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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256-280 (01. November 1902 - 29. November 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0854

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Iorkton ein. Was sie mit ihrem Marsche bezwecken, ist
nicht ganz klar. Man glaubt, daß sie nach dem „gelobten
Lande" suchen. Einige von ihnen erzählen, daß sie hoff-
ten, auf dem Wege den Heiland zn treffen. Die Leute
waren schlecht gekleidet, barfüßig und abgemagert. Durch
die Kälte und die Entbehrungen starben viele Kinder, deren
Leichen man am Wege liegen ließ. Verschiedene Kinder
wurden auf der Wanderschaft geboren. Während des
Zuges stngcn die Leute Psalmen. Sie glauben, auf ihrec
Reise Ungläubige bekehren zu müssen. Die Einwohner von
Aorkton versuchten die unglücklichen Leute durch Speisen
und Getränke zu stärken, diese weigerten sich jedoch, Spiri-
tuosen oder Milch zu trinken und wollten auch keine
Fleischspeisen oder Brot zu sich nehmen. Viele wiesen so-
gar Gcmüse zurück. Man hat die Frauen mit vieler
Mühe überredet, sich von ihren Kindern zu trennen, die
jetzt eine geeignete ärztliche Behandlung erhalten. Die Er-
wachsenen weisen dagegen jede ärztliche Hülfe zurück. Die
Pilger erklären, als Märtyrer sterben zu wollen. Sie sind
vollständig harmlos und setzen allen Ueberredungskünsten
uur passiven Widerstand entgegen. Die Regierung hat ihnen
das weitere Umherziehen im Lande verboten. Die
Männer halten sich während der Nacht, trotz der Kälte,
im Walde auf, wo sie um weitere Erleuchtung beten. Die
Duchoborzen oder „Geisteskämpfer" sind eine russische Sekte,
die zu Peters des Großen Zeit in und bei Moskau ent-
stand. Die Leute halten nichts von Kreuz und Dreifaltig-
keit und behaupten, nicht schwören und Kriegsdienste thun
zu dürfen, da in ihnen ssie Seele Christi. wohne. Sie
genießen nur Pflanzennahrung, vermeiden sogar Milch und
Eier, als vom Tiere stammend. Sie wurden zu gewissen
Zeiten hart verfolgt, bis Alexander I. ihnen 1804 in
Taurien feste Wohnsitze anweisen ließ. 1841 mußten sic
fich in Transkaukasien anstedeln und nach einer 1887 ein-
getretenen Spaltung im Jahre 1900 nach Ostsibirien und
Canada au^ivandern. _

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 1. November.

-i- Jungtidernler Lerein. Die Bitdung j n u g l i bera -
ler Vereine gehört zu den markaniesten Erscheinungen
irnseres heutigen politischen Lebens; sie beweisc die Neukräfri-
gung des liberalen Gedankcns, der eine Zeirlang sich etwa^
in den Hintergrnnd zurückgezogen harre, so daß manche Leute
meinen konnten, es sei die Zeit gekommen, seine Ge,chichtc
oder auch seinen Nekrolog zu schreiben. Koln hat damit
den Anfang gemacht, jüngere Männer, in denen frische natio-
nale Gesinnung sich mit liberaler Denkweise verbindct, zu
Vereinen zusammenzufassen, dic den Weg zu cigener polin,cher
Bethätigung bahnen sollten, !oic sie die Pflicht des deut,chen
Bürgers geworden ist. Der Kölner Verein har ersr eine kurze
Geschichte, äber sie ist glänzend, er hat eine starke werbendc
Kraft gezeigt und er hat mit seincm Vorgange gleichartige Be-
strebungen, die ,'chon lange ins Leben drüngten, in die Oesfeni-
lichkeit hervorgelockt. Namentlich am Rhein, wo m ,eit ie
tzin starkes politisches Leben pulsiert, hat die Bildung ,olcher
Wercine rasche Fartschritte gemacht, die Pfalz ist nicht zuruck-
geblieben und jeder Nlonat weiß vou dem Wachvtum dieser
Wewegung auch in Baden zu erzählen. Die Vereine haben sich
ihr besonderes Organ geschaffen, in Düsseldorf konnten fie
ihren ersten Berbandstag haltcn, der bekanntlich einen grosz-
artigen Verlauf nahm. Jn die Reihe dieser städte tritt nun
auch Heidelberg. Dchon ist eine recht stattliche .»ahl
von jüngeren Männerii aus allen Kreisen unserer Stadt dem
Rufe zu der Gründung eines jungliberalei^ Vereins gefolgt,
imd noch immer laufen Anmeldungen ein. 2o kolinte der Tag
sestgesetzt werden, an dem derfelbe öffentlich konstituicrt wer-
den'soll, der 7. November. Die Bersammlung wird, wie schon
jetzt fcststehr, anch von auswärts Gesinnungsgenofsen herbei-
führen. Herr Rechtsanwalt Fischer, der Vorstand des
Kölner Bereins, hat sein Erscheinen zugesagt, um das Kind
mit über die Taufe zü hebcn. Herr Reichstagsabgeordneter
Beck hat ebenfalls bereits seine Teilnahme versprochen. Und
es darf mit Sicherheit erwartet werden, daß die älteren Mit-
glieder von hier und aus der Umgegend in groszer Zahl sich
bei diesem Anlasse zusammenfinden.

das Geldstück verschluckt hatte, eingeredet wurde, dasselbe könnte
ihm schweren Schaden an Leib und Leben zufügen, rannte cr
in gleicher Nacht noch in größter Aufregung zu einem Arzt.
Doch dieser erklärte die Sache für unüedenklich.

Ob der srühere Besitzer des Geldstückes dasselbe wieder
bon seinem Freunde erhalten hat, darüber schweigt die Ge-
schichke. ___

Uvinvnlo.

Die welkeu Vlätter falleu
Mir auf das müde Haupt,
Und keins von ihnen allen
Hat an den Tod geglanbt!

Sie dachten, es müßte gehen
So bis in Ewigkeit,

Jm Sonnenlichte stehen
Zn blühn'der Sommerzeit.

Nun liegen sie mir zn Fnßen
Jm feuchten Nebelwind,

Jhr letztes Todesgrüßen
Mich noch am Leben find't.

Doch ob ich sie wiederkommen
Und wieder scheiden seh? —
Mir ist das Herz beklommen
Jm bittern, Abschiedsweh.

z- Bestattung. Gestern Nachmittag fand dle Feuerbestat-
tung der sterblichen Hülle von Professor Müller statt.
Um 4 Uhr versammelten sich die Leidtragenden sowie in
Corpore die Verbindnng „Allemania" und eine Abordnung des
Turnvereins mit der Fahne in der Friedhofskapelle.
Die Leichenrede hielt Dekan Hönig, welcher dem Dahinge-
schiedenen warme Worte der Anerkennung nachrief. Hierauf
legte Direktor Böckel im Namen des Gymnasiums einen Kranz
am sarge nieder und sprach zugleich den Dank der Oberreal-
schule und der Höheren Töchterschule, an welchen der Ver-
storüene auch gewirkt hatte, aus. Einen Kranz legten auch die
chüler des Gymnasiums, sowie im Nämen öer alten und
Iimgen Burschenschaften Geh. Rat Schröder und im Namen
des Turnvereins Herr Löiv nieder. Darnach wurde die Leichc
nach dem Krematoriuni überführt, wobei ein Hornquartett
des Orchestervereins einen Choral blies. Bemerkt sei in
Ergänzuiig bezw. Richtigstellung des über den Lebenslauf deS
Verb'licheneii Mitgeteilten, datz Profefsor Müller zuerft Er-
zieher des Fllrsten Hecmann Hatzfeld-Tvachenberg, jetzigen
^bcrpräsidenten von Schlesien, und später des Erbprmzen von
Nasfau, jctzigen Evbgrotzherzogs von Luxemburg, also des Bru-
ders imserer Erbgrotzherzogiii war.

f Die Nebenvahn Mannheim Heidelberg-Weinheim hat im
eptember 64 919 Mk. eingenommen, d. i. 1761 Mk. weniger
als im gleichen Monat des Borjähres. Die Gesamtemnahmen
vom April bis Ende Sepember betrugen 400 249 Mk. oder
4368 Mk. weniger als in der gleichen Zeit des Vorjahres. —-
Die Bahn Wiesloch-Meckesheim-Waldangel-
l o ch nahm im September 10 929 Mk. gegen 6508 im Vor-
jahre ein. Bis Ende September hat sie in diesem Jahre
92 078 Mk. eingenommen.

x Jm Kaiscr-Panorama ist von Sonntag ab ei»c ganz
neue Serie, die Salzburger Alpen, ausgestellt. Die herrlichcn
Partien von Vorarlberg sind nur noch heute Zu sehen.

X Polizeibericht. Ein Bäckerburschs schotz gestern Mittag
halb 12 Uhr auf dem Henmarkt mit einem Revolver einem an-
deren Bäcker eine 'Kugel gegen den Rücken, glücklicherweise blieb
die Kugel in den Kleidern stecken. Der schietzlustige Menfch
ionrde eingesperrt; desgleichen ein Hausbursche wegen Bet-
telns.

j Weinheim, 31. Oktober. (D i ö z e s e L a d e n b n r g-
einheim.) Pfarrer Ednard Nützle in Ubesheim ist
'ür weitere 6 Jahre zum Dekan der Diözese Ladenbnrg-Wein-
'heim gewählt worden. Die Wahl wurde vom Oberkirchenrat
bestätigt.

80 Mannhcim, 81. Oktöber. (Z u den Gemeinde-
ivahlen.) Der Bezirksrat hat dem bon sozialistischer Seiie
gegen die Bürgeransschußwähk der zweiken 'Wählerklasse erho-
benen Protest ftattgegeben. Aller Voraussicht nach dürftc eine
nochmal'ige Wahlhaiidlung für eincn Stadtverordneten auf eine
dreijährige Dienstzeit notwendig fallen.

si Badenweilcr, 31. Otkober. (D a s Crbgrotzhcr-
z o g s p a a r) ist iiniimehr zu längerem Aufenthalte hier
ivieder eingetroffen.

— Frauen unter chinesischer Belcuchtung. Cin Weib ohne
Kinder ermangelt seines schönsten Schmuckes. — Fürchte eme
eitle Frau, denn sie wird alles ihrem Stolze opfern. — Der
Verstand der Frauen ist Quecksilber und ihre Herzen sind
Wachs. — Achte stets eine schweigsame Frau, denn grotz ist
Die Weisheit einer Frau, die ihre Zunge zu halten versteht. —
Mitztraue der Frau, die sich selber höher schätzt als eine andere:
rn ihrem Herzen wohnt kein Erbarmen. — Ein Frau, die
fich selbst achtet, ist schöner als ein Stern, schöner als Viele
Sterne der Nacht. — Ehre die Frau, die Kinder geboren hat;
fie wandelt geyeiligte Pfade und entbehrt nicht der Liebe. —
Eine Mutter, über die die Kindcr nicht gut sprechen, ist eine
Feindin drs Staates; sie sollte nicht innerhalb der Mauern
Ves Reiches geduldet werden. — Ein WeD, daZ bon Männern
gesehen werden will, ist nicht inehr vertrauenswürdig; fürchte
seinen Glanz. — Achte auf die Stimme einer alten Frau,
die Sorge hat ihr Weisheit gegeben. — Führerlosen Schafen
gleich find viele Weiber, tzie zu eitlem Geschwätz zusammem-
kommen. — Eine schöne Frau kennt ihre Reize nicht, deshalb
'ist sie schön, schöner als die Farben des Meeres. — Die Göt
ter ehren die, die lange denkt, bevor sie ihre Lippen öffnet.

Ein hochmütiges Weib strauchelt, denn es sieht nicht, waS
auf seinem Wege mag liegen.

Eingesandt.

Handschul,sl,cim, 1. November. An der verkehrsreichsten
tratze, in der Iiähe des „Badischen Hofs", besonders aber
vom „Grünen Hof" bis zum Kaufmann Burkhardt liegt der
^ chmutz so hoch, datz es jeder Beschreibung spottet, so daß
Passantcn, welche gestern durch diesen Schmutz waten mutztcn,
bitter klagtcn.. Kann an befugter Stelle nicht daranf hin-
gewirkt werden, datz diese Stratze einmal grün-dlich gereinigt
wird? EinerfürViele.

Weater- und Kunknachrichien.

Heidclüerg, 1. November. (S t a d t t h e a t e r.) Mit
besonders dankbaren Rollen sind im Schauspiel „Alt-Heidel-
berg", welches Montag seine Erstanfführung erlebt, bedacht
die Herren Eckyof (Erbprinz Karl Heinrich), Groß-
m a ii ii (Kammcrdiener Lutz), H o l st e i n (Asterbeh), L t a l-
tcn (Wirt Rueder), Schneider (StndLntendiener Keller-
mann) usiv. Die Rolle der Käthe wird bei dcr ersteii Aus-
sührung von Fräulein Milde dacgestellt werden, Doktor
Züttner von Direktor Heinri ch. Herr A uer , der tech-
nische Dircktor des Mannheimer Hoftheaters, hat eine neuc
prächtige Dekoration gemalt: Ansicht von Heidelberg.

Gegen Schnupfen ist
der Schnupfenäther „Forman" anzu-
wenden, der ärztlicherseits mehrfach
als„geradezu idealesSchnupfen-
mittel" bezeichnet wird. Bei leichtem
Schnupfen Forman-Watte (Lose 30 Pf.),
bei starkem Schnupfen Forman-Pa-
stillen (50 Pfg.) zum Jnhalieren mit-
tels Riechgläschens. Wirkung
frappant! Jn allen Apotheken.
Man frage seinen Arzt.

Eppinge», 31. Oktober. Der heutige schweinemarkl war
gut besucht, und waren S67 Stück Milchschweine sowie 27 LLufer
zugeführt. Das Paar Milchschweine kostete 12—23 Läufer
48—95 ^L

WafferftandSnachrichten

Oteckar. I Rhein.

Heidelberg, 1., 1,21 ges.O.OOm Lauterburg.31. 3,86, gef.0,09m
Hrilbron«, 31.. 0,63 gef 0.02m iMaxau, 31,. 3.87. gef 0,11m
Maunhrim, 31., 3,35, gef 0,08m i Manuheim, 31.. 3.38, gef. O.OOw

Kilndet und MerLeyr.

Frankfurt, 31. Oktbr. EffektensozistLt. Abends 6V4 Uhr'
Kreditaktien 212.90—213 b., Disconto-Kommandtt 187.30 b„
Dresdener Bank 142 b. G., Banque Ottomane 117.50—70 b.,
Lombarden 20 b., Gotthard 131 b. G., Henri 97.90 b, Anatol.
Etsenbahn (60°/„) 95 b. G„ 4proz. Spanier 87.40 b„ 5proz.
amort. Mextkaner 41.20 B. 10 G., Türk. Lose 125.20—40 b„
5proz. Bulgaren 91.60 b„ Iproz. Türken B. 55.46 b., 4proz.
Argentinier 71.50 b. G„ Laura 199 b„ Harpener 167.50 b. G„
Deutsch-Luxemb. Vorz.-Aktien 77.30 b. G.. Neue Boden-Aktien-
Gesellsch. 162 60 b. G., Elektriz. Allg. (Edison) 169 b.

6'/. bis 6V, Uhr: —

Jm Anschluß an bessere Notierungen der westlichen Börsen
war die Tendenz des Abendverkehrs bei zunehmender Kauflust
auf allen Gebieten sehr fest.

Schrödlsche Brauereigcsellschaft Herdelberg. Der Auf-
sichtsrat ber Gesellschaft hat beschlossen, der am 15. Novsmber
'stattfindenen Genevalversammlmig die Berteilung einer Divi-
'dende von 13 Prozent (im Vorjcchre 12 Prozent) auf 560 000
Mark Aktienkapital vorzuschlagen.

Heidelderg, 1. Novemver. iMarktpretse.) Heu der Zentner
^L 3.20—3.50, Korn-Stroh der Ztr. ^L 2.20—2.50, gem. d. Ztr.
^L 1.80—2 00, gelbe Kartoffeln der Zentner ^L 2.20—2.40,
Salatkartoffeln 4.20—4.50 ^L, Butter in Ballen ^L 1.05—1.10,
in Pfd. 1.10-1.20, Zwiebeln d. Pfd. 5-6 Knoblauch 35
Bohnen 20-25 Geb. Gelbrüben 2—3 Rosenkohl das Pfd.
6—8 Schwarzwurzeln 20—25 Kastanien d. Pfd. 12—15^,

Eier das St. 6—7 das Hundert 6.50—6.80 ^L, Nüffe 100
St. 60—70 Blumenkohl d. St. 20-25 Rotkraut 20—25
Weißkraut 15—20 Wirsing das Stück 6-8 Kohlrabt
2—3 Boden-Kohlrabi 8—10 Sellerie 4—6 Lauch

2-3 Rettich 3—5 Meerrettich 20-25 Wetße Rüben
das Stück 2—3 Rote Rüben das Stück 6—8 Kopfsalat
6-8 Endivien 4—6 Aepfel d. St. 3—4 d. Pfd. 8-12
Birnen daS Stück 3—4 das Pfund 8—10 Gebund Peter-
stlie 1—2 Gebund Schnittlauch 1—2 Radieschen 2—3
Weißkraut der Ztr. 2 ^L

Wiesloch, 31. Oktober. Der heutige Schwetnemarkt war
mit 110 Stück Milchschweine» und 8 Stück Läufer befahren.
Preis für das Paar Milchschw eine 15—22 ^L, Läufer 36—42 ^L

Semeinäen, kehörüen ete.

welche

hohe Erträge erzielen wollen,

ist die J-nsertion

von Schafwaide- und Iagd-Tlerpachtungen.
Holz-Bersteigerungen rc. in diesem Blatte
unentbehrlich.


d
d
d
d

^8^

Schon öfters wurden bei einer in der Heidelberger
Zeitung (alleiniges Amts- n. Kreisverkündigungs-
blatt für das Amt und den Kreis Heidelberg)
inserierten Derpachtung oder Dersteigerung

üie r—Äache Stimme

gegen früher erlöst.

Neueste Nachrichten.

Karlsrnhe, 31. Oktober. Der „Südd. Reichskorresp."
schreibt man aus Berlin mit Bezng auf die Haltung der
Mehrheitsparteieu zur Z olltari fp orlage: Mit deM
Schlagwort vom „politischeu Ruin" der MehrheitsparteieH
wird Mißbrauch getrieben. Die schutzzöllnerischen Fraktionell
können doch im Erust uicht fürchten, sich durch das Zw
standebringen der Regiernngsvorlage bei den Wählern in»
Unrecht zn setzen. Die Gefährdung der Parteibestünde
würde vielmehr gerade dann eintrcten, wenn das Tarifwerk
an der Haltung der Mehrheit scheitern sollte. Es kominl
wegen der zollpolitischen Vorlagen keine „Reichskrisis", kein^
Regierungskrisis, nnter Umständen aber eine Parteikrisis-
Der nächste Reichstag wird dieselben Staatsmänner aN
denselben Plätzen finden, aber nicht mehr dieselbe schE
zöllnerische Mehrheit und nicht mehr denselben anf agrariM
Wünsche zugeschnittenen Tarisentwurf. Gerade wer es nsit
den berechtigten Bestrebungen dieser Niehrheit ehrlich meint,
muß immer wieder daran erinnern, daß sie mit den Ver-
bündeten Regiernngen etwas, und zwar ziemlich viel, ohn^
oder gegen die Regiernngen garnichts durchsetzen kann.

Kassel, 31. Oktober. Der Kronprinz von Dänä
m a r k, der während der Vorstellung im königlichen Theaier
wie beim Verlassen des Theaters bom Pnblikum lebhaft be^
grützt wurde, iiahm später beim kommandierenden General dcv
Thee ein und reiste um 12,18 Uhr nachts nach Harnburg ab-

Weimar, 30. Oktober Der Oberbürgermeister erklärt, dav
der Schntzmann, der Frl. Anita Augspurg anhielt,
fur emen verkleideten Mann gehalten habe. Jn der That, das
Fräulein sieht sehr münnlich aus, zumal ste in ihrer Track'
jich deni Männlichen möglichst armähert. Auf der Polizei eU
klärte Fräulein Dr. Anita Augspurg unter cmderem: „eigenr,
lich habe sie den Schutzmann mit hergebracht und nicht dfj
Schutzmami sie, der Vorfall komme ihr gevade recht, sie brauad
solches Material, damit der Paragraph (sie nannte emen Pai^
grapljen des Strafgesetzbnches) falle, sie gehe an den Reichstab'
ihr Namc sci kein unbckannter, ihr stünden fast alle Zeitrmg^
zur Vcrfügnng; wtr hätten eincrr Fall Berlin, Köln, Münckst?j
Wiesbaden g-ehabt nnd nnn hätten wir auch einen Fall We'
mar."

Aachen, 31. Okt. Der ehemalige Reichstagsabgeordll^
und Alterspräsident, Lingens, ist heute Abend 84 Jah^
alt gestorben.

Berlin, 31. Okt. Der „Allg. Fleischer-Ztg." zufolS^
empfing der Landwirtschaftsminister v. Podbielski deS
Vorstand des deutschen Fleischerverbandes, Mak^
Frankfurt a. M., und den Obermeister der Hamburg^
Schlächterinnung, Schuhmacher, in Audienz und
örterte mit ihnen in einer dreiviertel Stunde währendeS
Unterhaltung d!e Fleischnot eingehend. Der Minist^,
brachte seine Ueberzengung dahin zum Ausdruck, daß kw
deutsche Landwirtschaft in kürzester Zeit den Beweis
bringen würde, daß sie den Bedarf an Vieh, insbesondest
an Schweinen, mehr als hinreichend zu decken imstande st','
Ein erheblicher Preissturz sei bereits in den näA,
sten Monaten zu erwarten. Andererseits gestand der M
nister unumwunden zu, daß, wenn dieser von ihm mit ^
stimmtheit erwartete Rückgang in den Preisen auf abstS
bare Zeit nicht eintrete, er es füc seine Pflicht hast^
müsse, auf Abhilfe zu sinnen, denn die augenblicklich hetst
schenden hohen Viehpreise dürslen i'm allgemeinen Jnterew
auf die Dauer nicht fortbestchen. . ^

Berlin, 31. Oktober. Sarah Bernhardt
gestern ihr Gastspiel als Hamlet fort. Sie machte 4Z
Hamlet einen närrischen Hanswurst nnd fiel damit gründ^
ab. Es war eine Parodie auf den Hamlet, aber nicht
Hamlct Shakespeares. . F

Berlin, 81. Oktober. Das S t a a t s m i n i st e r 1'
trat heute unter dem Vorsitz d-es Reichskanzlers Grafen ^
lo w zu eirier Sitzung zusammen.

Berlin, 31. Oktober. Der „Kreuzztg." zufolge fererte /
Kr 0 nprinz v 0 n Däne m a r k bei dem gestrigen
im Kasino des Husarenregiments in Kaffel in längerer
das preußische Königshaus und seinen Chef Kaiser WilhelÄ^
und betorite die aufrichtigen freundschaftlichen.
zrehungen zwrschen den dänischen und den preutzb
Königshöfen und den beiderr Rerchen überhaupt. Er fst'!
Wunsch, daß dre guten B-eziehungen sich auch fernerhin eE
und rmmer enger g-estalt mögen; er schloß mit einem
den Kaiser. Nachdem der Regimentskormnandeur
hatte, brachte derselbe ein Hoch auf den Kronprinzen aus-
Kronprrnz drückte sodann seine Zufriedenheit mit den Leu
 
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