66, Zchrgang Dr, 160
I -Bad« !cheTofr" crschctn« wSchcntl. stebenmal. Bellaaen: SldaSratt a lSonnt.) —
» A*terhalt««g»blatt<Montagr> — Literatnrblatt —DochsKulbeilag«lmonatlich).
^""»erlanote BeitrSge ohne Derantwortung. Rückseiidung nur, wenn Porto beiltegt.
Heidskberger Zettung
(Gegründet 1853)
und
HandelsblaLL
Vkenstag, den 12. Zvni 1923
Hauptgeschäftsstelle u. Schrtftleitg. der.Badischsn Post'Hsidelberg.Hauvtstr. 23, Fernspr.
Nr. 18L Berliner Bertretung: Berlin SV 48. Ztnnnerstratze g, F-rnspr. Aeutr. 4tv
Münchner Wertretung: München, Seorgenstr. KI7, Fernspr. 81687.
Nostscheck-Nonto: Fra«ks«rt a. M. »141»
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^nni.BezugsVreis der.Vad. Post' M7. S6U0 - laudschl- Zustellgebühr). Sclbsrabhol. MI. 5S0N.-. AuIland Mk. 12600—
'lbbestell. werd. nur bis zum 2. sed. Mis cingenommcn. Ani 1 n.2. noch gelief. Zeitungen sind nach d. Einzelverlaufspretr ,u be-
^blen. Preis d. Eiirieln«nimer M!.26k>.-. Jsi dieZcitung am Erscheincnoerhindert,besteht kcin Zlnspruch aufEntschLdlgung
Anzeig««preise:die44mm breite Nonpareillezeile konet: iokale Ztcllengesuche Mi.lü i ks. Gelegonheitsanzeigen Mk 128.-
Famllienanzeigen Mk 166.—. Geschäftsanzeigen Mk.266.—, Finanz- und Industrieanzcigen Mk. 866.—,mit Plasivorschrist und
Montags Mk. 28.- mehr. Die 68 mrn breite Reklamezeilo kostct Mk. 786.—, Nnzcigen unü Reklamen von auswärts 2ü'/»höher
Di'e Aamnacher des Widersiandes.
Von unierer Berliner Rebaktion.
Brrlin, 11. Zuni.
e, Di« profMonellen Flaumacher, deren Zahl in der deukschen
x«sientlich'e!t viel grötzer ist, als es unser zu Boden getrstsnes
e^ilstum nachgerade eriragen kann,
^-,esium narygeraoe eriragen ranu, sind wieder «inmal eiirig bei
Arlreit, indem sie das Wort von einem .^«itwsiligen Wafsen-
.Mtand" an der Ruhr in die Dvbatte werfen. Porncarö er-
dah keine Vertzandlungen möglich seien. wenn Deutschland
zuvor den passiven Widerstand auM-e. D!« Drohung ist ge-
M«n Herrschasten l>e! uns arg in d!« schlotternden Eliedsr ge-
^hren. Man verlegt sick, wieder einmal, wie schon so oft, wenn
M kein-m Answeg weitz und di« Kraftprode von hart auf bart
bang« machen möchte, ouf Kompromrsse. Der paMve
ersiand solle nicht aufgshoden werden. O nein> Aler doch ein
«n, so ein hitzchen, damit die Franzofsn unsern guten Willen
^n. Eg gi'bt ja noch be! uns in Deiitischland foviele Leute, die
aller uns mpefügten Demütigunaen ihre Politik darnach ein-
^len. datz Frai^reich' weniMens 'unsern guten Willen sehen solle.
kan gsaiM. in Franfreich öin: günstigere Siimmung für uns er-
Äl«n und Herrn Poincarss Fordsrung nach Aufgale des
llMven Widerftandes insofern nachkommen zu können, datz man ihm
M halkem Weg enlgegenkommt. Man denkt sich die Sache fo, datz
^ Negisrung wenigstens all vte Verordnimgen autzer Kraft setzt,
sie zur Regelung des pafsmen Miderstandes erlassen hat.
Cs kann nicht oft genug betont werden, datz die Regie-
i^Ng ven passiven Widerstand nicht gelchaffen,
t"lldern datz er von seldst aus der Veoölkerung
,^a u sgewach fe n i st. Es war nur ihrc Vklichr. durck> Ver-
Atungen und Erlaffe den einmal gefchaffenen Widerstanid in ge-
rche gleichmätzige Bahnen zu lenken und eine einheitlich« Organi-
des Widerftandes herzustellen. Der Widerstand kann
^rch r«tn Machtwort von Berlin aus abgebrochen
s^rden. Wenn jetzt von Verlin aus alle Verordnungen der
Meg Zeit zurückgcnommen würden, so würd« d-as auf di« Ruhr-
H^ükkerung einen derartig demoralisierenden Eindruck
^?chsn, datz d?« Folgen einer solchen Matznarhme gar n'cht adznsehen
Keine Regierung dürfte dazu die Hand bieten, und wir
Grund zn der Annahme, datz di« Regiemng Euno nicht
jst. den politischen Flaumachern auf diesem Weg auch nur
« n Tckiritt entaeaengiSommen.
b , Was für Deutfchland der passtve Widsrftand bedeutet, hat
,?chskanzler Euno in Münster mit erfreulicher DsutliMsit aus-
W»«ochen und an Bsrliner amtlicher Stell« wird noch einmal mit
llllEen Deilllichkeit heflätigt. datz d e' pass k ve Widersta'nd
uns nach wie vor die Maffe dlei-ben mutz, die
d«n Weg zum Verhandlnngstisch nicht versrerrt. sondern eher
Man verhandelt nicht Mer Waffenstillstand. iudem man
iMeitig di« Waffen niederlegt und sich damit der Möglichkeit de-
sie wieder aufnehmen zu können. wenn die Derhalldlungen
^llnislos verlaufen. Man kann den xassiven Wider-
i>.Nd nicht nach Belieben wieder ansachen. wenn
Feuer einmal gelöscht ist- Man kann das gerade
E- wo wieder einmal allerhand verwsrfliche E'nflüffe am Werke
u»s die «'nüge Wafie aus dsr chand z>> nehmen — neHenbei
fT^crkt eine Wafie. die vns auch im Auslande zum evstenmal nach
jDltrr Zeit wicder so etwas wie Achtung abgenötfgt hat — nicht
^genuqbetonen.
tz. Dgtz «4 sich bei der ganzen Fraae des passtven Widerstandes
Ij.krster Linie nicht um eine politische, sondern um eine tech-
.ej'ch e Fvgqe handelt. darauf weist mit allem Recht heute die
^lltsche Allaemeine Zeitunq" hin. Die gegenwärtige Mirüschafts-
an der Ruhr, so sagt das Dlatt, ist keinesweas allein auf den
Mderstand »urückmführen. sondern in erster Linie a'iif die
tz ^enden franzöNschen Eingrifs« in die Betriebe,
n«n, Zechen ufw. Der verlangte AKbau kann nicht kom-
z?ddiert wevden, nnd es ist ausgeschloffen, datz die gelöschten Hoch-
von heute anf movgsn wieder in Eang gebracht werden,
dasfelbe ist bei den Bahnen. bei den Zechen nsw. der
j>A- Der von den siiranzofen gswünschte Ststus auo kann, und
ift der Kern der Sache. nurdadurch wiederhergestellt
datz di.e Franzosen die Betriebe räumen.
Hz. Franzosen müssen zu allererst ihre gvoben kfände aus dem feincn
y^rwerk der Betriebe hevausnehmen. dies ist die Vorbeding-
>R.ll fsir -us WiederiiMktionieren des Eangen. Di« Mater!« ist,
^,d>an sieht. viel kompligierter und m>it der einfachen Frage
^stver Widerfiand oder nickit" überhaupt nicht zu lösen.
polnlfche Denunzlanlen im Auhrgeblet.
Manne, 11. Ju-ni. (Eig. Drahtm.) Heut« morgen wukde
Arun, ein P o l i ze iass i st e n t vcrhaftet un>> zwar an-
^ch, weil cr mit seinem Dienstsäibel seinen Dienstgang gemacht
,. Jn Wirklichkeit handelt es sich um eine Kett« von p o l.
,'chen Denunziationen, denen schon blsrier acht Voli»
^«amte zum Opfer gefallen sind. Heu.t.6N«lchmtttag
«it der Amtmann von Wanne von dem franzostfchen Platz-
, audcmten die Mttteilung. datz er folgendes Ler Devolkerung
^.Wanne, Eickel und RLblinghausen bekanntdeben
Fnfolge der qegen die fvanzösischen Schildwachen von Deutschen
Mhenen Schüffc wivd jcder Verkehr fFutzgänqer-, Wagcn-,
DEirer- und'Stratzenbcchnvevkehr usw.) in jedem Bereich diefcr
. Eemeinden jeden Dag von 8 Ilhr abeuds bis 5 Ilhr morg-ens
Mens untersagt. — Mas es bedeutet, datz in diesen drei
Mii gg Prozent Avbeiterschaft ron g Uhr abends bis 8 Uhr
jeglicher Derkehr untersagt ist. ist allen denen klar, die >m
^urjezMet wohnen.
--Demeinsames Studium der lleparatlonen."
t^?Mel. 11. Juni. Die „Agence Brlae" "c.st' ü ' >.t olacndc
^«Uung: Wie bekannt, wuche am 25. Mai der belgische
>^,Nafter in Paris beaustragt, der sranzösischen Rsgierung
>V°aen betreffend der Reparationen zu unterbreiten.
jj°«>gische Botschaftcr in London wurd« gebeten, der «nglischen
jiVUug davon Kenntnis zu gsben, um ein gemeinsames
" > um durch dte AMiertsn vorzuüereiten. Eins gleiche Mittei-
lung wird der italienischen Regierung durch den belgischen
Botschafter ?n Rom gemachi werden. Nach Ansicht der üelgischen
Rcgierung sind Liese Arbeiten dazu bestimmt, das Studium des Pro-
blems der Reparationen zu erleichicrn. Damit jsdoch, wie schon das
Tommunigus am Schluh der jüngsten Brüffeler Zusammsnkunft Le-
sagte, dieses gemeinsame Studinm wieder aufgenommen werden
könne, mutz vorher die deutsche Regierung den vaffiven Widerstand
aufgeben, den sie in den bcsetzten Gsbieten organisiert hat.
Sie Lage fSr Tmzland bemnchrsend!
Die »Times" verlmigt eiu entscheideudes Eingreifen Baldwkns.
Von unserem - Korrespon en. '»
London, 11. Juni.
Als Ergsbnis der bisherigen diplomatischen
Verhandlungen laffen sich zwei Tatsachen mit einiger Sicher-
heit erkennen: Frankreich schlägt den übrigen Allikerten vor, zu-
nächst von der deutschen Negierung dasAufhörendespassiven
Widerstandes zu verlangen, und erklärt sich weiterhin bercit,
mit den Alliierten über die Nsparationsfrage auf der Erundlage des
französischen Januarplanes zu verhandeln, bei welchem bekanntlich
die Schuldenfrage eine wesentliche Rolls spielte. Frankreich verlangt
also damit in der Tat eine glatteAnnahmejeines Stand-
punktes durch die englischc Regierung, und nach den
Jnformationen des „Daily Telegraph" hat Poincarö in dissem
Sinne eine zweite Mitteilung in London vorlegsn laffsn, die im
Tone noch autoritativer sein soll als diejenige vom vorigen
Freitag. Die damit entstandene Lage sei unhaltbar, besonders, da
auch keine Bürgschaft dafür bestehe, datz selbst nach der Einstellung des
passiven Widerstandes das deutsche Memorandum von Frankreich be-
rücksichtigt werden würde.
Es ist erfreulich, dah dieser letztere Punkt, der bereits früher
wiederholt betont wurde, und der für Deutschland von entscheidender
Wichtigkeit ist, auch von anderen Blättern in den Vordergrund gestellt
wird, so von der „Daily News", die es für unmöglich hält,
dah Deutschland seine einzige Waffe, mit der es gegcn
die militärische Znvasion kämpfen kann, niederlegen sollte,
es sei denn, dah sich Frankreich verpflichtet, seine Truppen an einem
bestimmten Zeitpunkt zurückzuziehen. Jn der gleichen Weise schreiben
auch die „Westminstcr Eazette" und andere liberale Organe, die
gegenübsr Frankreich betonen, dah die Erfüllung jeiner Forderung
fur jede deutsche Regierung unmöglich wäre. Der
konservative „Observev" sagt, keine deutsche Regierung könnte zusagen.
dah sich diese 12 Millionen Mrnschen im Ruhrgebiet crgeben sollen.
Dr. Eun o könnte dies nur mit dem Preis seiner eigenen Demission
versichern, und die Folge darauf wäre eine kommunistische Regicrung,
deren Versprechungen gegenübcr den alliierten Mächten aber nicht
einmal das Papier wert wären, auf das ste geschrieben sind.
Jm ganzen wird die Situation im „Daily Tslegraph" in fol-
gender Weise zusammengefaht: FürdieenglischeRegierung
ist die Lage im Augenblick ungewih, delikat und überaus
beunruhigend. Es besteht eine heschränkte Empfinduna des
Mitleids für Deutschland, und ein tiefes und dauerhaftes Eefühl dcr
Freundschaft für Frankreich, aber wenn die Alliierten sich weigern,
sowohl politisch wie auch wirtschaftlich eine andere, als ihre eigenc
Ansicht in Vetracht zu ziehen, so wird für die Dausr für das l.nglisch«
KaLinett nichts anderes übrig bleiben. als sich ausschliehlich
auf die Wahrung der englischen Intercssen zu be-
schränken. Ebenso bemerkenswert wie der Untcrjchied der hierbei
der Kennzeichnung der englischen Eefühle gegenuber Frankreich und
Deutschland mit so amüsanter Eenauigkeit festgclegt wird, ist auch
der sehr gemähigte und vorsichtige Artikel der „Times", der zwar einc
Zustimmung zü der französischen Ruhraktion Frankreichs seitens
Englands ablehnt, aber gleichzeitig dem enqlischen Publikum ^u be-
denken gibt, dah auch die von England jahrelang verjolgte Politik
einen grohen Teil Schukd an der heutigen Lage trage. Das Blatt
verlangt im übrigen auf dsr einen Seite cin entscheidendes
EingreifenBaldwins und betont auf der anderen Seite. dah
obne eine Verständigung mit Frankreich kein Fortshritt sich crzielen
laffe.
Der heutige Montag wird für die englische Haltung vonent-
cheidender Dedeutung sein. Antzer -'nev' gnd
Besprechungen Lord Curzons mit sämtkichen alliicrten Botschaf-
tern vorgesehen, wobei besonders auch wichtige Mitteilungen des fran-
zösischen Vertreters erwartet werden. Jm Unterhause werden
mehrere Fragen Lber die auswärtige Lage gestellt werden. und es ist
möglich, dah Baldwin in deren Beantwortung eine längere Er-
klärung abgeben wird, ebenso wird wahrschcinlich im Oüerhause Lord
Eurzon auf eine Anfrage von Birkenhead antworten.
Ser Seher Mginot.
Ef«e neue Eiftrede des franzöfischen ^riegsministers.
Von unserem kl-K orresponde nten.
Paris, 11. Juni.
Fn Metz wurde gestern ein Fliegertaq abgehalten, wobei der
franzosische Kriegsministcr Maginot eine Rede hielt. Er führte u. a.
aus: Vergessen wir nrcht. dah im Laufe cines halben Jahrhunderts
Dentschland uns schon zwcimal angegrisfen hat. Wir müsjen
überzeugt jcin, dah nur die Furcht vor der Eewalt
Deutschland hindern kann. seinen Angrifs wieder
zu beginnen. Hierüber darf man flch leinen Illusicnen l.ingeben,
weil solche tödlich wären. Deutschland ist cin Nolk. das nicht ab-
rüstet. s?) Wer das llnglück hat, Deutschland zum Nachbarn zu habcn,
der hat auch die Aufgabe und das Recht. immer a» seine Sicherheit zu
denken und diese so wirksam wic möglich zu gestalt.'ii. D.ese Aufgabe
dllrfen wir nicht vernachläsflgen, und über unser Recht durfen wrr
keine Debatte zulaffen. Wcnn wir, um siarl zu bleiben, vns emige
Opser anferlegen müffen, so werden wir nicht 'öaern. sie zu bringcn.
Sie werden immer wenigcr mühevoll se!n als jcnc. welche die
Deutschen uns auferlegen würden, wenn wir unferen Sieg nicht zu
bewachen wüßtcn. Naih all den Dramcn, Erniedrigungcn und Leiden,
die in Lothringen gcfchcn wurden, darf es nur ein Ziel geben, nani-
lich: aus der Hut sein.
„Mes für DeulsKlaild."
Die Rede, die der Rcichskanzler Herr Dr. Cuno am Samstag
in Münster gehalten hat, und in der er die neue Note der deutschen
Regierung behandelte, klang in die Worte aus: „Alles für Deutsch-
land!" — mit diesen Worten glücklich den Ernndgedanken kenn-
zeichnend, der die Politik der Reichsregierung während der letztey
Monate bis heute bestimmte, und der auch w!e ein Orgelton durch
die ganze Rede des Reichskanzlers hindurchklang.
Wirklich: um Deutschland als Eanzes, um die Erhaltung
des Reiche«» um die Einheit und damit um die Krundbcdingungey
unseres nationalen Daseins handelt es sich heute, und um dics»
Giiter zu erhalten, sind wir zu allen Opfcrn bereit. Wir habeq
diese Bereitschaft stets bewährt und wir werden sie weiter be,
währen, wenn man es uns möglich macht, wenn man willig ist,
unsere Opfer anzunehmen. Es war gut, dah der Reichskanzlcr wie,
der einmal daran erinnerte, was wir schon alles geleistet haben,
Es ist das schon zum Ueberdruh ost gesagt wordcn, aber es muh
trotzdem immer wiederholt werden, weil die Welt durchaus nichf
hören und nicht glauben will, weil sie in stumpfer Eleichgültigkeit
die Lügen nachbetet, die von Frankreich unaufhörlich verbrcitet
werden: als ob wir Lberhauvt noch nichts gelsistet hätten.
Jn Wahrheit haben wir schon Unsndliches an Tributen auf
uns genommen, und wir haben jetzt durch unssre neue Note dey
festen Willen bekundet, auch noch mehr und immer mehr auf uns
zu nehmen, wenn auch gerade hcute, in der Zeit einer noch nicht
dagewesenen Teuerungs-Springflut, es schwerer denn je ist, übcr-
haupt wirtschaftliche Pläne zu machen und über die Zukunst zu ver-
fügcn. Aber wir laffen uns auch dadurch nicht abschrecken. Durch
die Teuerungsnöte und durch die Teuerungsunruhen, die viellcicht
wieder kommen werden, wollen wir durch und müssen wir
durch: wir hoffen auf den gesunden Kern der deutschen Wirtschaft,
dürfen vielleicht auch hoffcn auf das, was an gssundem Kcrn im
deutschen Dolke ist, und wagen also das Angebot, so schreckhaft hoch
es auch ist, so schwere Velastungsproben es auch darstellt, denn wir
wollen weiter dem treu bleiben, was uns als Leitgedanke vorschwebt:
nichts, aber auch gar nichts zu versäumen, was eine Rettung Deutsch,
lands noch als möglich erscheincn läht, indem wir die Feinde Deutsch»
lands in die moralische llnmöglichkeit versetzen, Frankreichs Zer-
störungswillen frei sich austoben zu laffen.
Was haben wir nicht schon alles getan um dieses Zieles willen?
Es war sehr wohl angebracht, dah der Reichskanzker auch dies wie-
der in die Erinnerung zurückführte: unjcr Angeüot in Lond cn, unstry
Vorschlag sür Paris, unser« Bemühungen zur Herbeisührung einer
unmittelbaren Aussprache zwischen der sranzöfischen '.nd deuijchen
Jndustrie, das Angebot eines friedensstchernden llbk.'mmcns über'
das Rheinland, — also Beweis Lber Beweis unscrer ganz chrlichen
Absicht, die ruhige und friedliche Abwicklung der „Reparations-
frage" zu ermöglichen, Beweis auch unscrer Bereitwilligkeit, selbD
den Vesichtspunkt der Wahrung der deutschen Ehre so lange als nur
irgend mögkich auher Acht zu laffen! Was aber war die Antwork
auf alle diese Bekundungen besten Willens? Die Antwort war der
Eimnarsch in das Nuhrgebiet, — also eine Handlung offener Feind.
seligkeit, nur darum kein Krieg, weik wir keinen Krieg zu führen
imstande sind, aber doch eine Handlung von so herausforderndcr
Brutalität, dah dem natürlichsten Empfinden nach es nicht möglich-.
schien, vor seiner Zurücknahme die Fiktion des Friedens aufrccht-
zuerhalten und weiter über „Reparationen" zu verhandeln. Es
sollte trotzdem wieder zum „Derhandeln" kommen, und Deutschland
hat seine Note vom 2. Mai veröffentlicht, — durch diese Ncte an
und für sich schon, abgesehen von ihrem Jnhalt, der wahrhaftig mit
Angeboten nicht kargte, eknsn Beweis seiner Versöhnlichkcit und
seiner Friedenslieb« bringend, von dem man einen Eindruck zu er-
warten mehr als berechtigt war. Allein welchrs war das Ergcbnis?
Der Reichskanzker hat anch daran mit Necht :rinnrrt! Frankrc'ch
beeilte sich, seinen Alliierten voran, die Note zurückzuweisen da sie
„der kaum verhüllte Ausdruck einer systematischen Auflehnung gegen
d^n Vertrag von Versailles sei", — eine Behauptung, die an sich
lächerlich ist, die aber geradezu grotesk wirkt, wenn man erwägt,
dah sie aufgestellt wurde von demselben Frankreich, das socben den
Vertrag von Versailles in Fetzen gerissen hatte!
Der Reichskanzler hat sich begnügt, die Tatsachen redcn zu laffen,
er hat die Dinge nicht als das bezeichnet, was ste sind. Er hat nur
erinnert an das bisher Geschehene, an das bisher uns Ge-
botcne, und hat dann fortgefahren: „Den Blick auf Ruhr und
Rhein gerichtet, habcn wir einen nenen Schritt
getan." Also um Deutschlands willen, um Ruhr und Rhein uns
zu erhalten, haben wir trotz aller Demütigungen nun noch ein-
mal das Wort ergriffen. Die Welt hat es durch Englands Mund
gewünscht, und so haben wir es denn getan, um durchaus keinen
Zweifel darüber zu laffen, an wem es liegt, wenn die Entwicklun'
in das Verderben doch nicht aufzuhalten ist: „nun mag die Wc!
sagen," ruft der Kanzler mit dem Rechte des guten Eewiffons aus,
„ob sie Frieden und Wiederaufrichtung will odsr Unfrieden und
Zerstörung!"
Die Welt also hat das Wort. Deutschland hat vorläufig sein
Letztes gesagt. Seine Erläutsrungsnote macht ganz konkrete Vor-
schläge. Sie spricht talsächlich die Sprache „der Ehrlichkeit und e>ncs
die gegebene Lage berücksichtigenden Eejchästssinnes". Werden wir
es damit nun endlich recht gemacht haben, und wird man cndlich
daran gehen, zu „verhandeln", und zwar auf Erundlage unscrcr
Angebote, oder wird sich jetzt herausstellen, dah alles nur eitlcs
Eerede war, und dah man weder in London noch in Rom daran
denkt, den Generalgewaltigen in Paris durch irgendeincn Schritt zu
verstimmen, der die Reparationsfragc der Lösung zuführt und der
damit Frankreich den Dorwand nimmt, im Ruhrgebiete zu blciben?
Wir werden gut tun, unserc Erwartungcn in den engsten Eren-
zen zu halten. Dies schcint doch auch die Meinunz des Rcichs-
kanzlers zu sein. Wenn wir die Linie der bisherigen Entwicklung
betrachten, wie er sie in seiner Rede wieder dargelezt hat, so wird
es uns schwer, an einen unmittelbaren Ersolg zu glciubcn; dcshll''''
I -Bad« !cheTofr" crschctn« wSchcntl. stebenmal. Bellaaen: SldaSratt a lSonnt.) —
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Heidskberger Zettung
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und
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Vkenstag, den 12. Zvni 1923
Hauptgeschäftsstelle u. Schrtftleitg. der.Badischsn Post'Hsidelberg.Hauvtstr. 23, Fernspr.
Nr. 18L Berliner Bertretung: Berlin SV 48. Ztnnnerstratze g, F-rnspr. Aeutr. 4tv
Münchner Wertretung: München, Seorgenstr. KI7, Fernspr. 81687.
Nostscheck-Nonto: Fra«ks«rt a. M. »141»
»oMchech-»»««»! Nra«N«rt a. M. »141»
^nni.BezugsVreis der.Vad. Post' M7. S6U0 - laudschl- Zustellgebühr). Sclbsrabhol. MI. 5S0N.-. AuIland Mk. 12600—
'lbbestell. werd. nur bis zum 2. sed. Mis cingenommcn. Ani 1 n.2. noch gelief. Zeitungen sind nach d. Einzelverlaufspretr ,u be-
^blen. Preis d. Eiirieln«nimer M!.26k>.-. Jsi dieZcitung am Erscheincnoerhindert,besteht kcin Zlnspruch aufEntschLdlgung
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Famllienanzeigen Mk 166.—. Geschäftsanzeigen Mk.266.—, Finanz- und Industrieanzcigen Mk. 866.—,mit Plasivorschrist und
Montags Mk. 28.- mehr. Die 68 mrn breite Reklamezeilo kostct Mk. 786.—, Nnzcigen unü Reklamen von auswärts 2ü'/»höher
Di'e Aamnacher des Widersiandes.
Von unierer Berliner Rebaktion.
Brrlin, 11. Zuni.
e, Di« profMonellen Flaumacher, deren Zahl in der deukschen
x«sientlich'e!t viel grötzer ist, als es unser zu Boden getrstsnes
e^ilstum nachgerade eriragen kann,
^-,esium narygeraoe eriragen ranu, sind wieder «inmal eiirig bei
Arlreit, indem sie das Wort von einem .^«itwsiligen Wafsen-
.Mtand" an der Ruhr in die Dvbatte werfen. Porncarö er-
dah keine Vertzandlungen möglich seien. wenn Deutschland
zuvor den passiven Widerstand auM-e. D!« Drohung ist ge-
M«n Herrschasten l>e! uns arg in d!« schlotternden Eliedsr ge-
^hren. Man verlegt sick, wieder einmal, wie schon so oft, wenn
M kein-m Answeg weitz und di« Kraftprode von hart auf bart
bang« machen möchte, ouf Kompromrsse. Der paMve
ersiand solle nicht aufgshoden werden. O nein> Aler doch ein
«n, so ein hitzchen, damit die Franzofsn unsern guten Willen
^n. Eg gi'bt ja noch be! uns in Deiitischland foviele Leute, die
aller uns mpefügten Demütigunaen ihre Politik darnach ein-
^len. datz Frai^reich' weniMens 'unsern guten Willen sehen solle.
kan gsaiM. in Franfreich öin: günstigere Siimmung für uns er-
Äl«n und Herrn Poincarss Fordsrung nach Aufgale des
llMven Widerftandes insofern nachkommen zu können, datz man ihm
M halkem Weg enlgegenkommt. Man denkt sich die Sache fo, datz
^ Negisrung wenigstens all vte Verordnimgen autzer Kraft setzt,
sie zur Regelung des pafsmen Miderstandes erlassen hat.
Cs kann nicht oft genug betont werden, datz die Regie-
i^Ng ven passiven Widerstand nicht gelchaffen,
t"lldern datz er von seldst aus der Veoölkerung
,^a u sgewach fe n i st. Es war nur ihrc Vklichr. durck> Ver-
Atungen und Erlaffe den einmal gefchaffenen Widerstanid in ge-
rche gleichmätzige Bahnen zu lenken und eine einheitlich« Organi-
des Widerftandes herzustellen. Der Widerstand kann
^rch r«tn Machtwort von Berlin aus abgebrochen
s^rden. Wenn jetzt von Verlin aus alle Verordnungen der
Meg Zeit zurückgcnommen würden, so würd« d-as auf di« Ruhr-
H^ükkerung einen derartig demoralisierenden Eindruck
^?chsn, datz d?« Folgen einer solchen Matznarhme gar n'cht adznsehen
Keine Regierung dürfte dazu die Hand bieten, und wir
Grund zn der Annahme, datz di« Regiemng Euno nicht
jst. den politischen Flaumachern auf diesem Weg auch nur
« n Tckiritt entaeaengiSommen.
b , Was für Deutfchland der passtve Widsrftand bedeutet, hat
,?chskanzler Euno in Münster mit erfreulicher DsutliMsit aus-
W»«ochen und an Bsrliner amtlicher Stell« wird noch einmal mit
llllEen Deilllichkeit heflätigt. datz d e' pass k ve Widersta'nd
uns nach wie vor die Maffe dlei-ben mutz, die
d«n Weg zum Verhandlnngstisch nicht versrerrt. sondern eher
Man verhandelt nicht Mer Waffenstillstand. iudem man
iMeitig di« Waffen niederlegt und sich damit der Möglichkeit de-
sie wieder aufnehmen zu können. wenn die Derhalldlungen
^llnislos verlaufen. Man kann den xassiven Wider-
i>.Nd nicht nach Belieben wieder ansachen. wenn
Feuer einmal gelöscht ist- Man kann das gerade
E- wo wieder einmal allerhand verwsrfliche E'nflüffe am Werke
u»s die «'nüge Wafie aus dsr chand z>> nehmen — neHenbei
fT^crkt eine Wafie. die vns auch im Auslande zum evstenmal nach
jDltrr Zeit wicder so etwas wie Achtung abgenötfgt hat — nicht
^genuqbetonen.
tz. Dgtz «4 sich bei der ganzen Fraae des passtven Widerstandes
Ij.krster Linie nicht um eine politische, sondern um eine tech-
.ej'ch e Fvgqe handelt. darauf weist mit allem Recht heute die
^lltsche Allaemeine Zeitunq" hin. Die gegenwärtige Mirüschafts-
an der Ruhr, so sagt das Dlatt, ist keinesweas allein auf den
Mderstand »urückmführen. sondern in erster Linie a'iif die
tz ^enden franzöNschen Eingrifs« in die Betriebe,
n«n, Zechen ufw. Der verlangte AKbau kann nicht kom-
z?ddiert wevden, nnd es ist ausgeschloffen, datz die gelöschten Hoch-
von heute anf movgsn wieder in Eang gebracht werden,
dasfelbe ist bei den Bahnen. bei den Zechen nsw. der
j>A- Der von den siiranzofen gswünschte Ststus auo kann, und
ift der Kern der Sache. nurdadurch wiederhergestellt
datz di.e Franzosen die Betriebe räumen.
Hz. Franzosen müssen zu allererst ihre gvoben kfände aus dem feincn
y^rwerk der Betriebe hevausnehmen. dies ist die Vorbeding-
>R.ll fsir -us WiederiiMktionieren des Eangen. Di« Mater!« ist,
^,d>an sieht. viel kompligierter und m>it der einfachen Frage
^stver Widerfiand oder nickit" überhaupt nicht zu lösen.
polnlfche Denunzlanlen im Auhrgeblet.
Manne, 11. Ju-ni. (Eig. Drahtm.) Heut« morgen wukde
Arun, ein P o l i ze iass i st e n t vcrhaftet un>> zwar an-
^ch, weil cr mit seinem Dienstsäibel seinen Dienstgang gemacht
,. Jn Wirklichkeit handelt es sich um eine Kett« von p o l.
,'chen Denunziationen, denen schon blsrier acht Voli»
^«amte zum Opfer gefallen sind. Heu.t.6N«lchmtttag
«it der Amtmann von Wanne von dem franzostfchen Platz-
, audcmten die Mttteilung. datz er folgendes Ler Devolkerung
^.Wanne, Eickel und RLblinghausen bekanntdeben
Fnfolge der qegen die fvanzösischen Schildwachen von Deutschen
Mhenen Schüffc wivd jcder Verkehr fFutzgänqer-, Wagcn-,
DEirer- und'Stratzenbcchnvevkehr usw.) in jedem Bereich diefcr
. Eemeinden jeden Dag von 8 Ilhr abeuds bis 5 Ilhr morg-ens
Mens untersagt. — Mas es bedeutet, datz in diesen drei
Mii gg Prozent Avbeiterschaft ron g Uhr abends bis 8 Uhr
jeglicher Derkehr untersagt ist. ist allen denen klar, die >m
^urjezMet wohnen.
--Demeinsames Studium der lleparatlonen."
t^?Mel. 11. Juni. Die „Agence Brlae" "c.st' ü ' >.t olacndc
^«Uung: Wie bekannt, wuche am 25. Mai der belgische
>^,Nafter in Paris beaustragt, der sranzösischen Rsgierung
>V°aen betreffend der Reparationen zu unterbreiten.
jj°«>gische Botschaftcr in London wurd« gebeten, der «nglischen
jiVUug davon Kenntnis zu gsben, um ein gemeinsames
" > um durch dte AMiertsn vorzuüereiten. Eins gleiche Mittei-
lung wird der italienischen Regierung durch den belgischen
Botschafter ?n Rom gemachi werden. Nach Ansicht der üelgischen
Rcgierung sind Liese Arbeiten dazu bestimmt, das Studium des Pro-
blems der Reparationen zu erleichicrn. Damit jsdoch, wie schon das
Tommunigus am Schluh der jüngsten Brüffeler Zusammsnkunft Le-
sagte, dieses gemeinsame Studinm wieder aufgenommen werden
könne, mutz vorher die deutsche Regierung den vaffiven Widerstand
aufgeben, den sie in den bcsetzten Gsbieten organisiert hat.
Sie Lage fSr Tmzland bemnchrsend!
Die »Times" verlmigt eiu entscheideudes Eingreifen Baldwkns.
Von unserem - Korrespon en. '»
London, 11. Juni.
Als Ergsbnis der bisherigen diplomatischen
Verhandlungen laffen sich zwei Tatsachen mit einiger Sicher-
heit erkennen: Frankreich schlägt den übrigen Allikerten vor, zu-
nächst von der deutschen Negierung dasAufhörendespassiven
Widerstandes zu verlangen, und erklärt sich weiterhin bercit,
mit den Alliierten über die Nsparationsfrage auf der Erundlage des
französischen Januarplanes zu verhandeln, bei welchem bekanntlich
die Schuldenfrage eine wesentliche Rolls spielte. Frankreich verlangt
also damit in der Tat eine glatteAnnahmejeines Stand-
punktes durch die englischc Regierung, und nach den
Jnformationen des „Daily Telegraph" hat Poincarö in dissem
Sinne eine zweite Mitteilung in London vorlegsn laffsn, die im
Tone noch autoritativer sein soll als diejenige vom vorigen
Freitag. Die damit entstandene Lage sei unhaltbar, besonders, da
auch keine Bürgschaft dafür bestehe, datz selbst nach der Einstellung des
passiven Widerstandes das deutsche Memorandum von Frankreich be-
rücksichtigt werden würde.
Es ist erfreulich, dah dieser letztere Punkt, der bereits früher
wiederholt betont wurde, und der für Deutschland von entscheidender
Wichtigkeit ist, auch von anderen Blättern in den Vordergrund gestellt
wird, so von der „Daily News", die es für unmöglich hält,
dah Deutschland seine einzige Waffe, mit der es gegcn
die militärische Znvasion kämpfen kann, niederlegen sollte,
es sei denn, dah sich Frankreich verpflichtet, seine Truppen an einem
bestimmten Zeitpunkt zurückzuziehen. Jn der gleichen Weise schreiben
auch die „Westminstcr Eazette" und andere liberale Organe, die
gegenübsr Frankreich betonen, dah die Erfüllung jeiner Forderung
fur jede deutsche Regierung unmöglich wäre. Der
konservative „Observev" sagt, keine deutsche Regierung könnte zusagen.
dah sich diese 12 Millionen Mrnschen im Ruhrgebiet crgeben sollen.
Dr. Eun o könnte dies nur mit dem Preis seiner eigenen Demission
versichern, und die Folge darauf wäre eine kommunistische Regicrung,
deren Versprechungen gegenübcr den alliierten Mächten aber nicht
einmal das Papier wert wären, auf das ste geschrieben sind.
Jm ganzen wird die Situation im „Daily Tslegraph" in fol-
gender Weise zusammengefaht: FürdieenglischeRegierung
ist die Lage im Augenblick ungewih, delikat und überaus
beunruhigend. Es besteht eine heschränkte Empfinduna des
Mitleids für Deutschland, und ein tiefes und dauerhaftes Eefühl dcr
Freundschaft für Frankreich, aber wenn die Alliierten sich weigern,
sowohl politisch wie auch wirtschaftlich eine andere, als ihre eigenc
Ansicht in Vetracht zu ziehen, so wird für die Dausr für das l.nglisch«
KaLinett nichts anderes übrig bleiben. als sich ausschliehlich
auf die Wahrung der englischen Intercssen zu be-
schränken. Ebenso bemerkenswert wie der Untcrjchied der hierbei
der Kennzeichnung der englischen Eefühle gegenuber Frankreich und
Deutschland mit so amüsanter Eenauigkeit festgclegt wird, ist auch
der sehr gemähigte und vorsichtige Artikel der „Times", der zwar einc
Zustimmung zü der französischen Ruhraktion Frankreichs seitens
Englands ablehnt, aber gleichzeitig dem enqlischen Publikum ^u be-
denken gibt, dah auch die von England jahrelang verjolgte Politik
einen grohen Teil Schukd an der heutigen Lage trage. Das Blatt
verlangt im übrigen auf dsr einen Seite cin entscheidendes
EingreifenBaldwins und betont auf der anderen Seite. dah
obne eine Verständigung mit Frankreich kein Fortshritt sich crzielen
laffe.
Der heutige Montag wird für die englische Haltung vonent-
cheidender Dedeutung sein. Antzer -'nev' gnd
Besprechungen Lord Curzons mit sämtkichen alliicrten Botschaf-
tern vorgesehen, wobei besonders auch wichtige Mitteilungen des fran-
zösischen Vertreters erwartet werden. Jm Unterhause werden
mehrere Fragen Lber die auswärtige Lage gestellt werden. und es ist
möglich, dah Baldwin in deren Beantwortung eine längere Er-
klärung abgeben wird, ebenso wird wahrschcinlich im Oüerhause Lord
Eurzon auf eine Anfrage von Birkenhead antworten.
Ser Seher Mginot.
Ef«e neue Eiftrede des franzöfischen ^riegsministers.
Von unserem kl-K orresponde nten.
Paris, 11. Juni.
Fn Metz wurde gestern ein Fliegertaq abgehalten, wobei der
franzosische Kriegsministcr Maginot eine Rede hielt. Er führte u. a.
aus: Vergessen wir nrcht. dah im Laufe cines halben Jahrhunderts
Dentschland uns schon zwcimal angegrisfen hat. Wir müsjen
überzeugt jcin, dah nur die Furcht vor der Eewalt
Deutschland hindern kann. seinen Angrifs wieder
zu beginnen. Hierüber darf man flch leinen Illusicnen l.ingeben,
weil solche tödlich wären. Deutschland ist cin Nolk. das nicht ab-
rüstet. s?) Wer das llnglück hat, Deutschland zum Nachbarn zu habcn,
der hat auch die Aufgabe und das Recht. immer a» seine Sicherheit zu
denken und diese so wirksam wic möglich zu gestalt.'ii. D.ese Aufgabe
dllrfen wir nicht vernachläsflgen, und über unser Recht durfen wrr
keine Debatte zulaffen. Wcnn wir, um siarl zu bleiben, vns emige
Opser anferlegen müffen, so werden wir nicht 'öaern. sie zu bringcn.
Sie werden immer wenigcr mühevoll se!n als jcnc. welche die
Deutschen uns auferlegen würden, wenn wir unferen Sieg nicht zu
bewachen wüßtcn. Naih all den Dramcn, Erniedrigungcn und Leiden,
die in Lothringen gcfchcn wurden, darf es nur ein Ziel geben, nani-
lich: aus der Hut sein.
„Mes für DeulsKlaild."
Die Rede, die der Rcichskanzler Herr Dr. Cuno am Samstag
in Münster gehalten hat, und in der er die neue Note der deutschen
Regierung behandelte, klang in die Worte aus: „Alles für Deutsch-
land!" — mit diesen Worten glücklich den Ernndgedanken kenn-
zeichnend, der die Politik der Reichsregierung während der letztey
Monate bis heute bestimmte, und der auch w!e ein Orgelton durch
die ganze Rede des Reichskanzlers hindurchklang.
Wirklich: um Deutschland als Eanzes, um die Erhaltung
des Reiche«» um die Einheit und damit um die Krundbcdingungey
unseres nationalen Daseins handelt es sich heute, und um dics»
Giiter zu erhalten, sind wir zu allen Opfcrn bereit. Wir habeq
diese Bereitschaft stets bewährt und wir werden sie weiter be,
währen, wenn man es uns möglich macht, wenn man willig ist,
unsere Opfer anzunehmen. Es war gut, dah der Reichskanzlcr wie,
der einmal daran erinnerte, was wir schon alles geleistet haben,
Es ist das schon zum Ueberdruh ost gesagt wordcn, aber es muh
trotzdem immer wiederholt werden, weil die Welt durchaus nichf
hören und nicht glauben will, weil sie in stumpfer Eleichgültigkeit
die Lügen nachbetet, die von Frankreich unaufhörlich verbrcitet
werden: als ob wir Lberhauvt noch nichts gelsistet hätten.
Jn Wahrheit haben wir schon Unsndliches an Tributen auf
uns genommen, und wir haben jetzt durch unssre neue Note dey
festen Willen bekundet, auch noch mehr und immer mehr auf uns
zu nehmen, wenn auch gerade hcute, in der Zeit einer noch nicht
dagewesenen Teuerungs-Springflut, es schwerer denn je ist, übcr-
haupt wirtschaftliche Pläne zu machen und über die Zukunst zu ver-
fügcn. Aber wir laffen uns auch dadurch nicht abschrecken. Durch
die Teuerungsnöte und durch die Teuerungsunruhen, die viellcicht
wieder kommen werden, wollen wir durch und müssen wir
durch: wir hoffen auf den gesunden Kern der deutschen Wirtschaft,
dürfen vielleicht auch hoffcn auf das, was an gssundem Kcrn im
deutschen Dolke ist, und wagen also das Angebot, so schreckhaft hoch
es auch ist, so schwere Velastungsproben es auch darstellt, denn wir
wollen weiter dem treu bleiben, was uns als Leitgedanke vorschwebt:
nichts, aber auch gar nichts zu versäumen, was eine Rettung Deutsch,
lands noch als möglich erscheincn läht, indem wir die Feinde Deutsch»
lands in die moralische llnmöglichkeit versetzen, Frankreichs Zer-
störungswillen frei sich austoben zu laffen.
Was haben wir nicht schon alles getan um dieses Zieles willen?
Es war sehr wohl angebracht, dah der Reichskanzker auch dies wie-
der in die Erinnerung zurückführte: unjcr Angeüot in Lond cn, unstry
Vorschlag sür Paris, unser« Bemühungen zur Herbeisührung einer
unmittelbaren Aussprache zwischen der sranzöfischen '.nd deuijchen
Jndustrie, das Angebot eines friedensstchernden llbk.'mmcns über'
das Rheinland, — also Beweis Lber Beweis unscrer ganz chrlichen
Absicht, die ruhige und friedliche Abwicklung der „Reparations-
frage" zu ermöglichen, Beweis auch unscrer Bereitwilligkeit, selbD
den Vesichtspunkt der Wahrung der deutschen Ehre so lange als nur
irgend mögkich auher Acht zu laffen! Was aber war die Antwork
auf alle diese Bekundungen besten Willens? Die Antwort war der
Eimnarsch in das Nuhrgebiet, — also eine Handlung offener Feind.
seligkeit, nur darum kein Krieg, weik wir keinen Krieg zu führen
imstande sind, aber doch eine Handlung von so herausforderndcr
Brutalität, dah dem natürlichsten Empfinden nach es nicht möglich-.
schien, vor seiner Zurücknahme die Fiktion des Friedens aufrccht-
zuerhalten und weiter über „Reparationen" zu verhandeln. Es
sollte trotzdem wieder zum „Derhandeln" kommen, und Deutschland
hat seine Note vom 2. Mai veröffentlicht, — durch diese Ncte an
und für sich schon, abgesehen von ihrem Jnhalt, der wahrhaftig mit
Angeboten nicht kargte, eknsn Beweis seiner Versöhnlichkcit und
seiner Friedenslieb« bringend, von dem man einen Eindruck zu er-
warten mehr als berechtigt war. Allein welchrs war das Ergcbnis?
Der Reichskanzker hat anch daran mit Necht :rinnrrt! Frankrc'ch
beeilte sich, seinen Alliierten voran, die Note zurückzuweisen da sie
„der kaum verhüllte Ausdruck einer systematischen Auflehnung gegen
d^n Vertrag von Versailles sei", — eine Behauptung, die an sich
lächerlich ist, die aber geradezu grotesk wirkt, wenn man erwägt,
dah sie aufgestellt wurde von demselben Frankreich, das socben den
Vertrag von Versailles in Fetzen gerissen hatte!
Der Reichskanzler hat sich begnügt, die Tatsachen redcn zu laffen,
er hat die Dinge nicht als das bezeichnet, was ste sind. Er hat nur
erinnert an das bisher Geschehene, an das bisher uns Ge-
botcne, und hat dann fortgefahren: „Den Blick auf Ruhr und
Rhein gerichtet, habcn wir einen nenen Schritt
getan." Also um Deutschlands willen, um Ruhr und Rhein uns
zu erhalten, haben wir trotz aller Demütigungen nun noch ein-
mal das Wort ergriffen. Die Welt hat es durch Englands Mund
gewünscht, und so haben wir es denn getan, um durchaus keinen
Zweifel darüber zu laffen, an wem es liegt, wenn die Entwicklun'
in das Verderben doch nicht aufzuhalten ist: „nun mag die Wc!
sagen," ruft der Kanzler mit dem Rechte des guten Eewiffons aus,
„ob sie Frieden und Wiederaufrichtung will odsr Unfrieden und
Zerstörung!"
Die Welt also hat das Wort. Deutschland hat vorläufig sein
Letztes gesagt. Seine Erläutsrungsnote macht ganz konkrete Vor-
schläge. Sie spricht talsächlich die Sprache „der Ehrlichkeit und e>ncs
die gegebene Lage berücksichtigenden Eejchästssinnes". Werden wir
es damit nun endlich recht gemacht haben, und wird man cndlich
daran gehen, zu „verhandeln", und zwar auf Erundlage unscrcr
Angebote, oder wird sich jetzt herausstellen, dah alles nur eitlcs
Eerede war, und dah man weder in London noch in Rom daran
denkt, den Generalgewaltigen in Paris durch irgendeincn Schritt zu
verstimmen, der die Reparationsfragc der Lösung zuführt und der
damit Frankreich den Dorwand nimmt, im Ruhrgebiete zu blciben?
Wir werden gut tun, unserc Erwartungcn in den engsten Eren-
zen zu halten. Dies schcint doch auch die Meinunz des Rcichs-
kanzlers zu sein. Wenn wir die Linie der bisherigen Entwicklung
betrachten, wie er sie in seiner Rede wieder dargelezt hat, so wird
es uns schwer, an einen unmittelbaren Ersolg zu glciubcn; dcshll''''