Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229-255 (01. Oktober 1902 - 31. Oktober 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0724

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DeuWer WeichsLag.

Berlin, 14. Okt.

Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um
2'/. Uhr mit herzlicher Begrüßung der Kollegen und spricht
den Dank des Königs Georg von Sachsen aus fnr
die Kundgebung im Namen des Reichstags aus Anlaß des
Ablcbens des HeldenkönigS Albert, des letzten der großen
Heerführer aus großer Zeit. Der Prasident teilt Mlt, daß
am Sarge des früheren Reichstagspräsidenten Ober-
präsidenten Dr. v. Goßler ein Kranz niedergelegt worden
sei und daß der französische Botschafter in Berlin
dem Staatssekretär Frhrn. von Richthofen im Auftrage
der französischen Regierung den Dank ausgesprochen habe
für die Beileidskundgebung des Reichslages anläßlich des
Unglücks auf Martinique.

Eingegangen ist eine Jnterpellation über die
F l e i s ch n o t.

Es folgt Beratung von Petttionen.

Beriäitersiattee Abgcordneter Dr. M üller - Meiningen
(freis. Vp.) berichtet über die Kommissionsverhandlungen be-
ireffend dic Petition für Schaffung eineA emheitlichen deur-
schen Vereins- und Versammlungsrechtes. Die Konimission
beanrragte bezüglich der Petitionen, die lediglich auf Schaf-
fung eines solchen Rechts abzielen, Berücksichligung, aber be-
züglich der Petitionen, die eine gleiche Stellung der Frau mit
deu Männern in dieser Frage ivünschen, Ueüergang zur
Tagesordnung.

Abg. Basserma n n (Natlib.) bedauert, daß die Kom-
mission die Petitioneu um Gleichstellung der Frauen unüerück-

sichtigt lassen wolle.

Abg. T r i m b o r n lZentr.): Die Frau dürfte aus dem
ganzen Gebiete des Versammlungsrechts den Männern nur
soiveit gleichgestellt werden, als ihr Berufsinterefse dabei iu
Frage kommr. Keineswegs dürfien sich Frauen in die politische
Agitarion einmischcn.

Abg. gtickert (Freis. Vereiug.) wünscht Berücksichtigung
aller Petitionen.

Abg. M ü l l e r-Meiningen (freis. Bp. ) polemisiert gegen
dic Bestimmungcn, die der preuszische Minister des Jiineru be-
züglich des Versammlungsrechstes getroffen hat. Bei der
jetzigen preußischen Pcaxis würden die großen Frauenvereine
noch alle in das sozialdemokratische Fahrwasser getrieben.

Abg. Bcbel (Soz.) beklagte, daß ungebildete Polizei-
Leamre' irber die Abhaltung bou Vcrsammlungen entscheiden
könnten. Wenn der Reichskanzler wirklich wollte, könnte er
Aenderungen des Vereins- und Versammlungsrechts zugunsten
Ler Frauen wohl herbeiführen. Die Sozialdemokraten wollten
auch das Stimmrecht der Frauen durchsetzen, wenn auch zu-
riächst die Mehrzahl der Frauen gar nicht für sie stimmen
tvürde. Wir kriegen sie doch, wie die Arbeiter. v. Hammerstein
mußte wegen Verletzung des Paragraph kl dcs preußischen Ner-
einsgesetzes unter Anklage gestellt werden. Er hat sich in
seiner Erklärung bezüglich der Handhäbung dieses Gesetzes
selber eine moralische Ohrfeige gegeben.

Der sächsische Bundesratsbevollmächtigtc v. Fischer weist
die Angrifse Bcbels wegen Handhabung des Versammlungs-
rechts in Sachscn zurück. Gerade weil in Sachsen die Sozial-
demokraten das Verfammlungsrecht möglichst auszubeuten such-
ten, sehen sich die Behörden vercmlaßt, die Schranken dieses
Rechts aufrecht zu erhalten.

Legattonsrat P a u l ß e n bestreitet als Bevollmächtigter
mehrerer thüringischcr Staaten, daß das Vereinsrecht dort einen
reaktionären Charakter trage.

Abg. Chrzanowski (Pole) behauptet, die polnqchen
Vereine würden chikaniert.

Nach Bemerkungen des Abg. Trimborn (Zentrum)
wird ein Vcrtagungsantrag angenommen.

Der Präsident teilt mit, daß außer der Jnrerpellation
Nlbrecht bctreffend dic Fleischnot eine gleiche Jnter-
pellation M ü l l c r-Sagan eingegangen sei, welche zusammcn
auf eine der nächsten Tagesordnungen gesetzt werden würden.
Nächste Sitzung morgcn 1 Uhr.

Baden.

!arlsruhe hal ein „Windthorslverein" sich
zu bilden begonnen.

Ja

Aus der Karlsruher Zeitung.

Knrlsruhc, 14. Oktober. Seine Excellenz Herr Staats-
minister v. Brauer ist gestern unter Wiederantritt seines
unterbrochencn Urlaubs von hier abgereist.

— Die Station M a r k e l f i n g e n, die seither schon für
den Wagenladuugsverkehr emgerichtet war, wird am 15. Okto-
ber d. I. für den unbeschränkten Gütewerkehr eröffnet.

— Die Unterbrechung der E i s e n b ah n l i n i e Pif a-
Spezia, zwischcn Serravezza und Pietrasanta wird 20 Tage
dauern. Weitere Nachricht, wann und wie Umsteigen eingerich-
'tet wird, folgt.

Karlsruhe, 14. Okt. Der Großherzog und die
G roßher z ogi n haben heute den Aufenthalt auf Schloß
Mainau beendigt. Dieselben verließen Konstanz heute
Nachmittag 2 Uhr in der Richtung nach Basel. Die
Großherzogin stieg in Herthen aus zum Besuch der dor-
tigen Heilanstalt, hält sich am Abend kurz: Zeit in Baden-
weiler auf und trifft nach Mitternacht in Baden ein. Der
Großherzog kommt nach kurzem Aufenthalt in Basel nach
8 Uhr in Mülhansen an. Der Erbgroßherzog schließt sich
in Leopoldshöhe seinem Vater an- Morgen nimmt der
Großherzog an dem 50jährigen Jubiläum des 4. Bad.
Jnf.-Regiments Prinz Wilhelm Nr. 112 teil und begibt
sich am Abend nach Karlsruhe. Gestern fand in der
Schloßkirche Mainau die Einsegnung der verstorbenen
Frau des Schloßverwalters Schädel statt, welcher die
Großh. Herrschaften mit der Gemeinde beiwohnten.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 15. Oktober.

Liegcnschafts-Veränderungen. Jm Monat September
1902 habcn nach dem Grundbuch folgende Grundstücksverkäufe
staktgefundeu:

1. Verkäufer: Johann Georg Schrödcr Nachlaß, Käufer:
Johamies Friese in Leimen; Objekt: 18 Ar Ackerland im
Bäckerfel'd, Preis: 4860 Mark.

2. V.: Derselbe, K.: Math. Heuser II.; O.: 36 Ar Acker-
land in der langen Furche, Pr.: 2546 Mk.

3. V.: Derselbe, K.: Georg Frick; O.: 44 Ar 45 Qm.
Weinberg nnd Kastanienpflcmzung im Unteren Linsenbühl,
Pr.: 12 060 Mk.

4. V.: Derselbe, K.: Fritz Philipp; O.: 18 Ar Ackerland in
der lcmgen Furche, Pr.: 1330 Mk.

5. V.: Derselbc, K.: Valent. Arnold II.; O.: 92 Ar 74 Qm.
Kastanienpflanzung im Bauernwald, Pr.: 6210 Mk.

6. V.: Derselbe, K.: Jakob Weber; O.: 36 Ar Ackerland in
der langen Furchc, Pr.: 2540 Mk.

7. V.: Derselbe, K.: Thomas Adelhelm; O.: 49 Ar 56 Qm.
Ackerland in der langen Furche, P.: 2935 Mk.

8. V.: Derselbe, K.: Johann Remlerf O.: 18 Ar Ackerland
im Bäckerfeld, P.: 4400 Mk.

9. D.: Derselbe, K.: Peter Koppert; O.: 18 Ar Ackerland
in der langen Furck-e, P.: 1275 Mk.

10. V.: Dcrselbe, K.: Derselbe; O.: 18 Ar desgleichen allda,
Pr.: 1275 Mk.

11. B.: Derselbe, K.: Derselbe; O.: 18 Ar desgleichcn allda,
Pr.: 1130 Mk.

12. V.: Derselbe, K.: Christ. Voth I.; O.: 18 Ar Ackerland
in der langen Furche, Pr.: 1270 Mk.

13. V.: Derselbe, K.: Peter Voth II.; O.: 29 Ar 24 Qm.
Ackerland in der langen Fnrche, Pr. 2400 Mk.

14. V.: Derselbe, K.: Jakob Karch;. O.: 36 Ar Ackerland
in der langen Furchc, P.: 2490 Mk.

15. V.: Derselbe, K.: Lndwig Frisch; O.: 36 Ar Ackerland
in der langen Furche, Pr.: 2565 Mk.

16. B.: Derselbe, K.: Hch. E. Kirchner; O.: 89 Ar 30 Qm.
Ackerland im Viertelfeld, P.: 8970 Mk.

17. V.: Derselbe, 51.: derselbe; O. 40 Ar 99 Om. Acker-
land im Bäckerfeld; Pr.: 4000 Mk.

18. B.: Derfelbe, K.: Lndwig Schrödcr; O.: 18 Ar Acker-
land in der langen Fnrche, Pr.: 1290 Mk.

(Schluß folgt.)

4- Tie Höhere Müdchenschule blickt am 16. Okrober auf
ein 25jähriges Bestehen zurück. Aus üiesein Anlatz findet
heute einc Vercinignng chemaliger Schülerinnen in der Turn-
halle, morgen Fesrakr und Fesressen im L>aalban starr. Die
Veranstalrungen, zu denen sich frühere Angehörige Ler Schnle
rn schr großer Anzahl angemeldet haben, sind für den engeren
5>reis üer Schulgenreinde bestimmr.

4- Zu dem gegen den Jnhader der Delikntessen-Handlung
Ch. C. Mezger iinternommenen Mordanschlng, dem der Selbst-
mord des' Thüters folgte, wird uns geschrieben:

Der junge spieler wurde Herrn Mezger durch seinen
Vater, den Blumensabrikanten Spieler in Walldürn leider un-
ter Berschweignng der nichr gerade empfehlenben Streiche des
inngen Mannes empfohlen und anf diese Empfehlung hin als
L'ehrling angeiwmrnen, wobei der Varer ausdrücklich Herrn
Mezger geivisse bäterliche Nechte cinränmte. Er kannte ja
seinen verzogenen Svhn, der außeroroenrlich widerspänstig war.
So bekam er als Schnler der 5lanfmännischen Handelsschnle
ivegen mehrfacher Widerspenstigkeiten einen Tag Gefängnis.
Man mag über die sogenaimte Prügelpädagogik denken, wcis
man will, aber das ist 'cinmal klar, daß kein Lehrherr einen
widerspensligen Lehrling anders zur Raison üringcn kcmn, wie
der Vatcr sclbst. Dies Züchrigungsrecht ist niemäls überschrit-
ten worden, erst dann, als der jnnge Mamr nach einer Zu-
rechtwcisung seincm Lchrhcrrn an den Häls griff und zu wür-
gen oersuchte, geschah ihm, was im gebührtc. Er bekam seine
wohlverdiente Hiebe, aber nicht mit cinem hartcn Gegenstand,
sondern mir dcr Fanst. Nun schreibt die „Heidelberger Zei-
tnng", daß Spieler jnn. in der letzten Zeit besonders über
Kopfschmerzen geklagt habe, verursacht durch Schläge, die cr
bon Herrn Mezger „mittels' eines harten Gegenstandes anf
den Kopf erhallen habe". Man erzählt sogar, daß gegen
Herrn Mezger, den nnr ein Zufall vor der mörderischen Kugel
bewahrtc, Strafantrag loegen fortgesetzter körperlicher Miß-
yandlimg gestellt ivorden sei. Außerdem ivird eine Mär er-
zählt, lvie gut nnd brav der junge Spieler war n. a. m.
Dem Vater kan man ja schließlich nicht verübeln, daß er die
That seines Sohnes zu entschuldigen suchte, und das patho-
logische Moment gegenüber dem kriminellsn hervorholte, wic
es ein tüchtiger Anwalt auch gethan hütte, wenn der Iltten-
täter am Leben geblieben wäre. Aber dieser Appell an das
rnhige Ilrteil nnd das gute Herz dcs Pnblikums hat doch eine
.Cleinigkeit gegen sich: Das meuchelmörderische Vorgehen dcs
Tot'en. „De mortibus nil nisi bene,"' sagt zwar der Lateiner,
äber man soll das nichr benutzen, nm durch Mnnkelci nnd
andere kiinstliche Mittelchen dem der ungeheuerlichen Mord-
vcrsuchc des Totes Entronnenen noch Eins anzuhängen. Herr
Mezger hat allerdings dem „jnngen Mann" eines „hinter die
Dhren gegeben, wied'erholt sogar, besonders weil er mit MLd-
chen, die in den Ladcn kamen, in der nnverschämtesten Weise
anznbändeln versnchte. Nachdem Herr Mezger aber erfahrcn
haite, däß dieser 18jährige Lehrling ein Mädchen in andere
Umstünde gebracht habe, so fühlte cr sich vcrpflichtet, ihn seinem
Bater zurückznschicken. Herr Mezger that dies in schonendcr
Weise, indcm er den jungen Spieler nicht glatt auf die Straße
setzte. Tr 'ließ ihn nicht mehr in den Laden, behiclt ihn
äüer einstweilen noch im Hause. Und diese Zeit (Mntzte der
jimge Spieler zur Ausführung seiner Rache. Er versteckte sich
mit cinem Revolver hintex die leeren Fischkisten seines Prinzi-
päls, um ihn mit einem Schuß niederzustrecken. Fast eine
Stunde lanerte er auf sein Opfer; Zeit gcnug, sich alles zu
üb'erlegen. Daß der Mord an dem Vater bon vier reizenden
51indern, an dem Gatten einer bra'vcn Fran nicht zur That
ivnrde, das ist ein ander' Ding. Unbegreiflich ist, daß eine
solche That noch, lvir sagen nicht „Teilnahme", sondern Ent-
schuldignng finden känn; daß man dem Vater des Attentäters,
nicht abcr der That selbst glaubt.

x Besitzwcchscl. Die zur Konkursmasse des Dampfivasch-
anstalt-Besitzers Albert Schmidt gehörige Liegenschaft Hirsch-
skraße 13 wnrde am Moniag von Herrn I. Schottländer,
Zrankfurt a. M., nm den Preis' bon 72 300 Mark ersteigert.

Nnglücksfall. Gestern Abend knrz vor 6 Uhr stürzte in-
folge cines Fehltritts am Reubau in der Akademiestraße der
20 Jahre alte Schiefcrdecker Ernst Müllcr bom Dache hcrab
nnd crlitt einen Schädelbrnch. Der schwerverletzte junge
Mann, welcher diesen Herb'st zur Ableistung üer Militärpflicht
einrücken sollte, ivurde ins Akademische 5lrankenhaus vcr-
öracht.

x Polizeibericht. Ein Former wurde wegen Bcttelns und
cin Kansmann toegen fortgesetzter Ruhestörung verhafiet. Wegc-i
Unfugs kämen 2 Personen zur Anzeige.

Ziegelhausen, 13. Oktober. (S ch l ä g e r e i.) Während
eincs Tanzvcrgnügens des hiesigen Athlctenvcrcins kam cs
gestern Abend in einer Wirtschaft zu einer wüsten Prügelei
zwtschcn Mitgkiedern des Vereins nnd anderen Bursch'en bon
hier nnd bon Petersthal. Daß starke Lente an der Ar-
beit geivcsen sind, konnte man heute noch an dem Kampfpkatze
und an den Blutlachen anf der Straße ersehen.

Ultendach, 14. Oktoüer. (U n g l ü ck s f a l l.) Jn dem
zur hi'esigen Gemeinde gehörigen Orte Hinterheubach trieb am
10. ds. die Ehefrau des Lmidwirts Edelmann die Kühe zur
Träuke; die Frau geriet dabei zwischeu zwet Kühe, wurde
zu Boden gcivorfen nnd erhielt dabei von einer der Kühe ernen
Fiißtriit auf den Unterleib, der so ernstliche Verletzungen im
Gefolge hatte, daß man, um die Frau zu retten, am 15. ds.
ihre Ücberführung ins Akädemische Krankenhaus nach Heidel-
bcrg bewerkstelligen wollte. Leider starb die Frau schon auf dem
Transport nach Heidelberg.

Mosbach, 13. Oktober. (Ein s ch w c r e s Verbre-
che n) iviixdc laut „Bad. Post" gestern Nacht in dem eine
Stunde von hier entfernten Obrigheim a. N. verübt.. Ein
hicr bedienstet gctvesenes lOjähriges Mädchen von Obrigheim
begab sich gestern Abend dorthin in das elterliche Haus. Jm
Lanfe des Abends snchte sic ihre 17 Fahre alte SUefschwester
zu bewegeii, mit ihr einen Spaziergang ins Freie zu machen.
Ohne böse Ahnung solgte ihr diese ins freie Feld, wo sie
plötzlich von der älteren Schwester, die ihr den Hals abzuschuei-
den suchte, mit cinem Messer angegriffen lvurde und zahlreiLe.

zum Teil schwere Verletzuugen erlirt. Schließlich gelang es
ver lebensgefährlich Verletzren zu enrfliehen. Die Lhälerrn
wurde verhafrer. DaS Messer har sie gesrern Morgen hier
gekausi. Das Motiv Ler blurigen Thar soll Eisersuchr sem.

Mannheim, 13. Oktober. (s ch w n r ge r i ch r.) 3. Fall.
(öuie mn fünf Jahre zurückliegende Srreikausschreirung wir)
aiis Anlaß der Verhandlung gegen den 28 Zahre alren
Mobelpacker Georg Gaberdiehl aus Ludwigshafen auss
Neue erörrerr. Am 27. Sepr. 1897 unrernahm der Mödel-
rransporreur Jean W a g n e r einen Umzug von O 7 nach
dem Kaiserring. Bci scinen Lenren üefand sich autzer dem An-
geklagren auch der Taglöhner Adani Schäser, der wegen
des Lohnes mir dv»i Prinzipal schon morgens beim Beginn
der Arbeir zu hadern begann, die Arbeit niederlegre und dre
nbrrgen Arbeirer üestimmte, ein Gleiches zn thun. Wagner
eiigagierre andere Lente nnd setzte die ilinzugsarüeir sorr. Als
schafer üies erfnhr, mielere er eine Troschkc und fuhr mir den
nbrigcn Ansständigen nacki dem Kaiserring, um die Ersatzlenre
entweder dnrch gürliches Zureden oder mir Gewalr zn be-
ininmen, ebenfalls den llnternehmer im Sriche zn lassen. Die
Arbeitswiliigen zeigren sich jedoch enlschlossen, die Arbeir nicbr
einzustellen, die Aussländigen wnrden thätlich nnd oon den
Arbeitenden wnrde insbesondere der Packer Franz Kaiser miß-
hanüclt. ^ilm 17. Ilovember halte das Renkontre ein Nachspiel
voc der «traftäininer. Der heutige Angeklagre satz damals,
obwohl er sich an der Mißhandlung Käisers beteiligr halie, nr.
ans der Änklagebank, sondern befand sich in der angenehmen
RoUe als Zeuge. Vci seiner Vernehmnng richrete der Vor-
sitzende unrer anderen die Frage an ihn, ob er wisse, wer üen
5>äiser geschlagen habe. Er erwiderre: „Neinl" Dieser Anssage
iocgen wnrde er von Lchäfer nachtrüglich wegen Meincids
deniinziert. Der Angeklagte ertlärt heute, er habe nichr ge-
glaubt, daß er verpflichtet sei, sich selbst zu beschuldigen. Ter
Vorsitzende bemerkte ihm daranf, daß er berechrigt gewesen sei,
anf ;ene Frage die Antworr abzulehnen. Ter als Zeuge ge-
ladene Schäser gab ans Befragen des Verreidigers zu, daß er
hosfe, auf Grund einer Verurreilung Gaberdiehls nacMräg-
lich oon der Anklage der Äörperverletznng freigesprochen zu
werden nnd eine Enrschädigiing sür die verbüßre Frciheirs-
strcrfe zu erhalte». Den Geschworcnen wurde außer der Schuld-
frnge ans Antrag der Verteidigung eine Frage auf sahrlüssigen
Falschcid vorgelegt. Der Sprnch der Jurp berneinte beide
Schuldfragen. Der Angeklagte wnrde demgemäß freige-
sprochen.

4. Fall. llnter Ansschlnß dcr Oeffenrlichkeit vollzieht sieb
eine Verhandlnng gegen drei wegen Verbrechens gegen das
keimende Leben angcklagtc Franenspersonen. Die Haupmnge-
klagre ist die >38 Jahre alre Max Eisenbcißer Ehefrau
aus Rappenan gebnrtig, eine ehemalige Heüanime. Jn der
heute falligcn Sache handelre es sich um das 22 Zahre alre
Dienstmüdchen Anna 5>atharina H o s m a n n von hier, das
dnrch üie Monatsfrnu Margarcthe 5t l i n g e r ans Hainstadr
der EffenSeitzer zugcfiihrt wurde. Das Urteil lautete gegen die
Hofmann ans 6 Monate, gegen die 5>linger anf 5 Monare Ge-
fängnis und gegen die Eisenbeißer anf 2st> Jahre Zuchrhaus.
Ze drei Nlonate dcr Untersnchilngshafr werden anf die Srrase
angerechner.

80 Maiinheiin, 14. Oktober. (D i r e k r o r Böhmi
war n. a, anch der Testamentsbollstrecker des Nachlasses der ver-
storbenen Grnfin La Rvse. Die Vermntung, datz der Nackilaß
ber Gräfin nicht ganz in Ordn.ung sein könnte nnd Böhm sich an
ihm vergriffen habe, bestätigt sich nnnmehr. Bö7sm har von
dem Nackstaß 100 000 (nach anderen Meldungen sogar
150 000 Mark) verwendet. Böhrn giebt laut „Mannheimer
Gen.-Anz." die Entnahme der 100 000 Mark zu, jedoch will
er sic nicht nnterschlagen, sondern sie sich in seiner Eigenschäft
als Testamentsvollstrecker nnd Vermögensoerwalter nur ge-
liehcn ltaben. (I) Anf diese Definition diirfre sich das Gerickir
kaum ein'lassen.

80 Klirlsruhe, 14. Dkiober. (Das s ch a u e r l i eb e
FamIiendra m a), welches sich am 18. Angust in Malscki,
A. Etrlingcn, abspielte, beschäftigte henre das Karlsruher
Schwnrgericht. Wie erinnerlich, gerieten am genannten Abend
die drei Briider Jüngling in Streir, in dessen Verlauf der
'25jährige Joh. Jüngling von seinem Bruder ?lndreas erstochen
wurde. Die Verhandlnng, zu der 20 Zeugen geladen waren,
endete mit der Verurteilnng des Andreas Jüngling wegen
.Körperverletznng mit nachgesolgtem Tod zu 6 Jahren Zuckn-
hans; sein Brnder Franz crhielt wegen Beteiligung an einer
Schlägerei, dic den Tod eines Menschen zur Folge hatte, zwei
Jahre Gefängnis. Die Geschworencn versagten dem Hauptan-
gellagten, der als trnnksüchtiger Ranfbold im Dorfe bekannt
war, mildernde Umstände.

x .Knrlsruhe, 14. Oktober. (P r ü f u n g.) Die diesjährige
Priifnng der 5>anllidaren für den Amtsrevidcntendiensr be-
ginnt am Montag, dcn 1. Dezember, bormitrags 8 Uhr.

80 Karlsruhc, 14. Oktober. (H a g e l iv e t t e r.) Am
Samsrag ging nbcr einen Teil des südlichen Schwarzwaldes
nnd des Markgräflerlandes ein schweres Hagclwetter nieder.
Hasrlnußgioße Schloßen fielcn in solcher Mcnge, daß sie unrer
Dächcrn nnd iii Fiirchen haufenweise lagcn. Darauf folgte
'so starke Abkiihliing, daß es in den letzten Tag stark gefroren
war. Den jnngen Saatcn besonders hat das Wetter geschadet.

. !>! .. >II!»l !>,»!!„» I >1» »«»ll > !IW » ! ! > III1 «I^

Kavdwerkskammer.

Aiannheim, 14. Oktöber. Die Handwerkskammer für die
Kreise Mannheim, Heidclberg nnd Mosbach hielt gestern eine
Vollversammlnng ab, an der sämtliche Vertrcter teilnahmen.
Den Vorsitz führte Herr Leonhard. Sekretär Haußer
erstattete Bericht über die Thätigkeit des' Vorstandes. Er reilte
n. a. mit, daß 25 Gcsuche nm Unterstlltznng znm Bcsuche der
Düsseldorfer Ilusstcllnng eingegangen. 6 von Meistern und
19 von Gesellcn und Gehilfen. Mit Unterstützung des Mini-
sterinms war es möglich, alle Gesuche berücksichtigen zu können.
An Stipendien wurbcn 905 Mark veransgabt. Verschiedenc
dieser Aussiellungsbesncher hielten bereits Vorträge. Ter
Großh. Landeskommissär hat an die Kammer das Ersuchen
gerichlet, Erhebungen anzustellen, ivelche Handwerker gleich-
zeitig zur Handwerks- nnd zur Handelskammer Steuern zahlen
müssen. Diese Erhebungen ergaben, daß dies'e Fälle im Kam-
merbezirk nnr bereinzelt vorkommen. Bczüglich dcr Lehrver-
träge habe die Kammer die Wahrnehmung gemacht, daß die
Lehrberträge sehr oft nicht vorschriftsmäßig ausgeführt sind.
)Dies crschtvere die Ueberivachung des Leyrlingswesens sehr-
Die Kammermitglieder möchten hier helfend und aufklärend
'eingreisen'. Die Abschließung bon Lehwcrträgen zivischeir
Vater und Sohn hält die 5Kammer nicht für notwendig. E?
genügt dre Ilnmeldnng bei der Kammer, daß der Vatec
seinen Sohn rn die Lehre genommen hat. Sodann erstattete Hcrr
Hermann Bericht über den deutschen Handwerker- uad
Gcwerbetag in Leipzig. ?lus dem Referat des Hcrrn Her-
mann ser nur mitgeteilt, daß von dem Handwerks- und
Gewerbetag sehr bedauert wurde, daß die Stadt Mannheiw
das Mittelpreisverfahren wieder abgeschafft habe.

Herr Haußer brachte Crlasse des Ministeriums übet
Mei^erprüsungen zur Kemitnis, worauf über eine gedruckt vor-
liegende Meisterprüfungsordnung sür den Handwerkskammer-
'bezirk Mannheim beraten wuxde. Der Entwurf sand im all-
gemeinen Zustimmung. Nur der die Prüsimgsgebühren fest-'
setzende Paragraph wurdc dahin ergänzt, datz demjenigen Priif-
iing, der die Prüsimg ntcht bestanden hat, die Hälste der Prüff
nngsgebuhr zurückerstattet wird. Dje Kosten ^ bctragen
Manrer, Zimmerer nnd Steinmehe 60 Mark, für die übrigea
 
Annotationen