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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 149 - 178 (1. Juni 1923 - 30. Juni 1923)
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§6 Zabrsang Ar. 1S4

t sche Poft^ rrscheint wöchentl. siebenmal. Leslaqen: Nidosralia lSnnnt.1 —

^"'ErvaltunsrblatttMontag«! -Literatnrviatt—»ochschttibeilage tmonntiichi.
— ""lannte Deitrtiae ohnc Derantwortnng. Rückicndnn,? nnr, wenn Porto betliegt

Heidslberger Zsitnng

(Gegründel l858)

und

Landelsblatt

Mlwoch, den S. Mi 1S2Z

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Der RkichStag an der Arbeit.

Von unserer Verliner NeSaktlon.

Bcrlin, S. Iuni.

- Der Reschstag nahm heuie seine DrLeiten in einem Augenblick
^,-?6snem politischer Hochspannung wieder auf; nicht nur auhen-
fz'"!ch, sondern auch innerpolitisch sind wir vor Entscheidungen
x.^ister Art gestcllt. Es bsdarf all unferer Energie »nd unseres
hidd " Veraniwortungsgefühls, um durch alle disse Cchwierigleiten
tg^rchzukommen. Diefer lleberzeugung gab zu Beginn dcr Neichs-
d^sttzung Präsident Löbe kurz und prägnant Ausdruck. Die neue
tz^.^!che Note ist mchr als Lisher irgend einss der umtlichen
tz^Wücke der Negierung elne Schickfalsnote für das deutsche
» 'f, Das einzig Erfreuliche ist die Tajfache, datz die Parteicn
^ ch wie vor gejchlofsen hintcr der Negrerung stehen.
bx? ÜÜeldung ron einem Austritt der Sozialdemokratie, dic
g^ders fensationell Lei einsm heutigen Berliner Mittagsblatte
das von einer Trennung zwischen der Sozialdcmolratie und
tiürosrlichen Parteien »nd oon einer Al'sage der Sozialdemokratie
z».,-6ie Regierung Luno sprick-' wird heute selbst oom „Vorwärts"
tz ^gewiesen. Auch die voll»parteiliche „Zeit" ersährt, datz die
z„ !"'S Vedcn".'!'. soweit ste ansangs bestanden haben,

d^ch'estellt haben, und datz auch sie hsnter dem Memorandum ser
!^!che,l Ndgierung stehen. Nur die Dentschnatienall.n
dcr Meinung zu sein, datz eine unbedingis Zustimmung zu
stzg, Dkemorandum Ker Negierung für fle mit Rückflcht anf ihrc
iKs^rrsKast drautzen im Lande schwer zu tragen jei. Befonders ge-
s,j "tzen steht die Arbeitsgemeinschaft hinter der Note, und
^ --Zeit" sagt: Wir sind der UeLerzeugung, dag die F-ührer der
H ^Uichen Arbeitsgemeinschaft mit ihrer Zustimmung zu dem
nrandnm durchaus das Richtige getrosfen haben, und wir glaubcn
ttz-! ^rund der Kenniniffc, die wir von dem Memorandum haben.
ds, M das deutschs Volk dieser Zustimmung anschlietzen wird, sobald
^»te zu seiner Kenntnis gelangt sein wird.

^tzenpol i t i sch scheint die Situation somit, soweit das
§ii^>Nent tn Detracht kommt, geklärt zu sein. mit um so grögercm
Lij^ehagen mutz man also den innerpolitifchen Debatten
«i-^Sensehen. Die sozialdemokratische Fraktion hat
Sei,» ^mgliche Interpellation über die Wirtschaftslage ein-
die so schnell wie möglich zur Verhandlung gelangen soll,
schlietzlich das Intereffe aller Parteien ist, zu dem kmrch die
»Eeptzrure Geldentwertung entstandenen Notstand Stelliing zu
>>^^n. Hier stotzen natürlich die parteipolitisckien E-gensätze stark
hiH^ander, und man wird mit recht bewegten Debattcn zu recknen

!>?i,,^rrlin. 8. Iuni. (Eio. Drahtm.s Wie jetzt feststeht, wird die
°°utsche Note am Donne'rstag den alliierten Mächten
^^eicht »nd am Fre-tag veröffentlicht werdcn.

DsutWand M kapitnüeren!

BLlkerb un dslontr ollc über das Rhrlnland.

Don unserem -Korrespondenten

nicht mit einer Eleichzcitlgk-it, sondern mit einer NaHsinandsrfolge
gerechnet, was in der Praxib daiauf hinauslausen würd«, dag Deutsch-
land glei'chsam als Belohmino (!!) für seine nuchgiebige Haltung
in der Reparationssrage und für seine Aufgabe des xasflvsn Widsr
standes die Erlaubnis erhalten wird, däs Rheinland den
Segnungen des Völkerbundes auszulrefern.

Die Krtse der lothrmgischen Zndustrie.

Foloe» dcs Ruhrraubes.

Paris, 5. Iuni.

AndrL Tardieu führt aus der Nede des lothrinqischen Mstall
indnstriellen Humbert de Wendel, die er in der Handelskammer
:n Metz gehalten hat. eine Stelle an, die im osfiziellen Vsricht ge-
fehlt hat. Sie lautet:

„Vom 18. Ianuar bis 1S. März ist die Zahl dcr im Betrieb bc-
findlichen Hochöfen im Mosel-Departement von 40 auf 13 ge -
sunken, während die Velegschasten sast vollzählig geblieben find
Daraus flnd natürlich sehr grotze Verluste entstanden. Obwohl seit-
d«m eine Enispannung eingetreten ist, stellt die tägliche Zufuhr im
Monat Mai keineswegs mehr als zwei Fünftel der Zufuhr vom
Dezember kar. Dabei dürfen die Werke entsprechend den Jnstcuk-
tioncn des Ministcrs für öifentliche Arbeiicn nur zmsi Driitel diefer
Zufuhr rerlrauchsn. Sie Leziehen also weiter englischsn und ameri-
lanischen Ko?s, deffcn Preise autzer isde.m Verhälinis zn den Ver-
kaufsi reisen stehen, die fle für ihre Er'euanissc erzielen könncn. Da-
her ist das Betriebsergebnis nach wie vor >n orotzem Um-
fange negaiiv. Es lietzo flch leicht fsststcllen, datz allein für die
Metall- und Bergmerksindustrie des Mosel-Departe-nents die un-
mittelbare Velastung infolge der aegenwärtigen Krise nicht hinter
der im Bericht der Kammerkommisflon über d!e Kreditvorlags sür
die Nuhrbesetzunq angelührten Ziffer für die militärischen Gesamt-
ausgaben zurückbleibt. Das ganze lothringische Land vers'üre natur-
gemätz die Nückwirkung dieser Schwicrigkeiten. Die Arbeitsloflgkeit.
die auf ein Minimum einzuschränken die Wcrke flch zur Pflich't ge-
macht hätten, könntc nur zum Teil vermieden werden, so datz die
Krrsis der Industrie auch die Arbeiterklasse
treffe und das Darniederliegen des lokalen Handels zur Folge
habe."

AuS dem Gmbruch-gebiet.

Weirere Mkkitaristermlg der Nnhrbabnen.

Eigene Drahtmeldung.

Telsenkirchen, 5. Juni.

Der grotzs Zugriff der Franzosen auf dcn mittleren Teil
dcs Industriegcdiets Lot Leute morgen Legonnen. Schon
kurz nach Mitternacht rückten Abteilungen von sranzösischen Alpen-
sagern auf der Eisenbabnlinie Herne-Wanne —
Gelsenkirchcn (Hptbhs.) — Katernberg — Altenessen
vor und beseuten die ganze L'nic. Eleichzeitig wurden sämtliche
Eisenbahnbeamte, die flch im Dienste befanden, verhaftct und tm
Laufe des Vormittags vor die Frage gestellt, ob fle im Dienste der
Franzosen ihre Arbeiten weiter verrichten wollen oder nicht. Mit
der Besetzung dieser Linie ist der mittIere Teil dss rheinisch-
westfälischen Industriegebistes setner Eissnbahnlttzien
beraubt worden.

Londo«, 8. Juni.

Erunld von Aeutzerungen amtlicher Pcrsönlichkeitsn wird in
^-Hariser Bericht d-er „Times" heute mit grötzter Bestimmiheit

'l p - datz FiankreichdlcneuendeutschenBorschläge

i ^ ster Linie unter politischen. nicht aber unter
^Ss!chaftlichen Eesichtspunkten prüfen werde.
^!h!?°stzöstsch« Rea,i«run-g brinq« K-n ver^chiedenen Zahlungs-
die in einigen Hau-tstädten ansgearbeitel werde«. imr
do.Eraencdnere-? Inisreffs entgegen und lege das ganze

Frankreich werd« nicht erlauben

?»>i^-ordnetes ._ .

Il-Vtgeroicht auk d-ie Frage, ob Deutschland kapi
As, ^ ien wolle

»r" nus Aeuherungen Londoner politischer Kreise geht hervor,
sIkidn, Frag« des paMven Widerstandes in den nächsten Tagcn
V im Dovdergru-nd stchen wird und z-war nicht nur m bezug
Schicksal Ler deutschcn Borschläge, sondern auch bereits in
Megj, Tsus die Möglichkeit «iner gemeinsamen Antwort der Alliisrten.

deutsch« Note oder kas deutsche Memorandum diese Frags
ti^i^'Lend übergehsn sollie, so diirfte damit der Meg sllr Ber-
ke^llen noch ni'cht geöfsnet werden. Es ist dann vielmehr damit
datz Frankreich di« englisckien Wünsche nach einer gemein-
- t-wort mit der Forderung beantworten werde, datz die AN-i-
p^ÄUSchst gemeinsam von der deutschen Negievung das Aufhören
».»k^IIWen Widerstandes verlang-en mützten. Wird eine alche

'Ugsj - - - !- - - . -- - - --V--

_ von Paris aus gcstellt, so wird ste von London aller
Ht nack, anaenommcn wevden, d-a, wie mehrsach berichtet
»l'te der sranzöstsche Standpunkt in dicser Fragc auf -nglischer
aeaebene Taisach« h-ngenommen wird. Die remeins-ame
rd," »er Nlliierten würde dann im wesentlichen auf dic Aus-
kDi/Ung zur Kavitvlation hinauslausen.

I«in politische Einstellung der franzöflsch-n Auz-

V urck^uidg, i-ntermitionale Eendarmerie, Kontrolle der Ei-sen-
2m „Daily Telegraph" wird heut« betont, datz es aller-
tzy^ischj-chi leicht sein würd«, d!e Standpi'.nkie Franlreichs und
"'I^I zu < E" bezug aus den Völkerbund auf eine gemeinsame

^ bringen. Aber wenn erst einmal d!e Reparatwns-fr.rge
v !imi ch wiirde flch bet beiderseitigem guten Willen vielleicht ein
laffe«. Dies " ..''

»be z.

lassen. Dies zu erreichen, sei'die grotzs staaismännische
aldwins und Eurzons. Auf cn>zlischer Seite wird
M LeKlg auf Lie Reparaiimrs- und Sicherh-itsfrage

7> s<:»ni. Aus Schwaig an der Mosel wird ein be-
sonders krasser Raub dsrFranzosen gemeldet. Die »m die
Osterzeit aus den dortigen Dienstwohnungcn verdrängtcn Eisenbahner
hatten im Orte mit ihrem kiausrat in No>wobnun-»cn Unterknnlt
gefunden. Am 24. Mai oerlangie der fran-öllschc Oriskommandant
von Schwaig die Aussiattunq der geräumten Eissnbahncrwobn'Mgen
mst Möbeln für die dortselbst einaesetsten Negiebcamten. Der Bi"rger-
meister-Stellvertreter, der dies zunäckfft ablehn»«. wurde in 5>aft ge-
nommen, gab aber nach -ttägiger Aalt dem Ortskomman^anten die
Wohnunaen der Eisenbahnsr an. Darauf wurden bie Eisenbahner
nnter Veteiligunq von Svahrs gewaltsam aus ibren
Wolsnungen vertrieben und mit den Ausgew'esenen-Züaen
abgcschoben. Dapn erschien eine franzöflsche Fuhr: arkkolonnc. holte
den Hausrat aus den Wohnungen, fuhr ibn aber nicbt in dis Dienst-
wohnungen in Schwaig, sondern in der Richtung nach Triir. Der
Verbleib des Hausrats ilt seitdem »n'-e^annt. Augenzeugen erklären.
datz beim Verladen der Hausrat rückflcbtslos behandelt wurde, so datz
wohl kaum ein Stück unbeschädigt geblieben sei.

Köln, 8. Iuni. (Eia. Drahtm.) Aus dem Ruhraebiet w!rd ge-
meldet, datz in Buer die Besatzungsbebärden Ken "eia'"''» Inhalt
der Stadtkaffe in einem Werie von 44 Millionen Mark „de-
s ch l a g n a h m t e n". Dic Eeldsr waren iür die A 'szahlun, an
die Erwcrbslosen bestimmt. Ob es flch bei dem Borgehen der
Franzosen um die Eintreibnng einer Strafsummc für die lctzte
Brückensprengung handelt, ist nicht bckannt.

Eine neue Eisenbahnsprengung.

Köln, 8. Iuni. (Eig. Drabtm ) Dei Lintorf erfolgte aber-
mals eine grotze Eisenbahnsprengnng. Sowsit bis setzt
bekannt ist, sind 16 Güterwagen und eine Lokomotive zertrümme'rt
worden.

AmerlMifche Anspröche an Deutschland.

Paris, 8. Juni. Nach einer Havasmeldung der „Chicago Tri-
bune" aus Washington bat der Verband der ameri-
kanischen Besitzer ausländischer Wertvapiere bei
dem gemischten deutschamerikanischen Aussch-utz ftir Ansprüche aus
dem Krieg« «ine Forderung auf Entschädigung für
Kursverluste an deutsch-en Papieren eing-bracht mit der Be-
grünidung, datz die deutsche Regierung durch dsn ung-edeckten
NoicnumlLus d-ie Jnflation verursacht und bewutzt den
Wertder amerikanischen Kapitalsanlage !n Deutsch-
lawd und in deutschen Wcrtzapieren zerstört hab-. (!!!)
Der Anspruch stcllt sich aus eine Million Dollar bis z»m
gegenwärtigen Zeitpunkt insolg« Zinsverluste d-urch d-e entwertete
Papicrmark, während der Eesamtverlust mit 20 Millionen
Dollar cmgegeben wird.

Wo ist Europa?

Heute sollen in Brüssel zwischen Frankreich und Belgi-n die
Meinungsverschiedenheiten zum Austrag gebracht werdcn, die über
die sogenannte Reparaiionsfrage hervorgetreten sind, und wenn das
gsschehen ist, woran wohl kaum zu zweiseln ist, so werden Frankreich
und England eine „Losung des Problems suchen", — wie es in dem
Bericht des „Petit Parisien" über eine Unterredung des Dertreters
dicses Blaites mit dem cnglischen Ministerpräsidentcn heitzt — „über
die sich England und Frankrcich verständigen müffen." Auch das
wird nach den zuverffchilichen Worten des Herrn Baldwin erreicht
merden. Herr Baldwin hat das „vertrauensvolle Eefühl", datz flch
, irgcndein Anknüpfungspunkt" entdecken laffen wird, um über die
Rexarationsschwierigkeit oder irgendeinc der andern Schwierigkeiten.
die mit der Ruhrbesetzung verbunden sind, in „Derhandlungen" zu
kommcn, und er wünscht, datz das französische Publikum wiffe, datz
man in Vngland „die Bedeutung des Proülems der Sicherheiten
fllr Frankreich und Belgien Legreife". und datz man behilflich sein
wolle, um „durch irgendeine Regelung für die Zukunft die Aufrecht-
erhaltung des europäischen Friedens zu garantiere n".

Wenn die Worte des englischen leitendcn Ministers in dem
Pariser Blatte richtig wiedergegeben sind, so wird man bei uns
in Deuischland gut tun, die Hoffnungen auf eine irgendwio befrie-
digende Entwicklung der Dinge so tief wie möglich herunterzu-
stimmen.

Wenn die Verhandlnngen, zu deren Ermöglichung die deutsche
Reichsregierung Meben ihr neues Angebot macht, und um derent-
willen sie ihr Ansehen schon so stark Lelastet hat, etwas anderes
sein sollen als die Einleitung zu einem nouen Diktat, so dürfen sie
doch durchaus nicht nur dem „französischen Publikum",
sondern müffen auch uns etwas bringen, und Las letztere mutz
durchaus eine Befxeiung der widerrechtlich, unter Vruch des Ver-
saillcr Vertrages, an der Ruhr Lesetzten Gebiete und eine Becndigung
des Eewaltsystems sein, das in dem altbesetzten Gebiete heute wiitet
und täglich Tausende und wieder Tausende von unschuldigen Oofcrn
fordert. Wenn dies nicht erreicht wird, dann ist alles anders
wertlos. Es soll gewih bei der Abmeffung deffen, was uns an
Eeld- mrd sonstigen Fronden auserlegt rperden soll, von unscrer
Seite nicht gekargt werden, und das deutsche Volk wird es- verstchen,
wenn von uns im Cinne der Empfehlung des Herrn Dr. Stresemann
eher eine Milliarde zu viel als zu wenig versprochen wird,
aber dem Zustand der V-rsklavung unserer unglücklichen Dolks-
genoffen an Rnhr und Rhein mutz ein Ende gsmacht werden: wir
wollcn gewih alle uns bereit erklärcn, Opfer zu bringen, sclbst
über das Matz unserer Kräfte, aber di« auch nur stillschweigende
Duldvng der Einkerkerung von 12 Millionen Deutschen, das ist
eine Unmöglichkeit.

Ist aber in den Worten des englischen Ministers etwas zu ent-
decken, was zeigt, datz er die Ruhrbesstzung selber irgendwie als
ein ProLlem ansieht? Er spricht von Len Problemen, die „mit
ihr verbunden flnL": es kann daruntcr auch die Frage der Ruhr-
besetzung an flch verstanden werden, aber man kann auch aus den
Worten schlietzcn, datz Cngland sich — natürlich bedauernd! — mit>
der Tatsache abgefunden hat, und es ist die grötzte Wahrscheinlichkeit,
datz es so ist, denn wcnn die „Zufriedenstellung des sranzöstschen!
Publikums" inbezug auf die „Sicherheiten" maßgebend sein soll,!
dann wird das Ruhrgebiet denselben Weg gehen, den Ost-Ober-,
chlesien, Saar, Danzig gegangen flnd oder noch gehen werden,
^enn die von dem franzöflschen Publikum verlangten Sicherheiten:
ind eben die Fortdauer der Desetzung des Ruhrgebiets. Man wird?
im besten Falle vielleicht wieder, um der englischen Opposition .zcnugi
zu tun, Len VLlkerbund als w-llkommene Kulisse vorschieben,'
und was dann Frankreich hinter dieser Kulisse weiter unternimmt.,!
um ans Ziel zu gelangen. das wird weiter ümtlich „nicht zur-
Kenntn-s kommen".

Wir werden uns also darauf gefatzt machen müffen — es isti
immer gut, den Möglichkeiten sest ins Auge zu sehen —, datz d-r'
Friede von Bersailles seinem eigentlichen Eeiste nach sich voll aus->
wirkt, datz der Eeist des unersättlichen Rachedurstes und der Eeist
der Zerstörungslust'allem gegenüber, was deuisch ist und heitzt, der
aus jedem Buchstahen seines Vertrages uns angr'mst, datz dieser Eeist
ungehindert weittzx rasen kann, ungehindert vor allem vor dem, was,
man ehedem Europa nannte, dcnn ein „Europa", d. h. einr Ge-,
ellschaft der Erotzmächie, die durch ihre ungefähr stch im gegenseitigen
Eleichgewicht haltenden Kräfte cinen Zustand der Ruhe und de»
Friedens einigermatzcn verbllrgten, gibt es nicht mehr, Ein neue^
Feudalisinus tst in dcr Entwicklung, Es gibt Herrenvölker mit ihren-
Vasallenvölkern und Kn-chtsvölker: Frankreich ist das enropäische
Hcrrenvolk schlechthin gcworden, und England nimmt dicsen Zustani»!
hin, da es ihn nicht hindern kann, Und stellt sich denn etwa Deutsch»
land, wie es heute ist, als eine Erötze dar, die für kalte Staats-'
rcchner ins Eewicht sallen könnie, die zu erhalten auch wohl einige
Nnstrengung lohnen wiirde? Vietet dieses Deutschland mit seinem
Parteigczänk, mit seiner politischen Zerklüstunz, mit der heillosen
doktrinären Berranntheit der Mehrheit seiner Dürger, mit der
offiziell betriebcnen Hetze gegen alles. was von den weltbürgerlichen
Mischmaschträumen nichts wiffcn will, was den Eedanken an ein
starkes Deuischland noch hoch hält, — bictet dieses Deutschland cinern
auswärtigen Beobachter etwa einen Anblick dar, der in :hm
die Borstellung erwecken könnte, datz die Deutschen sich noch nichtab-
gcfunden haben mit ihrer H-runterwürdigung, datz auf die Deutschcn
cincs Tages noch zu zählcn ist?

Es sind zum Teil die eigenen Jntereffen der auswärtigen De»
obachter, die bei diesem crwartungsvollen Hineinschauen in unscr
Land und in unser Volk sehr wesentlich mitsprechen, denn es handclt
sich bei der Frage nach der Zukunst Deutschlands nicht nur um unser
eigcnes Schicksal, es handelt flch auch um das Schicksal des ganzeu
Erdteils. So lange Deutschland als Grotzmacht aufrecht stand und
mit seiner Kraft, blotz durch das Dasein seincr Krap Au7>schre!tu»>
 
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