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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 59 - 89 (1. März 1923 - 31. März 1923)
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Mgang - Ar. 7S

Si-

l ^rscheint wöll cntl. sieb-nm->. Pet a en: DidnSkalia <Sonnt.> -

" Literatnrblatt - vochsch»:beliak,e lmonatl>»>.
«cttraae okne Derantlroriung. RLtk> ntznna nnr, wcnn Porta betlteat.

HeidelVerger ZeiLung

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt

SamSIag, 17. Mrz 1S2Z

H-uvtaeschältsst-lle u. S-l.ristlcl!«,. der.Badischen 'poft-Hcidelbera.tz-uvtftr. LZ. Fernspr.:

Nr. 182. kVcrlairort: stranlfurt a.M.> Berliner Bertretung: B-rlin srV48, tzimmer-
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SirenenklSnge.

^eldunqen, die neuerdincfs über die Möglichkeit von Inier-
1,'°"'!°«, Veilegung des Nuhrlonflilts verüreitet wirdcn,

vu/"^rsie„ unsere Verliner Redaktion schrsibt, mit

vm^^rs/a'n unsere Ler 11ner 'Sievaktlon iqrelol, MII

isi. u"'siii„° 'lUrückhaltung anfgcnommen werden. Zu irgendwelchem
Ii° "e wie er Lereits in einem Teil der d e m o k r a t i s ch e n
riiL? 5"^ aus einem Artikel des „Vorwärts" herausklingt,
ein-..^ «eringste Anla'g vor. Wenn fich jetzt die Pariser
>ii^euia.s. Eeruention von drittcr Seite geneigter zeigt, als noch
>Neb> ,-urochen, wenn man in Paris eine folche Vermittlung
deu ^ eine unfreundliche Aktion glatt guriickweist, fo darf

seil. Echlutz gezogen werden, datz Frankreich Len dringsn-

- "bv iioi, sp.hen, rvöll es non

eher ist Ler Schluß

KiV^UrisL ^ussug gesfogen weroea, ea» ,;runi.i ..

lle, ^ A Len Ruhrkonflikt beendet zu fehen, weil es stch von

llii^Eserti^^Iosigkeit LLerzeugt habe. Weit eher ist der Schlutz
man in Paris die internationale Situation für so

lüiys^

«kti- k!

Pig .'tst- rag nian in Paris die internationale Situatwn für jo
'on lah Frankreich dem Eedanken einer Vermittlungs-

A-.Aait Ruhe entgegenfehen könne.

m "U von einer L-.,mittlung, die von Enaland aus nach

la.^N n >oin sollte. Reuter hat dieses Eerncht dementiert.

bV.ltg °?er trotzdsm eine Anfrage erfolgt frin

rs V°he>, ° *?Nrd man sich in Berlin diese sehr genau
mussen. Es lann nicht oft genug betont werden, datz
I,^>kltf Nicht l^nninaisiia ist man Enoland zu einem solckien

was Engla'nd zu einem folchen
die letzte Unterhausdeüatte follte

V-i* * verun^t^l Sympathie ist,

K?ines L"lasten könnte. Eerade die letzte llnteryausdedatte sollts
SrückiT^.!"n darüber belehren, und uns nicht veranlassen, vcr-
varaus zu ziehen. Der englische Unterstaatssekretär
>a durck,' ' l>er vor Sympathie für Frankreich überflotz, wollte
N°ruch nicht zu der Auffasiung belennen, datz der franzö,ische
lra^Utet. ^ Ruhrgebiet cine Verletzung des Versailler Vertrags
hai§bverl°n,,?^ Ne.ll konnte ja auch nicht gut die Tatsache einer Ver-
h^a. weaüÄ. '^geben, denn dann hätte stch sofort die ftrage er-
eiu». ,lb England. der Mitunterzeichner des Verfailler Ver-
"lik d°. ^°lchen Vertragsverletzung ruhig zusehe. nnd in seiner

jst .is-d-luonal ruhig sortfayre.

»i «^bin-c.H falsch. aus der immer geringer werdenden Masiritat
lih, lgein onar Law bei jeder Ruihrdebatte im Unterhaus
'd^chia ' °uh die Stimmung in England zugunsten Deutfchlands
ler- O nein, man hckt in England auch heute
tze.luhi s-^erstit^^^jg für Deutschlands Leid, kern
Vewaijü u r das uns angetane Unrecht. Die ungeheure
ük^ Nlltzeu ung. die die Ruhibevölkerung erdulden mutz. dringt nicht

i^-lvafstvit

d^eg^-. und dig französifche Propaganda. die ver unsern fo ieyr
is ;,'>n n !°rgt fchon dafllr, dah die Zustände an der Ruhr sich
'iL l riK.-U. der franzSsischen als der deutfchen Darstellung fpiegeln.
^e.lHlväSt-T D>e Position des Kabinetts Bonar Law wird ersicht-
!üi D°,.'„^lbst im konfervativen Lager. Wie die Situation
>»t u. n>a» ^Mland gedeutet werden mutz, erkennt man am besten.
l>°,'.vie d-,ua> veraectenniöekiak dost -s iaaar Konservative aeaebcn

fehr

kii^ di/M vergegcnwärtigt, dah es fo'gar Konservative gegebcn
' ^rifsivität der englifchen Politik deshalb getadelt haben,

l°il°°?Ugland

ih'^erf? weil

uicht an der Seite Frankreichs an der Ruhrbesetzung
habe!

- En -l0lä'»I l>le Tefahr besteht. datz
M^land ber '

angesichts

Aktivn

offenb,rren

Stimmung

. ineinen. weit.

°l- 'Ustv?^ unf dem Standpunkt, dah man in der Ruhrbefetzung
^leü,-".l>erä 'n der Hand habe. das eine fiir Frankreich
^iitd>^l>er üunstjge Perhandlungsbafis biete. Dem-
iLunkt ... ^ fur uns mit aller Entfchiedenheit. den deutschen
^L t'llusdiiÄ uiahren, wie er in der Red« des Kanzlers fo deutlich
^°s*ls s-8°lommen ist, datz die Besetzung des Ruhr-
Do« keine Verhandlungsbasis

°iL^utsschU2 uns im Ruhrgobiet angetane llnrecht kann nicht durch
>,lUd„.Us> rü» „^'lle in Recht verwandclt werden, welches Frank-
täÄen xt, Uibt, auf Erund der Nuhrbefetzung uns seinerseits De-
p°vl>, dast ' UlchreiLen und Forder ingen zu stellen. Schon ver
dt°sl°N üb„'"?u Washington, London und Päris bei allen
^liu " z !o auss»«^ Vermittlungsaktion die Brüsseler Kon-
§liils°?- von >k in den Pordergrund schiebt, mutz uns die Jnter-
?Mkler Pxs„ " wan spricht, verdächtig erscheinen lassea. Die
o>i °; l°liuno °^ungen «ingen von der Voraussetzung au--. datz die
d'UenRän^. ^land in der Hand Frankrcichs sei. Man spricht
e?iisl°s^epa.t,.!uung des Ruhrgebiets nur, je nachdem Deutschland
esl l>ie aiid^u^pslichtungen nachkomme. Man behandelte, in
fna,^atsa^,°'"^.^iliche militärische Dcsetzung des Ruhrgelnets
,E> i x /icn. °>c für die politischen Nerhandlungen matzgebend
r^havi.! ° run » würde für uns eine ungeheure Ver-

^"kti° .""g-rb„t? p? r Lage bedeuten und eine ganz ungeeignete
'UNz^U!er„ag Ub bilden. Dic Driiffeler Besprcchungen, die nur cine
. Mev der 7r„„^r-7L — -c'—,,„d d. n

^ lln°.u ein° ^an-ösisck.en EewaltpoUtik bodeuten und
'r »n?l'^bbar° ^u.utie schaffen. an der Nuhr, zum mindestcn
» ^°r Mlskutast 7 Rhein zu bleiben, stnd von vornh

-ü?'v-Sderstand"^ -- - - - -»> _

d:N

aber
vornherein

, °ll 'D'^uki°-^< ?" der Ruhr ist nicht zusammcngebrochen, wie
!ali^erhandi„„l'ehaupten möchte, er ist stürkcr als je zuvor. Die
n ungen der deutschen Arbc!tgeberver''ände im ehe-

waren erneut ein sreudiges Bekenntnis zur
erstandes. Deutfchland hat esnicht
weli äi' ^."tervention um joden Preis. Wir
r?l>es unst?»"^ Eewitzheit haben, datz die Fortsstzung-dcs
r nr'U'l den^ -Er-'Ul'"", "l)er beffert als verschlechtert. Was

,°°ü^»;llo^°-°?^."lchärfung der Vestimmungen von
'dsiNsE'Uer solche llngeheuerlichkeit, datz der Eedanke

„"fftbl selbst '. l?ugsi°ktion auf Crund des Nrüffeler Pro-
^kftt' °?l>s ein°! ^'^eidet. Irgend ein schwächliches Nackig-'bcn
°u"lls>" >der de„s7^,"'^ulL"EN Erleichtcrung wegen wäre nicht nur
> fti°lt en A nä? sondern auch Derratan der

"'eier düxs^ w e hr der R u h r b ev ö l k e r un g. Di-e
lluschuldiae. d V"'!?nsi so heldenhaft getragen, das Blut
mger darf nicht umsonst gefloffen sein.

'ü>et**6n. jg Ausdehnung der Besetzrmg.

^ iÜd7-^"cd von^sto»^^ ^ südlichen Teil des Lesetzten Ruhr-
^lich de, Wk - n Trupp - nbewegungen b-richtct.

p« um die «nglische Zone gelegte Bogen ist im

Drüffcl
der

verschlechtert,

ausgeheckt hat, ist nichts
Bestimmungen

Laufe des gestrigen Tages wieder erweitert worden. Die Orte
Runderath und Ost-Derghausen sind von den Franzo -
sen besetzt worden.

AraazSMr KSderversuche.

^ ' 'aud soll den ersten Schritt tun. Keine englische Vermlttlung.

Von unserem H-Korrespondenten.

Parks, 16. März.

E,ue Verösfentlichung Ler Reuteragentur macht allcn üishsrigsn
Nachrichten über eine angebliche Vermittlung durch das
englische Kabinett in derRuhrfrage (die wir auch unter
grötztem Vorbehalt brachten. D. Red.) ein End e. Jn dieser Reuter-
erklärung heitzt es, tatz die englische Negierung, wenn sich dis Eo-
legenheit bieten sollte, den Beschlutz erneuern würde, keine Ver-
mittlung zwischen Franlreich, Belgien und Deutschland vorzu-
nehmen. Es wird endgültig erklärt, katz die englische Re-
gierung nicht vermitteln könne. Deutschland solle einen Plan vor-
legen, der Krankreich und Belgien befriedigen könne, der aber auch
die Unterstützung der deutfchen Jndustriellen hätte,
Da der Versuch der Franzofen, England zu einer Vcrmittlungs-
aktion zu veranlassen, scheiterte, wird nun in der französischen Preffe
der Vorschlag gemacht, Deutschland möge, wenn es sich nicht direkt
an Frankrcich wenden wolle, mit seincm Vorschlage an die Nepa -
rationskommission herantreten. Dem „New Pork Herald"
zufolge will aber Franlreich direkte Verhandlungsn, da cs be-
fürchtet, datz England und Jtalien in der Reparationskommission
gegen Franlrcich und Belgien Stellung nehmen lönnten. Man cr-
wartet in Franlreich den Beginn der Verhandlungen längstens in
zwei Monaten. Nach vorliegenden Andeutungen will das franzö-
sische Kabinett seine ursprünglichen Forderungen erhebli>h
reduzieren, um endlich den Beginn der Verhandlungen zu er-
reichen. Allerdings mühte Deutschland den ersten Schritt tun,
und solange die Verhandlungen kein besriedigendes Ergebnis hätten,
würde das Nuhrgebiet nicht geräumt werden.

Auch in Belgien erwartet man, wie der „New Bork Herald"
zu melden wertz, dringend dcn Veginn der Verhandlungen, va
die ständig zunehmende sozialistische Opposition dem
belgischen Kabinett autzerordentlich unbequem ist und man übsrdies
annimmt, falls Deutschland nicht nur 30, sondern, wie verlautet,
sogar 80 Milliarden Eoldmark als Eesamtsumme für die Rexara-
tionen anbieten wolle, man rasch zu einem Einvernehmen gelangen
wird. d

London, 16. März. Reuter mebdet aus Mcchhingisn: H u g h e s
k>at ein amtliches Dementi der Presscmeldung. wonach Erotz-
britannien Vorschlägc fiir eine amerilanische Vermittlung zwischen
Frankreich und Deutschland in der Richvsrage gemacht haben sollte,
peröffentlichen laffen.

Sümmen ous Frantteich.

Beschwerde» der französtschen Schwerindustrie.

Pari», 16. März.

Was von den grotzsprecherischen Reden, von den in
Fanfarentönen gehaltcnen Zeitungsartileln der Regierungspresss zu
halten ist, Larüber klärt heute in ganz überzeugender Weise das
Organ der französischcn Schwerindustrie, „IournLc industrielle". di«
öffentliche Meinung in Franlreich auf, und man mutz sehr bedauern,
Latz dieses Blatt nur eine beschränkte Zahl von Lesern in der breitcn
Masse der Bevölkerung hat. Ueber die Lage der f r a n zö s i s ch en
S ch w e r i n d u st r i e schreibt Las Blatt: „Auf dcn Halden der
Ruhr liegen 400 000 Tonnen Koks, auf die Francrsich Anspruch hat.
Sie würden genügen, um zwei Monate in gewiffem Erade die Tätig-
kcit unserer Hochöfen zu sichern, von Lenen 80 bis 90 Prozent ge-
stoppt sind. Bis jetzt haben die Deutschen alles getan, um die Ab-
beförderung zu hiiioern. Die zwangsweise A r be i t s l o s i g k e i t
unserer Metallindustri« ist in der Tat e:ne der besten Waffsn, über
die sie gegen uns verfiigen." Das Blait betrachtet Lann die Ruhr -
frage von folgenLen zwei Eesichtspunkten:

1. Seit Bcginn der Ruhroperation seien nach Frankreich aus
Deutschland nicht mehr als zehn Waggons Koks herau:gekommen.
Die Franzosen haben dadurch bis jetzt etwa 20 Millionsn Franken
verloren, da die Jnduslrie trotzalledem ihre Arbeiter habe bejchäftigen
wollen. Ausschlaggebend sei aber nicht dieser Verlust, sondern die
Tatsache, datz künftig Tausendo von sranzösischen ArbeitLrn zum
Feiern gezwungen scin wiirden, datz dcr Melallpreis steigen wcrde
wie alle andercn Preise und datz gerade die in der Pariser Eegend
so zahlreichen Industriezweige von Ler ArbeitslosigEeit scharf bedriht
wllrden. Das Ansteigender Preife, die Arbeitslosig-
keit und der Wirrwarr, der daraus entstehen wiirds, sei gsrade
im gegenwärtigen Augenblick für die Sozialisten wünschenswert.

2. Währcnd die französischen Hochösen stilliegen und die alliierte
Industrie Arbeitslosigkeit und Teuerung heraunahsn sähe, rühmten
sich die Industrie 'llen im nicht bc?»'jten Deutschland,
Latz sie Kohlenvorrüte oder Importlohle für drei Monats hättcn.
Wenn man Las so weiter gehen lasse, müsse der Zwang wirksamer
durchgcfi'chrt wercen: sei die Besctzung leine Zwangsmatznahme, so
habe sie keinen Zweck. Man habe jetzt 2l- Monatc im Ruhrgsbiet
geslanden. Irgcndetwas hätte man Labei hcrausholen müssen. Wsnn
die Negierung jetzt dcn Beschlutz gefatzt habc, die Kohlenhalüen zu
räumen, so verfüge sie doch sicher über die Mittel dazu, diese Räu-
mung vorzunehmen. Besttze sie diese Mittel nicht, so fei der Ent-
schlutz zum Unhcil gefatzt ivorden. Aker dadurch habe die Regierung
gegen ihre Pflicht verstotzen. Es sei oft wiedcrholt worden, datz die
Besetzung Les Nichrgebiets von Len sranzösischen Industriellen diktiert
worden sei. Jn Wirklichkeit seien diesc Industriellen beiseite gestotzcn
worden. Wenn sie heute ihre Stimme erheben, so deshalb, well «s
sich nicht mehr um ihren Eewinn oder Verlust handelt, sondern um
Arbeitslosigkeit, Teuerung. soziale Wirren und um die nationalen
Eefahren, die daraus entstehen würden.

Lebenslangliches Zuchthaus!

Paris. 16. März. fEig. Drahtm.) Die Jnteralliierte Rhc.ucaud-
kommffsion verordnete, datz, wer Telegrapben-oder
Telephondrähte anschneidet. zu lebenslänglichc-m
Zuchthaus veru^jeilt werde« soll.

Dss problem des „BMenkopfs Köln".

Eng und immer enger vcrschlingen sich im Kampf um das
deutsche Ruhrgebiet zuglcich die Fäden der internationalen
Belange, in denen der weltpolitische Ecgsnsatz zwischen den
„Alliierten" Frankreich und Erotzbritannien aller Welt offenbai
wird. Alle Zwistigkeiten, die fchon cinmal, >m Jahre 101?, di«
Einigkeit der glorrcich Verbündctcn zu vcrnichten fchicnen, drohen
aufs neue auszubrechen, und wiedcr sieht sich England auch untei
der Nachfolge Lloyd Gcorges von widerstrsbenden Empfindungen
hin- und hergeriffen. Vom Nuhrgcbiet lenkt die europäische Politil
zurück zur Lebensader des curopäischen Gleichgewichts, wcnn hcut«
die ersten und wichtigsten Fragen der Besetzurtg des Rhcintals srlbsi
aufs neue zur Erört'erung stehen.

Am Streit innerhalb des eigentlichen Jndustriegeüietes zwai
nimmt die öffentliche Meinung in London nur schr bedingt noch
Anteil. Der augenblickliche Vorteil, den die englische Erotzindnstri«
und der englische Handel aus der Zerflcischung der wichtigsteii
Kohlen- und Eiscngebiete zieyt, ist gar zu augcnfällig. Zurzeit unt
zum mindesten fiir etliche Monate noch gilt das ärgerliche Wort,
das der Pariser „Tcmps" sällte, datz „Englands Wirtschast dei
Nuhraktion eincn Ausschwung verdanke und datz deshalb Englant
keinerlei Veranlassung habe,'üen Nuhrkonflikt zu beheöen" Schov
im Ianuar, Ler doch erst in ssiner zweiten Hälfte in Bctracht kommh
wies die englische Aussuhr gegenüber ,em Ianuar vorigeil
Iahres eine Steigerung von 80 v, H. auf. Der erzielte Gewinr
war im Vcrgleich zum Dezember 1922 fiir die Einsuhr um viei
Millionen Psund, fiir die Aussuhr um neun Millionen Pfund ge>
stiegen. Jnsbesondere die Schwerindustrie erholte sich bereits iw
Vorgesiihl des lommendcn Kampfes dcrart, datz der Niedergang dei
letzten Jahre fast völlig bereits überwunden ist. Die Stahlerzeu-
giing erreichte mit 624 000 Tonnen nahezu den Monatsdurchsihniti
von 1913, während die Eisenerzeugung gar auf 567 000 Tonnen stieg
Jn denselben Mochen, da als erstes Ergebnis der Ruhraktion ir>
Frankreich selbst ein Hochoscn nach dem anderen ausgeblasen wurde.
lonnten in England im Januar vierzehn neue Hoch-
öfen in Brand gesetzt werden, so datz hier bei einem Ecsamt,
bestand von 182 Hcchöfen 103 Oefen mehr als vor cinem Iahrs i«
Feuer stehen. Hand in Hand damit gingen die Arbeitslosenziffer«
von Moche zu Moche zurück. eine wesentliche Steigerung der Löhiu
lenkt auch die Aufmerlsamkeit der Eewerkschaften und der Arbeit>r-
xartei von dem in der Politik nie stichhaltigen Geüanken der „Un-
rechtmätzigkeit" der sranzösischen Eewalttatcn ab: HaNdel und In>
dustrie verzsichnen eine Kohlenausfuhr, dic ebenfalls wieder de«
bisherigen Höchstsiand von 1913 gut und gern bereits erreichte unt
für den Fe-bruar zweisellos erheblich überschrltten werden wird.
Auf wirlschaftlichem Eebieie zum wenigsten sieht sich Erotzbritanniev
von beiden Parteicn aufs angelegentlichste umschwürmt, u>( auch i«
Ler hohen Politik iiberwiegt hier imd da noch dies angenehme Ee>
fühl, während weitsichtigeren und feinneroigen Staatsmännern doch
auch zugleich ein ge-wisses Grauen vor der uuerhörten Machtsteige-
rung des alliiertcii Frankreichs Lberläuft. Die Frage der Ve-
setzung Kölns wird langsam zum Kernpunkt de«
-europäischen Problems. Wir selbst vor allem haben all«
Ursache, uns näher mit seinen Erundbedingungen zu befassen und
Für und Wider sorgfältig von unferem wie vom britischsn Staud-
punkte aus abzuwägen.

Tatsache ist da zunächst, datz in diesen Tagen auch die letzt«
Oefsnung, die bisher allen Zwangsmatznahnicn Franlrcichs zum Trotz
eine unmittelbare Vcrbindung zwifchen dem freien, unbesetzten
Deutschland und dem Lritischen Brückenkopf ermöglichte, geschloffen
und mit hohen Zollschranlcn umhegt ist. Selbst zwifchen die franzö-
sische und englische Zone schiebt sich dieser Korcon, so datz Ein- und
Ausfuhr ron Waren wie Ler Perfonenverkehr von Köln etwa nach
Düsseldorf oder näch dem benachbarten Bonn Lurchaus von Willkür
und Befehl der sranzösischen Unlerorgans abhängig sind. Wäre«
deutsche Handelskreise dadurch allein bedroht und beengt,
fo wiirde auch diese merkwürdig „freundschaftliche" Matznahme sicher-
lich in London mit Stillschweigen umgangen. Da abcr gerade die
Mitglieder der britischen Handelslammer in Köm selbst darunter am
meisten zu leiden haben, so geht jetzt ein Strom Ler Entrüstung
durchs Land, der vorerst allcrdings noch durch die starren Felsen der
in Versailles iibernommenen politischon Verpflichtungen in feste
Bahnen gewicsen wird Auch in diesem Punlt gibt daher der Lon-
doner Berichterstatter des „Temps" durchaus Sinn und Ziel der aus
Köln heraufklingenden Stimmen in seinsr Feststellung wider, dah
die -Frage der von Frankreich beanspruchten Ausfuhrbewilligungen
für die britischen Handelskreife bersits eine Frage des natio»
nalen Prestiges sei. „Die englischsn Kanfleute," schreiüt er,
„leiden darunter, datz den Deutschcn Beschränkungen aufsrlegt sind.
Wenn man auch der deutschen Propaganda keinen Vorschub leisten
wolle, lönne man doch niclit dulden, datz die englischen Kaufleute ihr
Geld verlicren, und m«n könnc auch nicht gut Esduld predigsn, wenn
Enoland am Rhein als ein internationaler Faktor erschsine, der
nicht mehr mitzähle." Hinzu kommt, was der „Temps" aufzuzählen
versäumt, datz die britischen Befatzungsbehörüen die allergröbsten
Uebergrifse, die sich die Nheinlandkommission auch in dem von eng-
lischcn Truppen bcsetzten und verwalteten Gebiete erlaubt, ruhig
dulden miissen. weil ihre Beschwerden und Vorstellungen in London
aus hothpoliiischen Eriinden einfach beiseite gcl'- t and totgcsch visge«
werden. Jm Dezember vorigen Iahres schon mutzten so englische
Polizisten in Köln selbst auf französischcn Befehl Plakate mit
auientischen Auszügen aus eincr Unterhausrede Lloyd Eeorgcs ab-
re!tzcn„die allerdings einige recht »nangenehmc Enthllllungsn über
die fränzösische Nheinlandpolitik botsn. Noch llblcr für die britischen
Behörden war der erste Konflikt üüer die Ausweisungsbefugniffe de»
von Franlroich gelsiteten Ryeinlandkommission, gegen dersn Befstzk
ansangs die deutschen Finanzbeamtcn ausdrücklich gedeckt wurden.
bis auch in diesem Falle britifche Polizisten auf neue Weisung von
London hin selbst Lei der gcwaltfamen Entfernung der Bcamten
Kand anlegen mutzten. Die ganzen Verhandlungen endlich, die dann
im Februar und März die wichtigsten Bahnlinien guer durch das
von Briten besetzte Eebiet den Franzosen nahezu zu unbeschrünkter
Verfügung einräumten, sind In ihrem Kern doch ein Verzvht schon
auf die Staatsautorität, die England bislang so eifersiichtig im
Kölner Brückenkopf hiitete. Auf jeden Fall wird man es nur allzu
verständlich finden, datz die matzgsbcnden Behörden seit Wochsn schon
der englifchen Negicrunq mit der Vitte in dcn Ohren liegen, den
Konflikt der Pflichten doch einfach und klar durch den ALzug dcr
 
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