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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 281 - 305 (01. Dezember 1902 - 31. Dezember 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#1284

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lragung dcs (Ligeirtiuns frci von Lasten gege» Rückcrsatz dcs
Kanfpreiscs ohne Zinsen verlangen, hat aber den Wert des
crrichtetcn Gebäudes nach dcr Schätzung von Sachberständigen
zu ersetzcn, von denen dcr Küufer nnd das Domäncnärar je
einen und diese dcn drittcn ernennen sollen; wcnn sie sich nicht
cinigen, soll das Bezirksamt dcn dritten ernenncn. Man kann
nicht sagen, das; die Domüncndircktion zu viel verlangt habe,
besonders nach dcn gcmachten Erfahrungen, abcr andererseits
zeigt sich nur zu deutlich, datz ein solchcs Verhältnis von groszen
Unzuträglichkcitcn begleiiet ist. Man stelle sich zum Bcispiel
den Fall vor, dasz ein Käufcr stirbr und minderjährige Kindcr
hinterlüszt. Wäre cs nicht besser geivescn swcnn man von einer
Versteigcrnng absehen ivvlltc), von dcn Käufern eincn Preis
zn verlangcn, der dem lvirklichen Wcrl der Plätze nähe kommt
und schon dadurch eine mitzüräuchliche Spekülation ausschlietzl',
»achhcr abcr ihncn das freic, uneingeschrünkte Vccfügungs-
rccht zu überlassen? Dabei wären alle Teile besser gefahren,
und man hätte nicht dic Bcgriffsverwirrung erlebt, als ob dcr
Staat cinigen Speknlanten cin paar Hundert Mark Profit
in die Taschc zu jagen das Necht habe. Der sozialpolikischc
Vcrsnch würc allerdings dann weit einfacher ausgefallen und.
hätte nicht dcn Stempcl einer bcsondercn Gnade getragen. Wir
möchtcn dicse Frage nur im öffentlichen Jnteresse anrcgen, ohne
uns in dicscm Stadium der Sache bestimmt auszusprechen.

Kandet und Aerkeyr.

Mannheim, 22. Dezbr. (Produktenbörse.) Per 100 Kilo-
Wetzen hierländ. 16.K0 bis —. Rheinischer —.— bis —.-ch
Azima 17.— biS 18.—, Theodosta 18.— bis —, Saxonska
—.— bis —.—, Ulka 16.7S bts 17.25, Taqanrog 16.75 bis
17.50, rumänischer 17.25 bis 17.75, amerikanische Winter II 17 25
bis —, Walla-Walla —bis —, Kansas II neu 17.25 bis
—, Kalifornier 17.50 biS —, Kernen 16 75 bis —, Roggen
Pfälzer neu 15— biS —, Rusfischer 14.75 bts 15.—, Gcrstk
hiefiger Gegend 16.— bis 16.50, Pfälzer 16 25 bis 16.75
Futtergerste 12.50 biS —. Hafer Badischer 15 - bts 15 25,
Norddeutscher 15.— bis 15.25, Rasfischer 14.60 bis 15.25, Mais
Amcrik. mixed. bis —. La Plata 14.25 bis 14.75, Donan

14.50 bis —, Kohlreps D-utscher 23.25 bis 23.50, Wicken
21— bis —. Kleesamcn deutscher I 114 bis l18, Deutscher ll
1M bis 108, Lucerne 110 bis 115, Provence 110.— bis 130.—,
Esparsette 30 bis 32, Leinöl mit Faß 58.— bis , bei Wag
gon 55.— bts —, Rüböl mit Fatz 60.00 bis —, Rübol
bei Waggon 57.50 bis —Petroleum Ämerikany 18.90 bis
—. bet Waggon 22.30 bis —, in Fässern 23 50 bis
—.—, Russisches 17.10 bts —.—, bet Waggon 20.50 bis —.
w Fässern 22.50 bis —. 70er Rohsprit 47.00, 90er Roh-
sprit 31.50, Rohsprit versreuert 114.50.

Weizenmehl 00 o 1 2 3 4

27.50 25.50 23.50 22 50 20.50 19 50

Roggenmehl 00: 23.50, 01: 20 50.

Tendcnz: Wetzen fester. Roggen nnverändert. Gerite sebr
fest. Hafer und Mais unoerändlrt.

Litterarisches.

—* Kaiserrcdcn, Reden und Crlässe, Briefe und Telc-
gramine Knisev Wilhelms des Zweiien. Ein Charakrerbil-d des
Deutschen K'aisers. Verlagsbuchhandliuig von I. I. Wcber in
Leipzig, 1902. Preis 6 March gcbuudcn 7,50 IRark. — Kaiscr
Wilhckm dcr Zweite gehört zu dcnjenigen Fürsten der Gegen-
warr, die woht am meisten öffcnrlich fprechen, daüci aber auch
den Erfvlg lzaben, datz ihre Reden nicht spurlos Vvrübergehcn,
sondern von der Tagespresic des Jn- uiid Auslandes aufs
eifrigste erörtert wcrden. Skicht zum wenigsten seinen Reden,
die sich durch Offenhcit, Klarheit und Schwung auszcichnen,
verdankt der Deutsche Kaiser die Berehrung nnd Hochachrung,
öeren er sich im Auslandc erfreut. Den Vorkämpfer des Fric-
deus, den iiiteressantesteil Monarchen der Neuzcit, das Seiten-
stück zu Fricdrich dem Grohen nennen ihn die Zcitlingen
auch jenseits der Grenzcn dcs Rcichcs. Die dentschcn Tagcs-
ülütter lassen sich keine Gelegenheit enkgehen, iiber die Kai'ser-
redcn nicht niir zu berichten, soudern ste auch zu krikisieren, nnd
zwar nach deutscher iZrüudlichkeit in einer Weise, wie dics im
Auslandc nur sckten geschiehl. Nach einigen Tagen ist dann
der cigentliche Wortlaur der Rede in nnserer raschlcbigen Zeii
fast vcrgesscn, iind es bleibt öfter bci dem deutschen Zeirungs-
lcser leider uichts zuriick äls etwas Berstimmung und eine
fehr schiefc Beurtcilung der kaiscrkichcn Absichten und Aentze-
rimgen. Wer aber dem kaiserlichen Rcdncr und scinen An-
schammgen, Grmidsätzcn und Absichtcn wahrhcrft gerechl werdcn
'will, der ivird dic Redcn des Monarchen im Znsammenhang
nachlesen müssen, vor allem jenc, die sich auf bcstimmtc Er-
eignisse bezichen oder einen ganz besondcren Zweck verfolgen.
Ein iibcrraschcnd klares Bild des kaiserlichen CharallcrZ er-
giebt sich ans diesen Reden.

—* Ninivc imd Babylon. Von Prof. Dr. C. Bezold.
(Monogvaphien zur Wcltgeschichte, hcrausgegeben von Ed.
Heyck. Band 18.) Mit 102 Abbildungen. Bielefeld und Lcipzig.
Vclhagcn und Klasing. Gebunden 4 Mark. Durch die Erörte-
rung über „Babel und Bibel" ist das allgemcinste Fntereffe der
Gebildelen mif dic Geschichte Altmesopotamiens und die bon
dort seit nvaltcn Zeiten ausgegangenen geistigen Einflüsse hiu-
gelenkt worden. Um so willkommencr wird es sein, wenn
ein Gelehrter von allcrerster Zustündigkeit, Profcssor Bezvld,
der kürzluch im amllichen cnglischcn Auftrage die Erschlictznng
umfanglicher neuer Kcilschriftqucllen des Britischcn Museums
vollendet hat, tzas Wort zu einer ganz objektiven, parteilos-
sachlichen Darstellung der Geschichte und Kultur von Ninive und
Bäbhlon nimmt. Seine Arbeit bedeutet nicht blos; eine lebcndig
und gcmciiwerstündlich geschricbene, höchst anschauklche Zu-
sammcnfassung der bisherigen Forschungs sondern hat dadurch
noch einen ganz eigenen Wert, dah sie eine Mcnge ivichtiger
Neucrgebnisse zum erstenmale zugünglich macht. Die längst
bewährte Sammlung der „Monographicn" znr Weltgeschichte"
legt mit ihr bcsondere Ehre ein.

—" Dcr altbekannre Trowitzschr Bolks-Kalendcr (elegant
gebunden l Mark) erweist sich in jcdem Fahrgang als vor-
züglich zusamnieugestellr. Poll srischen LebenS nnd mannig-
facher Anregung srehr er auch dieses Iahr wieder iu ersrer
Reihe dcr vornehnien Fgmiliciikalender.

—* Jm Verlage von Hermann Secmaim Nachfolger,
Leipzig crschieneii:

Drr klcine tstott der Welt. Roman von Paul Zifferer.
Preis 3 Marl.

Wenn die Menschen reis zur Licbe werden. Bon Ednard

Carpemer. Einzig aniorisierrc deutsche Aus'gabe. Aus dem
Englischen übersetzl und eingcleiter von Dr. Karl Federn.
Prcis 3 Marl.

Fnhre uns nicht in Bersuchniil;! Von Lu Volbehr. Preis

2,50 Mark.

Aus Aphroditens (änrten. Band l: Maiblumen. Von
Maria Fanitschek. Preis 2,50 Mark.

Tilettnnten dcs Lnsters. Pou Clara Epsell-Kilburger
(Frau Viktor Blülhgen). Prcis 3 Mark.

Sein Wille. Eine Erzählung im Zeitalrer der Suggestion.
Von Bertha Saturnp. Preis 2,50 Mark.

Beranrworilich ;ur oeii ceoalrwnellcn Teil F. Moniun, >ur »r-
Jnseratenreik Th. Bertenbnsch, beiöe tn Heidetbertz.

IS^8lv1>lvIL 8!« LvlLt Itzrsn ksänrk an

Wckvunzck-«. Viritksrlen.

vie gpö88tk /^U8«L>iI bsi dillig8tsn ?nei8kn Llläeu
8is bsi

.lul. VVe1t8lein .

koeklii'itellei'vi.

ie Papierhandlung, Buchbinderei mit Bergoldeanstalt und
I tzU Bnchdruckerei in Neuenheim von «as»t»v
> §» Brückenstraße 38, ausgeftattet mit Pappscheere, Schneid-,
Heft-, Perforier- und Paginier-, sowie Buchdruck- «nd
allen nötigen Hilfsmaschincn, empfiehlt fich hiermit an-
gelegentlichst. Srstes «nd moder« eingerichtetes Geschäst a«
Platze. — Reichhaltiges Papier-«. Schreibmaterialien-Lager. —
Schreib- uod Colleghefte nach Vorschrift. — Billtgste P«ise. —
Bestchtigung der Werkstätten jederzeit gestattet.

I nrs« r

V^illiSlrri

8LUptSil'L88S 116 — ISlSpbOQ 3,

smpüsklt ssillsa äirskt dsrogsnsll

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llsasstsr üruts, von vorriiLlioll rsiasm Llssoiullaok.

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176.

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Osrslltrs klli voreüglieüsll 8ite.

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12 Llsrrgssss 12.

6kem. llsinigung u. KunZl-Wasokersi

kftr Dsmgll- n. Ilsrrsll-Osräsrob«, lilSdsi- n. Vekorstlollsololl«.
j sstsr ärt.

Rasobo I-isksrullg. — Silligs krsiss.
- Lllsrka.llllt tastslloss Lllsfakrllnx. -

klim. vvu LülliM ^UU8t8Uiüll.

brillgt ststs ässHsnosts »llt stsm Osbists stsr Lllllst!
Llirrorllroimgo« in smksobsr, sovio boobapsrtsr ^.nsknbrna,
Lilllg« krols« ch: vrompt« Lsstlsnung.

«-IS kaplerLörbs, 8«breibrellg«, vbrsll, l.«llvktor sto. «t»
novis Ülrssd- llvst Rekgvtvslb« smpüsblt

^ »1rod Soolror, Unllptstrssss 1SS.
LV«rIr8tittt« titr kvp»r»tllr«i» iWU

Z?. 4^I»«L8lir»»i»i»

ttauptstr. 146 Islspbou 53» Sallptstr. 11t

Nl!8tS8 ttttä AIÖ83tS8 8p62ikt1-Oe86lläkt.

Konfeklionstmua lüi' vamon unä lViäöokM

Orösst« ^llsrvakl io .lagnettss, Oapss ttsmoll-, Llllstor- llnst
ltegvllmlilltvlll, Qnstllmvs, Aorgeuröskell, vsstllmssröstzs»
vlltsrröslcsu unst Llsllsvn.

Besonderheit: Bilder-Einrahmunp

etwa 400HMuster in allen Arten und jedem Styl.

Lager gerahmter Bilder.

! Figure«, SLule«, Zierschränkchen- Neuvergoldung von Rahme»

! Sptegrl« u. dergl. Bleiche« von Kupferstiche«, Herrichteu vr:
OelgemLlden.

Karl Kustner, Bergolder, Spiegellagek

liche oder altersschwache Paticnten eine Gesahr bedeutet, son-
dern in ihren Nachwirkungen auch kräfbige Jttdivrduen, ua-
meutlich bei ungenügender Schonung elend und siech macht.
Ein spezifisches Heilmittel gegen Jnfluenza besitzen wir leider
nicht. Das beste wird heute wie zu allen Zeiten sein, der
Kranlheit möglichft aus dem Wege zu gehen. Die Jnfluenza
rst eine ausgesprochene kontagiöse Krankheit, das heitzt sie ver-
breitet sich direkt von Meusch zu Mcnsch durch Uebertragung
'Ler Fnflucnzabazillen mittels Berührung oder durch irgenv-
welche Gegenstände (Taschentücher, Ehgeräte). Äutzerhatb
der Mcufchen halten sich die Jnfluenzabazillen nicht lange, in
eingetrocknetem, also verstaubtcm Zustande, nicht länger als
24 Stunden, in nasscm ctwas längcr. Die Jnfluenza ist eine
ausgesprochene Verkehrskrankheit. Vovsicht nicht blotz im Ver-
tehr mit Jnfluenzakranken, fondcrn in Epidemiezeiten mit
jedermann ist däher notwendig. Vcrpönt sollte sein das di-
a:eüe Jnsgefichtsprechen, namentlich aus dcr Nähe, das Küssen
Es den Mund, die gemeinschaftliche Benützung von Taschen-
tüchern, Etzgeräten, Täbakspfeifen, Zigarrenspitzen usw. Die
katarrhalischen AüsoNderungen, sosern sie sich in der Wäfche
r>der in Geschirren befinden, müssen peinlichjt unschädlich ge-
rnacht werdcn, in letzterem am besten dadurch, dah man etwas
Ltarbolwasser in die Geschirre gietzt. Jst jemand trotzdem von
Ler Krankheit befallen, so möge er dieselbe von vornherein
ja nicht leicht nehmen. Das Bild 'der Krantheit dürfte wöhl
niemand mehr unbekannt sein: Plötzlich etnfetzendes, mehr oder
wenigcr höhes Fieber, verbunden mit einem unverhältnis-
mäßig höhcn Grad von Hinfälligkeit, Schmerzen in allen
Mus'keln, daneben gcwöhnlich Bronchialkatarrh, Halsschmerzen,
sehr häufig auch Störungen von scitcn des Magens oder
Darmes. Man zögere nicht damit, bald cinen Arzt zu Rate
zu ziehen.

Bruchsal, 22. Dezember. (Ueber einen empö-
renden Fall nächtlicher M i h h a n d l u n g von
Rekruten) durch sogenanntc „alte Lcute" hier erfuhr die
„Volksftimme" das Folgende: Bei der 5. Eskadron des dort
garnisonierenden zweiten Badischcn Dragoner-Regiments Nr.
21 drangcn um die Mitte des vorigen Monats während dcr
Nacht sechs „alte Leute" in eine von 16 Rekruteu belcgte
Stube und m i sz h a n d e l t e n dieselbcn in Abivesenheit des
Unteroffiziers in der scheuhli ch st e tt Wcise. Am
schlimmsten kam dabei ein aus Ncustadt a. H. gebürtiger Elektro-
techniker nameus K'arl L a i'b weg, der den Bestien in Men-
schengestalt neben sonstigen schmcrzhaftcn Vcrletzungen den
N e r l u st e i n e s dl u g e s zu verdanken hat. Der un-
glückliche junge Mcnsch liegt heute noch im Garnisonslazarett
und mutz nach seiner Genesung wegen dcr schwcren Ver-
stümmelung als untauglich aus dem Militärdicnst ent-
lassen werden. Als 'hoffnungsvollen Menschen 'häbcn die
Eltern den Mann zur Fahne geschickt, und als Krüppel, in
seincm wciteren beruslichen Fortkommen aufs schwerste gehin-
"dert, wird man den unglücklichen — am Ende gar zn Weih-
nachten — ihren Sohn wieder heimsendenl Die Redaktion der
„Völksstimme" wcndete sich, nachdcm der erschütternde Fall
zu ihrer Kenntnis gekommen war, sofort an das Kommando
der Bruchsaler Dragoner mit dcr Bitte nm nähere Aufklärung
in der Sache. Darcmf erhielt sie vorgestern Aüend das folgcnde
Schreiben.

14. Armee-Korps
28 Division

28. Kavallerie-Brignde. Bruchsai, 18. Dez. 1902.

2. Bad Drag.-Rcgt. Nr. 21.

J.-Nr. 106 k.

Der Redaklion der „Bolkssrimme"

Mannheim.

Jn Erwiderung dcs Schrcibens vom 18. ds. dic Mirteilung,
datz es sich um einen Fall nächtlichcr Prügelei handclr. Die
Angclegenheit wurdc sofort zur Kenntnis des Regimenls ge-
bracht uud zur weitcren Strafverfolgung dcm Gcricht der
28. Division übergeben, vor dem die Sache gcgettwürtig ver-
hcmdelt wird.

K üh n e,

Oberst und Regimentskvmmandciir.

Karlsruhe, 21. Dezember. (Zu dem sozial-
,p o l i t i s ch e u Versuch i n R ü ppnrr) macht der Ge-
währsmann dcs ,,-Schwüb. Merkur" noch einige Bcmerkungen.
Zunächst die psychologische, datz die Arbeiter, welche ihre Bau-
Plätze sogleich weitcr verkcmften, die Ungehörigkeit ihres Vor-
gehcns durchaus nicht begreifen wollten. Sie gtanblen im
Arötzten Recht zu sein und fanden keine andere Erklärung für
den Rücktritr der Domänendirekrion von dcm Handel, als datz
man „einem armen Arbeiter mitzgönne, wenn er einmal eincn
fchöncn Gewinn rnachen könne." Die Plätze waren bedeutend
unter dem wirklichen Wert zugcfagt worden, und zwar um

1,50 Mark den Quadratmetcr, während die weiterverkauften
auf 2,25 bis 2,60 Mark zu stehen kamen. Es ist nun die
Fragc, ob es richtig ist, datz 'die Domänenverwaltung Sraats-
gut in dicser Weise hergiebt, auch toenn sich ein sozialpolitischer
Zweck damit erreiche» läßl?" Bejaht man die Frage, w wird
man darauf beste'hen müssen, datz jede Spekulation ausgc-
fchlossen blecht und der Zweck, Steuerung der Wohnungsnot,
ohne Hintergedanken verfolgt wird. Das' ist aber schr fchwer,
denn Gedanken sind zollfrei und niemand kanu wissen, tvas
die neuen Eigcntümer vorhaben. Die Ausfchlictzung der Spe-
kulation durch Vertragsbestimmungen führt aber zu derartigen
Vertlausulierungen, daß das Verfügungsrecht der Eigentümer
Wermätzig beschränkt wird. Nach dem letzten Bertragsentwurf
der Domänendirektion müfsen die Eigentümer in bestimmtcr
Frist ein Arbeitertvohn'haus' erstellen," bedürfcn jedoch der Ge-
nehmigung, wenn sic zum Beifpiel einen Stall dazu baueu
wollen. Sie dürfen auch keine Hppothek aufnehmen. Bon
jeder beabsichtigten Veränderung oder Veräutzerung haben sie
mittclst eingeschxiebcncn Briefes Anzeige beim Kärlsruher
Domänenamt zu crftatten, ebenfo wenn das Darlehen der Lan-


Furcht gehetzt und angesichts der Sicherheit bietenden Grenze
achten diese das dröhende „Haltl" gering. — „Auf ihn!"
fchreit einer — da blitzt es auf -—- eiu markerschütternder Schrei
»— die dunkle Gestalt eines Mannes finkt in die Kniee, schnellt
tvieder empor, springt ein paar Schritt'e weiter, dreht sich ein
paarmal um sich selbst und stürzt dumpf stöhnenü in das auf-
plätschernde Wasser des Baches, der die Grenze bildet.

Ohne zu zögern, springt der Grenzbemnte ihm nach in das
eiskalte Wasser und zieht ihn müUam aufs Trockene hinauf.
Dann beugt er sich über ihn, Unter weitgeöffneten Lidern
ftarren ein paar unbewegliche, oerglaste Augen aus cinem blnt-
überströmten, fchmerzverzerrten, eingefallenen Gesicht zum
Himmel — der Mann ist totl Die ohne zu zielen abgefenerte
Kngel traf nur zu gut I

Der Tod in der Christnacht!

Erschanernd richtet fich Fens auf, ein plötzlicher Frost scheint
ihn zu packen, hörbar schlagen chm die Zähne aufeinander.
Hier kann er nichts mehr helfen, 'doch — wo ift sein Kamerad?
Er hat vorhin den Schntz ivohl gehört, auch den Schrei. Doch
dann war er selbst beschäftigt genug, sich seiner eigenen Hant
zu wehren, die Ereignisse folgten so Schlag auf Schlag, er W
gar nicht mehr an Burge gedacht, Cr dreht sich um — nach den
Büschen zu, wo sie postiert waren, dort heben sich deutljch von
dem schneeigen Boden die Umrisse einer Gcstält ab. Mit
raschem Satz eilt -er zu thr: es ist Burge und er lebt! Frei-
Uch, wenn der Zustand noch Lcbcn ist. —

Der BerwuNdete hat ihn erkannt. Er hebt mnhsam den
Arm ein wenig bom Boden und läßt ihn schwer wieder sinken.
Dann will er sprechen! Er versucht den Kopf zu heben, die
Gesichtsmuskeln zucken krampfhaft, ein dumpfes Aechzen, das
in schweres Röcheln übergeht, ist der einzig hörbare Laut.
Dann strömr dickes, dunkles Lebensblut aus dem Dkund des

Verwnndeten in den Schn-ce hinäb l-

Dem im rauhen Grenzer-Leben hart gewordenen Jenes
krampft sich bci dicsem Anblick das Herz zusammen. Fast in-
stinktiv ergreift er den Kameraden und trägt ihn zu dem
Postierstnhl, auf den er ihn sauft niederlegt uud mit dem eige-
nen Mantel sorgsam züdeckt. Weiter kann er hier nichts
helseu, er will es nicht ausdenken, datz hier übevhaupt nichts
mehr zu helfen ist! Noch einen Blick wirft er auf deu nur
mühsam nach Aiem ringenden Freund, dann rennt er in die
Nacht hinein, zum Dorfe, nm Hilfe 'herbeizuholen. —

Wieder rufen die Glocken zum Gebet, zur Frühmesse am
Geburtstage des Herrnl Bleiern, dumpf, ivie Unheil kündend
am Morgen 'des Heils, klingen ihr^,Schläge durch die schnee-
gefüllte Luftl Die Hausthnren im Grenzdorfe öffnen und
schlietzen sich fast lautlos und mit höhlen, durch den Schnee ge-
dämpften Schritten eilen 'die Gläubigen zur Kirche. Auch die
Thüre von Burges Wohnhaus öffnet sich. Ein bleiches Weib
mit wirrem Haar nnd rotgeweinten Augen blickt die Stratze
j hinab — znm hnndertstenmale wohl schon an diesem Morgen. ,
Und ihr Mann kommt nichtl Schon lange mntzte er zn Haus !

sein! Sie hat sich so gebaugt um ihu die ganze Nacht, rn wir-
ren Träumen hat sie ihn um Hilfe rufen hüren, dann ist sie
aufgesprnngen nnd an's Fenster geeilt, hat hinausgehorcht anf
die stille Stratze.

Un'd noch immer ist er nicht dal Gott im Himmel, gieb
es nicht zu, daß ihn ein Unglück getrosfen hatl Latz ihn ge-
sund und frisch zn scinem Weibe, zu seinen Kindern zürück-
kehren I

Doch haltl ich höre Schritte! — Kommen dort nicht Män-
uer — sie gehen langsani, schwer und mnhsam ringen sie sich
vorwärts dnrck, deu tiesen Schnee l Sie koimnen näher, sie sind
ganz mit Schnee bedecktl — Jst das uichr Jens, der voraus-
geht? Was tragen die Männer verhüllt auf der Schulter?
Ah — Doktor Langhoff auch! —

Hinaus auf die schneeverwehte Straße, in das Wirbeln der
Flvckcn spriugt das arme verzwcifelnde Weib. — „Was blickst
du zur Seite, Mann? — Was bringt Jhr unter dem Mantel?
Laßt mich — ich will — ich muh es sehen — Blut?I — Mh

— allmächtiger Gott im Himmel-"

Weiter klingen die Glockeu und ihre Klänge mischt sich
vom Tnrme herab feierlich der Choral: Friede auf Erdenl
Der Grenzer und sein Weib haben ihn beide gcfunden! —-

— Anch ein Geschiift. Korporäl: „Was sind Sie in Jhrem
Zivilverhältnis?" — Rekrut: „Bräutigam, Herr Korporall" .
 
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