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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 305 (01. Dezember 1902 - 31. Dezember 1902)
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rnerkungen zur Geschäftsordnung geniigen auch dre vorge-
sschlageucu fünf Mrnuten. Der sozialdemokratifche Par-teitag
gewahrt bei^allen Diskussioncu dcrn Redner nur zehn Minutcn
Redezeit. So haüe man nbcrall Matzregeln getroffen, um
das Ueücrwucheru der Gcschäftsorduungsdebatte zu verhindern.
Ob dcr Antrag gcuügen werde zur Uebcrwinduug der Ob-
struktivu, werde von dem Verhaltcu der Sozialdentokraten ab-
hängen. Jedeufalls könne er erklären, datz seine Freunde
eirtschlosseu seien, jede Aenderung der Geschäftsordnung vor-
zunehmeu, die sich als notivendig herausstellen sollte, um der
Obstruktion Herr zu werden. Höher als die Forin der Ge-
schäftsbehandlung stehc ihm die Erledigung der Geschäfte,
Köher als die Geschäfrsordnuug des Reichstages die Existcnz
des Reichcs. (Lebhafter Beifall bei den Mehrhettsparteien.)

Abg. Bebel (Soz.^: Der Antrag Gröber richte sich
eigeutlich nicht gegen die Sozialdemokraten, sondern gcgen den
Präsidenten, der dadurch in einen fortivährenden Anklagezu-
staud versetzt werde. Die Mehrheitsparteien hätten, weil sic
eine ausreichende sachliche Debatte vcrhinderten, die Opposition
zu 'der langen Geschäftsordnungsdebatte gezwungen. Der An-
trag sei offeubar provokatorisch. Dtan wolle die Sozialdemo-
kraten reizen und sie zu Gewaltthätigkeiten zwingen. Dte
Mehrheit möge, da sie die Gewalt hat, den Antrag durchbrin-
geu, aber trohdcnt gehöre die Zukunst und dcr Sieg der So-
zoialdemokmtie.

Abg. Richter (fr. Vp.): Seine Partei wäre grmrdsätz-
lich nicht gegcu eiue Wänderuug der Geschäftsordnung, um
pessere Garantien für sachliche Beratungeu zu fmden. Da
aber der Antvag Gröber, der übrigens den Präsidenten iu eine
schiefc Stellung brmge, nur eine wcitcre Erappe auf dem
durch dcu Antrag Kardorff eiugeschlagenen Wege sei, stimme
seine Partei gegen ihn.

Abg. Dr. B arth (fr. Ver.): Dcr vormalige Reichstags-
präsident Simsou habe erklärt, die Geschäftsordnung sei der
natürliche Schrch der Minderheit. Der Präsident müsse seine
Hauptaufgabe dariu erblicken, jede Minderheit zu schutzen.

Vizepräsident Graf Stolberg teilt mit, der Abgeord-
nste Freiherr v. Scheele-Wunstorf (Welfe) habe eine Abände-
rung dcs Antrages Gröber beantragt, auch sei ein Antrag
v. Normanu-v. Tiedemaun-Dr. Spahn auf Schluß der Debattc
eingegaugen. Als der Vizepräsident die Unterstützungsfrage
zum Schltihantrag stellt, erbittet der Abgeordnete Singer
ZSoz.) das Wort znr Geschäftsordmmg.

Vizepräsident Graf Stolberg Verlveigert es, weil 'das
Hcms schon in der Mstimmuug sei.

Der Schlutzantrag wird von der Mehrheit an g e-
n o m m e n.

Abg. Sing e r (Soz.): Präsident Graf Stolberg habe die
Geschäftsordnung gebrochen. (Stürmische Zurufe der Sozial-
demokraten: Absichtlichl Lärm im ganzen Haufe.)

Abg. Singer (Soz.) beantragt, über den Llntrag Gröber
zur Tagesordmmg überzugehen, ferncr über deu Schlutzantrag
namentlich abznstimmen.

'Abg. H a u tz m a n n - BöMngen (südd. PülPp.) stellt
fest, datz ihm das Wort gegen den Autrag Gröbcr abgcschnitten
sei. Es kommt ein „Gräber". (Heitcrkeit.) Peitsche und
Maulkorb ist in Aktion.

Cs folgt eine lebhafte Ausemandersetzung über das Ver-
halten des Vizepräsidenten, wobei Abg. b. Kroe ch e r (Kons.)
bemerkt, nach der bisherigen Praxis hätte Singer das Wort
ethalten müssen.

Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Rcf.-P.):
Seine Partei habe den Antrag Gröber rmr mit schweren Be-
denken unterschrieben und stimme jetzt, da ihr das Wort abge-
schnitten sci, gegen den Antrag.

'Schließlich wird der Antrag Singer auf Uebergang zur
Tagesorduung mit 212 gegen 88 Stimmcn mit 4 Stimment-
haltungen abgelehnt.

Der Antrag bon Scheele wird in einfacher Mstimmung ab-
gelehnt, der Äntrag Gröber in namcntlichcr Abstim-
nnlng angenommen.

Es fokgt Weitcrberatung des Zolltarifs nud zwar die
Referate.

Während Abg. Schlumberger über die Darifpositio-
nen 389 bis 435 referiert, entspnmt sich eine Auseinander-
setzung zwischen dem Vizepräsidenten Büsing nnd den sozial-
Lemokratischen Abgeordneten Baudert und Singer über die
Worterteilung zur Geschäftsordnung; da die Sozialdemokra-
ten die Frage des Präsidenten, worüber sie sprechen wollteu,
nicht beantworten, erhalten sie das Wort nicht. Als Singer
äutzert, er wolle sich nicht ivie einen Schuljuugen behandelii
lcrssen, wird er zur Ordnung gerufcn, weil, wie der Vizeprasi-
8ent Büsing bemerkt, ein Reichstagspräsident dre Wgeordne-
ten niemals wie Schuljungen behandle. (Lebhaftes Bravo
rechts, Lachen links.)

Die sozialdemokratischen Anträge auf Rückverwetsuitg ein-
zelner Positionen au die Kommissiou werden teils in nament-
lichcr Abstimmung abgelehnt, teils überhaupt zurückgewiesen.
Jm Laufe der Debatte tcilt Vizepräsideut Büsing mit, datz
nach der endgiltigen Feststellung dcr Autrag Gröber nicht, wiö
vorher mitgcteilt, mit 176 gegen 126, sondern mit 206 gegen
92 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen angeuommcn ivorden
fei.

Es folgen weitere Referate.

Nach dem Berichte des Wg. Foerster- Sachsen über
Positionen 486 bis 467 beantragt Abg. Grüneberg die
Zurückverweisiing an die Kommission und wird rn der Begrün-
dung seines Antrages nach sünf Minnten unter Heiterkeit des
Hauses darcmf aufmerksmn gemacht, datz die Redezeit aüge-
lanfeu sei.

Abg. Baudert (Soz.) beautragt Uebergaug zur Tages-
ordnung ü'ber den Antrag Grüneberg. Der Antrag wird mit
215 gegen 69 Stimmeu bei 3 Euihaltungen migenommen.

Nach cmderthalbstündigem Bericht des Wgeordneten Retß-
Hauß vertagt das Haus die Weiterberatung auf mc»:geu Vor-
mittag 10 llhr.

Ans der Knrüsrutrer Zeitnng.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog habeu
ben Kauzletsekretär beim Landgericht Konstanz, Kmrzleirat Ad.
Rothiveiler, mif sein Ansuchen uuter Anerkennuiig seiner
langjährigen, treugeleisteten Dienste in den Ruhestand ver-
fetzt.

— Gerichtsschreiber Lorenz Vierneisel beim Amtsge-
richr Emmendingen wurde zum Kanzleisekretär beim Lcmdge-
richt Konstanz ernannt, Expeditioiisassistent Ernst Strobel
tn Lörrach nach Maxau versetzt, Expe'ditiousassistent Heinrich
G eiger bei der Zentralverwaltung näch Freiburg, Betriebs-
assistent Johann Schmich in Bruchsal uutcr Ernennuug zum
Wetriebssekretär zur Zentralverwaltung versetzt.

Eisenbalinrat. Das Miuisterium dcs Großh. Hauses und-
ber auswärtigen Angelegenheiten hat auf Grund der landes-
iherrlichcn Verordnung vom 4. Mai 1880 zu Mitgliedern des
Eiseubahnrates auf die Dauer der uächsteu drei Jahre ernannt
Lie Herrcn: Ernst August Freiherru Göler von Ra-
vensburg in Sulzfeld, Oberbürgermeister Dr. Wilcke ns
in Heidelbcrg, Geh. Kommerzicnrat Ferdinand Reiß in
Karlsruhe, Generalkonsul Karl Reitz in Mannheim, Mühlen-
Lesitzer Karl Dreher in Wittlingen.

Karlsruhe, 9. Dezember. Am Smmtag, den
7. Dezember, vormittags, wohnteu die Groszherzoglichen
Herrschaften mtt der Kronprinzessin von Schweden nnd
Norwegen und ihren Hansgenossen dem Gotlesdienst rn

der Schlotzkapelle in Baden an, bei welchem Hofpredlger
i)ischer die Predigt hielt. An-ch die Schülerinnen der
nnter dem Protektorat der Groszherzogin stehenden Schnle
nahmen wieder daran teil. Gestern fand bei den Hö<l,stcn
Herrschaften eine Abendtafel statt, zu welcher zahlreiche
Einladiingeii an Staats- und Gemeindebeamte sowie an
Geistliche ergangen waren. Auch heute sind viele Per>
sonen zur Abendtafel eingeladen. Morgen, Mittwoch,
Abend beschließen 'die Groszherzoglichen Herrschaften
ihren Anfenthalt in Schlosz Baden, >im nach Karlsrnhe
znrückznke'hren.

Aus Stadt uuo Laud.

Hcidelberg, 10. Dezember.

' Dcr Gros-Herzog von Hessen traf heute frü'h 8,36 Uhr
aus Darmstadt hier ein und setzte seine Reise um 8,44 Uhr
in der Richtuug nach Karlsruhe fort.

X Aiiszeichnnitg. Die Königlich Schwedische Akademie der
schöueu Wissenschasten, Gcschichte uud Mtertumskuude hat
Herru Geh. Rat Dietrich Schäfer zu ihrem auswärtigeu
ordeutlicheu INitgliede gewählt.

UL Von dcr Nuivcrsitüt» Als Iiachfolger des uach Müu
cheu bcrufcuen Professor Crusius hat Prosessor Dr. Wilhelm
S ch m i d aus Tübiugen eiueu Ruf hierher erhalte». Ueber
Aitnahme oder A'ülehuung des Rufes vou Seiien Professor
Schmids verlautet uoch nichts.

Akadcmischer Vortrag zum Besten des Frauenvcrerns.
Professor Brauer sprach gestern übcr die Be'haudluug mit
Heilserum. Der Vortrageude zeigte, auf ivelcher wisseuschaft-
lichen Grundlage die Methode aufgeb-aut ist, gewtsse ansteckende
Kvankheiten durch Einspritzuug eines Heiluug bringeuden
Blutwassers (eines sogenamiten Heilscrums) zu behaudelu. Ju
gedrängter Kürze sei hier das Wesentliche wiedergegeben. Die
Jnfcktionskraukheiten werden herborgerufen ein-erseits durch
gewisse Bakterien, welche am uud im Körper zu lebeu ber-
mögeu, audererseits durch Giftftoffe, welch-e diese Bakterieu
produziereu. Die vielfältigeu Disserenzen im W-achstum der
B-akterien und iu ihrer Giftproduktiou bedingen die grotzen
Ilntcrschiede der Krankheitsbildcr sowohl unter sich, als wie
auch in ihren Eiuwirkuugcn auf deu einzelu b-efalleuen Men-
schen. Die fertige Kran-khcit wird aber uicht nur Surch die
Form uud Art der Austeckung, sondern auch durch die Eigenart
des' augesteckteu Jndividuums beeinslutzt. Bekaunt ist die Ver-
schiedenheit der Erkrankuiigsfälle bei groheu Epidcmien sowie
'dcr llntcrschiede zwischeu deu Kmnkheiten, die als Meiischeu-
odcr Ticrseüchen austreten. Diesc persöiilichen Nnterschiede
rühreu daher, datz der tierische Organismus eine recht beträcht-
liche natürliche Widerstandsfähigkcit andringenden Bakterien
gegenüber besitzt. Diese iiatürliche Widerstaudskraft kanu
durch die vcrschiedeuartigsten Diuge vermindert oder vermchrt
werdcu. JedeufaNs scheiut sie wcsentlich an bestimmte chemische
Eigeuschaft-eil -des Blutwassers mid der weitzen Blutzellen
gebuuden. Einc weitcre Erfahruug lehrt, datz biele J-nfek-
tionskrankh-eiten dcu einzeln-en Meiischcu uicht zum ztvciteiimale
bcsallen, sonderu ihu iu ciueu Zustand der Uuempfänglichkeit
dcr bctrcffenden Jnfektionskrankheit gegenüber versetzen. Man
spricht iu einem solch-cn Falle vou eiiicr erworbcucu Jmmuui-
tät. Man kcmn eiuzelucii Kraukheiten gegeuüber zu einer sol-
cheu Jmmuuität -aber cr-uch dadurch gelange», datz mau das
Blutwasscr von Tieren, welche die betreffende Kraukheit über-
staudeii, nnter die H-aut spritzt. Dicsc letztere Form der Jm-
munität wird als passive Jmmmntät bezeichuet, im Gegensatz
zu der erstereu, die der Köcpcr sich als aktiv durch Ueberstehen
der Kraukheit sclbst schaffeu musz. Die aktive Jmmuuität
kauu eiuem Tierkörper gegeben werdeu durch- Einimpfeu le-
bender Jnfektionscrrcger odcr auch ihrer Giftstoffe. Ent-
nimmt mau dicsen Tieren, welche uach einem solcheu Verfahr-eu
borbchcmdclt wurdcn, Vlut uud läßt von dicscm dcu Blut-
kuchcn sich abscheideu, so stellt die übrigbleibende kla-re, schtvach-
gelblicbc Flüssij'ckelt das sogeummte Heilferum dar. Diescs
Scrum enthält' Stoffe, welche die Bakterieugiftc ulischäS-lich
zu macheu vermögeu und im gewisseu Grad-e auch dic Infek-
tionscrreger schädigcu. Spritzt mau nun vou diescm Blut-
scrum ctwas ein, so schafft man dem Körper einen Jmpfschutz
gegen die audrmgendc Jnfektion; abcr auch bei dem bcrcits cr-
kväukteit Körper kcmn uian unter Umständcu uützlick, wirkeu
und zwar insofern, alS das S-erum befähigt ist, bei rechtzeitiger
Anweuduug, geniigender Dosis und uicht zu giftigeu Krank-
hcitSerregern 'heilend od-er wenigsteus'besserud zu wirken. Einigc
allgcmcine Bcmerkuugen über die zu erwartcnden weiteren
Heilerfolge, über die Möglichkeit, einzelne Jnfektionskrankheiten
völlig auszurotten, sowie über die Notwendigkcit ciner Teil-
nah-me des Volkes au dci, Untcruchmuugcii zur Bekämpfung der
Ansteckuugskrankheiten beschlossen d-en Vortrag.

* Städtische mrentaelti. Arbeitsnackweis-Anstalt Heivelvera-
Monatsbericht. Nack amtlicker Zusamnienstelluna wurden
im Menat November 1902 im Ga"ikN 586 Gesuche einaetraaen
220 von Arbeitgebern, 175 sür männliche und 46 für weiblichs
Personen, welche 293 Arveitskräste (247 männliche und 46 weivl)
verlangten und die 376 Arbcttskräite (323 männliche und 63 weib-
liche) zuaewiesen erhielten. Arbeitnevmer wurden 366 einge-
trogen (316 mannliche und 50 weiblichet, von denen 342 sosort
Arbeit nachgewiesen werden konnte (299 mannl. und 37 weibl.).
Befriediat wurden im aanzen 493, daruntee 214 Arbeitaeber
(176 männl. nnd 88 weibliche) und 279 Arbeitnebmer, 240 männl.
und 39 weibliche Persanen. Ferner baben noch 996 Arbcitnehmer
(954 mannliche und 42 weibl.) bei der Anstalt um Arveit nach-
gesucht, die aber, da ibnen nicht sofort passende Arbeit nach-
grwiesen werden konnte, aus einen Eintraa verzichteten. Das
Argebot offerier männlicher Stellen ist in diesem Monat gegm
den Vormonat bedeutend und gegen den gleichen Monat v. Js.
etwss zurückgeblieben, so dak anf 100 offens Stellen 514,2
Stellerisuchende kamen, gegen 332,8 des Vormonats und 387,5 des
gleichen Monats v. Js. Ungelernts Arbeiter, wie Hausbursche,
Taglöhner, ferner BauhandAerker aller Art, sowie Arbeiter der
Ei?enb>anche konnten nur in wenigen Fällen Arbest finden.
Es dürsle der Grund, warum so wenig Stellen offen wsrden,
auch darin zu suchen sein, daß die Arbeiter jetzt wenig ihre Stellen
wechseln, gegen frühere Jahre, wo sie leichter wieder Stellung
finden koiniün.

-h Polizeivericht. Ein Schieferdecker wurde zur Straf-
erstehrmg und drei Arbeiter wegen Bettelns vechaftet. Zur
Anzeige kam eine Fabrikarbeiterin w-egen Diebstahls und zwei
anderc Personen wegen Uufugs.

lZL Aiaitnhcim, 9. Dezember. (Iubiläu m.) Stadt-
pfarrcr Ruckhaber feiert am 14. ds. M. seiu fünfzigjähriges
Dieustjubiläum. Zu Ehren des beliebteu rüftigen Geistlichen
bcvcmstcrltet die evangelische Gemeiude in der Konkordienkirche
eineu F-estgvttesdienst.

8C Karlsrnhe, 9. Dezember. (D e r Senior der
Karlsruher I o u r n a l i st c n), Schriftsteller Otto
U m m o n , feierte crm Sonntag im cngsten Familieukreise sei-
ncu 60. Gc-burtstag nnd zugleich das 40jährige Fu'biläum
seiner Thätigkeit als Jourualist und Schriftsteller. Von Be-
ruf Jngenieur, zeigte Herr Ammou schon frühzeitig große
Neigung zur Journalistik uud viele originelle und geistvolle
Artikel verdcmkt die „Badische Landeszeitung" zu Begiun der
50er Fahre sciuer Feder. Jm Jahre 1868 erw-crrb er die
„Konstanzer Zeitung", die er 15 Jahre hindurch mit grotzem
-Geschick leitcte und zu einem der geachtetsten und weit ver-
breitefften Blätter des Landes machte. Andauernde Krünklich-
keik veranlatzte Herrn Ammon im Jahre 1883, in seiner Vater-

stadt Karlsruhe die Ruhe des Pribatlebens aufzusuchen. Doch
bald nachdemi seiue Gesundh-eir wieder hergestellt war, widmcte
er sich mit rastlosem Eiser der schriftstellerischen Tbätigkeit, insr
besondere authropologischen Studien, die ihm in der wissen-
schastlicheu Welt grotzes 'Auseheu auch im Aus'land vcrschaffteu.
Jn deu letzten Jahreu hat sich Herr Nmmou als Korrespondeut
des „Schwübischcu Merkur" wicder der Publizistik zugewandt.
Scharfe Beobachtuiigsgabc, sichcrcs Urteil, klare Schreiblveise
und emiuenre Ärbcstskraft sichern dcm Jubilar eineii hervor-
ragendeu Platz imter den -badischen J-ournalisten. Mögen ihm
noch viele Jahrc iu geistiger und körperlicher Frische beschieden
seinl

Achcrn, 9. Dezcmbcr. (Eutgleis t.) Am 8. Dezember
entgleisten vou dem Güterzug 020 bei der Einfahrt iu deu
Bahnhof Acheru infolge Bruchs einer Schiene die Lokomotive
uud eine 'Anzahl Güterwagen, die ncbst der Geleisanlage
mehr oder minder bcschädigt wurdcn. Personen wurden nicht
verletzt; üageg-cu ist der Matcrialschaden beträchtlich. Ein Vcr-
schulden dcs Persouals ist völlig ausgeschlossen. Jufolge der
Zerstörung des Geleises mutzte zwischcn Achern und Rencheu
eiugelcisiger Betricb eiugerichtet wcrdcn; mit Schnellzug 34
wurde der uormale Bctricb am 8. Dezember wisdcr aufge-
nomrnen.

80 Freiburg, 9. Dezember. (Vou der Uuiversi-
tät.) Die akadcmische Plcuarsitzuug wählte Geh. Hofrat Prof.
Dr. Richard S ch m i d t (rechts- und staatswissenschaftliche
Fakultnt) zum Prorektor der Universität für das Studienjähr
1903—1904.

Heiöeliierger Bereinsangelegcnticiten.

X Der Vereilt gcgeil Mlsibrouch geistlger Getränkc wird
am Souutag, deu 14. ds. Mts. im Vcrfolg seiuer Bestrcbuugen
für Förderuug dcr Volksbilduug scineu ersteu allgcm-eiucn Un-
terhaltuugsabcud oeraiistalteu. Tie Plakate uuü Programme
wcrdeii das Icähere besagen. Ilutzerdcm wird Herr Hofrat
Professor K r ü p e l i u am Mittwoch, dcu 17. ds. IN. im
Garteusaale der Harmonie eiiien Vortrag übcr „Alkohol uud
akademische Jugcnd" halten, auf wclchen wir die Herren Aka-
demiker jetzt schou aufmerksam machcn.

Weater- und Knnst-ruchrichten.

Baden - Badeil, 8. Dezemüer. (D a s F e ft k o u z e r t)
zur Feier des Geburtsfestes der Grotzherzogin fand am 3. Dez.
in dem schön geschmückten grotzen Saalc des 51oubersations-
hauses statt uud iiahm eiuen überaus glänzenden Verlauf in
Auweseuhcit des Grotzherzoglichcn Paares, des Erbgrotzherzogs
uud des Hofstaatcs. Das „Badeblatt" berichtet darüber: Das
Städtische Kur-Ko-mitee hatte zwei vortreffliche Solisten ge-
wählt: deu Köuigllcheii Kammersäuger Herru Ern-st Kraus
-aus B-erliu uud uusereu eiu'hcimischcu Klaviervirtuoscu Herru
Theodor Pfeiffer, wclchcm man stets gerne'in unseren
Konzerten begegueu. Dah er gerade zu dieser feierlichen Ge-
legenheit auserkoreu wurde, hat uns ganz besonders gefreut,
denu es beweist, datz man „das Gute, das so nahe liegt", zu
schätzen weitz. Neben dem grotzartigen Teuoristen mit Klavier-
vorträgeu zur Geltung zu gelcmgen, war gewitz nicht lcicht, und
wir frcuen uns daher doppelt, berichteu zu dürfen, daß auch
Herr Pfeiffer eineu uubestrittenen großen, glänzenden
Erfolg zu berzeichuen hatte. Wir hören hier ja so viele Pinani-
steu, uud darunter gewitz auch viele herborragende ; aber keiner
davou dürfte uuser Jntercsse mit mehr Recht beauspruchen, als
Herr Pfciffer, desscu musikalische Vortragsweise und ausge-
zeichnete Technik ihn in dic Reihe der ersten Künstler stellen.
Bci aller Kraft uud Virtuosität ist seiu Anschlag stets weich
und tonschöu. Seine Wiedergabe der Fantasic über ungarische
Volksmelodicn für Klavier- uud Orchestcrbegleitung von Franz
Liszt war eine überaus birtuose Leistuug und zeugte von poe-
tischer, temperainentboller Auffassuug. Sein Vortrag zündete
und brachte ihm mehrere Hervorrufe, sowie verschiedene präch-
tige Kranzspeudcu. Herr Pfeiffer bewies ferner mit seiner
eigeueu Ucüertragung des beliebtcii „Ständchen" von Richard
Strautz ein grohes Geschick, dcuu es war nicht leicht, dieses
Lied mit der bcmegieu Bcgleituu-g handgerecht zu unachen; doch.
ist dies Herrn Pfeiffer autzerord-entlich gut gelungen, und darf
dicsc soeben iin Druck erschienene Transskription aufs Wärmste
empsohleu werden. Die Siiigstimme (mit Text) ist auf einer
Lesonderen Zeile gedruckt und sehr übersichtlich zwischen beide
Häudc berteilt. L>o virtuos gcspielt wie von Herrn Pfeiffer,
macht dieses Siück eiue gauz reizende Wirkun-g. Als Schluß-
uiilumer spcndete der Küiistler uoch die Konzert-Paraphrase
iiber deu W-alzer „Tauseud und ciue Nachr" vou Joh. Strautz,
die mit ihrcn glissandi wohl dcu Gipfcl modcrncr Technik
bcdeutet uud glänzcnd gcsftielt wurdc. Auch Herr Pfeiffer
mußte für dcu Bcifall, verbuudcn mii Blumcuspcnden uud
wiedcrhoktem Hervorrus, eine Zugabe spcudeu, welche in
Ch-opins poctisch gespielter G-moll-Nokturne bestand.

--—--— -71,«»--. „

KandeL nnd MerkeHr.

Mannheim 9. Lezbr. (Aktien.) Oberrh. Bank 92.— G.
—B., Rhetn. Crrditbank 140.00 G. —B-, Rheinische
Hypotb -Bauk 180 50 G. —.— B, Brauerei Kleinlein. Heidel-
berg 163.50 G. —B., Schcödl'sche Brauerei.Mtieu 183.— G.
—B. Portland-Ceiuent Heidelbsrg 1(5.— G.-B.

Frankfurt, 9 Deibr. Efiektensozietüt. Abends 6'/. Uür.
Kreditaktien 210 90 b., Diskonto-Nommandit 189 40 b., Darm-
siädter Bank 136.40 b., Berliner Bank 83.60 b. G.. Lornbardsn
17 40 b. G. 4'/rProz. Poitng'effn 49.75 b., Po tug. Prtorit.
Il Rong. 44 b. G.. 4proz. Spantsr 86 20 b., Lvura 203 50 b.,
Bochumer 170 b, Gelsrnkirch-n 17S b.. Harp ner 167.75 b. G.,
Htbernia 175 80 B. 70 G., Obeischl. Eisen-Jndoslrie 91 b. G.,
Deutsch-Luxemb. Vorz-Akt 80.40 b. G, Bad. Zilckerfabrik 70
b. G., Ewklr. Helios 10.50 b.

6V« bis 6'/- Uhr: .--

Die Abendbörse zeigte festc Haltung, insbesondere wurden
Montanwerte, Spaniiche Extsrieurs. Lombarden und Badische
Zuckerfabrik zu höheren Kursen umgesetzt.

WaffeMsmdSnaetzrichre«

Rrckar s Ndein.

Heidslberg, 10., 1,09 gef. 0,06m LauterbnrA. 9 . 3.(0. gef. 0,09w
Hetlbron», 8.. 0.38 gef 0.02m Maxa«. 9., 3(0 gef 0,08r»
Mannheim 8, 2,42 gef 0.13m! Mannüeim. 9 2 21 mf. 0.10m

Mannheim, 9. Dezember. Das Neckareis ist oberhalll
der Neckarbrücke zum Steh-en gekommen.

Ruhrort, 9. Dezember. Der starke Eisgaug hat em^
pfindliche Störungen in deu Ru'hrhäfen im Gefolge. Sendun-
gen für die sämtlichen Kipper des hieslgeu Hafens w-erdeN
vorläufig nicht mehr angenommen. Die HLfen sind gesperrt-

Srossd. Laä. SoMsksrLnt.
Lxsrilal-Osseliäkt

kür ksL»« L>sckiorvrutsi», «slss - Ltrslctsi»
nnä Sporl-Illsirslllss.

187 «supkd-. «suptsli-. 157.
 
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