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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229-255 (01. Oktober 1902 - 31. Oktober 1902)
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— Die Thatsache, datz iii Teutschland mehe alo 400
industrielle Kartelle bestehem lrefert öeii bündigen Be-
wets/ daß der Zusa m m e n s ch l uß de r I ndu -
st r i e n z u K artell e n nicht rein willtürlicher Na-
tur isü sondern einem Bedürsnis der Industrie eutspricht.
Jn Mahrheit bildet der Znsammenschlntz zu Kartellen
nachgerade für zahlreiche Jndusrrien geradezu eine Le-
bensbedingnng und ohne denselben mürden viele Ge-
tverbebetriebe industrieller und bergbaulicher Art ge-
schlossen werden müssen. Jn diesem Punkte zeigt sich zu-
gleich aber, daß die Kartelle nicht einseitig den Jnteressen
der llnternehmer dienen, sondern in gleichem Matze im
Jnteresse der Arbeiter selbst liegen, denn die Kartells
bilden für diese die notwendige Boraussetzung der Erhal-
tung der Arbeitsgelegenheit und des Arbeitsverdienstes
und ohue sie würden zahlreiche industrielle Arbeiter ihre
jetzige Arbeit verlieren und entweder brotlos werden.
oder in anderen Erwerbszweigen ihren Lebensunterhalt
suchen müsseu. Daß. wenn auf diese Weise große Masfen
industrieller Arbeiter genötigt würden. ihre Arbeits-
kraft auf dem Arbeitsmartte neu auSzubieteu. zugleich
eine weseutliche Steigerung des Ilngebots von Arbeits-
kräften im allgemeinen eiutreten und demzufolge ein
Druck anf sämtliche Aebeitslöhne ausgeübt werden würde^
liegt auf der Hand. imd es sind daher bei der Eutwicke-
lung des Kartellwesens nicht nur die in den kartellier-
ten Jndiistrien beschäftigten Ilrbeiter, sondern die Ge-
samtheit der Arbeitnehmer sehr wesentlich interessiert.

AuS der KartSruher Zeitung

— Dic Firlanzassistenten Johann Gürtner beim Fi-
nanzamt Bretten nnd Karl Ganter beim Finanzamt Thien-
gen wurdcn als Buchhalter ebenda etaknätzig angestellt.

Karlsruhe, 9. Okk. Zyre Königliche Hoheit die
Großherzogin fand gestern Gelegenheit, den Generalsekcetär
des Frauenvereins Geheimerat Sachs zu seinem goldenen
Ehejubiläum persönlich zu beglückwünschen. Gegen Abend
trat Jhre Königliche Hoheit die Rückreise nach Mainau an>
wo die Ankunft nachts gegen 12 Uhr erfolgte.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 1d. Ottober.

-i- Aus dem Stadtrat. Jn den Sradtratssitznngen vom
8. und 9. d. Nt. ivurden u. a. folgende Gegenstände znr Kennt-
nis, bezw. Erledigimg gebracht:

1. Nach dem Geschäftsausweis der Verrechnnng der städt.
Sparkasse wurden bei dieser im September 1559 Emlagen mit
zusammen 847 380.49 M. gemachl, dagegen in 958 Einzel-
beträgen zusammen 810 742.91 Mk. an die beireffenden Ein-
leger znrückbezahlt und hat die Gesamtzahl der letzteren seit
dem 1. Fannar d. I. um 590 zugenommen.

2. Die hiesige Ortskrankeukasse zählte auf den 1. d. M.
6245 männliche und 1683 weibliche Mitglieder.

3. Jm städtischen chemischen Laboratorium wurden im
borigen Monat 6 Proben von Anis, 1 von Bicr, 13 von Butter,
8 von Drmstobst, 1 von Gurken, 8 vou Hackfleisch, 2 von Kanal-
tvasser, 26 von Milch, 6 von Nelken, 13 von Pfeffer, 6 von
Schweineschmalz, 2 von Südwein, 5 von Trinkwasser nnd 7
von Zimmt nntersucht und dabei 2 Butter-, 1 Gurken- und 4
Milchproben beanstandet. Von den 94 Uutersuchungen erfolg-
ten 91 im Auftrage von Behörden und 3 auf Antrag von Pri-
vaten.

4. Hcrr Kommcrzienrat Wilhelm Landfried hat anlätzlich
der Vermählung seinies Sohnes Wilhelm den Betrag von 500
Mark zu Vertvenduiig für hiesige, insbesondere berschämte Arme
gestrftet nnd die gleiche Snmme der Dr. Franz Mittermaier-
Stiftung für Sommer-Ausflüge der Vokksschnler zugeweudet.
Der Stadtrat spricht für diese reiche Gabe seinen herzlichsten
Dank aus.

5. Mit dem Vorschlag der Grotzh. Oberdirektion des Wasser-
und Stratzenbaues hinsichtlich der Bezeichnnng der Ortsetter-
grenze im künftigen Stadtteil Handschuhsheim erklärt der
Stadtvat sich einverstanden.

6. Die Vorschläge des städtischen Forstamtes iiber die Ver-
besserung des Weges vom Bahnhof in Schlierbach nach dem
W'olfsbrunnen wurden genehmigt.

7. Die Sommerkonzerte des städtischen Orchesters im Saal-
bau, in der Schloßrestauration und im Stadtgarten haben zn-
samtnen 38 863.50 Mk. ertragen.

8. Auf dem Gaswerk soll ein weiterer Maschinist angestellt
tverden.

-i- Bon der Universität. Prof. Dr. Wunderlich hat einen
Ruf als Bibliothekar an der K. Bibliothek in Berlin erhalten
und wird diesem Rufe Folge leisten.

) I ( Adreßbuch für 1903. Die Vorarbeiten zur Herstellung
des ncuen Adretzbnches haben ihren Anfang genommen; die
Äufnahmebogen sind zum grötzeren Teile ausgetragen und es
wird alsbald mit d-eren Einsammeln begonnen. Wir wollen
nicht verfehlen, unseve Bnrgerschaft darauf aufmersam zu
niachcn, mit dcm dringenden Ersuchen, den Herausgeber bei dem
Werkc nach Kräften zu unterstützen. Das kann in erster Linie
dadnrch geschehen, datz die Fragebogen genau ausgefullt wer-
den, zum -andern aber — und dieser Punkt erscheint mindestens
ebenso wichtig wie dcr crstere — dadurch, datz jeder Betref-
fendc, falls er die Ausfülluiig nicht selbst vollzieht, genau nach-
sieht, ob die gemachten Angaben auch richtig aufgezeichnet
tverden. Dabei erscheint es mcht empfchlenswert, den Dienst-
boten oder Angesteklten die Mitteilnng der Angaben zu über-
lassen. Die Erfahrung hat wiederholt gelehrt, datz Dienstboten
sich über die richtige Schrcibweise der Namen ihrer Herrschaften
nicht recht klar waren. Sodann wird dringend gebeten, die
ausgefüllten Listen zum Abholen bereit zu legen, im Falle der
ALwesenheit des Hausherrn aber sie eincm Mieter zn über-
geben. Dei der an und für sich mühevollen Arbeit ist dringend
wünschenswert, datz den Leutcn, dic mit dem Einziehen be-
vnftragt sind, die Ärbeit nicht uiinötigerweise erschwert werde,
was dadurch sehr oft geschieht, datz sie wegen einer ListA meh-
reremale eigens nach irgend einer entlegenen Stratze lanfen
müssen. Anch Zusendung der ausgefüllten Fragebogen an den
Verleger ist ftatthaft und erleichtert die Arüeik. — Der Herans-
geber wird seinerseits allcs thnn, was in seinen Kräften steht,
em Adrctzbuch zu schaffen, so vollkommen, wie es bei der Un-
^Eonimenheit aller mcnschlichen Einrichtungen überhanpt nnr
moglich ist, dazu ist aber die Unterstiitzn^ig der Beteiligten un-
bedingt erforderlich.

vollsten Schwunge. Jm Mai kommt die Reihe an China
und Japan, wahrend Iuni und Juii die Erntemonate
sür Südeuropa und Südamerika sind. Jm August er-
scheinen die Schnitter aus den Feldern Mitteleuropas und
Grotzbriianniens und im Septemb.er und Oktober er-
klingt die Sense in Schweden und Norweqen. Jn Pern
und Südafrikn reift das Korn im November, nnd so
würde sich her Ring schließen, wenn nicht der Dezember
emen Strich durch die Rechnnnq macht, wenigstens weiß
die „Liverpooler Post" nichts über ihn zu berichten.

-p Jungliberaler Bereiu. Gestern Abend 9 Uhr fand im
tlciiien Saal der Harmonie eine Vorbesprechung zur Grün-
dnng eines Juiigliberalcn Vereins slan. Eiwa 70 Herren
nahmeii an öer Sitznng teil; den Vorsitz sührte Geh. Rar
S ch ü f e r. Prof. Rohr h u r st setzie Zwcck und Ziel dcS
zn gründenden Vereins auseinandcr nnd venntzte die Gelegen-
heit, dcm Borsitzenden des hiesigen nationalliberalen Vereins,
Herrn Geh. Rat Schäscr, nnter allgemeinem Beisall dcn
Dank der Heidelberger Nationalliberalen sür die Ablehnuilg
ücs lürzlich an den/Herrn ergangenen ehrenvollen Rufes nach
Berlin zu sa^cn. Die Anwesenden erhoben sich znm Zeichen
ihres vollsten Einverstälidiiisses von ihren Sitzeii. Es han-
delte sich in der gestrigen Vorbesprechnng vorlänsig nur darnm,
fesiznsteklen, ob ein Bedürfnis zur Gründung eines Vereins
Ver nationalliberalen Jugend vorliege. Diese Frage wnrde
e i n st i m m i g b e j a h t. Ein gestern gewählter Ausschnß von
25 Herreii wird das weitere veranlassen. Die für die Mir-
glieder gedachtcn Altersgrenzen sind das 18. nnd das 40.
Lebensjahr.

Die Bauordnung füc die Stadt Heidelberg, die in Bnch-
ausgaöe längere Zeit vergriffen war, befindet sich jetzt in Neu-
druck und wird in einigen Wochen, ergänzt bis 1. Oktobcr
1902, ün Berlage von I. H ö r n i n g hier erscheinen. Vor-
ausbestellnngen ninimt der Berlag, alle Buchhandlnngcn, so-
wie der Vertag der „Heidelberger Zeitnng" cntgegen.

Elektrische Strasrenbahii. (H a l t e ft e l l e n.) Die Di-
rektion der elektrischen Stvatzenbahn bittet uns um Veröffent-
lichuiig nachfolgender Zeilen.

Es siiid bei uns seit Eröffiiung des elektrischen Betriebes
mehrfach Klagen eingelanscn, dah die Führer von Motorwagen
an einzelnen Haltestellen nicht anhalten, nm daselbst wartende
Personen aufzunehmen. Es wird nun an das Publiknm das
höfnche Ersuchen gerichtet, an den Halteftellen doch dem Wagen-
führer ein deutliches Zeichen zu geben, damit derselbe von der
bcabsichkigten Mitfahrt nnterrichtet ist, da es bei der großen
Anzahl von Haltestellen nnd im Jnteresse eines regelmätzigen
Betriebes nnmöglich ist, an jcder Haltestelle anzuhalten, gteich-
giltig, ob jemand ein- oder auszusteigen wünscht oder nicht. —-
Die Jnstrnktion nnsercs Fahrpersonals geht deshälb dahin,
an den Haltestellen den Wagcn nur dann zum Stehen Zu
bringen, wenn Passagiere auszusteigen wünschen, oder wen.ii
an der Haltestelle befindlichc Personeii durch Zeichen die
Absicht der Mitfa h r t äutzern. — Ohne Zeichen oder
Winke kann ein Führer nicht beurtcilen, ob der an einer Halte-
stelle Stehendc auch wirklich mitfahren w'ill, da es doch auch
genng Leute giebt, die sich nnr die neuen Wagen einmal in der
Nähe betrachten wollen, odcr die sich nur zufällig an der betr.
Haltestelle aufhalten. — Desgleichen werden die Passagiere
der Wagcn gebeten, beim Ausrufen der für sie in Betracht
kommenden Haltestelle seitens des Schaffners, demselben ein
Zeichen zu geüen, damit derselbe nnterrichtet ist, ob an der betr.
Haltcstellc jemand anszufteigen wünscht oder nicht. — Auf alle
'Fälle aber ist es zu vermeiden, auf den Wagen, während er
noch in der Fahrt ist, anf- oder abzuspringen, da die Geschwin-
digkeit doch eine bedeutend gröhere ist als bei den früheren
Pferdebahnwagen n»d ein Auf- bezw. Ab s p r i n g e n deshalb
iii i t g r o ß e >i Gefa h r e n verknüpft ist.

Zur Berstantlichung der Pfalzbahnen. Aus der bayerischen
Pfalz wird dem „Mannheimer G e n e r a l - A n z e i -
g e r" geschrieben: „Mit der Frage, ob die Pfalzbahnen
verstaatlicht oder dcr p r e u tz i s ch - h c s s i s ch e n Eisen-
b a h ii g e m e i n s ch a f t angegliedert oder an die Rei ch s-
e i s e n b a h n e n angeschlosscn werden sollen, wird sich nach
einer Miiieilung, die der Vorsitzende des nationalliberalen
Vereins für den Kanton Frankeiithal, Rechtsanivalt R ö h r i g-
'Frankenthal, in der letzten Bersammlnng dieses Vereins machte,
voraussichtlich eine Generalversammlnng des nationalliberalen
Vereins für die Pfalz zu beschäfttgen häben. Rechtsanmalt
Röhrig und andere angesehene Mitglieder der iiationalliberalen
Partei treten mit Cntschiedeicheit dafür ein, datz die Pfalz-
bcchnen entweder an die preuhisch-hessischen Bahnen oder ein
anderes grötzeres nachbarliches Eisenbahnnetz angeschlossen wer-
den. Von einer Eiliverlcibung in den bayerischen Eisenbahii-
verband befürchtet man eine Schädigung der pfälzischen Vcr-
kehrsinteresscn. Man bedauert, datz der vor Jahren vom Für-
iten Bismarck 'befnrwortete Plan des Ueberganges allcr deut-
schen Eisenbähnen an das Rcich und die Schaffniig eiiier cin-
heitlichen Reichseisenbahiiverwaltung nicht znr Verwirklichuiig
gebracht werden konnte und wünscht, datz dieses Bedauern anch
vom nationalliberalen Parteitag in Eifenach zum Ansdrnck
gebracht wevden mögc. Man dürfe sich gegenübcr partiknlari-
stischcn Beklemmnngen nicht genieren, sondern müsse offen ans-
jprechen, datz für den Zusammenschlnß der Pfalzbahneii mit
einem grotzen nachbarlichcn Eiselibahiinetz in der Pfalz eine
lebhafte Agitation entfaltet iverden mnsse. Zwar sei über die
Frage in München im Sinne einer Berftaatlichnng der Pfalz-
bahnen bereits entschieden worden, doch dürfe man sich dadnrch
nicht abhalteii lasien, das zn sagen, was im Jnteresie dcr
Psalz und des pfälzischen Verkehrslebens gesagt werden
müsse.

Schöffengerichtssihung vom 9. Oktober. 1. Franz Her-
zog nnd Johaiin Köhker IV. von Sandhausen sind wegen Sach-
beschädigung und Uebertretung stratzenpolizeilicher Vorschriften
angeklagt, Herzog erhielt 5 Tage Gefängnis und 3 Tage Hafi,
Kohler 'ö Tatze Gefängnis. 2. Wilhelm Schäfer von Frankfurt
a. M. erhielt wegen Diebstahls cine Woche >Gefängnis. 3. Ja-
kob Sedewitz und Georg Sedewitz von Dossenheim wurden von
dcr Anklage wegeii Körperverletzung freigesprochen. 4. Jakob
Gnstav Krautz, Christian Gattner nnd Adam Obländer von
Reilsheim erhielten wegen Körpewerletzung, Schietzen auf
Menschen, Krautz und Obländer je zwei Wochen Gefängnis,
Gattner zwei Wochen und drei Tage Gefängnis. 6. Die
Vcrhandlung gegen Johann Philipp Herbold von Dilsberg
wegen Beleidignng wurde vertagt. 6. Ludwig Wolf von
Wieblingen erhielt wegen Körperverletznng zwei Monate Ge-
fängnis. 7. Georg Hüttler von Leimen wcgen Körperver-
lctznng 15 Mk. Geldstrase, cveiiinell 3 Tage Gefängnis, der
Mitangeklagte Jofef Hetz von da wurde freigesprochen. 8.
Jakob Schmitt hier erhielt wegen Bedrohüng 5 Mk. Geldstrafe
eveninell ztvei Tage Hast. 9. Georg Dellinger von Meckes-
heini wegen Beleidignng und Ruhestörung eine Woche Ge-
fängnis und 3 Mk. Geldstrafe ebentnell 1 Tag Haft.

— Polizcibcricht. Ein Taglöhner aüs Heddesheim wnrde
wegen fortgesetzter Ruhestörung, Sachbeschädigung, Körperver-
letznng, Widerstands nnd Beleidigung verhaftet. Zur Anzeige
kam ein Dicnstmädchen wegen Unterschlagung, eln Spengler-
lehrling wegen Zertrümmeruiig einer Gaslaterne und ein
Kntscher wegen groben Unfugs und Ruhestörnng.

** Handschnüsveim, 10. Oktober. (K u h - D i e b st a h l.).
Vergangene Nacht halb 1 Uhr schlich der Maurer Christian
Pfeiffer in den Stall des Landwirts Philipp Elfner dahier,
machte einc Knh von der Kette los, legte ihr einen Strick um
den Hals und führte sein Raubobjett zum Stall
hiiians. Der, Dieb war schon sehr weit vom Orte ent-
fernt, als er vom Polizcidiener nnd dcm Besitzer der Kuh, wel-
cher den Diebstahl noch rechtzeittg bemerkt hatte, eingeholt
wurde. Nun wnrdc der 21 Jahre alte sehr kräftige Missethäter
mit dem gleichen Stricke, an welchem er vorher die Knh geführt
hatte, gebnnden, der rechtmäßige Besitzer aber führte seine Knh
am Horn heimwärts.

x Neckargemnnd, 10. Oktober. (B ü r g e r m e i st e r
Wittmann) erwägt, wie verlantet, den Gedanken des
Rucktritts bon seinem Amt. Herr Wittmami ist hier nicht anf
Roscn gebettet nnd zudem seit längerer Zeit angenleidend.

x Schönau, A. H., 8. Oktober. (MoioromnibU s-.t
Die Kirchweihtagc, wo dcr Berkehr natürlich ungemein lebhaft
war, habeii uns einen schon seir Jahreri im Srillen gehegreu
Plan zur Berwirklichnng gebrachr. Eine geregelre Moror-
Omniüusoerbindnng zwischen hier und dem Bahnhos Neckar-
steinach ist cröffnet morden. Die Berkehrseiiirichttiiigen Ue-
tzen in den letzten Jahren schnn gerade genug zu wünscheu
übrig,. weshalb anch das Nioror-Projekt allgemein eine sclv
sympathische Ansnahme fand. Kaum rechr angeregt, fiet diesev
Gedanke anch auf srnchtbaren Boden. Herrn Gasthosbeiisec
Sterk in Neckarsteinach gebührt das Verdienst, denselben
energisch anfgegriffen nnd zur Ausführung gebrachr zu haben-
Man ränn dies nnr sehr begrüßen, bedeurek doch die Erleichte-
rnng des Vcrkehrs für Schönan gleichsalls eiijen Kulturfort-
schritt. Es srehr danach zu hoffen, datz allcnthalben dieses Vcr-
dienst entsprechend gcwürdigt wird. Der äuherst präcbrige
nnd schmncke Wagen stammt von der sehr rührigen Firrnn
Daimler in Cannstart, dercn spezielles Arbeitsgebiet be-
kanntlich die Herstellung von Motorsahrwerkzengcii ist. Ter
Motor, desscii Änsstatrung eine vorzügliche ist, bietet genügend
Ranm fnr 25 Personen, desgleichcn für Gepückstücke. Der-
selbe hat Lnfthcizung, so datz man also in dcmselben vor den
fflnbilden eincr jeden Wittcrnng vollsländig geschützt ist. Auai
die Ventilation nno Belcnchtung cntspricht dnrchans allen An-
fordcrnngen. Der Wagcn kanii pro Stundc einen Weg von
20 Kilometer znrücklegen. Selbstverständlich gleitet derselbe
nicht so sanft und ruhig anf dcr Stratze dahin, tvie Zum Beispiel
die Heidelbcrger Elektrische, trotzdcm sitzt es sich aber auf den
gepolsterten Bänken ganz famos und von Erschütterung svürk
der Passagier so gnt wie gar nichts, da der Wagen auf äuherll
soliden nnd gut funktioiiierenden Federn ruht. Mögen sich
alle anf dieses inoderne Verkehrsmittel gesetzten Hofsnungcn
in reichst'em Matze ersiillen!

8C Bom Odenwnld, 9. Oktober. (D c r B a h n b a u
Mosbach- Mndau) wnrde anf zwei Jahre verschoben.
Dicse Nachricht rnft bei den an der znkinlfrigcii Bahn liegendcn
Gcmcindeii Mitzstimmnng hervor.

SL Mnniilieim, 9. Oktober. (D a s S ubmi s sions -
w e s e n) illnstriert wieder folgeiidcr drastische Fall: Bei der
Eröffiiung der Submissioii anf die Tüncherarbeiten für dir
Schmhauserweiternng auf dem Waldhof lantete das Höckist-
gebot, eingelegt von Tünchermeister Geitzler, auf 6730 Mk.
das nicderste Angcbot, eingelcgt von Tünchermcister Lellback,
auf 4828 Mk., also eine llntersckned von nicht wcniger als
4902 Mk.

4- Maiinlieim, 9. Ottober. (D i e hiesige Han -
d e l s k a m m c r) beschäftigte sich in ihrer letzten Plenarsitznng
mit der Frage des tteberganges des Rheinhafens in den
Staatsbetrieb. Bei der Besprechung dieser Angclegcnheit ging
man davon ans, datz es nicht nnr fi'ir Manheim selbst von
grotzcr Wichtigkeit sei, den Rheinanhafen als solckien erhalten
zn sehcn, sondern datz ein schwerwiegendes Landesinteresie in
'Frage stehc, insofern als dieser Hafeii ein nicvt unwesentlicher
Bestandteil im Organismns dcs öadischen Berkehrswescns über-
haupt geworden ist. Gleichviel ob die Nachrichten über m-
nnd ansländische Kaufliebhaber, die ein Auge anf den Rhei-
nanhafen geworfcn haben sollen, begrnndct seien: jedensalls
sei es sowohl siir Mannheim als auch sür das Land und ins-
besondcre für die badischen Staatseisenbahnen durchans nicht
g'leichgiltig, in welche Hände ein so wichiiges Verkeürsinstrii-
ment wie der Rheinanhafen komme, fiir den immerhin mög-
lschen Fall, datz die Rheinanhafengesellschast autzer Stande sein
sollte, sich im Besitze zu erhalten. Die Kammcr gelangte zu der
lleberzeugung, datz der Uebergang dieses Hasens in fremde
Hände für Mannheim scbwerc materielle nnd moralische Nack-
teile im Gefolge haben würde, datz die rationelle Uusbenruiig
der Anlage auch im Jntcresse des Landes dringend erwünscht
sei, datz deshalb in der Uebernahmc des Hafens auf den Staat
die allein richtige, den allgemeinen Jnteresien cntsprccheiide
Lösnng gefnnden wcrden könne. Mit besondcrer Rückiickit
auch auf die in jenem Gebiet engagierten erheblichen .Kapi-
talicn, iiamentlich kleinerer Leute, bsschlotz die Hcmdelskam-
mer, wegen Verhütung oder wenigstens thunttchster Mschwächnng
dieser nicht einzelncn Personen nnd Unternehmnngen, sondern
der Gesamtheit drohenden Schädignng an geeigneter Stelle
vorstellig zn werdcn .

Karlsruvc, 9. Oktober. (D e r hiesige Gewerbe -
verein) beschäftigte sich gestern in einer gnt besucksten Ver-
sarmnluiig nach eincm cingehendcii objekrivcn Referate des
Hcrrn Sekretär Emcle mit der Frage des Befähignngs-
ii a ch w eise s. Fn der allgcmcinen Debatte sprach sicb n n r
e i n Mitglied der Handwerkskainmer f'ü r denselben aus, wäü-
rend mit allcn gegen drei Stimmen eine Resolution angs-
nommen wnrde, die die Einführung des Befähigungsnack-
weises anch für das Banhandwerk nicht fnr geboten er-
achtet. Die Versammlnng ist vielmcbr dcr Ansicht, datz strenge
banpottzeiliche Kontrolle und die Haftpflicht genügender Sckntz
gewährcn. Sollte die Reichsregiernng trotzdem für das Ban-
gewerbe einen Bcfähignngsnackweis vorsckreiben, so mützten
dafür bisherige Mängel in der Bauausführung dcr Grund sein.
Deshalb mützte denn auch die nachträgliche Erbringung des
Befähigungsnachwcises allen, zur Zeit der Einführnng des
Befähignngsnachwcises ihr Mwerbs ausübenden Bauunter-
nehmern, Manrern und Zimmerleuten, und solchen Personen
auferlegt werden, die Baukonstruktionen in Eisen ausfübrcn.
Anf wciterc Handwerke sollte der Befähignngsnachweis im
Baugewsrbe sich jedenfalls incht erstrecken.

Bndcn-Bnden, 8. Ottober, (B e s li tz w e ch s e l.) Das
reizende auf dcr Höhe der Nbnrgstratze zwischen Molkeiianftalt
nnd der Rappen'balde gelegene Gut „Mariabelden", dem Grafen
Clairon d'Haussonville gehörig, ist um den Preis von
450 000 Mark in den Besitz des Newiiorker Grotzkmifmanns
H. Sielcken, eines langjährigen Besuchers nnserer Bäderstadt,
übergegangen.

Aer Koniher Word vor dem Merkiner Kericht.

BerIin, 9. Oktober. ^n deni Prozetz gegen die
„Staatsbürgerzeitung" wegen Beleidigung der Konitzer
Bchörde beantragt der Staatsanwalt gegen Redakteur
Bötticher unter Freisprechung in einem Falle und Ver-
urteilung in 24 F-ällen eine Gesamtstrafe bon anderthalb
Jahren Gefängnis, gegen Brnhn 6 Monate Gefängnis.
Letzterer müsse als geistiger Leiter der ganzen Hetzs
in Konitz betrachtet und bestraft werden.

Ob nnd wie stark Bötticher nnd Bruhn bestraft wer-
den, das ist wenig wichtig. Die Hauptsache an diesem
Prozetz war, daß die gMM Konitzer Mordaffaire noch-
mals aufs genaueste öffentlich durchgearbeitet worden
ist. Es hat sich dabei gezeigt, daß zur Ailfklärung des
Mordes in Konitz alle Spuren verfolgt worden sind^ datz
man auch mit der Möglichkeit jüdischer Mörder gerechnet
nnd in dieser Hinsicht nachgeforscht hat, alles vergeblich.
Das Märchen vom Ritualmord, das an und für sich un-
sinnig ist, lst durch den Befund der Leiche des ermordeten
Winter noch extra umgestoßen worden. Wer jeht nock
an Ritnalmord glaubt, dem ist eben nicht zu helfen.

Kanoer uns Zrerkeyr.

Mannheim, S. Oktbr. (Aktien.) Oberrh. Bank 107.25 B
107.— G., Rhein. Creditbank 140.75 G. —B-, Rheinisch«
Sypoth.-Bank 180.80 G. —G., Brauerei Kleinlein, Heidel-
 
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