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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 31 - 58 (1. Februar 1923 - 28. Februar 1923)
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ZchWng - Ar. 57

_

crlchein« wöchentlich kiebenmal. Dei agen: DidaSkaila

«,-7^"^^"^""Siblatt lFreitn«,» — Literaturblatt lmonatllchs
^-- nhne Berantworlung. Röcklcnbnnn nnr, wenn Porto bei ieat.

Heidelberger Zektung

(Gegründet 1858)

u«d

Handelsblatt

Mltwoch, 7. Wriiar 1S2Z


HauptorfchL tssiell« u. Schriftl. »er.«avilchen Poft' S-iLelbera, Sanvtttr. 28. lfernlvr..
Nr. 182. lDerlaarort: Franlsur«-.M.I Berliner Pertretnng: Derlin 8« 48. Zimmn>
ftratze0.Fernkpr.Z-ntr.418.MünchnerBertr.' München.Seoraenstr.N>7.chern pr.sivs?

^en der.Bad. Post" Ml. lguo - lan-schl- Zn»e!Igcb«hr>.

Sewstabhol.N!t.>88».-. AuLland Mt.40ü».-

dkcl, >, »V öum S. ted.Mi» angcnomm n. Äm 1 u.S. noch grlief. Zeitungen sind nach d. Einzeivcrlanfspreir zu be-
^>"4elunmiiier MI. 78.—. Jftd'eZeitnng am Erscheinen verhindert, bisteht tein Slnspruch auf Entichüdigung

Anzelgenvreif«: dle 44 mw biette Nonpareillezeile kolret: lolaic Stellengesuche Mk.8U -, ll. (Selcgenheitranzetgen Mi. 4V»>
Iamilienanzeigen Mk 4».—, lSeschSftsanzeigen Mk.UU.-.Iinanz- undJndustricanzeigenMk. 1UÜ.-, mit Plagvorschrtf» unh
!i»-nlagrMI.8.-mehr. Dle S8 mm breite R-klame.et!- loftet Mt.15g.-, Anzeigen uno R-riamen von auswSrt, S8°/- döh-r.


^Äa«d und der RaubHberfall.

h,! ir>? Grotzbritannien die Ueberzeugung wächst, datz

2 der « "Esche Feldzug ins Nuhrgebiet lediglich die Wieder-
SI,->^indc n^°^°nischen Weltherrschaft vorbereiten soll, zeigt eine
^°^ ^eutzerung, die von W. T. Layton, früherem Mit-
englischen Munitionsministeriums und zurzeit

doljtj, .-Dirtschastsabteilung des s"--"'-"---'-- -----

si Veränderungen, meint

Wirtschastsabteilung des Völlerbundes, verbreitet wird.
Veränderungen, meint er, haben itt Europa das alte
i bezug auf die Rohstosfe gestört und die alte Orga-
idustrie in Frankreich, Velgien und Peujschland ernst-
«il^lo^b"'. ganz« vollenlwickelte Macht der Metallindustrie

,^>rd sich nicht gegon uns wenden, solang« nicht ein
^ ^iolgversprechendes Abkommen zwischen den französischcn
Produzenten getrosfen wird." Bis zum Nbschlutz dieses
^iu !ȟ)t Es aber in der Tat heute noch recht weit: auf alle
^ki, " fll<i"m,^'°!"" Tagen Frankreich mit durchaus untauglichen
livi Cii«» ^dlwollen und di« freiwillige Gefolgschaft Ler deut-

^Se7'"dustrie

und der Leutschen KohlenLarone zu er-
Ne-i die ersten freundschaftlichen Vereinlarungen

'."ubersac-Abkommens durch den Peitschenhieü des sran-
Siz/ d»tz zerschnitten und zerschlagen wurden. Die Eesahr

hst/^ Uus dem Zusammenwirken von Minette- und Ruhr-
irkr,^ "Us der gleichmätzigen französischen Kontrolle über nahezu
y: und Kohlenrorlommen in Frankreich selbst, in

u^akei, im Saargebiet und im polnisch gewordenen
^in kontinentaler Eisen- und Stahlblock von bisher
^rötze und Kraft bildet — diese Eefahr scheint heute
* ->u sein, wenn man nur die üblichen unmittelbaren
h, 4»r - Ruhrpolitik auf dem Weltmarkt Letrachtet.

besh E u>enigsj«ns, so wird uns entgegengehalten, jst die früher
<ls« t - Htete Wirkung-auf dem englischenArbeits-
>>!^8 llud längst nicht fühlbar. Im Gegenteil: der Kohlen-
«il/.^Seu,!, :^>Nlt der Kohlenpreis steigen weiter; an Stell« des
^usher Deutschland, das stch zu nenn-nswerter Aufnahme
° mehr fähig zeigt, ist Frankreich als „der beste

!>kh^ tz^öbiitanniens auf dem Festlande" getreten. Dis mili-
Ljs' ^n saii **!chast Frankreichs in Europa wird unter diesen Um-
>t, eine gegebene Tatsache willig hingenommen; die

^estr' U>i? s^'"ung in Englanü selbst sieht gleichsam als Unbeteilig-
..hinten fern im Ruhrgebiet", das kereits ans dunkelste
!j.,ps die Völker aufeinanderschlagen und in diesem

"b't p.. öerz dcs deutschen Wirtschaftskörpers Lis zur Unkennt-

jst bei Frankreichs Vorgehen von Reparationen und
Sieh^uchungen längst keine Red« mehr. Rostigen Riesenschlangen
!„»'preh^ u >,ch tzjg Schienenpaare durchs Land, in dem der Vertshr
Millionen Menschen und die ganze Ernährungs-
ikjb'ps > . m«Ie ungeheuren Masien auf die durchweichten und in
Uiikn.?. «nen Landstratzen angewiesen sind. Tas wunderkar
^>'^bzU.«viIde!e Bahnnetz, das die kleineren Jndustriebezirle von
1»^ (p - Dortmund mit Bochum und Essen, mit Elberfeld-
Ze,t E??«ukirchen, Duisburg und Bottrop verbindet, ist für
>>, ?hktrji?u^>g untcrbrochen, seitdem rohe französische Soldateska
>br ö«triebenen Stellwerk« und Weichen mit Vrechstangen
^>« genehm« Richtung zu stellcn suchte. Seit vollen

!hr hier die Zerstörungsarbeit Lersiis ihren Eang, die

i Maschinen und Znduflrieanlagen gleichsam zu ver-
^k, >I!en K u>eil üe auk andere Webl« die in ibnen rubenden

weil sie auf andere Weise die in ihnen ruhenden
ifte nicht zu heben vermag. Scheinbar also hat
^ ^u von diesem Nebenbuhler, Ler n'cht aufkaut, sondern
E iy 5. rt, oorderhand nichts zu besürchten, und doch liegt
üch d cüjg, Derschrotnng ebenfalls schon ein überaus Ledenk-
»hjsp hie??u kiinftiger Erötze. Jn ungeheurem Ma'gstabe wiederholt
ü>k , *felbe Vorgang, der einstmals die Entrlistung Ler ganzen

h,. uud asioziierten Welt wachrief, als in äutzerstem Notstand

Die« Pegierung mitten im Weltkrieg nicht nur alle erreich-
^!« " >n ^^»orrüte in den von Leütschen Truppen besetzten Ee-
Ilh, "Ur Heimat entführte, sondern auch werwoilst« Maschinen,
*u Zwecken dienen konnten, zerschlagen und ver-

i>i, ^ebj,,' um die Bruchstiicke in den erzh.ingrigen Hochöfen Les
'u Kriegswerkzeuge und vor allem in Munition für
'uischlachten auf französischer Erde umgietzen zu lassen!

^^üks^^Uu-.cliz geschah, um Ehre, Freiheit und Leben eineS Volkcs
iek^°>chti! ^skbn. wiedcrholt sich heute. wi« gesagt, in bislang
Kle^l^usmatz. wenn Frankreich das ganz« Leutsche Industric-
V"!^u , verschrotet, um die Bruchstücke wenigslens seinen

>beg,.^zufiihr,^, einem Schlag« wird dadurch ein lästiger
!-? auf dem Kontinent beseitigt und zugleich schasft sich

b»k "up sick^>'^ sranzösische Oomite «ies korxvs sreie Dahn, um lang-
s,j, lleg,^ alles zum Entscheidungskampf zu riisten, der nach wic
p>r-, llk,, ,"^brilannicn in erster Reihe gerichtct bleibt. England
rs „ >" mcrkwürdiger §

Kurzsichtigkeit auch weüerhin zu.

tz'^eri Ri'Ü ^'kkicher Vorteile willen die grotzen enischei
f'i« wie „ ieiner Welt- und Wirtschaftspolitik übersieht.

p>ü ^!!cn c^ stch dieselben Männer, di« sich jonst so gern als

^lpÜ^Ue^i, der Welt preisen laffen, durch längst ükcr-

i.b»kih ükerholte Sympathien fesieln. die sie vier lange Iahre
c":" ürankreich doch ebenialls nur deshalb verbanden. weil
»°^!chla„x ^akionen dem gleichen Ziel der politischen Vernichlung


P, 'uleps Zustrebten. Der Verschrotung des Ruhrgeb-iets heute
lliv ^briton"^. ^uzuschcn, weil zurzeit wohl Frankreich der best« Kunde
"u °ns auf dem Kontinent ist, bleibt ein unsatzkares Ve-
^itü-kcn^ Schrot füllt di» Hochöfen und auch aus
>, °"^Er Maschinen erstehen neu«, vielleicht noch grötzers
hrr Srzeugungsmöglichkeil im selben Matze wächst, in

^ettbewerb gleichstrebender Nachkarn zurückgedrängt wird'

Der MerstaO der ÄWahyer.

Me GLrrhertsfronL in Baden. — DLe Knebelung der deutschen Presse.

Eigene Drahtmeldung-

Esie«, 8. Februar.

D -c. , zosen habsn bisher noch keinen Versuch unternommen,
die angehaUenen Kohlenzüge umzuleiten, um sie nach dem Westen
abzurollen. Neuerdings werden auch die Personen- und Schnellzüge
angshalicn und eine Pahkontrolle vorgenommen. Auch die
Kontrolle des Landstrahenverkehrs wird scharf durchgeführt.
Der Widerstand der deutschen Beamten gegen die sranzöstschen Mah-
nahmen dauert an. Die Deamtenschast Les Essener Polizeiprästdiums
hat gegen die Ausweisung des Polizeipräsidenten Melcher in
cinem Schreiken an den kommandlerenden Eeneral Protest erhoben
und di« sosortige Wiedereinsetzung des Prüsidentcn verlangt. Di«
Franzosen versuchen mit Hilfe von Polen das Fiasko dsr Ruhr-
aktion wettzumachen. Ueber Danz'g sind Montag einige Hundert
polnische ArLeiter aus OLerschlesien nach dem Westen gebracht wor-
den, die reichlich mit Geldmittdln versehen sind. Autzerdem sind
wiederholt einzelne polnlschs Truxps eingetrokfen, die kein Hehl
daraus machen, datz sie von Frankreich angeworken stnd. Di« fran-
zösischen Eisenbahner beförderten sie indes mit Ler Bahn wieder
zuruck. Jn Hamm kamen 1ÜV Polen an, die erklarten, nach
Amerika auswandern zu wollen; es handelt sich auch hier um sran-
zösische Anwerbung für die Besatzungsarmee, die bekanntlich mit
Polen durchsetzt ist. Die Eisenbahner haben überall dafllr gesorgt,
d«tz einzelne Polentrupps wieder na^- dem Osten abge-
schoben wurden. Wegen Les Streikes der Eisenbahner sind die
Stellwerke des Bahnhoses Friemersheim, Kreis Moers, un-
branchbar gemacht worden. Französtsche Soldaten unter Fiihrung
eines Offiziers wollten von den Eisenbahnern die Durchführung dcs
geregelten Betriebes «rzwingsn. Als diej« sich weigerten, wurde»
einzeln« von ihnen

mit -sn Köpsen gegen dke WeichenbSck« gefiotzea.

Sie beharrten auch Lei weiteren Mihhandlungen Lei ihrer Ab-
lehnung. Dann wurden sie an die Wand gestellt und mit
Erschiehen bedroht. Schlietzlich wurd« der Stationsvorsteher
mit auf die Vrust gesetztem Revolver aufgefordert, den Befehlen d«r
Franzosen Folge zu leisten od«r sich erschietzen zu lasien. Der
Stationsvorsteher antwortete: „Jch bin deutscher Beamter. Jhrcn
Besehlen gehorche ich nicht. Bitte erschietzen Sie mich!"
Darauf zogen die Franzosen unverrichteter Dinge davon. Da die
Kausmannschaft inWitten sich entschlosien weigerte, an die Fran-
zosen Waren zu verkaufen, teilte der sranzösische Kommandant dem
deutschen Polizeiches in Witten offiziell mit, dag bei einer weiteren
Weigerung die Franzosen die Läden gewaltsam schlietzen
würden.

Der Eisenbahnverkehr in den Rheinlanden droht infolae der sich
haufenden feindlichen Elnariffe immer mehr zu erlieaen. Nach einer
Drahtmeldllng aus Ludwigshafen wurde durch Defeül des Oberkom-
manbos der sranzösischen Desatzungsarmee das gesamte pfälzische
Eisnbahnnetz dem französischen Kommando unterstellt. Den in
ihrcn Aemtern veroleibenden Leutschen Eisenbahnbeamten und Ar-
beitern legt der Oberkommandierende nahe, sich den militärischen
Desehlen untcrzuordnen. Demgegenüber hat die Reichseisenkahn-
direktion Ludwigshafcn angeordnet, Latz das deutsche Personal zwar
auf dem Posten zu verbleiben habe, aker nur den Anordnun-
gen der deutschen Vehürden Folae zu leisten habe. Aus
Koblenz wird gemeldet, datz wegen eines Eingrisfs des französischen
Militürs in den Eisenkahnbelrieb der gesamte Betrieb anf der
Strecke Koblenz —Tricr eingestellt wurde. Auch der Verkehr
auf' der Strecke Trier—Köln ruht. Die Franzosen versuchten tann
den Verkehr von Trisr nach Köln über Kleinbahnen der Eifel zu
lciten. Darauf wurde auch der Betrieb auf dem grotzen Eisenbahn-
Knotenpunkt Ehrang eingcstellt. Der Verlehr Trier—Köln über
die Eisel geht nnnmeyr den Wcg Trier-West—Igel—Bitburg.

Der Verkehr aus dcr Strecke Ofsenburg—Appenweier ist jetzt
vollständig abgedrosielt.

Endpunkt des gesamten Eüter- und Personenverkehrs von Süden her
ist N i ede r j ch o p f h e i m, von Norden her Achern. Der
Streik dcr Elscnbahner ist a l l g e m e i n. Hervorgerufen wurde
dieser Zustand durch einen am Monlag abend veröffentlichten Be-
fehl des französischen Militärkommissars, in dem der Stationsvor-
fteher von Appenwcier benachrichtigt wird, datz ab 5. Februar, 10 klhr
abends, kein Zug mehr abgchen dars in Richtung Offenburg.
Die Signale nach Osfendurg wurden gefchlosien. Stur sranzöfi-
sche L e b e n s m i t t e l zü g e und in ernationale Züge
haben 'cas Necht zur Durchsahrt. Der k ut-onsvorsteher wurde per-
sönlich veraniwortlich gemacht sür die Durchsüürung der sranzösischsn
Befehle. Die angehaltsnen Züge werden aus Nebengeleise ge-
stellt, um die sreie Durchfahrt der internationalen Züge zu gestatten.
klm 11.3Ü Uhr ersolgte darauf der erste französische E.in-
ariff auf der Station Windschlag. Die Drahtleitunaen Les Aus-
sahrtsignals wurden zerschnittcn und die Zllge nach Norden aufge-
halten. Dcr Vorsteher der Betriebsinspeküon Offenburg, der gegen
ias sranzösische Vorgehen Einspruch erhoü, wurde verhaftet und
forigeschafst, die Personalverirctung. dis gleichfalls Einspruch er-
heben wollte, weggeschickt. Daraufhin ist das gesamte P-rsonal
der Srationen Osfcnburg, Windschlag und Appenweier Dienstag
srüh 5 Uhr geschlossen in den Ausstand getreten. .

Ucber die Ausrechterhaitung des Zugocrkehrs

wird folgendes belanüt: Die Schnellziige nördtich des neu-
besetzten t§eüiets verkehren bis und ab Karlsruhe im Pends'.vcitehr
bis Nenchen. Südlich werden die Züge bis Lahr-D-nglingen ge-
führt. Die Personenzllge werden in Nenchen und Nieder-
schopfheim angehalten. Die Sch warzwaldbahn wird von und
bis Ortenberg verkehren. Dagegen wird die Renchtalbahn
stillgelegt. Hier wird der lolale Veriehr mit Kraftwagen ausrecht-
erbälten. Der Ferngüterverkehr wirü üker Württemberg
geleitet. Der Nahverkehr zwischen einigen Stationen wird durch
Penüelzugpaare ausrechterhalten.

Zu der Derhaftung des Vorstehers der Betriebsinspektion Offen»
burg, des Reg.-Rats Sänger. wird noch solgendes gedrahtet:
Am Montag abend 11 Uhr hattcn sich die Mitglieder des Beamten»
und Arbeiter-Betriebsratcs der Eisenbahnvcrwaltung oersammelt,
um mit dem Fiihrer der Besatzungstruppen, die sich auf dem Bahn»
hofc befanden, Rncksprache zu nehmen. In einer bereits vorher statt»
gefundenen Besprechung wurde von deutscher Seite verlangt, datz
älle sranzösischen Machen aus den Betrieben zu entsernen seien.
Jn der Zwischenzeit wurden die notwendigen Weisungcn aus Berli«
erwartet. Es kam denn auch eine Anweisung, um 1Ü Uhr abcnds
den gesamten Verlehr stillzulegen, wenn in der Zwischenzeit nicht alle
franzosischen Wachen aus den Betriebsräumen zuriickgezogen würden.
Der sranzösische Offizier gab aber vor, er müsie sich vorher in Kehl
die nolwendigen Weisungen holen, Ehe dies geschehen war, war es
aber 10 llhr geworden und die Wachen befanden sich noch immcr in
den Dienstzimmern. Jn einer letzten Konferenz am späten Abend
ertlärte Lann der Franzose, er habe Anweisung erhalten, die Wachen
nicht zurückzuziehen. Die Vetriebsräte stellten nun das Veriangen,
den Regierungsrat Sänger privatim zu sprechen. Dies wurde nur
zwei Dslegierten des Betriebsrates gestattet. Wahrcnd sich diese
veiden Beamten bsi dem Regierungsrat Lefanden, erschien eine fran-
zösische Wache und verhaftete den Regierungsrat, dem es nicht
einmal mehr gestattet wurde, von setner FamiUe Abschied zu nehmen.
Er wurde um 2 Uhr nachts einsach fortgsbracht.

Der Post-, Telegrapheu, und Telrphonverkehr in OfsenLurg

war am Montag vormittag wieder freigegeben. Nachdem die Amts»
leitung wie auch das Personal gegen die ersolgte Besetzung der
Diensträume Einspruch erhoben hattcn, wurde die Vesetzung aus
den Diensträumcn zunickgezogen mit einziger Ausnahme des Fern.
sprechschaltraumes, wo ein französischer Beamter die von den Fran»
zos«n beschlagnahmte Leitung Rathaus Osfenburg — Post Osfen-
ourg — Post Kehl ül-crwacht. Der Vorstand des Postamtes hat
bei der Vesatzungsbehörde gegen die widerrechtliche Besetzung des
Schaltraumes und die Beschlagnahme deutscher Reichsxostteitungen
sür den militärischen Derkehr der Franzosen Einspruch erhoben und
gedroht, Latz, wenn bis 4 llhr nachmittags nicht auch diese Besetzung
und Beschlagnahme aufgehoben werd«, werde das gesamte Personal
des Post- und Telegraphenamtes in den Streik treten, Seit
Dienstag nachmittag 4 Uhr ist es nicht mehr möglich, eine tele-
phonische oder telegraphische Verbindung mit Offenburg herzu«
stellen. Das Karlsruher Telephonamt erclärt, es könne von Ösfen-
burg keine Antwort mehr erhalten: man nimmt also an. datz die
Beamtenschaft in Ossenburg in den Streik getreten ist, weil die
Besetzung nicht aus Len Diensträumen zurückgezogen wurde. Die
Briessendungen nach den neubesetztcn badischen Eebieten ist möglich,
nur Pakete und Eeldsendungen nach Ofsenburg und Appenrmster
sind Lis auf weiteres nicht durchführbar.

Jm neubesetzten Brückenkopfgebiet von Kehl haben die Fran-
zosen der Bevölrerung sehrdrückende Lasten auferlegt. Aus
»hren qeringen Beständen müsien die Landwirte Stroh und Heu ohne
Dezahlung an die Okkupationstruppen abliefern. Kartosfeln und
andcre Vorräte werden vielfach gewaltsam beschlagnahmt.
Die sranzösischen Truppen dehnen die Desstzung auch . nf die benach»
kartcn Dörfer aus. So durchzog Dienstag morgen che Artil»
lerie Olfenburg auf dem Marsche iiber die Kinzigvl. >a,h dem
Dorfe Ziegelscheuren. Das Dorf Urlosfen be- Ä . üwcier
ist gleichfalls besetzt worden. In Offenburg sclbst ist der Riarkt-
platz das Heerläger der Franzosen geworden. In seinen
Stratzenzugüngen halten sich dauernd grötzere Trupps von sranzö»
sischcn Soldaten auf, viele Bagagc- und Munitionswagen stehen
auf dem Marktplatz ungeordnet herum. Jn einer Ecke des Markt-
platzes Lefindst sich ein grotzer Haufen „requirierten" Heus, das dk«
Truppen für die etwa tausend mitgekrachkcn Pferds l>enöti'gen.
Ihr Hauptquartier befindet sich im Union-Hotsk, vor welchem cine
zablreiche Wache mit aufgepslanztem Basonet. k'"> Ikung genommen
hat. Bis jetzt kestcht die Bdsatznng ausschlietzk d aus roeitzsn
Truppen. Aus den sonst so kcbhäften Bahnhöfcn in Offenburg und
Appeuweier hcrrscht seit Dienstag friih eine Totenstille. Nur cinige
sranzösische Wachen stehen da und dort zwischen den Ekoisgnlagen
und sonstwo herum.

Auch in Baden wird den Franzosen ebenso energisch Wider-
stand geleistet wie in Mestsalen. Die Eewertschaften und Ange-
stcllten habcn dem sranzösischsn Besehkshaker Forderungen über»
mittelt, in denen sie die S t i l l e g u n g s a m t I i ch e r B e t r i e b e
ankündigen, wsnn die Franzoscn die össentlichen Betriebe besetze«
sollten. Auch der Nachlverkehr auf dcn Stratzen dürse nicht behin-
dert werden. Die Verpflegung der französischen Truppen miisie aus
eigenen Vorräten erfolgen. Hierzu erklärten die Franzosen
sich bereit.

Die grötzten Eewalttaten erlanben stch die Franzose«
gegen die Presse im besetzten Eebiet.

Nicht nur datz Zsitungen aller Eröße und Richtungen msist ohne
Angabe von Eründen verboten wsrden, gehen jetzt die Frauzojen
auch gegen die veraniwortlichen Redakteure mit schürssteu Straien
vor, um sie von ihrer Pslicht, die deutsche Ossfentlichlsit im dcunchen
Sinns zu unterrichten, abzuhalten. So hat das franzöjische Militär-
gericht den Direktor des „M a i n z e r A n z e i g c r s", Will. sowi«
den verantwortlichcn Relaktsur des Blattes, Nohaicheck zu ie
üOOVü Mark Eeldstrase und den Direktor Will augerdem zu
acht Tagen Kefängnis verurteilt. Die, Anklage lautete,
einem Defehle der Rheinlandkommiüion, die die ^-erosientlichung
eincr W o l s s m e l d u n g iibsr das Verbot von o h tentief e-
rungen an die Entente untersagte, »icht nachgekomme«
zu sein, sonsern die Wotffmeldung dennoch » e r 7 s s e n t l i ch i
zu haben. Das Eericht hat daüurch dem Antrage des Anklagevertre-
ters enlsprochen, obschon die Verteidigung nachwics, datz e ne Ver-
fehlung der Angeklagtcn' iiberhpupt n cht vortiege, da sie nicht gcgen
dcn Befehl verstotzen hätten, dieser Besehl vislmehr aus sinem
Irrtum beruhte insofcrn. als es bch bei dem vsrkotensi' Arttkel,
wie sich später herausstsllte, gar n.cht um eine Wolfsmeidung han»
delte, jondern um di« Meldung eines andere,« Depeschenbllros.
 
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