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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229-255 (01. Oktober 1902 - 31. Oktober 1902)
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folgte die Pensioulerung des Graseu Nostitz in der er-
wähnleu Weise.

Fraukrrich.

Lens, 4. Oktober. Der Ausstand der Gruben-
arbeiter dehnt sich über daS ganze Kohlenbassin von
Pas de Calais aus. Mon zäblt jetzt 19 491 Ausstän-
dige diescr Gegend. ZwischenWe sind nicht vorgekommen.

Asien.

Peking, 4. Okt. Die Damen der fremden Gesand -
schaften waren gestern bei der Kaiserin von China zum
Frühftück eingeladen.

Iuöitäum des städt Kaswerks

Heidelberg, 6. Oktober.

Am 1. Okrober ivaccu es 50 Jahre, seit das jetzrge städt.
Gaswerk als Prioaruiiternehmelr ius Lebeu rrar, uud 2S
Jahre, scir es iu den Besitz der Stadt übergiug. Aus üiesem
doppelteu Aulasz, namentlich aber wegeu des Zubiläums der
städtischen Besitzergrcifuug, faud gesteru eiue tleiire Feier ftatt.
Als Versammluilgsraum war die Maschiuenhalle des Elek-
trizitätswcrkcs auserseheu, vou dcr noch uahezu eine Hälfre
unbesetzt ist, die hübsch vcrziert uud ausgeschmückt, eiueu pas-
sendeu Versaimuluugsplatz bot. Dort vereinigteu sich die Ar-
beiter uud Augestellreu dcs Gaswerkes mit ihren Jugeuicureu
und eiuigen Vertreteru der Stadtoerivattuug gegen halb 11 lihr
zu eiuem kleinen Festakt.

Oberbürgermeifter Dr. Wilckcns trat zunächft an deu
Rednertisch und hielt an die Versammlung folgende, den
Zwcck der Fcicr erläuternde uud eine Anzahl thatsächlicher An-
gaben aus der Geschichte des Gaswerkes enrhalrende Ansprache:

Am 1. Oktober dieses Jahres wareu fünfzig Jahre ins
Land gegaugeu, seit der Betrieb des Heidelberger Gaswerks cr-
öffnet wordcn ist. Dasselbe wurde seiner Zeit von der Rhei-
nischen Gasgesellschafr erbaut, dic aufäuglich Coaks als Haupt-
produkr zu fabrizieren und das Gas nur als Nebenprodukt zu
gewinncn beabsichrigte, indes doch bald wieder von diesem
Worhäben zu Gunsten des Gascs aükam. Fünfundzwauzig
Jähre später, nämuch auf deu 1. Oktobcr 1871, wurde das
Gaswerk auf Gruud eiues Vertrages, 'welcher Ende 1851
zwischeu der Rheinischeu Gasgesellschast und der ^städtischen
Berwaltuug abgeschlossen worden war, von der Stadt an-
gekäuft, sowie iu Betrieb geuommen, und es gilt die heutige ein-
fache Feier spezicll diesem Ereiguis, bezw. der Erinnerung
daran, datz sich das Gaswerk nunmehr seit cinem Vierteljahr-
hundert im Besitze der Stadtgemeiude üefindet. Wir dürfen
wohl behaupteu, das; es für das Werk ein Vorteil 'war, als
es aus deu Häudeu eines Privatmiternehmers in diejenigen
der Sradt übergiug. Während sich seine Eutwickluug bis da-
hrn verhältnismätzig langsam vollzogen hatte uud über scinen
Betrieb maucherlei Klagen laut gewordcu wareu, täm letzterer
nunmehr bald in ein anderes Fahrwasser und es srieg iusbe-
sondere, abgesehen von den Jahren 1880 und 1881, in denen
die wirtschaftlichen Verhältnisse ungünsrig wareu, der Gas-
verbrauch vou Jahr zu Jahr in erhcblichem Umfaug, so datz
fich das Werk im Lause der Zeit für die Stadt nichr uur als
eine vortreffliche, immer mehr sich erweirernde Lichrquelle, son-
deru auch als eiue wertbolle Eimiahmequelle bethätigte, indem
die wachsendeu Betricbsüberschüsse iu die Stadtkasse flossen.
Wir verdankeu diese günstige Entwicklung zum uicht geringen
Teile eiucm Mami, der heute leider nicht mehr unter deu
Lebenden weilt, dcm Herrn Direktor Friedrich Eitner, welcher
mit deni Uebergauge des Werks in städtischeu Besitz die Leituug
desselben überuahm und solche bis zum April 1898 iu muster-
giltiger Wcise führte. Er war ein ausgezeichneter Techuiker,
dem die Stadt allezeit eiu dankbares Gedenteii bewahren wird.
Nber auch uutcr der Dircktiou seines Nachfolgers hat bisher
das Werk eiue durchaus erfreuliche Weiterentwicklung aufzu-
weisen gehabt. Wir vevdauken das Gedeiheu dieses groheu Be-
triebs aber auch dem Eifer, dem Fleis; uud der Pflichttreue
der Bcamten, Augcstellteu uud Arbeiter des Gaswcrks, deren
Dhätigeit wir — ebenso wie diejenige des Personals des
Wasserwerks uud des Elektrizitätswerks — gerne anerkennen
und deren Verhältuisse wir seit einer Reihe von Jahren in
finauzieller wie in rechtlicher Hiusicht zu bessern bestrebt waren.
Untcr den Angestellteu uud Arbeitern befindeu sich sechs, die
seit dem Uebergang des Werks iu städtischen Berrieb ihm uu-
uutcrbrocheu iu Treue thre Dienste gewidmet habeu. Es siud
dies die Herreu Jnstallatcur Seifert, Jnstallateur H e r r,
Aufseher Georg Hohlfelder, Beleuchtungsausseher
Knopf, Arbeirer Bergmaier und Arbeiter Adam
Hohlfelder. (Sohu des Georg Hohlfelder. Red.) Der
Stadtrat hat beschlosscii, deu Geuauuten eine Ehrengabe von
je 25 Mark zu bcwilligen, ivelche ich hiermit überreiche. Der
Stadrrat hat aber auch wciter beschlossen, allen Beamten, An-
gestclltcn und Arbeitern der städtischen Gas-, Wasser- und
Elektrizitätswerkc eiue Frcude dadurch zu macheu, daß er deu
Herrn Direktor Eisele ersuchte, mit deiiselben und mit ihren
Nngehörigen heute Nachmittag auf städtische Kosten eincn
Ausflug uach dem Dilsberg zu untcrnehmcu. Jch wiiusche
Jhnen allen einen schöuen uud frohen Verlauf dieser Festlich-
kcit und sordere Sie zum Schlutz auf, mit mir einzustimmen
in ein Hoch auf unseres liebes Heidelberg, dem wir alle unsere,
Kräftc widmen, mid das auch in der Folgc wachse blühe uud
gedeihel Unser Heidelberg hoch! hoch! hochl

Nachdem das Hoch vcrkluugen war, ergriff der Direktor des
Gas-, Wasser- mid ElektrizitätswerkZ, Herr Eisclc, das
Wort zu folgeuder Dankesrede:

Hochgeehrtcr Hcrr Oberüürgermeisterl
Geehrte Herreu Räte und Gäste!

Liebe Mitarbeiterl

Auf die soeben gehörteu frcuudlichen Worte uud Glückivüusche
des Vertreters der Stadt Heidelberg, uuseres oerehrteu Herru
Oberbürgermeisters, ist es mir eine augeuehme Pflicht, na-
meus des Gaswerkes, seiuer Beamteu uud Arbeiter uud der
mit dem Gaswcrk ihr 25jähriges Dienstjubiläum seieriideii
Veteranen den aufrichtigsten uud wärmsten Dank zum Ausdruck
briugeu zu dürfcu, mid die ehreudeu, freundlichen Worte, die
an sie gerichtet wurdeu, die sie auch iu deu laugeii Jahreu
der D'lrbeit uud treuer Pflichterfüllmig verdient habeu. Wir
dauken der Stadt Heidelberg für das uns bereitete schöne
Fest uud die dem Gaswerk allczeit bewieseue Fürsorge; wir
Dankeu den Herrcu aus dem Schotze der Stadtverwaltuug uud
den erschieiieueu Gästen dafür, datz sie es uicht vcrschmäht
haben, durch ihre Gegeuwart uuserer heutigen Feier eiue
höhere Weihe zu geben.

Das städrische Gaswerk Heidelberg weitz dic ihm zu sciuem
Jubeltage bewieseuen Ehrmigcn zu schätzen; es weitz auch, datz
es iu der Bürgerschaft, wie im Schotze der Sradtverwaltung
sich stets, uud besouders auch am heutigen festlichen Tage, leb-
hafter Würdigung und freundlicher Anerkennuug erfreut, uud
als ein wichtiges Glied im städtischeu Orgamsmus aiierkännt
wird. Aus kleiuen Anfängen heraus eiitstmrdeu uud als be-
scheidenes Werk vor 28 Jahren seiteus der Stadt überuommeu,
hat es sich bis zum heutigen Tage ohne seine Entwickluug im
Aeutzeren zu verleugneu, zu einem ganz bedcutenden indu-
striellen und gemeiunützigen Uiiternehmcn entwickelt, und die
Stadtverwaltung hat das prosperierende Werk gleich eiuer
guten, eierlegeuden Henne iu den 25 Jahren seines Bestehens
allezeit in treue Obhut genommeu, und ihm stets die Mittel

gerue beivilligt, dereu es zu seiuer Eutwickluiig Jahr für Jahr
bedurfre.

Bieles ist gekommeu uud wieder verschwuuden, VieleS an-
ders gewordeu iu deu 25 Iahren. Und mit dem Wcrdeu uud
Verschwiudeu der baulicheu Werkbesrandteile, sind auch die
Meuscheu allmählich audere geworden; die Reiheu der Alteu
habeu sich gelichtet, uur sechs Iubilare aus der Schar dcr
Arbeiter iveileu heute uuter uus uud blicken frohbewegt zurück
aus eine 25jährige Zusammengehörigkeit mit dem Werke; aus
dcr Zahl der Bcamteu ist uus aktiv keiner mehr geblieben, der
früherc laugjährige Direktor, Herr Kollege Eituer, hat das
Jubeljahr lcider nicht mchr erleben dürfen, dagegen freuen wir
uus, miseru liebeu alten Kassier Vogt unter deu Lebeudeu zu
wisscu. Deu Gegangeuen wollen wir eiu freuudliches Ge-
dcukeii üewahreu! Die Gebliebeuen aber uud auwescudeu
— Arbeiter uud Beamten — sie weitz ich mit mir eius im Ge-
fühle der Daukbarkeit gegenübcr unserer lieben Stadt Heidel-
berg uud ihrer Vcrtreter, iiisbefoudere aber auch uuserem ver-
ehrteu Herru Oberbürgermeister. Ilud als Ausdruck dieser Dauk-
barkeit für die dem Werke seiteus dcr Stadt allezeit bewieseue
Fürsorgc, für die uus heute bereitete Jubelfeier, für die den
Jubilareu überrcichte Festesgabe, für die ehrende Anwesenheit
der Herren aus der Stadtverwaltuug uud dcr Gäste mid für
die schöueu, freuudlicheu Worte des Herrn Oberbürgermeisters
eueucru wir hier das Gelöbuis treuer Pflichterfülluug uud uu-
ermüdlichcn Zusammeuarbeitcns — jeder an seiucm Platze —
zum Wohle mid Gedeiheu des Ganzen und wir bekräftigen das,
iiidem wir alle eiiistimmen in den freudigen Ruf: Es wachse,
blühc und gedeihc das Gaswerk und unsere licbe Stadt Heidel-
berg, an ihrcr Spitze die städtischeu Kollegicu uud der Hcrr
Oberbürgermeister. Sie lebeu hoch! hochl hoch!

Damit ivar die Feier in der Halle beeudct.

Ueber dcu Ausflug nach dem Dilsberg, der aufs
schLufte berlief, werdeu wir morgeu Eiuiges berichten.

Die Ginweihung der Wagenßasse der elektr.
Straßenbaßn.

si- Heidelberg, 6. Oktvber.

IIm deu etektrischeu Bctrieb auf der Straheubahu durch-
ziiführeu, hat die Stratzeubahngesellschast 17 Wageu auge-
schafft, davon sind 14 vou der Fuchsschen Fabrik iu muster-
giltiger Weise hergestellt, drei eutstammen dcm Wageupark der
Riauuheimer elektrischeu Bahn. Zur Uiiterbringuug dieser
Fahrzeuge ist hinter dem Schtachthofe nach den Pläneu des
Stadtbaumeisters Ehrmauu eine Halle erstellt wordeu. Gestern
Vormittag umi ivurde diese Halle eiiigeweiht >und damit die
Umwandluug der Pferdcbahu in eiue elektrische besiegclt.

Gegeu 11 Uhr faudeu sich beim Bayerischen Hof die Mit-
gliedcr des Stadtrats uud die Stadtvcrorduetcu uahezu voll-
zählig ein. Dazu die Vertreter der staatlicheu Zivilbehördeu
und diejeuigen des Militärstandes, auch Priuz Withelm vou
Weimar, Hoheii, erschieu zu der Feier. Um 11 Uhr kam Herr
Obervürgermeister Dr. Wilckeus von der Feier im Gaswcrk
uud uuu bestiegcu die Herren die vier bereitgehatteiieu Wageu,
ücren erster vom Direktor der Straßeubahngescllschaft, Herru
Wieck, persöulich geführt wurde. Die weite Wagenhalle macht
einen sehr frcuudlichen Eindruck, sie enthälr acht Geleise, sodatz
auch eiu erheblich vcrgröszerter Wageiwestaud dorr Uuterkuuft
fiuden ivird. Die Geleise liegen auf Brückeu, dcr Raum zwi-
scheu ihueu ist frei, sodatz mau jederzeit vou uuteu au die
Wageu heraukommcu kami, ivas fiir Reiiiiguug uüd Reparatur
sehr zweckmähig ist. Au deu Hauprraum der Halle schlietzen
zwer kleinere an, die mit Krahnen u. s. w. versehen sind uitd
zur Voruähme grvtzerer Reparaturen bestimmt sind. Eiu zwi-
schen ihueii liegeuder Raum dieiite gestern als Büffet.

Als niau iu der Halle augekvmmeu war uud dieselbe besich-
tigt hatte, begrützte Bürgernieister Dr. Walz als Vorsitzeuder
des Aufsichtsrates der Stratzeubähligesellschaft uamens dieser
die Erschieueueu, iudem er auf die Bedeutuug hinwies, die das
grotze Werk, welches heure der städtischeu Vcrtrctuug borgeführt
werde, für die Gesellschaft und für die gauze Stadt besitze.
Wemi es gelungen sei, den lange gehegten Wunsch vieler
Kreise so rasch zu erfülleu, so sei dies nicht alleiii das Verdienst
der tüchtigen Leitung der Gesellschaft, deren Direktor jeder Zeit
seine gauze bewährte Kraft eingesetzt habe, souderu eiu grotzer
Teil des Erfolges sei.der thätigen Mitwirkuug zuzuschreiben,
welche dcm Iliiternehmeu der Gesellschaft allezeit vou der Stadt,
ihrer Verwältuug sowohl, wie von der Bürgerschaft, zuteil ge-
wordcn. Deshalb sei das erste Wort, das iu dem ueuen Raum
gesprochen iverde, eiu Wort des Dankes. Die Versicherung des
Daukes dcr Gesellschaft au die Stadt Heidelberg, an ihre Ver-
ivaltuug uud Beamte, die,dcr Gesellschaft allenthalbcu miter deu
Arm gegriffeu, au den Bürgerausjchutz, derj ihr so fehr ent-
gegeiigekommeu, uud uicht zum mindestem auch an die Bevöl-
keruug, welche die Durchführuug des lluternehmcus erlcichtert
uud mauche Uumutzc ivährend der Arbeitszeit geduldig er-
trageu.

Möge das ucue Werk die iu dasselbe gesetzte Hoffuuugsn
erfülleu zum Segeu der ganzeii Gemeinde uud mögc es der An-
faug scin weiterer Unternehmuugen, welche alle Teile der Stadt
zu eiuer eugercu Gemeinschaft zusammeuschlietzen.

Auf die beifällig aufgenommene Ansprache erwtderte Ober-
bürgermeister Dr. Wilckens:

Iu dauke dem Vorredner, meinem verehrten Herru Kollc-
gen, für die freundliche Begrützung, die er uns uamens der
Heidelbcrgcr Straszen- uud Bergbähn-Gesellschaft hat zuteil
wcrden lasseu. Jch danke den Herren vom Aufsichtsrat imd vou
dcr Direktiou dieser Gesellschaft für die unter Mitwirkuug der
Stadt nunmehr glücklich durchgeführte Ilmwandluug des Pferdc-
bahnbctriebes iu einen elektrischen Betrieb und für ihre vielen
dcsfallsigen Bemühungen. Lebhaft erinnere ich mich heute dcs
Tages, an dem die Heidelberger Pferdebahu iu Bctricb genom-
men worden ist. Es geschah dies am 13. Mai 1886, und
man war damals allgemein der Ansicht, datz es eiiien grotzeii
Fortschritt darstelle, als die ersten Pferdebahuwagen unsere
Hauptstraße passierieu. Wir waren an jencm Tage uach der
Probesahrt iu der Harmonie beisammen, und es hat dort an
Redcn iiicht gefehlt, in dene'n auf die Bedeutuug des Unter-
nehmeus uud auf die Verdienste des leider inzivischen heimge-
gaiigcucn eigeutlichen Schöpfers der Pferdcbahn, des Herru
Z. Leferenz, eines ungcmein tüchtigeu und leistuugsfähigeu
Jngenieurs, hingewiesen wurde. Heute hat die Pferdebahn
ihre Missiou erfüllt. Unter der Aegide der Stadt tritt die
elektrischc Bahn an ihre Stelle, nnd ivir können nur wünschen
nnd hoffen, das; sie ihrer Aufgabe ebenso gerecht werden möge,
Ivie dies im Grotzeu uud Ganzen von der jetzt von uus schei-
dcudeu Pferdebähli gesagt wcrden kann. Es hat letzterc jeden-
falls die vcrschicdciien Teile unserer langgestreckten Stadt ein-
andcr näher gebrächt uud zur Ausgleichung mancher Jnteressen-
gegensütze beigetragen, die unter den Bewohnerii einzelner
Stadtteilc ab und zu sich geltend machteu. Die Anfordcruugcii,
welche iu dicser Richtung an dre elektrische Bahu herautreten,
sind noch erheblich grötzer, indem sich die Stadt inzwtschen be-
deutcnd ausgedehnt hat und nunmehr namentlich auch das
rechte Neckarufer auf bessere Verkehrsverbindungen begründe-
tcn Anspruch erheben darf, wie denn auch die bevorstehende
Bahnhofvcrlcgung der Stratzenbahn neue Ziele stecktc. Möge
es der Elektrizität gelingeu, all' diesen Ansprüchen Rechnnng
zu trageu; möge sich das neue Verkehrsmittel mit seiner schmn-
cken Ausstattuug in Bälde die Gunst des Publikums erringen
iiiid mögc die elcktrische Bahn die glückliche Weiterentwicklnng
der iu so erfreulickiem Aufblühcn begrifleuen Stadt aufs beste

sorderul Mir diesem Wuusche fordcre ich Sie aus, mit mir
zu rufeu: lluser geliebleS Heidelberg, dem das ueue llnter-
nehmeii zu Nutz und Frommeu gereichen möge, lebe hochl
hochl hochl

Nuumehr begabeu sich die Teilnehmer zum Büffet und
spracheu deu dort aufgestellren Erfrischuugeu, besteheud in be-
iegteu Brötcheu uud Weiu verschiedener Sorteu, fleitzig zu.
Dald uach 12 llhr wurde die Rückfährr iu die Stadt ange-
treten.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, Oktober.

Von der Universität. ?Ils Nachfolgcr fllr Prof. Kehrer
ist Prof. Dr. v. Rosthoru, bisher au der lluivcrsität Graz, auf
deu Lehrstuhl für Fraueuhcilkuude au die Iluiversirär Heidel-
berg berufcu wordeu. Rosthoru hat deu Ruf augeiiommen.

t. Die neue Maschine >ni Eleltriz'länwcrk. Wer geslern im
Maschinenraum des Elektrizitätswerkes der Jubiläumsfeier der
Gasanstalt beiwohnte, hatte Gelegenheit, die neue Maschine zn
besichtigeu, die dort aufgestellt ist und besonders zuin Speisen der
Leitung der elektrischen Straßenbahn dienen soll. Die Maschine,
von Brown, Boveri u. Cie. in Baden (Schweiz) nach dem System
Parson erbaut, ist eine Turbinenmaschine, d. h. der Dampf wirkt
direkt auf die mit Turbinenschaiifeln versehene Achse nnd setzt dieie
in geradezu rasenbe Bewegung, führt die Achse doch 38M Um-
drehnngen in der Minute aus. Neben den beiden großen Ma-
schinen nimmt sich diese wie ein Zmerg ans nnd dabei entwickelt
sie 200 bis 250 Pferdekräfte, also beinahe so viel wie einer der
Riesen. Die Maschine, die seit 4 Wochen in Thätigkeit ist, braucht
fast gar keine Wartung nnd kann — was ein großer Borteil ist —
in wenig Augenblicken abgestellt werden, wie dies auch gestern
kurz vor Beginn der Feier geschah. Die Jngenieure sind mit der
Maschine bis jetzt anßerordentlich zufrieden. Aller Voraussicht
nach wird dieser Typns bon Maschinen einen Siegeszng dnrch
die Welt machen.

X Schlosikonzert des Orchestervereins. Ermiinlerr durch
sehr zahlreichen Besuch beganu gesteru der O r ch e ft e r -
vereiu seiue W i u.t erkouzerte iu der Halle der
Schlotzrestauratioii. Das Hauptiuteresse bei dem gestrigen
Kouzert zog uaturgemätz der 7jährige Violiu-Virmose K a n
Aprad aus Bndapest auf sich. Der gute Rus, der dem klei-
ueu kvuragiertcn Geiger vorausgehl, wurde gesteru glänzend
gerechtfertigt. Die Fantasie aus Verdis „Troubadour" spieire
der kleiue Küustler mit gauz verblüffeiider Techuik, reiu und
gefiihlooll. iSodaun spielte er eiu sehr schwieriges Molo
Perpetuo vou Paganiui mit groher Fiiigerferligeir, nebst einer
allcrlieüst kiudlichen Melodie vou sich selbst. Nach rauscheudem,
uicht euden wolleudcu Beifall folgte uoch dec fünfte ungarische
Tanz vou Brahms, alles ohue Noteu. Auch dcr sehrt üchtigen
Leiftimgeu des Orchesters sei hiermit uvch besonders lobend
gedacht.

X 14. AUgcmeine Konferenz der deutschen Sittlichkeits-
vereinc. Die 14. Allgemeine Äoiiferenz der deutschen Sili-
lichkeitsvereine, welche vom 5.—7. Otober hier in Heidelberg
ragr, wurde gestern Abend 6 llhr durch eineii Gotresdienst in
der Heiliggeistkirche eröffnet. Herr Stadrpsarrer chmitr -
h e n ii e r von hier versicherte in ciner knrzen Rede die Ver-
sammliiiig des tebhaften Jnteresfes des Evangelischen Ober-
kirchenrates uuserer Landeskirche für ihre wichrigen VerhanS-
liiiigen und wünschte ihr zu denselben Gortes reichen Legen.
Hieranf predigte Herr Stadtpfarrer W u r st e r aus Heil-
'bronn über die Worte: „Ihr serd das Salz der Erde, ihr seid
das Licht der Welt", indem er rücksichtslosen Kamps gegen die
llnsittlichkeit, insbesondere auch aus geschlechrlichem Gebiet nno
licbevolles Erbarmen gegen den Sünder verlangte. Jn der
Volksversammlung in der „Harmonie" sprach Herr Pastor
Bohwinkel aus Fraiikfurl a. M. über Gottesfurcht und
Sittlichkeit und Herr Sauitätsrar Dr. Höffel aus Buchs-
wciler irber Volkswdhlfahrt uud Sittlichkeit. Nachdem der ersre
Reduer vom sittlichen uud religioseu Staiidpuukte die Sitt-
lichkeit auf geschlechtlichem Gebiete gefordert hatte, stellte der
zweite Reduer auf Grund eiues reichen statistischen Materials
die furchtbare Schädiguug unseres Volkes iufolge der Unsiti-
lichkcit im Geschlechtslebeu dar uud ivies auf die sittliche Rein-
heir in dieser Hinsicht als das ciuzige sichere Rettungsmittcl
hin. Die Versammluug war gut besncht.

X Jn der englischen Kirche ivurde gestern das Ernre-
Dankfest abgehalten, weshalb die Kirche in hübscher Weise mit
Bliimen uud Früchten geschm.ückr ivar. Der Ertrag der Kol-
lekte, ivelcher sich anf mehr als hunderr Mark beläuft, soll, wie
bereits am vorhergehenden Sonntage bon dem Pfarrer der
euglischen Gemeinde hier, Herrn Slater, dcn Mirgliedern ver-
kündigt wurde, znm B e st e n der Lnisen h e i l a n st a l t
berivandt werden.

X Der Frauen-Erwerbsverein Heidelbera, auf dessen Ver-
kanfslokcil iii der Hauptstraße Nr. 193 bereits früher aufmerksam
gemacht wurde, hat nach kurzen Ferieu seine Thätigkeit wieder
aufgenommen. Dieser Verein hat sich die Anfqabe gestellt, für
arbeitswillige Franen häuslichen Verdienst zu schaffen. Möchte
ein reger Absatz seiner soliden nnd preiswerten Ware nnd dsr Ein-
gang zahlreicher Anfträge diesem Vereine die Verwirklichung seiner
menschenfrenndlichen Absichten in vollem Umfange ermöglichen!

— Polizeibericht. Verhaftet wnrden 5 Personen nnd zwar
ein Taglöhner wegen Diebstahls, ein Dienstknecht wegen Unter-
schlagung, 2 Taglöhner wegen fortgesetzter Rnhestöriing nnd ein
Dienstknecht wegen Unfngs und Beamtenbeleidignng. Wegcn Ruhe-
störung bezw. Unfugs kamen 5 Personen zur Anzeige.

Heidelberger Vereinsangelegenbeiten.

Z. Verein bayerischer Staatsangchöriger. Lustig Treiben
herrschte gestern Nachmittag in dem sestlich geschmückten Garten
nud iir deu uuteren Räumen des städt. Saalbaues, wo der
Verein bayerischer Staatsarigehöriger cin Oktoberfest mit
Kinderbelustigungen veraustaltere. Vom Wetter begüustigt,
nähm das Fest einen sehr hübschen Verlauf. Den Kindern,
denen bei ihrem Eintritt Fähnchen überreicht wurden, waren
die verschiedensten Uiiterhaltungen geboten uu>d auch für die Er-
wachsenen gab es Vergnüguiigeu iu Menge: Preiskegeln,
Glückshafen, allerlei Sehenswürdigkeiten, der Wurzelsepp,
Orgelmänner, Wnrstl mit Krant nnd echte Knödel, abends
Tanz; es war so ziemlich alles da, iiur vermitzte der Bericht-
erstatter Maßkrüg, Müuchncr Madlii und die bayerischen Lan-
des- uud Gebirgstrachten, die dem Münchener Oktoberfeste
so das cigentliche Gepräge gebeu. Nnn. viTleicht verschreibt
bie der rührige Vorstaud dcs Vcrcins zum nächstemnal. Der
gestern gemachte Anscmg läßt ja noch mancherlei für die Zu-
kunft erhoffen.

Neisetzung Aolas._

i'' Paris, 4. Okt. Auf Anordnung des Polizeipräfekten
Lepine wird morgen Vormittag anläßlich des Begräb«
nisses Zolas der Friedhof Montmartre nur für die
Personen in Trauerkleidung geöffnet sein, die die Gräber
ihrer Angehörigen bcfuchen wollen. Von 12 Uhr ab wird
man den Kirchhof ganz geschlossen halten und nur dem
Trauerzug mit der Leiche Zolas Einlaß gewähren. Wenn
also die Nationalisten Kundgebungen veranstalten wollen,
so werden ste es auf der Straße thun müsien. Nachdem
ihr Wunsch erfüllt ist, daß Dreyfus an dem Leichen-
begängnis nicht teilnimmt, höhnen sie ihn als Feigling.
 
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