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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0504

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berung nach Mexiko und zwar in das Territorium Fepic
gemacht^ Da die Verhälrnisse dort für deutsche Cinwanderer
autzerst ungünftig liegen, dürfte Vorsicht und Zurückhaltung am
Platze sein, ebeuso gegenüber einem offenbar sehr fragwür-
digen Kolonisationsunternehmen im Staate I a l i s c o.

-r- Ständchen. -Der Sängerbund Neuenheim 'brachte bor-
tzestern Abend Herrn Christoph Voth I und seiner Frau zu
ihrer silberncn Hochzeit ein Ständchen, welches das Jubelpaar
erfreute. Herr Voth ist Mitbegründer des Vereins.

- - Um dns Heidelberger Schlosr sehen zu können, war der
Knabe aus Maiuiheim, vo>r dem wir gestern berichteten, seinen
Eltern entlaufen und hierher gekommen. Das Versteck, aus
dem man ihn herborzog, sollte ihm als Nachtlager dienen.

— Polizeibcricht. Ein Frauenzimmer wurde wegen Um-
herziehens und ein Taglöhner ivegen Diebstahls vcrhaftet.

n. Handschnhsheim, 11. Sept. (L a n d w. Ausstel-
lüng.) Die von dem landwirtschaftlichen Konsum- und Ab-
satzberein Handschuhsheim veranstaltete heute beginnende Obst-
und Gemüse-Ausftellung ist in einer Weise durch fremde und
hiesige Aussteller beschickt worden, dah die grohen Räume des
Gasthauscs zur „Traube" nicht ausreichcn, um alles aufzuneh-
men. Die reichhaltige Ausstellung mit dem, was sie bietet,
Aertrifft alle Voraussetzungen. Der Besuch der Obstaus-
stellung ist warm zu empfehlen.

Bargcn, 11. Sept. (Unfall.) Gestern stürzte, dem
„Landboten" zufolge, der Maurermeister Peter Stitzelberger
von hier vom Gerüst und zog sich einen Rippenbruch und Ver-
letzungen an der Lunge zu, so datz sein Aufkommen sehr iir
Frage steht. Der bedauernswerte Mann ist Vater von sechs
Kindern, bon denen das älteste 12 Jahre alt ist.

Mannheim, 12. Sept. (K a r t e l l i e r u n g oder

Fusionierung der R h e i n s ch i f f a h r t s - G e s e l I-
schaften?) Gestern fand im hiesigen Parkhotel eine Zu-
sammenkunft der Direktoven der grotzen Mannheimer Schiff-
fahrts-Gesellschaften statt, um über die dermalige Lage des
Schiffahrtgewerbes auf dem Rhein Beratungen zu pflegen. Die
Beschlüsse werden vorläufig geheim gehalten, doch sollen weitere
Beschlüsse in Aussicht stehen. Wir verfehlen nicht, die autzer-
ordentlich wichtige Nachricht unseren Lesern zur Kenntnis zu
bringen.

8C Durlach, 12. Sept. (S cha d e n f e ue r.) Jn
G r ü n w e t t e r s b a ch brach gestern Nacht in dem Anwesen
des Accisors Friebolin Feuer aus, wovon auch die Schulscheuer
und das Schulhaus ergriffen wurden. Der Schops des erst-
genannten Auwesens und die Schulscheuer sind nach dcm
„D. W." niedergebrannt, während das Schulhaus nur beschä-
digt wurde. Ueber die Ursache des Brandes ist bis jetzt nichts
bekannt.

Baden - Baden, 12. Sept. (S t ä d t e k o n f e r e n z.)
Am 16. d. findet hier eine Konferenz der Bertreter der Städte-
ordnungsstädte statt. Dieselbe soll sich mit der Fleifch-
Leuerung und der Aufhebung der Grenzsperre, sowic mit
dem Staatszuschusse zu den Kosten der höheren Mädchenschulen
bcfassen.

Badcn-Badcn, 12. Sept. (F r e m d e n b e s u ch.) Die
diesjährige Fremdenfrequenz hat gestern in hiesiger Stadt die
Zahl 60 000 überschritten.

Kehl, 12. Sept. (U eberfa h re n.) Gestern wurde auf
der Lokalbahn Kehl-Bühl eine alte taubstumme Frau überfah-
ren und fofort getötet. Die Unglückliche war von der Maschine
völlig zermalmt worden. Der Zugführer hat fortgesetzt geläu-
tet, der Zug konnte jedoch nicht fchnell genug zum Halten ge-
bracht werden.

Triberg, 12. Sept. (Die Königin Mutter von
Jtalien) ist mit Gefolge hier eingetroffen und hat im
„Schwarzwaldhotel" Wöhnung genommen.

Donaueschingen, 12. Sept. (Vom Manöver.) Näch-
sten Montag wibd hier anlätzlich der Manöver der Groh-
herzog erwartet. Derselbe wird im fürstlichen Schlosse ab-
steigen und vier Tage hicr bleiben. Am Donnerstag, den
18. d. M., soll der Grohherzog beabsichtigen, mit der Bahn
bis Engen zu fahren, um sich von dort zu Wagen ins Manöver-
feld zu bege-ben. Am 18. kehrt der Grohherzog wieder hierher
zurück und begiebt sich am 19. nach Engen. Nach beendigter
Uebung reist der Grohherzog am 19. dann nach der Mainau
weiter.

Konstanz, 12. Sept. (Blitzschlag.) Während eines
Güwitters schlug d-er Blitz gestern Abend in Rielafingen
bei Singen ein und zündete. Drei HLuser brannten ab.

Cingesandt.

Heidelberg, 13. Sept.

Jn der am Donnerstag, den 11. d. M. erschienenen Num-
mer des „Hcidelberger Tageblatt" wird unter der Spitzmarke
„Besscre Bettelei" in Anlehnung an die Notiz eines Mann-
heimer sozialdemokratischen Blattes ein hiesiges Vorkommnis
in einer Art und Weise besprochen, die den Thatsachen keine
Rechnung trägt und wegen ihres Tones einer entschiedenen
Zurückweisung bedarf.

Den Gegenftand jener Notiz und Äer daran geknüpften
Kritik des hiesigen .„Tageblatts" bil'dete eine von f r ü h eren
Schülerinnen der Höheren Mädchenschule imKreise ihrer
K l a s s e n k a m e r a d e n veranstaltete Sammlung von
Beiträgen, wclche zu einer Festgabe für den allgemein belieb-
ten und verehrten ehemaligen Lehrer gelegentlich der 25jährigen
Jubelfeier der genannten Schule verwendet werden sollte.

Nach der vom „Heidelb. Tageblatt" beliebten Darstellung
erhält man den Eindruck, als ob es fich hier um ein Angehen
weiterer Kreise, insbesondere auch der Elternjetziger
Schülerinnen gehandelt habe. Diese Darstellung trifft aber in
teiner Weise zu. Die Veranstaltung war, wie nochmals betont
sei, einzig und alleiu auf frühere Schülerinnen be-
fchränkt, zu denen der gegenivärtige Schulvorstand in keiner
amtlichen Beziehung mehr steht.

Wäs hier begonnen Worden, ist anderwärts, so z. B. in
Frcmkfurt a. M., Krefeld und Leipzig ganz unbeanstcmdet und
unter grotzem Beifall zur Durchführung gelangt.

Wie sehr die gegebene Anreguttg dem Herzenswunsche der
früheren Anstaltszöglinge entsprach, beweist die überraschend
grohe Zahl von Frauen und Mädchen aus den verschiedensten
Ständen, welche sich dem Unternehmen mit Freude und Be-
geifterung angefchlossen haben. Leider lietzen fich unter den
ehemaligen Schülerinnen auch einzelne ganz wenige finden,
welche das ihnen entgegengebrachte Bertrauen auf Diskretion
mitzbrauchten und diese rein private Angelegenheit, die der
geplanten Ueberraschung wegen geheim gehalten werden mutzte,
Ler Oeffentlichkeit überrnittclten. Mehr aüqr ist es zu 'bedauern,
datz ein hiesiges Blatt fich öhne genauere Kenntnis der Sach-
lage Wer diefe Angelegenheit ein Urteil herausgenommen und
gegen hunderte hiefiger Bürgersfrauen und -Töchter den Vor-
wnrf einer unpassenden Handlungsweife erhoben hat.

fchlosse Stors habe ersparen wollen, aber offenbar hatte
er es versäumt, bie Erlaubnis 'des Hcrrn Loubet, welcher
als Präsident der Republik der Herr des Hauses war,
einznholen. Als die Amme mit dem Täufling ankam,
wäre es unmöglich gewesen, sie unterzubringen, wenn
Fran Loubet nicht eines ihrer Zimmer hergegeben hätte.
Weine llrsachen, grotze Wirkungen! ruft der Erzähler
aus, der den Hut der Marqnise mit dem Glase Wasser
vergleicht, das die Herzogin von Marlborough über das
Kleid der Königin Anna ausgoß.

Kleine Zeitung.

— Kaffel, 12. Sept. Bei einem Gewitter wurden
gestern auf sreiem Felde zwischen Leinfelde und Wanfried
4 Arbeiter durch einen Blitzschlag getötet.

— Greisswald, 8. Sept. Einen beklagenswerten Un-
fall erlitt, der „Ostseeztg." znfolge, gestern Vormittag der
Germanist Geh. Rat Prof. Dr. Reifferscheid, der zur
Zeit in seiner Villa in dem Ostseebad Lubmin wohnt. Er
hatte das Unglück, mit einer Leiter, die er an den Balkon
der Villa angelegt hatte, nmznfallen, wobei er beide Beine
brach, das eine am Schienbein, das andere am Knöchel;
beide Brüche sollen gesplittert sein.

— Der Wert eines Andenkens. Die verstorbene K ai-
serin Elisabeth von Oesterreich schenkte vor einigen
Jahren nach einem Kuraufenthalt in Langenschwalbach das
von ihr benützte, an stch wertlose Trinkglas dem Brnnnen-
müdchen, das sie bedient hatte. Auf Umwegen gelangte das
Glas, wie der „Frankfurter Zeitung" geschrieben wird, in
die Hände eines Wiesbadener Antiquars, der es jetzt um
eine sehr hohe Summe, angeblich 20000 Mk., an zwei
Herren verkauft haben soll, die es dem Kaiser von Oester-
reich zum Geschenk machen wollen.

— London. 12. Sept. Prinz Franz Joseph von
Braganza wurde von der Anklage des Sittlichkeitsver-
gehens freigespro ch en.

Kandek und Werkehr.

Frankfurt, 12. Septbr. Effektensozietät. Abends 6V« Uhl.
Kreditaktien 218.20—40 b, 218 b. cpt.. Disconto-Commandit
188.10 b., Berliner Handelsgesellschaft 158 b., Banque Ottomane
116.50 b, Lombarden 20.80-70 b.. Neue Boden-Akt.-Ges. 154.20
b. G., 3proz. Mexikaner 27 b. cpt.. 5proz. amort- do. 41 b. G.
ult., 41.40 B. 30 G. cpt., 3proz. Portugiesen 31 b. G. cpt.,
39.90 b. ult., Türk. Lose 123-124-123.40 b.. Harpener 167 b.
G., Hibernia 172.90 b., Oberschl. Eisen-Jndustrie 113.40 b,
Concordia 277.30 B. 20 G.

6V. bis 6-/2 Uhr: .

An der Abendbörse war das Geschäft still. Banque Ottomane
und Türk. Loie wurden auf Pariser Jmpuls zn etwas höheren
Kursen umgesetzt.

Hetdelberg, 13. Septbr. (Marktpreise.) Heu der Zentner

2.80—3.00, Korn-Stroh der Ztr. 180—2.00, gem. d. Ztr,

1.60—180, gelbe Kartoffeln der Zentner 2.20—2.50,
Butter in Ballen 1.05—l.10, tn Pfund 1.10-1.29,
Zwiebeln 6—7 Knoblauch 35 Bohncn 6—8 Erbsen
12—15 Gebund Gelbrübcn 2—3 Eier das Stück 5—6
das Hunderl 5.50—5.80 Pftrsiche das Stück 2—3
Zwetschgen das Pfd. 8-10 Mirabellen das Psd. 25—30
Reineclauden das Pfd. 18—20 Blumenkohl d. Stück 30—40
Rotkraut 18—20 Weißkraut 12-15 Wirsing 6-10 Kohl-
rabi2—4<Z, Boden-Kohlrabi 8—10 Sellerte 8—10^, Lauch
2-3 Rettich3-5 Meerrettich 20—25 Gurken8—10^,
Einmachgurken 100 St. 1.10—120 Weiße Rüben das Stück
2—3 Rote Rüben 6—8 Kopfsalat 5—6 Endivien 4—6
Aepfel das Stück 2—3 das Pfund 6—3 Birnen das
Stück 2-3 das Pfund 8—10 Gebund Petersilie 1—2
Gebund Schnttllauch 1 Radieschen 2—3 Johannisbeeren
12-15

Wiesloch, 12. Septbr. Der heutige Schweinemarkt war
mit 98 Stück Milchschweinen befahren. Preis für das Paar
18—25

Eppinge», 12. Septbr. Der heutige Schweinemarkt war
gut besuchl, und waren 633 Stück Milchschweine sowie 35 Läufer
zugeführt. Das Paar Milchschweine kosiete 25—35 Läufer
54—93 „«I

-r- Aus Baderr, 12. Sept. (Hopfe n.) Da die Produ-
zenten rnit Abgabe ihrer Ware zurückhalten, mit ihrer allge-
meinen Klage, daß sie für ihr Produkt zu 'wenig bekommen,
geht der Verkauf in den letzten Tagen etwas langsamer von
statten. Schwetzingen erntet 600—700 Zentner, vcm
denen eimge 50 Bällchen zum Preise von 60—75 Mk. per
Zentner verkauft wurden; hier erwartet man die Grohbrauer-
klmdschaft, welche gern 6—10 Mk. per Zentner mehr bezahlt.
— Schriesheim verkcmft fortgesetzt zu den Preisen von 70 Mk.
für den Zentner und Trinkgelder. Neckarhausen, Edingen und
Ladenburg zu 65—70 Mk., Sandhausen zu 75 Mk., Reilingen
zu 55—65 Mk. und Kirrlach zu 65—70 Mk. per Zentner.
Tendenz abgeschwächt.

WasserstandSnachrichten

N eckar.

Heidelberg, 13.. 1,15. gest. 0,01m
Heilbronn, 12., 0,43. gef. 0,00m
Rannheim, 12., 3,80, aef. 0.06m

Rhein.

Lauterbnrg. 12.4,31, gef. 0,08-r
Maxau, 12., 4,36, gef 0,06w
Manubeim. 12 . 3.86. aek. 0.06m

Briefkasten. Der verantwortliche Redakteur tritt heute
einen mehvwöchigen Urlaub an. Es wird gebeten, sür den
redaktionellen Teil der „Heidelberger Zeitung" bestrmmte Zu-
schriften nicht an erne persönliche Adresse, sondern an die

R e daktio n zu richten.

Wom Kaisermanöver in der Wmark.

Pieske, 11. Sept.

Der drittc Manövertag.

Es war, so schreibt die „Köln. Ztg.", 4 Uhr mor-
gens, als uns von Frankfurt aus der Fnrstenzug ins
Manövergelände brachte. Sobald es Tag wurde und
der Zug durch die feindlichen Stellungen fuhr, die zwei
bis vier Kilometer von einander lagen, konnte man zu
beiden Seiten der Bahn noch die erlöschenden Biwäk-
feuer beobachten. Die Truppen aber waren schon wieder
in 'Bereitschaft. Das bIaue Korps hatte also heute
morgen eine fast senkrecht zn seiner gestrigen Aufstellung
sich hinziehende Stellung hinter der Bahnlinie Zielenzig-
Schermeisel inne. Nachdem gestern die rote Kavallerie-
division L über Groß-Görzig gegen die linke Flanke
von Blan vorgegangen war, mußte sie auf eine beim
roten Generalkomman'do eingetroffene Meldnng hin so-
fort zur Verbindung mit dem in der allgemeinen Kriegs-
lage angenommenen, durch Schlesien in der Richtung auf
Sagan marschierenden, auf Krossen vorgehenden 6.
Armeekorps in sndlicher Richtung entsandt werden. Jn
Wirklichkeit aber schied auf Anordnung der Manöver-
leitung die Kavalleriedivison 8 für den heutigen Tag
aus dem Verbande des 6. roten Korps aus und war
für dieses. heute nicht vorhanden. Sie bildete die von
Lands'üerg an der Warthe neu eingetrosfene Kavallerie-
division, die sich mit der von zu dem aus 16 Kaval-
lerie-'Regimentern bestehenden Kavalleriekorps bet
Weiszensee vereinigte.

Der Kommandierende des roten 3. Korps beab-
sichtigte heute früh bereit zu stellen: die 41. Division
nordwestlich von Tempel, die 10. Division hinter der

Hohe von Schmacht und die 9. Tivlsion als Deckung der
linken Flanke des Korps ans den Höhen dicht westlich von
Grochow gegen Gleißen und das Seevorwerk. Ter
Kommandierende von blau, der durch das Kavallerie-
korps, dessen Führung heute morgen der Ka iser über-
nommen hatte, wesentlich stärker als sein Gegner war,
beschloß heute früh den Angrif f.

Jn den hier angefü'hrten >stellungen besanden sich
die beiden Armeekorps, als die Fürsitichkeiten und die
Manöverleitnng und kurze Zeit daraus auch dieKaise -
r i n im Sonderzug gegen 6U Uhr auf Station Teinpel
eintrafen. Die hohe Frau, die ein schwarzes anschließen-
des Reitkleid und hohen Reithut trng und sich in Be-
gleitung der Hosdame Gräfin Gersdorf, des Oberhof-
meisters Freiherrn von Millbach und des Kammerherrn
Grafen 5l'eller befand, bestieg sofort einen prächtigen
Fuchshengst nnd ritt zur Höhe 122 nordmestlich von
Tempel, wo sie vom Prinzen Ludwig von Bayern
und den übrigen Fürstlichkeiten begrüßt wurde. Von
sener Höhe ans konnte man bei prächligem Spätsommer-
wetter und klarem Himmel das ganze Gelände vorzüg-
lich überblicken. Gegen 7 Ilhr blitzten von den Höhen
von Falkenwalde, von Neüdorf, von Eichberg und Posers-
felde sowie von den Gleißener Höhen die ersten Schüsse
der dort in einer weit ansgedehnten Stellung aufgs-
stellten Batterien von bl a n aus; sie wurden sosort von
der roten Artillerie erwidert. Anf der ganzen Linis
entbrannte bald ein hestiges Artilleriegefecht. Die 1.
Garde-Jnfanteriedivision stieß von Eichberg-Neudors aus
mit langen Schützenlinien gegen die die Hö'hen bei Tem-
Pel besetzt haltende 41. Division, in deren rechte Flanke
sich nun auch bald das von Grnnzing-Zauche vorstoßende
Garde-Füstlierregiment drückte. Bei der fahrbaren
Funkensprechstation, die sich bei der Manöverleitung bs-
fand, ging von der ebenfalls fahrbaren Funkensprech-
station Weißensee ein Telegramm ein, daß sich das Kaval-
leriekorps seit 6 Uhr unter Führung desKaisers
in Marsch von Weißensee über Kurzig besinde. Diess
F u n ke n st a t i o n e n sind, wie nebenbei bemerkt sei,
so eingerichtet, daß sich in einem besonderen Funkenwagen
der Empfangs- und SendeaPParat und ein Tisch befin-
det, cin dem ein Telegraphist nach dem Morseschen Sy-
stem Depeschen annimmt oder weiter giebt. Das Kabel,
welches den Funkensprechballon hält, ist zugleich die Lei-
tung für den am Ballon hängenden Annahme- und
Sendedraht. Diese Funkensprechstationen, von denen sich
je eine führbare bei den Generalkommandos der beiden-
Korps und je eine bei den Kavalleriedivisonen 'befinden,
und von denen feststehende in Lonnenburg aus dem
Kirchturm und am Egepfuhl im großen Buchwalde er-
richtet sind, arbeiteten tadellos.

Der Kamps auf dem weiten übersichtlichen Gelände
entwickelte sich immer heftiger. Größere Kolon-
nen der 1. Garde-Jnfanteriedivision nnd der 6. Jnsan-
teriedivlsion entwickelten sich gegen die, auch auf dem
rechten Flügel mit den Garde-Füsilteren im Gefecht be-
sindliche 41. Division; auch die 10. Divrsion bei Grochow
sah sich hart bedrängt, und die 'beiden roten Divi -
sionen wichen langsam über die Bahnlinie Meseritz-
Drossen zurück. Währenddem konnte man von 'der
Höhe bei Tempel, auf der die Manöverleitung und die
Kaiserin hielten, die von Knrzig aus auf Pieske in lan-
ger Linie sich gedeckt entwickelte Kavalleriemasse beo-
bachten. Auf den Höhen südwestlich von Kurzig fuhren
die beiden den Kavallertedivisionen beigegebenen Abtei-
lungen der reitenden Artillerie in Stellung und unter
ihrem Schutze und dem heftigen Feuer der drei bei dem
Davalleriekor'ps ibefin'dlicheni lMaschinengewehüabtetluni-
gen gelang es diesem, zwischen Tempel und Pieske die
Bahnlinie unter verhaltnismäßig Igeringen Berlusten
zu überschreiten, da die rote Artillerie der 41. Division
auch gerade zurückgtng. Auf dem weiten freien Gelände
nordöstlich von Pieske entwickelte der K a i s e r dann das
Kavalleriekorps zu einem überaus Packenden Reiter-
angriff gegen die stark geschwächte 41. rote Dtvtsion.

5 Minuten vor 9 Nhr ertonte das Signal zum An-
reiten des ersten Tresfens der Kavallerie, die links gestaf-
felt, die Leib-Husaren-Brigade auf dem rechten Flügel,
wie eine Windsbraut, ohne Rücksicht auf vereinzelte Hin-
dernisse, über das Feld dahinbrauste. Es erfolgte zwar
ein Gegenangrifs eines zur Sicherung des rechten
roten Flügels entsandten Regiments, aber natürlich er-
folglos. Bald verschwand die dahin jagende Reitermasse
htnter einer Bodenwelle, dcmn tauchte sie wieder auf,
um hinter einer Waldparzelle abermals auf Sekunden
zu verschwinden. Jmmer nene Regimenter fluteten da-
her; es war das zweite Treffen des Kavallerie-Korps,
aus dem sich die weißen Uniformen des Regiments dec
Gardes du Corps nnd des Gard-e-Kürassier-Regiments
hell abhoben. Jetzt verschwanden dis Regimenter des
ersten Treffens hinter dem Bahndamm, der einige Se-
kiinden später erklommen war, und wetter ging der ge-
waltige Stoß dieser Kavalleriemassen auf die zurückwei-
chenden Bataillone der 41. Division über eine noch feu-
ernde Batterie bei Grochow bis mitten in die sich zurück-
ziehenden Bataillone der 10. Divlsion. Für die 41. Di-
vision wäre im Ernstfalle die Wncht des Anpralles ver-
nichtend gewesen, wenngleich auch sicherlich gar ntancher
der kühnen Reiter den Rasen gedeckt hätte, ehe der An-
griff ausgeritten gewesen wäre. Es war ein außer-
ordentlich packendes Bild, das sich in dieser
Großartigkeit auch dem ältesten Manöverberichterstatter
noch nicht geboten hat. Ob der kühn angelegte Reiteran-
griff, den der Kaiser, soweit man sehen konnte, von einer
Hö'he südwestlich vom Tempel aus leitete, den erwünschten
Erfolg gehabt hat, das zu entscheiden, ist Sache der dazu
berufenen Schiedsrichter. Aus alle Fälle aber ist es
gnt, daß derartige Reiterangriffe geübt werden. (Nach
dem „Berl. Lok.-Anz." sind die Reiter acht Kilometer
galoppiert.)

Fast eine halbe Stunde lang hatte der Angriff gs-
dauert. ,Kurz vor 9 Uhr zeigte der Signalballon „d a s
Ganze halt." Der Kaiser nnd die Fürstlichkeiterr
begaben sich auf eine Höhe ber Tempel, wo PrinZ
Zl l b r e ch t heute des Oberschiedsrichteramtes waltete-
Die arrfs änßerst angestrengt gewesenen Kavallerie-Regi-
menter, die von der 6. Divrsion und ihrer Artillerie-
regimenter aufgenommen wurden, sammelten sich wäh'
 
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