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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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ss. Zaftgmig - Ar. r

Die »Bavische Post" crscheint täglich iauch Sonntags! vormittags, also siebenmal
wSchentlich und lostst krei ins Haus ,ngestellt monatiich I2>>0 Mk. durch die Post
mo natlich 12»n Mk. „izüglich IN.M Ml. Bestellge d. Einzelnllmmcr M M .

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Zandelsblatt

? Zanuar lM

An,etg°npret-i: die 23 mm bicite No>ipareille,eile 4li M!. Fomitten>, Bcreinr-

und Kleine Anzciqen nach befondcrem Taris. R-klame i: die M mm breitc Nenvareillc
ctle 2M Mk. B-i Wiederholungen nnd Zeilenanschlüssen tarifllcher Nachlatz.

Verantworriich für den gesamten textlichen Teil Adolf Krmmig in Heideiberg. iferarui der Redaktion: .SieideUerg Ü2.
Sprechstoiide dcr EchriUlcitnrig vorm. 1l-l2 Uhr. Berliner Bsrtretung: Berlin 8VV 48. Zimmerstraßr Nr. ».
Fernrus Amt Zentrum Nr. 415. Miinchener Bertretung: München, G.'orgenstraie Nr. Il17. Fernrnf Nr. 81887.

F^r Anz.igen, Reklamei und geschSitlichs Beilagen verantwortlich Aifreo Schmig tn H.ide.ber,. Fernruf 82

Verlag: Heidelberger Verlagsanstalt und Druckerei <S. b. m. H tzeidelberg, Hauvtstrabe38. —
Poischrckkonto Karlsruhe Nr. 18MS. - Druck von I. G. Holtzwarl» Nachs, G. m b. H, Frankfurt am Main


Am Vorabeni» der pariser Konferenz.

Die Neparationsrede des Neichskanzlers in Hambnrg.

Hamburg, 1. Januar.

Jn einer Versammlung des „Ehrbaren Kaufmanns" zu
Hamvurg hielt der Reichsianzler Dr. Tuno an Silvefter folgenoe
Rede: Me.ne sehr geehrien Herren! An Ler Mende vom alten zum
neuen Jahre benutze ich gerne die mir sreundlich gebotene Gelegen-
heit, in diesem ehrwürdigen Hause über die grotzen Eorgen, die uns
allerwärts bewegcn, zu der Versammlung des „EhrLaren Kauf-
manns" zu sprechen, in einem Kreise, dessen Arbcit der AZirtschaft
Deutschlands und ihrer Verbindung mit der Welt gewidmet ist. Aus
berufenem MunLe haben wir vor einigcn Tagen gehört, das; Ham -
burg die Brücke sei zwischen Amerika und Deutsch-
land. Jch nehme dieses Wort gerne anf, aber was am stärlsten diese
Verbindung trägt, nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern
mit der ganzen Eroe, das ist nach dem Sinne jenes Wortes nicht die
Stadt, jondern ihr Eeist, der Geist des „EhrLaren Kaufmanns".
Dieser Eeist pflegt die Verhandlungen, die die Wirtschaftlicher hier
in Hamburg pflegen nach den Methoren, die aus ihm flietzen,und die
durch füns harte und doch glückliche und wertvolle Lehrjahre des
WiederaiHbaus hicr Hamburg beherrschten. Jn diesrm Eeiste gedenke
ich die De r h a n d l u n g e n des Reiches zu führen, um dem Neich
und unsersm Volke zu dienen und zugleich der AnLahnung eines
wahren Friedens der Völkcr, zu dcm dieser Vorabend e.nes
neuen Iahres besonders mahnt. Dieser Friede kann nur erreichi
werden, wenn die Völker^sich entschlossen auf den Boden der Wirk-
lichkeit stellen. Das gilt vor allem auch für das Reparations -
problem. Mein hauptsächlicher Standvunkt zu diessm Problem ist
Jhncn aus meiner Rede im Reichstag bekannt.

Wir stehen vor cincm Problem, das unendlich und nur lösbar
tst, wcnn alle Beteiligten stch entschlietzen, die Dinge so zu nehmen
und zu sehen, wie sie sind.

Schwerlich wird ein billig denkendsr Mensch es der neuen Regierung
verargen, wenn sie für die Quadratur des Zirkels, um die sich die
prommentesten Staatsmänner und hervorragendsten Wirtschafts-
autoritäten der Welt seit vier Jahren vergeblich bemühen, eine jeder
Kritik entrückte Lösung in kurzen vier Wochen zu finden vermochte.
Was wir vom Standpunkt des „Ehrbaren Kaufmannes" bietcn
können, läuft Eefahr, von der Eegenseite als unzureichend zu-
rückgewiescn zu werden, und was weit genug ginge, um Las Wohl-
gefallen der Welt zu finden, entfernt sich im gleichen Mage von
der Lrundlage kaufmännischer Ehrlichkeit. Dabei ist zu beach-
ten, datz die richtig verstandene Leistungsfähigkeit Deutschlands sich
aus den sinanziellen nnd wirtschaftlichen Faktoren ergibt. So kann
auch die Lösung nicht lediglich e:ne bank- und finanztechnische sein,
ondern nur in einem wohlabgestimmten Z u s a m m e n k l a n
inanzieller Leistungsfähigkeit und wirtschaftlichen »Ausklanges be-
tehen. Rechtlich und tatsächlich ist die Frage der Leistunas-
' Lhigkeit entscheidend. Rechtlich sind nach dem Vertrag von Ver-
ailic; die Hilssmittel und die Lcistungssähigkeit Deutschlands die
Matzl-abe für den Umfang der Vervflichtungen Deutschlands, tatsäch-
lich, weih'eine Ueberschreitnng der Leistungsfähigkeit zur Vernich -
i zur Z e r t r L m m e r u n g der Substanz und der
istungsmöglichkeiten fllhren mutz, nie aber zur Steigerung
nzcn fllhren kann.

Antritt der Regierung habe ich im Reichstag auf die Zeug-
piefsn, die von ummrteiifcher ausländischpr Seite
rage der deutschen Leistungsfähigkeit vorliegen. Nur Lie
diefer Erklärungen hebe ich hervor. Ihnen allen ist das
bclannt, das 'das internationale Anleihe-
in Paris nach einer reinen wirtschaftlichen Prllfunq der
Juni dieses Jahres der Reparationskommission erstättet

kumcnt lst nach mciner Ueberzeugung das weiscste und
was Lbcr die Neparationssrage gcschrieben ist, und
Lluxnu vkarta, dcn Katechismus für alle kiinstige»
ngrn und Untersuchungen dcs Rcparationsproblems
bilden.

Der kurze Sinn dieles denkwllrdigen Dökumentes ist, datz Deutschland
au» sigenen Mitteln die ihm zugemutetenl Reparaiionslasten
nicht lra zen kann, datz es Lazu vielniehr an den internationalen
Kavitalmartt appellieren mutz, Latz ein solcher Appell aber nur dann
Erfolg verspricht, wenn die Schuldsumme aus dem LonLoner Ulti-
maium auf ein erttägliches Matz herabgesetzt wird, die Rexara-
ttonsirage geregelt und Europa von dem Damoklesschwert dcr
Zwunqs- und Eewaltmatznahmen, der Sanktionen nnd
RrtvOsnen Hefrcit wird. Nicht minder bedeutungsvoll sind die hier-
Mit LLereinstimmenden Eedankengänge der Eutachten, die Anjang
NwNMbe» m« beiden Eruvpen internationaler Sachver-
stän olger in Verlin nach eingehender Prüsung aller tatsächlichen
Ps'lWiltmjse crstatten. Sie sind überdies einig darin, datz jeder Bsr-
such zur Gtabiüsicrung dcr Mark scheitern müh, solange Dcutschland
nicht 'iür emiqs Zeit von den Zahlunqen aus dem Vertrag von Ver-
saiües en 1 lastet wird. Die Verbindung des Eedankens einer end-
gültigl n Löiung mit dem Eedanken von Anleihen regiert auch die
Nots-Virr Reöchsreqieiung oom 14. November 1922 und die Vorschlägs,
dieitch b-em englischen Ministerpräsidenten, als dem Vorsitzcnden der

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,ebiber in London tagenden Premierministerkonjerenz, un-
abe. Diese Vorschläge sind dazu bestimmt, der endgülti-
der Reparationssrage die Wege zu ebnen. Heute handelt
auf diesem Wege weiter zu gehen, denn die weiteren
^n und die neuen Untersuchungen haben uns in der Er-
stärktl Deutschland brauckit, um leisten zu können, inter-
le A.nleihen. aber Deutschland hat nur dann Aus-
> ,chc Anleihen, wenn seine Leistungsverpslichtung
g iilargestellt ist.

Da» Ziel unscrcr Arbeit ist, die Leistungssähigkeit Dcutschlands
se'tjstipcllt. i vud Mittel und Wcg.c zu finden, uin diese Leistunqs-
jähigkeit sii-'r die endgültige Lösung der Reparationssrage nutzbar
Wr Wst--' zu machcn.

Das ist in et.'iger Fühlung mit den Personen und Kräften des
^r:Hy1tslebef,is .geschehen. Ohne anf Einzelheiten- ernzvgchon.

kann ich Ihnen, meine Herren, nicht verfchweigen, datz das erneut
gewonnene Bild von dem noch verbliebenen Rest unserer Leistungs-
fähigkeit trübe ist. Das lann die Welt nlcht wundern, hat'doch
die Rexararionsrommisston setost am 31. August 1922 einstimmig die
deutsche IZahlungsunfäyigkeit aner.annt. Zur Negelung bedarf es
wirklich nicht der Unterstellung, die wir unlängst wieder hören
tnutzten: datz Deutschland sich als Schuldncr selbst systematisch
ruiniert habe, um sich von der Reparationszahlung zu befreien. Es
ist wahr, datz unsere deutsche W.rtschaft beLenkliche Merkmale des
Ruins zeigt. Es ist Ruin, wenn unser Ackerboden nicht mehr
so bestelkt unü gedüngt ist wie vorher, wenn wir für die Dolksver-
mehrung keine neuen Häuser Lauen, die Menschen zusammen-
pferchen und die alten Häuser zu Schaden kommen lasssn müssen,
wenn unsere Jndustrie die flüssigen Betriebsmittel zum grötzten
Teil verloren hat und ihre Renten, in Goldmark umgerechnet, über-
haupt nicht mehr Eewinn zu nennen und ohne kapitalbildende Kräfte
sind. Aber wenn gesagt worden ist, datz ein solcher Ruin von uns
angestrebt worden ssi, um Deutschland leistungsunfähig zu
machen, glaubt wirklich icmand im Ernft, Latz Deutschland nur um
ssine Eläubiger zu schädigen, Selbstmord begeht? Die Wahr-
heit sieht anders aus. Der schwerste und unglückseligste Kr.eg
der neueren Eeschichte hat uns werivolle Bestandteile nationalen
Eebiets und Volisvermügens abgenommcn. Seine Folgen habcn
eine tiefgehende Zerrüttung unserer Wirtschast
über uns gebracht. Schlimmer noch als dies: Ler Vertrag von Ver-
sailles hat Deutschland von dcr wirtschaftspolitisckien Gleichbe-
rechtigung der Handelsvölker ausgeschIossen, seiner Wirt-
schaft den festen Boden entzogcn, nnsere Währung zerrüttet und
unseren Wirtschafflern die Möglichkeit kkarer Disxositionen ge-
nommen.

Und trotz allcdcm habe» wir in dcn letzten Jahren Leistungen
an die Eegcnscite durchgeführt, wie sie grötzer ein Volk in der

ncueren Ecjchichte als Kriegsentschädigung je getragen hat.

Aber richtig bleibt: unsere Leistungsfähigkeit ist im Streik befangen.
Was wir sur ein kaum noch erträgliches Opfer halten, das uns, ent-
gegen dem ungeschriebenen Necht unseres Volkes und nach den Be-
stimmungen des Verirages ans Leben geht, wird hinter den Er-
wartungen selbst der ehrkich auf eine praktische Lösnng Bedachten auf
der anderen Seite zurückbleiben. Wer von beiden hat recht?
Wo ist der unxarteiische und untrügerische Wertmesser der
Leistungsfähigkeit unserer Wirischaft? Jm Leben des einzelnsn ist
das Sviegelbild ssiner Leistungsfähigkeit sein Kredit: im Leben
der Völker ist es nicht anders. Unsere Leistunosfähigkeit kann am
besten gemessen werden an dem Kredit, den die Finanzwelt Deutsch-
land zu gewähren bereit ist, und an Lem Matze, in dem die inter-
nationalen Sachverstündigen die Ernsthaftigkeit ihres Votums durch
die Vereitschaft zu bekräftigen entschlossen'sind, die von ihnen als
aufbringlich bezeichneten Sümmen in der Form internationaler An-
leihen auf stch zu nehmen und ihrer Kundschaft anzubieten. Kein
Gläubiger der Welt aber wird Deutfchland ^Kredit gewähren. ehe die
Leistungsfähigkeit Deutschlands so bestimmt umschriebcn ist,
Latz er über die Grundlage seines Kredits ein völlig klares Bitd hat.
Neben diesen Notwendigkeiten, die für Deuifchland wie für se-ne
Eläubiger gelten, steht das Bedürfnis, vor allem Frankreichs,
sofort mit einer bestimmten Summe rechnen zu können. Auch
dieses Bedürsnis haLen wir mit unseren Vertragsgeqnern gemeinsam:
denn wir brauchen gleichfalls bestimmte Krönen'für die Eegenwart
und zur Berechnung unserer nationalen Wirtschaft.

So stnd wir entschlosscn, eine feste ernste Summe auf uns zu
nehmen: wir sind bereit, diese scste Summc in Anleihen dnrch
Bermittlung eines intcrnationalen Finanzkonfortiums aufzu-
bringcn und, soweit dies im Anlcihewege nicht gelingt, sind uns
Billigungsquoten zu bezahle«.

Da nach dem Urteil der Welt die deutsche Wirtschaft zerrüttet, zer-
mllrbt und verarmt, für die nächsten Iahre unbedinqt der Ruhe be-
darf, soll der Belrag, der für den Dienst der Anleihe in den erstcn
Jahren erforderlich ist, aus dcm Ertrag der Anleihe selbst gedeckt
weröen, um der deutschon Wirtschaft eine Zeit der Erholunq und
Eesundunq zu qönnen. Äuch der hiervon erhoffte Auf-
schwung unserer Wirtschaftskraft soll der Eegenseite zuaute
kommen. Darum machen w!r uns ankeischig, bis zur bearenzten Höbe
durch Vcrmittlunq des gleichen Konsortiums weit^re Anleihen auf-
zulegen, wenn und someit das Konsortium dies sür möglicki hält.
Einc solche Regclunq Ler Finanzseiten dor Fraoe würLe zualeick- den
Weg für die Dnrchführung der wirtfckiaftlichen Notwendiqkeitcn
ebnsn, die in ihrer Auswirkunq einen wesentlichen Teil Les Eesamt-
vroblems bilden. Denn so würde L-ie Ervndlaqe Laiür qeschaffen wer-
den, datz die aufeinander anqew'esenen Industrien Eurouas, nament-
I!ch die Frankreickis und Deutschlan>s. zu lanqfr-stiqem Ausaleich
ihrer Jnleressen mit dem Endziel höchstmöolicher Produktivität zu-
sammenarbeiten. Zu einer solcben Kompensation sind die deutschcn
Wirtschaftskreise bereit. Wir sind uns, meine Herren, der
schwsren Veran'woriunq bewutzt, die in dem Ihnen im llmritz vor-
oetraaenen Vorschlaq lieqt. Aber wir nehmen sie a--f uns. weil der
Weg?den wir Lamit qehen. uns zunöchst avs dem Sumpfbo^en der
qenenwärtiqcn Wirlschaft aus zwar steinigen aber festen Boden
fllhren wird.

Das Ende der Nede lag bei Nedaktionsschlutz noch nicht vor.

polizeirevolte in Turin.

Nom, 31. Dez. Die von der Reqierung a»s Er"n>>en
der Sparsamkeit und dsr öfsentl'chen Ordrung vrrfügte Ver-
schmelzung der Polizei der EuardiaReale mit Ler
Carabinieri, wodurch die erstcre dem Oberkommando der
Larabinieri unterstellt w'rd, rief nach einer Meldung der „Agenzia
Stefani" in einigen Abteilnngen Ler Euardia Reale in Turin
eine Gärung hervor, die wahrscheinlich von ausländischen Ele-
menten geschürt war. Die Meutersi wurde im Verlauf weniger
Stunden mit grotzcr Energie unterdrückt,' die Meuterer wurden

Valdivins Reise nach Amerika. ,

Von unserem Londoner v. -Korresponddnten.

Stanley Baldwin, der britische Schatzkanzler, hat in Sturin^
und llnwetter — Aberglaubische ziehen schon ihre Schlüsie daraus —'
dre Reise nach Washington angetreten, um mit den Amerikanerit.
Las Problem der Fundierung der britischen Schuld zu besprechen
und wenn möglich zu lösen. Eigentlich hatte sein Vorgängsr im
Amt schon diese heikte Aufgabe auf sich nehmen wollen, aber der
Nücktritt Lec Regierung Lloyd Eeorges entLand ihn davon. Man
sieht in LonLon beqreiflicherweise dem Erge'c-nis dieser Verhand-
lungen mit einiger Sorge entgegen. denn es handelt sich üetanntiich
um eine Schuld von beinahe tausend Millionen P-und Sterling, für
die etwa fünfzig Millionen Pfund per Jahr an Zinsen allein zu
zahlen sind. Man ertlärt freitich stolz, man wolle sich nichts ron
Amerika schenken lassen, ErotzLritannien sei gewohnt, seine Wechsel
zu honorieren, ohne zu murren, man werde die Schuld zurückzahten»
w:e auch immer der Eläubiger es verlange, une was dergleichen
schöne Redensarien mehr sind. Aber 'm Eeheimen hofft man eoch
immer, Latz die Leute drüben mit sichreden lassen werLen,
und Latz sich am Ende ein Ausweg aus der unungenehmen Lage
sinden lassen werLe. Die Amerikanei haben das Eeld wübrend des
Krieges ohne besondere Abmachungen hergcgeben oder vielmehr
Kredite dafür eingeräumt. gewissermatzen auf einen blof:en Schuld-
schein hin, der auf Sicht einlösLar ist, die Zinsen sollicn vorläujiz
5 Prozent p. a betragen, find aber niemals bezahlt worden, Lis
zum Oktober, wo die erste Rate eriegt wurde, nachdcm der ameri-
i'anische Kongretz ein Eesetz angenommen hatie, durch welches eine
Kommission dcn Aufirag erhielt, mit den Schuldnercegierungen ük-er
die Fundierung der Schulden zu verhandeln, und zwar mit der 'ehr
beschränkenden Vestimmung, Lah die Zinsen nicht weniger als
Prozent betragen dürfen und die ganze Summe innerhalb 25Jahren '
Lezahlt sein muß. Mit allerhand mehr oder weniger plaustbel
klingenLen Argumenten begründet der Kongretz von 'Zeit zu Ze:t
durch d n Mund führender Politiker, warüm er mit solcher Ent- ?
schiedenheit und Mitzachtung der Laisächlichen Verhültnisie in Europa
so auf seinem Pfund Fleisch beharrt, und alle von London aus aus-
gestreckten Fiihlhörner sind bisher schnell auf har.en Widerstand ge- )
stotzen. Die berühmte Balfournote. durch welche auseinandcr-
gefetzt werLen follte, Latz Grotzbritannien seinen eigenen Schuldn-rn
nur so viel von dcn Schulden erlasien 'önnte, als iim selbst "on
Amerika erlasien würde, und die snäteren Wiederholungen und Er-
klärungen, dah auch die Schadenersatzfrag« nicht geregelt wsrdqA
lönnte, folange die interalliierten SchulLenprobleme ungelöst seie^,
hatten alle dasselbe Rcsultat.

Allerdings hat die neue bcitische Regierung sich auf einen etwas
andrren Standpunkt zu stellen versucht, als Balfour und Lloyd
Eeorge. Bonar Law hat erklürt, Latz Erotzbr.tannicn bereit sei,
sclbst wenn es sein« Schuld an die Vereinigten Staaten ganz ve»
zahlcn müßte, den anderen Allüerien enlgegenzukommcn, salls auf
diese Weise eine endgültige und vernünftige Lösung der Schaden-
ersatz'rage erreicht werden könnte, aber auch das ist sicheplich m:t
Lem HintergeLanken gesqgt worden, die Vereinigten Staaten würd:»
sich durch die Lritische Erotzmut so imponieren lasien, Latz sie nicht
umhin könnten, dem hochherzigen Beispiel zu folgen. Es ist llqr«
Latz, wenn Ler Kongretz jetzt Lei Len Baldwmschen Vcrhandluuge-r
weiter rücksichtslos auf feinem Pfund bestehen bleibcn follte, es init
dem Entgegenkommen Erotzbrttannlens auch nicht so weit hcr s.'iir
würde. Es wäre auch kaum möglich, datz eine britische Regier.urz
es wagie, dsm cigenen Volk die Aussicht zu nehmen. wenigften»
einen Teil dieses, Geldes zurückzubelommen, wclches es allein zur.iÄ
zahlen mutzte: zudem cs doch imInterejseder andcre«
geborgt war — denn Las ist der Sjandpunkt, von welchem rus der >
Mann auf der Stratze die Sache betrachtet. Und Las alles anf oi« '
Aussicht hin, Latz die Ladurch erreichte Lösunq der Schadenecchtzirag«
wirklich die britische Jndustrie wieder zur Vlüte bringen und di»
Arbeitslosigkeit l<eitigcn würde, was bei eincm so unzuver.üssiqe«
Bundesqenosicn wie Frankreich kaum garantstrt werdm kann^ ^
Lenn Frankreichs Haltung lätzt befürchten, datz es immer w.ede» '
Mtttel und Wege finden wird, um die schönste Löjung d.es Schadcn«
.ersatznroblcms vroblematisch zu machen.

Es ist natürlich vollkommen unbekannt, mit welchen In« (
struktionen der Schatzkanzler nach Wajhing-on gereist ist. Dir bek
seiner Abreise abgegebene Erklärung wllr absichtllch sehr unbestlmmt ii
qehalten. Selbst in der City ist man ganz im Unklaren darüber, 4
ja man beschwert sich dort, Latz die Regierung sich nicht er-t mit :
führenden Finanzleuten der Ciiy beriet und öerin Meinung e>u--
holte. Nun ist aber so ziemlich betannt, wie man in Börsenkreiscn
iiber die Art und Wetse der Fundierung denli' man glaubr, datz
das Schatzamt deswegen die Meinung der Cily nicht erbat. weil sie
diesen Meg nicht für den richtigen hielt, sonLern audere Pläne hatte.
Man ist in Finanzkreisen der Ansicht. dag cs falsch sein würLe,
den Amerikanern einfach ci'nen Bond 'ür die ganze Summe zu g:1en,
Ler bis zur vollständigcn Rllckzahlunz r-er Schnlo in irgend e.n ul
Eeldschrank liegen bliebe, denn Las wllrde sür Erotzbritann'cn au:
e'nen nicht aufhörenden Abflutz von Eel? für Zinsen und
Amortisation bedeuten. der stch:rlich HanLel und Industrie gefährden
mützte, sonLern man glaubt, es würde richtiger se-n. die. Fundierung
auf de: Grundlage der Ausgabe internattonalcr Bonds
in Amerika vorzunshmcn. die auf beiLen Scitcn des Atlantischen
Oz ans gehandelt werden könnten. Dann würdcn wahrsche'n'-ch
diese Bonds verhältn'smätzig schnell in b-itische Hände übergehen.
Die äutzere Schuld würde in eine innere verwandelt werden. so
Latz Las Zinsengeld nicht mehr autzer LanLes gmge Es sche-nl. datz
die Regierung auf Lem Stanr-punkt steht. die Schuld müsis in be.
stimmte Zahlunqen an die amerikanische Äegicrnng fundiert wcrden,
mit Lcr eventuellen Zustimmung, 'Latz ErotzLriionnien die Sun.nue
schneller ablösen lann, wenn es die Mittel Lazu besttzt.

Abor es ist klar, Latz die l-ritische Negierung, wie schon obcn an-
gedeutet, zunächst noch ganz andere Plttne hat, sic wird jeden'alls
erst versuchen, ob es nicht möglich lst. von dem Konqretz weit qün-
stigere Bedingungen zn erlangen, als dic vorläufig qefetzlich fest-
geleglen bedeuten. Inwieweit ein solchcr Versuch Aussicht auf Er-
folg habcn würde, lä'tzt sich zurzeit nicht beurteilen. Wir haben in
der letzten Zeit ja genüaend Widcrfprechendes darüber gchört. Auf
dcr einen Seite die BeLauptnngen, Latz d«r Kongretz unter keinen
Umständcn irgendein Nachgeben in der Schuldensraqe zugestehen
m^de. dast von einer Verquickung dcr Sache mit dem Schadenerjatz-
 
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