nichts ihr zu erkemnm gab, dah ich diesen sprechen ivolle,
dcn sie aber wohl mntmatzte wegen der wiederholten Kreuz-
zeichen, ivelche dabei vorkommen. Jch erwiderte darauf nur:
„Jch beie für Sie und scgne Sie; das schadet Jhnen nichts."
Uiid darauf entlietz ich sie. Ob ich später in diescr >L>ache
eineii Brief an den Herrn Pfarrer von Forchheim zu schreiben
hatte, weitz ich nichr mehr. Der dortige Herr Psarrer wird
wohl Auskunfr zu geben wissen.

Das Schreiben des Paters bestätigt also die Angaben,
die Herr Innghans über diesen Fall gemacht hat. Der
Guardian, der das Schreiben dem „Beobachter" einsen-
det, knüpft daran eine lange Ausführung, in der er zu
beweisen sncht, daß doch nichts geschehen sei, was zur
absprechcnden Kritik berechtigt. Er sagt dabei n. a.:

Datz Besessenheir möglich ist, mutz Herr Junghaims zn-
geben, so lange er als Katholik oder auch nnr als bibel-
gläubig gelten tvill. Sollte aber seine religiöse Ueberzeugung
unter dieses Niveau herabgesimken sein, so gilt: „Contra
principia neganrem non est disputandnm", das heitzt mit einem
der das Prinzip lcugnet, ist nicht zu streiten.

Manche Leser erinnern sich vielleicht noch, daß in
Bayern vor einigen Iahren ein Kapuzinerpater Anrelian
einen Teufel anstrieb, der lange Jahre in einem Holzblock
gesessen und dann einen armen Christemiienschen be-
fallen hatte. Tamals hat man geglaubt, in dem ausge-
klärten Baden sei derartiges nicht mögüch. Nnn sieht
man, daß die Kapuziner auch bei uns bereit sind, nnter
Billigung ihrer Vorgesetzten Teufel anszutreiben nnd
böse Geister zu bcschwören. Sollen ihnen etwa Nieder-
lassungen in Baden gewährt werden, damit sie diese ihre
kuriose Spezialität hier bei uns in Schwnng bringen?
AlS vor einiger Zeit in Preußen Versnche von Gebets-
heilnngen bekannt wnrden, ist man dort energisch gegen
solchen Kram wingeschritten und Baden soll nnt Teufel-
austreibnngen beglückt werden?

Kleine Zeitung.

— Frankfurt, 4. Sept. Der „Frankf. Gen.-Anz."
erzählt: Gestcrn Abend kurz nach 12 Uhr wurde an der
Hauptwache der vor kurzer Zeit eingeschläferte und seiner
Barschaft beraubte stellenlose Buchdrucker Isenbiel wieder
von Leichenfleddercrn heiiugesucht. Vier Mämier setzteu sich
zu demselben auf ciuc Bank, und als er etwaS eingeschlafeii
war, wurde ihm Uhr. Geld, sowie seine Briestasche mit
sämtlichm Papieren und Zeugnisseu abgenominen. Cin
dazukommendcr Bietzger sah dies, und äls derselbe den
Bestohlenen anfmerksam machte, waren die Flcddercr ver-
schwunden. Der Bestohlene versuchte die Diebe aussiiidig zn
machen, was ihm nicht gelang. Er kam auf den Gcdanken.
sich noch eininal auf die Bank zn setzen, und ließ den
jungen Metzger in der Nähe aufpassen. Die Falle klappte.
Ein einzelner starker Mann kam auf den Dasitzendeii zn
nnd bisitierte seine Taschen, was er ruhig geschehen ließ,
da ja doch nichts mehr zu holen war. Jsenbiel packte den
Mann, der zu entkommen vcrsnchte. Er wurde aber sest-
gehalten und mit Hülfe eines SchutzmanneS ans das
Polizeirevier gebracht.

— Glogau, 1. September. Die Strafkammer ver-
urteilte den Grafen PückIer - Kleintschirne und dessen
Jnspektor Kirchner wegen H e r a u s f o r d e r n n g des
SanitätSrats Neumann zum Zweikampf mit tötlichen
Waffen, bezw. Kartelltragens zu 2 bezw. 1 Manat Fest-
ung. Die Staatsanwaltschaft hatte 1 Monat bezw. 11
Tage Festung beantragt.

— Drcbftahl in cincm fürstlichcn Palais zn Wicn.
Während der österreichische Erzherzog Otto in Ludwigs-
burg zur Beisetzimg seiner Schwester, der He^zogin
Margaretha Sotzhie von Württemberg weilte, ist, wie
aus Wien gemeldet wird, sein Schreibtisch im Augarten-
Palais erbrochen und seines Juhalts von 3800 Kronen
beraubt worden. Von dcm Thäter sehlt jede Spur.

— Die künstlcrischen Bestrebungen der Reichsdruckerei
haben, wie die „Tägl. Rundschau" schreibt, ein jähes Cmde
gefunden. Wie wohl noch erinnerlich, wurde seinerzeit eine
Reihe jüngerer Künstler, wie Sütterlin, Pankok, Sattler,
Knab, Ehmcke u. s. w., der Reichsdruckerei vcrpflichtet, um
den Arbeiten des Jnstituts einen höheren Schwung zu geben,
der ihnen sehr nottat. Jetzt teilt nun der Dcutsche Buch-
und Steindrucker mit, daß man an sehr hoher Stelle mit
dieser neuen Richtung nicht einverstanden gewesen sei nnd
daß infolgedessen nicht nur der Direktor der Reichsdruckerei
habe seine Entlassung nehmen müssen, sondern daß anch
die genannten Künstler entlassen worden seien. Dieselbe
Stelle habe sich auch seinerzeit sehr mißliebig über den
Buchschnmck geäußert, den der aus München berufene Herr
Pankok für den Katalog des Deutschen Reichs auf °der
Pariser Weltausstellung gesertigt hatte. — Weim sich das
hier Gesagte bewahrheitet, kann man nur sein ausrichtiges
Bedauern darüber ansdrücken, daß die Freude an der
neugeistigen Errimgenschaft so schnell wieder zerstört
worden ist.
 
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