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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0568

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tags, zu mehrtägigem Besuch auf Schloß Mainau ein-
getroffen. Am Sonntag, den 21. d. M., wohnten die
großherzoglichen Herrschaften dem Gottesdienst in der
Schloßkirche zu Mainau an. Montag, den 22., früh, ver-
ließ der Großhcrzog Schloß Mainau wiederum, um sich
nach Meßkirch zu begeben und von da während der nächsten
drei Tage den Corpsmanöoern des 14. Armeekorps an-
zuwohnen.

Ausland.

Eugland.

— Die beunruhigenden MeldungM über dns Be-
finden Lord SaIisburys haben im ganzen
Lande. ohne Unterschied des Partsistandpunktss. lebhas-
tes Bedauern hervorgerufen. Auch nach seinem Rücktritt
von dem Posten des Premierministers erwartete man
allgemein. daß der erfahrene Staatsmann noch lebhaf-
ten Anteil am politischen Leben der Iiation nehmen
werde, und dies um so mehr. als die gegenrpärtige Re-
Igierung seines Rates dringend b.darf. Besonders dürfte
dies der Fall sein, sobald sich Komplikationen in der
auswärtigen Politik einstellen, was für die nächste Zu-
kunft gar leicht möglich zu sein scheint. Der „Standard"
fühlt sich heute veranlaßt, in einem Lsitartikel einen
Vergleich zwischen dem Rücktritt Msmarcks und dem des
englischen Premiers zu ziehen, obwohl selbstverständlich
der erstere in einem nicht sehr vorteilhasten Lichte er-
fcheint. Es wird hier besonders horvorgehoben, daß der
englische Staatsmann seinen Einfluß auf die Geschicke
des Landes durchaus nicht mehr geltend zu machen wün-
sche, daß man aber seinen Rat stets gerne hören und in
vielen Fällen sogar erbitten werde, während bei dem
eisernen Kanzler gerade das Umgskehrte der Fall war.
Wor allen Dingen betont der Artikel aber, daß jeder Eng-
länder, seine schärfsten politischen Gegner nicht ausge-
fchlossen, es tief bedauern müsse, wenn Lord Salis-
bury nach seiner glänzenden Laufbahn, nach den unschätz-
baren Diensten, die er seinem Vaterlande geleistet, nicht
die wohlverdiente Ruhe eines ungetrübten, langen
Lebensabends zuteil würde.

Aum Tode der Königin Kenriette.

Brüssel, 22. Sept. Prinzessin Stephanie, jetzige
Gräfin Lonyay, die in Spa eingetroffen war, hat sich
gestern Abend nach Brüssel begeben, wo sie im „Hotel de
Flandre" abstieg, um hier mit der Fürstin Windischgrätz,
einer geborenen Erzherzogin von Oesterreich, zusammen-
zutreffen. Die plötzliche Abreise der Prinzessin von Spa
hat große Ueberraschung hervorgerufen und widerlegt die
Nachrichten von einer Versöhnung, die zwischen ihr und
ihrem Vater stattgefunden hätte. Es war der begreifliche
Wunsch der Prinzessin, am Sarge ihrer Mutter zu beten,
weiter wollte sie nichts, es heißt, sie sei, als der König
in das Trauergemach eintrat, damit beschäftigt gewesen,
die Blumenspenden zu ordnen und hätte sich auf ein Zeichen
des Königs sofort zur entgegengesetzten Thür hinausbegeben.
Als die Gräfin darauf das Hotel Bellevue, wo sie Wohnung
genommen hatte, verließ» bereitete ihr die Menge sympathische
Kundgebungen und rief: „Es lebe Prinzessin Stephaniel"
„ES lebe die Gräfin Lonyay!" Die Gräfin, der Thränen
in den Augen standen, antwortete mit bewegter Stimme:
„Jch danke Euch, ihr lieben Mitbürger."

Brüssel, 22. Sept. Die Gräfin Stephanie
Lonyay, Tochter des Königspaares, besuchte heute Vor-
mittag 10 Uhr mit zwei Ehrendamen die Messe in der
Kirche St. Jacques und begab sich, von der Bevölkerung
lebhaft begrüßt, ins Schloß des Grafen von Flandern.
Nachmittags ist die Gräfin nach Calais abgereist.

Dem König wurde vom Köntg von England mitge-
teilt, daß dieser beabsichtige, sich bei dem Leichenbegängnis
durch den Herzog von Connaught vertreten zu lassen. Kö-
nig Leopold sprach hierfür seinen Dank aus, ließ jedoch
wissen, daß nur die Mitglieder der belgischen Königs-
familie an der Leichenfeier teilnehmen werden.

Nach den amtlichen Bestimmungen wird die Leiche der
Königin heute Nachmittag 3 Uhr 40 Min. in Laeken ein-
treffen und alsbald in die nahe dem Bahnhof gelegene
Kirche gebracht werden. Später wird die Bevölkerung an
dem Sarge vorüberziehen, der alsdann in der königlichen
Krypta beigesetzt wird.

Brüssel, 22. Sept. Eine große Volksmenge hatte
sich nach Laeken begeben, um bei der Ankunft der sterblichen
Hülle der Königin zugrgen zu sein. Der Bahnhof von
Laeken und die anliegenden Straßen zeigten einfachen Trauer-
schmuck. Die Kirche war reich geschmückt. Um 3 Uhr
läuteten die Glocken sämtlicher Kirchen Brüssels und der
Vorstädte.

Spa, 22. Sept. Heute Mittag wurde ein vom Bischof
von Lüttich zelebrierter Trauergottesdienst zum Gedächtnis
der verstorbenen Königin abgehalten. Auf dem Wege, den
der Leichenzug durchfuhr, bildeten Militär und Vereine
Reihe; hinter ihnen hatte eine zahlreichs Volksmenge Auf-
stellung genommen. Die Leiche der Königin ruhte in einem
von acht Pferden gezogenen offenen Leichenwagen, auf
welchem Krone und Hermelin lagen. Hinter dem Leichen»
wagen schritt König Leopold, auf den Arm des Prinzen
Albert gestützt. Dann folgten die Minister, Generale und
zahlreiche Würdenträger. Dte Prinzessin Clementine hatte
sich in einem Wagen zur Kirche begeben. Keinerlei Fürst-
lichkeiten waren sonst anwesend, auch nicht die Vertreter
der auswärtigen Mächte. Alles trug einen ganz privaten
Charakter. Der Zug begab sich zur nahegelegenen Kirchc
von Laeken, die trotz des hellen Sonnenlichts von Kerzen
crleuchtet war. Die Kirche war nicht eimnal ganz gefüllt.
Hierauf wurde vom Kardinal die übliche Totenfeier ge-
halten und hiernach die Leiche in die Krypta hinunterge-
tragen. Der König und alle Personen folgten. Gleich
hiernach begab stch der König im geschlossenen Wagen nach
dem Schloß von Brüssel.

Die überstürzte Art und Weise, mit welcher das Leichen-
begängnis der Königin angeordnet und ausgeführt wurde,

erregte hier allgemeines Befremden im Publikum. Dic !
meisten Menschen in der Sladt wußten heiue Vormittag
noch gar nicht, daß die Belsttzung nachmittags statlfinde.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 23. September.

-i- Riimisch-kathol. Gemeinde. Bezüglich der Pastoration
der Katholiken in der Weststadt hat das Erzbischöfliche Ordi-
nariat eine Verordnung erlassen, wonach die Katholiken, welche
hier auf der Gemarkung Heidelberg südlich vom Neckar und
westlich der durch die Achse der Sophienstraße bis zum Wolfs-
garten hingezogenen Liuie wohuen, zu einer eigeneu Kirchen-
gemeinde vereinigt werdeu, unbeschadet i-hrer Zugehörigkeit zur
Gesamtkirchengcmeinde. Vom 1. Oktober d. I. ab ist dem je-
weiligen Pfarrkuraten an der Bonifatiuskirche die selbstündige
Pastoration dieser Westftadtgemeinde einschliehlich der Taufen,
Eheverkündigungen, Trauungen und Beerdigungen übertragen.
— Bei der Sitzung der katholischen Kirchengemeindevertretung
am gestrigen Sonntag waren 28 Mitglieder anwesend. Die
einzelnen Positionen wurden genehmigt. Für ein weggezogenes
Mitglied wurde Herr Zugmeister W. Blos gewählt.

X Deutsche Volkspartei. Hofrat Osthoff ist in den
weiter-en Ausschuß der Deutschen Volkspartei eingetreten.

X Unser neuer Amtsvorstand Geh. Regierungsrat Becker
wird am 15. Oktober hier eintreffen und die Geschäfte über-
nehmen.

X Ein Mikrograph stellte sich uns heute auf unserm
Redaktionsburcau in der Person des Herrn I. Sofe r, eines in
Paris wohnenden Rumänen vor. Er zcigte uns Bilder und
Ansichtspostkarten mit den Bildnissen berühmter und bekannter
Persöulichkeiten, des Kaisers Wilhelm II., des Präsidenten
Emile Loubet, des Papstes usw., Zeichnungen, die sich Zug
für Zug aus mikroskopisch wiedergegebeneu Stellen aus Brie-
fen, Reden usw. dieser Personen zusammensetzen. So enthält
zum Beispiel das Bildnis des Papstes über 500 000 Worte,
dasjenige des Präsidenten Carnot 62 000, dasjenige des Prä-
stdenten Loubet besteht einfach aus dessen Biographie. Die
Auflösung des jeweiligen Bildes in Worte vollzieht sich unter
der Lupe ganz leicht; dem unbewaffneten Auge aber bietct
sich ein Bild von unzweifelhafter Aehnlichkeit. Herr Sofer
wohnt hier, wo man seiner kunstreichen Arbeit sicherlich die
gleiche Aufmertsamkeit entgegenbringen wird, wie anderswo,
im Hotel „Prinz Karl".

* Ein schweres Unglück. Zu unserem Bericht von gestern sei
noch bemcrkt, daß der Berunglückte der ca. 50 Jahre alte
Meßgehilfe Johann Markman n ist. Die Mitteilung eines
andern hiesigen Blattes, wonach sich das Unglück am Volks-
schulneubau zugetragen haben soll, ist nicht richtig. Der Vorfall
hattc sich, wie in unserem Bericht richtig bemerkt, Sandgasse 12,
in einem Privatneubau, zugetragen.

O. Ferienstrafkammer. Vorsitzender: Landgerichtsrat
G a u t i e r. Vertreter der Großh. Staatsbehörde: Staats-
anwalt Dr. S e b o l d. 1. Schncider Georg E g e r von Salz-
stedten machte von Stuttgarr aus Reisen in die benachbarten
badischen Bezirke, wo er, ohne einen Wandergewerbeschein zu
bcsitzen, unter allerlei falschen Vorspiegelungen geringwertige
Uhren zu verkaufen suchte. Zu seinen Schwindeleien benutzte
er u. a. auch eineu gcfälschteu Pfandschciu. Das Urteil läutet
auf 6 Monate Gefäugnis wegen Urtnndenfalschung und 160
Mark Geldstrafe wegen Vergehens gegen die Gewerbeordnung.
Die letztere Strafe soll als dnrch erlitteue Untersuchungshaft
verbüßt bctrachtet werden. — 2. -Der 19jährige Schuhmacher
Karl Kellermann von Waschbach ist eines Sittlichkeits-
verbrechens angeklagt. Er hat an dem 6jährigen Töchterchen
seines Meisters hier Unsittlichkeiten vorgeuommcn und erhält
deshalb eine sechsmonatliche Gefäugnisstrafe. Die Verhand-
lung fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. — 3. Wil-
helm Merz, 21 Jahre alter Milchkutscher von Schleusingen
wird ivegen fahrlässiger Körperverletzung, vernrsacht durch
Außerachtlassung sciner Berufspflicht, zu 14 Tagen Gesäugnis
verurteilt. Er war am 13. Juli d. I. mit seincm Fuhrwerk
in scharfem Trab von der Brückcnstraße in die Rahmengasse
eingebogen und hat dabei eine Frau übersahren, die mehrere
Verletzungcn davontrug. 4. Der 22 Jahre alte Lanüwirt Georg
Mayer bon Dosseuheim ist der fahrlässigen Gefährdung
eines Eiseubahntransportes angeklagt uud wird demgemäß
zu 30 Mk. Geldstrafe, eventuell 6 Tage Gefäugnis verurteilt.
Am S. Juli war er mit einem bespannten Wageu vou einem
Feldivege aus über die Geleise der Nebenbahn gefahren, um
auf die Dosseuheimer Landstraße zu gelangen. Hierdurch wurde
cin Zuscrmmenstoß mit einem gerade daherkommenden Zuge
veraulaßt, durch den allevdings nur der eigene Wagen des An-
geklagten beschädigt wurde. Seine Einwände, man könne von
der fraglichen Stelle des Feldweges den herankommenden Zug
nicht sehen und es sei bei der Kreuzung des Feldweges mit der
Landstrahe kein Signal von der Lokornotive gegeben worden,
werden durch Zeugen als unzutreffend nachgewiesen. —
5. Stationsaspirant Josef Rößler von Rauenberg ist eben-
falls der fahrlässigen Transportgefähvdung angeklagt. Er
war als Stationsbeamter auf dem Bahnhofe Waldangelloch
der Wieslocher Nebenbahn von dem Zugführer eines äbfahren-
den Zuges auf einen auf dem Geleise liegenden Bremsschuh
ausmerksam gemacht worden. Er vergaß, densetben zu eut-
fernen und setzte dadurch den nachfolgenden Zug der Gefahr
aus, zu entgleisen. Rößler wird der Anklage entsprechend
zu 100 Mk. Geldstrafe eventuell 20 Tage Gefängnis verurteilt.

— 6. Schreiuer Johann Annweiler bon hier war beschul-
digt, in einer Wirtschaft in Schlierbach einen ganz gering-
wertigen Stock mitgenommen zu haben und wurde deshalb vom
Schöffengericht zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt. Hiergegen
legte er Berufung eiu, die heute zu einer Freisprechung führt,
da ihm die Absicht der rechtswidrigen Aneignung nicht nach-
gewiesen werden konnte. Die Kosten beider Jnstanzen hat
die 'Staatskasse zu tragen.

O. Strafkammer. Vorsitzeuder: Langerichtsdireklor Dr.
W e st. Bertreter der Grohh. Staatsbehörde: Staatsauwalt
Dr. Sebold. 1. Wegen verschiedener Diebereien hat der
wiederholt vorbestrafte Kntscher August Wilhelm Kläs von
Weilerswift sich zu vercmtworten. Jm Marstall, wo er eine
Zeitlang Reitknecht war, stahl er Reitgamaschen, später bei
einem auderen Dienstherrn eineni Nebenknecht eine Foppc und
beim Ilebernachten in einem Gasthaus in Rohrbach eiiiem Zim-
mergenossen eine Hose, Zugstiefel und andere Gegenstände.
Obwohl er erklärt, unschuldig zu sein, werden ihm die Dieb-
stähle nachgewiesen, und die Strase wtrd auf 1 Jahr 3 Monate
Gefäugnis abzüglich ein Monat Untersuchungshaft festgesetzt.

— 2. Die Ehefrau Karl Kornmaier von Großsachsen be-
treibt leidenschaftlich die Ausspielung von Gegenständen in
Wirtschafteu, ohne Hierzu polizeiliche Erlaubms zu besitzen.
Schon fünfmal hatte sie sich wegen diescs Vergshens zu berant-
worteu. Heute wird gegen sie aus dem gleichen Grunde auf
eine Gefängnisstrafe von 5 Tagen erkannt. — 8. Die Ehefrau
des Tapezierer Karl Hiebeler hier wurde vom Schöffen-
gericht wegen Diebstahls zu 3 Tagen Gefängnis verurteilt. S.ie
ist beschuldigt, einer in demselben Stockwerk wohnenden Frau
zwei Betttüchcr gestohlen zu häben. Die Berufung gegen das
schöffengerichtliche stlrteil wird als unbegründet zurückgewiesen.

j Schöffengerichtssitznng vom 22. Sept. Vors.: Herr Amts-

gerichtsdirektor Ribsteiu. 1. Jakob Baumann vork
Eppelheim erhielt wegeu Uuterschlagung 1 Monat Gefängnis.
2. Gegen Luise Müller von Heidelberg wurde wegen Unter-
schlaguug Vorsührungsbefehl erlassen. 3. Die Verhandlung gegeu
Karl Arnold und Genossen von Heidelberg wegen Äörper-
verletzung wurde vertagt. 4. Jakob Hähnle iu Hafr hier
erhielt wegen Widerftands usw. 8 Wocheu Gefängnis. 5. Ferdi-
naud Baierle in Haft hier wegen Diebstahls 2 Wochen Ge-
fängnis. 6. Karl S chulz von Handschuhsheim wegen Dieb-
stahls 1 Tag Gefäugnis. 7. Peter Schneeberger oou
Leimeu wegen BödroHung 3 Mk. Geldstrafe. 8. Fak. D ch u h-
m a u n hicr wurde von der Anklage wegeu Körperverletzuug
freigesprocheii. 10. Äarl Theodor Heilig hier erhielt wegen
Diebstahls 10 Tage Gefängms.

Unfall. Ein Fuhrknecht aus Plankstadt fiel geftern
Nachmittag in der Kaiserstraße oon eiuem beladeneu Stein-
wagen. Die Wagenräder gmgen über die Fütze des Mannes,
sodaß dieser mittels Tragbahre ins akademische Krankenhaus
geschafft werden mutzte.

— Polizeibericht. Eiu Zigarreumacher wurde wegen
Bettelns und eiue Kelluerin wegen Umherziehens verhaftet.
Wegen Unfugs, bezw. Ruhestörung kamen vier Personen zur
Anzeige.

Karlsrnhe, 22. ^Sept. Der Großherzog beschloß, daß
von den Zinfenerträgnisseu der L u i s e n st i f t u n g für 1902
deu uachgenannten Brautpaaren Aussteuergaben von je 3i5
Mk. verliehen werden: dem Taglöhner Friedrich Knechi und
der Pauline Martiu in Bittelbrimn, dcm Zimmergesellen Wil-
helm Rösch uud der Ernestine Rotzler in Hasel, dem Kaufmann
Heinrich Gans und der Kvroline Susanna Häuser in Karls-
ruhe, dem Zigarrenmacher Heinrich Beuder und der Sophie
Beigel iu Malschenberg.

SL Karlsruhe, 22. Sept. (Katholische Kirche.)
Mitte Oktober wird hier die neuerbaute katholischc Bernhardus-
kirche feierlich konsekriert werden. Der Stiftungsrat hat die
Eiiiladung des Domiuikanerpaters Bonaventura als Fest-
prediger vorgesehen. Dazu schreibt das „Mannh. Volksbl.":
„Bei den Beziehungen des Großh. tzauses zu dessen Ahnen,
dem seligen Markgraf Beruhard von Baden, dem Schutzheiligen
der Kirche, sowie mit Rücksicht auf die hochherzigen Scheirkun-
gen des Landesherrn für diesen Kirchenbau iu der Residenz,
ist selbstverständlich die Einladung des Großh. Paares zu dem
kirchlichen Festakt, sowie eine Anfrage bezüglich der Person
des Predigers erfolgt. Die Znsage des Erschemens der Großh.
Herrschaflen wurde umgeheud mit dem Bemerken erteilt, datz
auch der Festprediger genehm sei. Der Grotzherzog hat bisher
überhaupt keiu persönliches Vorurteil gegen Ordensleme zu
erkeimen gegeben. Erinuerlich ist, daß er vor etwa 3 Jahren
einen bekannten Kapuzinerpater, der in Karlsruhe eine Reihe
Predigten gehalten hatte, iu längerer Abschiedsauüienz em-
pfing."

Pforzheim, 21. Sept. (U n g l ü ck s f a l l.) Jn einer
Wirtschaft der Stefanienstraße ereignete sich am Samstag
gegen 1114 Uhr ein bedauerlicher Unglücksfall. Das 19 Jahre
alte Dienstmädchen Johaima Schendt aus Jllingen kochte Par-
kettbodenwichse auf einem Gasofen äb. Sie versäumte dabei,
die Büchse ins Wasser zu stellen. Durch irgend einen noch nicht
aufgeklärten Zufall schlug plötzlich die Gäsflamme in die Büchse
mit üer Parkettbodenwichse. Jm Nu stand auch das Mädchen
in hcllen Flammen. Dasselbe lief schreiend auf die Stratze,
wo von Passanten mittels Teppichen die Flarmnen erstickt wur-
den. Jn hoffnungslosem Zustande und mit fürchterlichen
BranÄwuudeii bedeckt, wurde das Mädchen ins Spital gebracht.

Aer WarteiLug der deutschen Aolkspartei.

Offenburg, 21. Sept.

Gesteru und hcute hielteu hier die Delegierten der Deut-
scheu Volkspartei ihren alljährlichen Parteitag ab, üer von
über 100 Vertretern besuchr war. Landtagsabgeordneier
Heimburger-Karlsruhe führte den Vorsitz, deu Parteiberichr
erstattete Dr. Rößler-Fraukfurt, der in eirrer Mahnung zur
Sarnmlung der Linkeir ausklang. Reichstagsabgeordneter Hosf-
mann-Hall erstattete den Reichstagsbericht und gab dabei unter
anderem der Geirugthnuirg Ausdrnck, dah der Reichstag auch
der Arbeitslosenversicherung sein Jnteresse zuwende. Jn Be-
zug auf die Zollpolitik hofft der Referent, daß ein Zolltarif
zustande kömme, der das Zustaiidekommen der Handelsverrräge
uicht erschwere. Prof. Heimburger berichtete über die Reform
der Wahlkreiseinteiluug für den Reichstag, die in ihrer jetzigeir
Gestalt nicht mehr den Bestimmungen der Verfassung em-
spreche, vor allem aber auch nicht mehr deu tharsüchlichen
Verhältnisseir und damit den Begriff des gleichen Wahlrechts
illusorisch mache. Eine Resolutiou in diesem Siuue wird
augenommen.

Nachdem die dem Bürgerlichen Gesetzbuche angepaßteu neuen
Satzungeu der Partei uach kurzer Befürworturrg durch Laud-
tagsabgeordneterr Payer-Stuttgart arrgenomrnen, wird Heil-
bronn zum nächsten Versammlungsort bestimmt und Frank-
furt a. M. wieder zum Vorort gewählt.

Jn der heute früh um 9 Uhr beginuenden Beratung be-
richtete Dr. Zirndorfer-Frairkfurt übtr die Wohnuligsfrage;
nach längerer Debatte rmü nach Ablehnrrng einer Arrzahl Zu-
satzarrträgc wivd folgende Resolution angenommen:

„1. Die Deutsche Volkspartei erblickt in der Lösung der
Wohnungsfrage eine der wichtigsten und aktuellsten sozialen
Aufgaben, deren Jnangriffnahrne seitens des Reiches, des
Staates und vornehmlich der Gemeinde dringend geboten ist.

2. Behufs arigemessener Förderung der auf diesem Gcbiete
erforderlicherr kommunalen Arbeit ist eine gesetzliche Regelung
des Wo'hiruirgswesens erforderlich, welche Vorschriften zum
Schutze des gesunden Wohrrens enthält, die obligatorische Ein-
führilirg von Wohnungsrevisionen durch besondere Beamte der
Selbstberivaltung vorsieht und die Selbstverwaltung dahin er-
wertert, daß den Gemeinden die Wohnungspolizei übertragen
und die Möglichkeit gegeben wird, Bauplatzsteuern oder ährr-
liche Abgaben zu erheben und ZwangsumleZungen zur Schaf-
fung baureifen Geländes zu bewirken.

8. Seitens der Gemeindcn ist durch Bauplatzsteuern und
Geländezusammenlegungen der Geländesperrung entgegenzu-
wirken. Ferner ist durch sachgemäße Unterstützurrg gemein-
nütziger Baugesellschaften, durch Vergebung von kommunatem
Gelände in Erbbaurecht und durch Schaffung kömrrrurraler Bau-
kassen der Bau kleiner Wohnungerr zu fördern. Ergänzend ist
durch eigene Bauthätigkeit seitens der GLmeinden issinizu-
greiferr "

Landtagsabgeordneter Oeser-Franffurt a. M. erörterte die
Frage: „Wie stellen wir uns zu den Kartellen uud Shrrdikaten?"
Die interessanten Ausführrmgen gipfeln in folgender Resolu-
tion, welche Annahme findet:

„Der 22. Parteitag des Vereins der Deutschen Bolkspartei
fordert angestchts dcr schweren wirtschaftlichen Gefahren, dre
durch eine Reihe vou Unternehmerverbärrden, Kartellen Syn-
dikaten rmd Ringen hervorgerufen werden, die Vornahme einer
alsbaldigen. öffentlich-parlamentarischen Untersuchung. mn
die Grundlagen für eine Gesetzgebung zur Wahrung der
öffentlichen Jnteressen gegenüber dem Kartellwesen zu
fchaffen.

Jn das Zolltarifgesetz ist eine Bestimmung aufzunchmen,
die es dem Bundesrat unter Zustimmung des Reichstages er-
möglicht, die Zölle zu ermäßigen oder ganz aufzuheben, falls
der Zollschutz durch Kartelle rmd ähnliche Verbände mißbraucht
wird, urn künstlich im Jnland Preise zu bilden, welche im Mitz-
 
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