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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 31 - 58 (1. Februar 1923 - 28. Februar 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0183

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Ä-rgang - M. S2

doft- krfcheint wüchcntiich siebenmal. Bei aaen:

« "^Eerhaltnngsblatt sFreiiagsi — Literaturblatt lmonatiicbf.
«eiträge ohne Derantworiung. RLifiendung — ->

Bei aqen: Didaskaila

nur. wenn Porto bciiieat-

Heidelberger Zeitirng

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt



HauptaeschS'tsstclle u. Schriftl. der.Badischen Post"Ketdelbera,Hauvtstr. 23, Fernspr.:
Nr 182 (Bcrlaqrort: Franlfurt a. M > Berliner Vcrtreiung: Berlin 8W 48, Zimmer»
stratzeg, Fernipr, Zentr. 4lS, MünchnerVcrtr. Münchsn,Georgc'istr.1i'7,Fc n'pr, 34867

k^lt^E^iUstsvreis der.Bad. Post" Mk. 19W

- kausschI.Zustellgebuhr!. Eclrstabhol.Mk.l8S».— AuslanS M!.4VU».-

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MontagsMk.S.-mehr. Die 98 mm breite Reklame ei.e kostet Mk.4S».—, Anzeigen und Reklamen von auswärts 2S"/« höheu

Der Kampf rim die Kohle.

verbietet die Kohlenaussuhr ins nnbesrtzte Eebict.
^on unserer Berliner Redaktion.

H Dg r. Berlin, 1. Februar.

^i.^ben Durchführung der Zollrnie sich Lisher nicht ermöglichen
^ki sranzösischen unü belgischen Truppen sich einstweilen

Vtz^,ugen müssen, die Kohlenzufuhr in das unbesetzte
V p e r r e n. Die franzöjische Regicrung übcrreichte Mitt-
"em deutschen Eeschäftsträger. Botschaftsrat v. Hösch,
mit solgendem Wortlaut:

e Note nom 17. Ianuar hat dcr Minister des Answärti-
s ^lis pie Ehre gehabt, den deutschcn Geschäftsträger erncut
I^hzzu.^i'uerksam zu machen, dah dic Mahnahmen, die seitens dcr
" ««d bclgischen Regierung unter Mitwirkung der ita-
I >>>»»' dlegierung getrossen worden sind, um Deutschland zur
? i»-«8 Franlrcich geschuldeten Kohle zu vcranlassen,

»»:T.ele

>»ez *>er ^ ....

e>, p'egg ben Charakter eincs militärischen Unternehmens
->q hj ^iese Diahnahmen sitid, wie der deutschen Regierung
/!>> ^rüi ^itteilung vom 1V. Zanuar bekannt gcgebcn wordcn ist,
, "»>a - durch die Reparationskommisston sestgcstcllten Ver-
s"»»»° Deutschlands bei Aussührung dcr Reparationspro-
.^grisfen worden, soweit sie die Lieserungen vou Holz und

» 3rankreich Letressen. Wie bereits ' "

»>!

s, . °ll»

brtressen.
mitgetcilt wurde, hat

die

i« der Note vom
Haltung, die die Indu-

des"Ruhrgebietes aus Grund dcr Anordnungeu der
^hk j„^«»g eingenommen haben, die alliiertcn Vchörden nun-
sj^ Uumöglichkeit versetzt, aus gütlichcm Wege vorzugehcu,
.'r,, urelmehr gezwungeu, die zu liesernde Kohle z« requi-
?"»s ««^ notwendige Umleitungen im Kohlcn-

vorzunehmen. Zunächft hat die deutsche Regierung
,°»t» »„Ubesitzern erklärt, dah die oon ihnen aus das Reparations-
»» veties^te «ohle von seiten der Regierung keine Bezah-
b-, b°n würde. Nachdem der Leiter der Ingenienrkommis-
^tc» °U«tgxgeben hatte. dah die alliicrten Regierungen bereit
Kohle unmittelbar zu bezahlen, verbot die
»^»hi„» °»ierung den Zechcnbefitzcru sogar, Lieserungen gegen
durchzusühren. Seit diesem Zeitpunkt ist die Ob>
der dcutsche« Regierung dauernd ge-
7">»» „ Die Reparationskommisfion hat am 1k. Januar Ver-
hinsichtlich der Kohle wie drs Viehs, sowohl bczüglich
«»e h p°rations- wie der Restitutionslcistungen, feststellen müssen.
° "«> 1K. Januar der deutschen Regicrnng die Feststellung

s>»ij?^alversäumni;scs Deutschlands in seinen Verpslichtungen
ü"h»tz " Frankreich und Belgicn mitgeteilt. Schliehlich ge-
tz'Mj ° i die deutschc Regierung durch die oon ihr crteilten Zn-
^Ir»b"°« »nd durch die Crregung, die sic unaufhörlich unter den
^ Si»» ' Post-, Telegraphen- und Telephonbeamten sowohl ack
y » « b ° ««i linken Rhcinuser trägt, eine geregelte

^ter?.«tung r>er Minen und Zechen an der Nuhr.
Mej Umständen setzt die sranzösische Regierung, die sich

»°rl»ill ' Paragraph 18, Anhang L. Teil 8. des Vertrages von
1 5 stützt. die deutsche Regierung davon in Kenntnis. dah
»ebr^ ^ keine Bersendung von Kohle uud
^e»1,aus dem besetzten Eebiet nach dem Lbrigen
^kb^'chland mehr stattsindcn wird. Alle diese Mahnahmen

'«lse» ^haltlich neuer notwendig werdender Sanktionen

,^e Minister des Aus-
rüssel gestern überreicht.
jetzt von den Franzosen

hlik^'Ne ,

, Äe» »^chlautende Note hat der bel
>e „drn deutschen Geschäststräger in
N«gte» L°Ubstchtlichen Wirkungen der -

^lj^k fjz ^ohlensperre im Ruhrgebiet durften naH ciner^Drahttiucj

. _ in

uchen Wirkungen der

R-T,l"8kensperre im Ruhrgebiet di..,.-.. , -. -- -

,V«8" M«er Redaktion auch nicht allzu groh sein. D-e „Voss.

zwar fest, dah der Ersatz fiir die Ruhrkohle in Deutsch-
l>i»-^tz d!^«rch vertärkte Einfuhr geschaffen werden tann
k"?,N di'" hervorragende Rolle. die bei den letzten Devisenstelge-
X'isL polnische Mark, die tschechische Krone und Las
ftb-i Nbe?? Pf««d spielten, nicht unbegrundet war. Das Blatt sagt
^kö'°r isi kein Zweisel, datz die Eisenbahner und Berg-

?iird«-dvst^ueubesetzten Gebiets jetzt erst recht dafur socgen
kejss?" Korshungcr Lothringens ungesti l l t bleibt. Das
>Ve» "^wegs etwa eine Stillegung der deutschen Bergwerke
?rk?°N a,^e Halden im Ruhrgebiet sind »rost genug. um grohe
?i°l?'e ltz.u f fpeichern zu können. Die rheinisch-westsalische ^n-
°>Sb- '! «erbraucht erhebliche Quanten. Sie war Lisher ratio-

- - Hobl- «« Zunächst vielleicht sogar in gröstercm Umfaikge als
^iib '.Se », verwcnden, kann vielleicht. gewisse P roduktlon s-
^st-->e ^' t e r n , das heiht, dah sich sehr leicht fur Frank-

ka»^'°«sperre als eine z w e i s ch n e i d i g e Wasfe er-

Der Aussührungsbesehl.

bchiirsst» Zurückwcisung dnrch Präfident Eriitzner.

Eigene Drahtmeldung-

S ° „Der - . Düsseldors, 1. Februar.

^etiü'e, f>A>Hk Oberkommandierende in Düsieldorf, General De-
«>ttelt> Negierungspräsidcnten in Düsseldorf folgendcs

Di-i »on >o wird betont, dast die Militarbeyoroe oie win-

Sst?» Beio?, «^itteln unter keinen Umständen verhindern wird.

^ t> e n ' >>t uu die in Frage kommenden Behörden welter -
b, over ^

°rste^«8or>räsident tn Düsieldors, Dr. Erützner, hat darauf
^ Ccht-!s,'»«uzostlchen Delegierten, Eeneral Denvigne, fol-
>«en gerichtet: „Jch kann die Abdrücke der Berordnung

des Herrn Eenerals Degoutte betr. das Verbot der Kohlenausfuhr
aus dem besotzten Eebiet nach dem unbesttztcn Deutschland nicht
weitergeben, da die deutsche Regierung dcn Einbruch dcr fran-
zösischen und belgischen Armeen als eincn Vertragsbruch an-
sieht und die deutschen Behörden angewiesen hat, keinerlei Verord-
nungen der Besatzungsbehörden auszuführen, welche sich als eine
Folge dieses Einbruches darstellcn. Es würde für mich als Deutscher
eine Pflichtverletzung sein, wenn ich eine Perordnung, die
von deutschcr Seite als unberechtigt angesehcn wcrdcn'must,
zur Kenntnis der beteiligten Stellen bringen wollte. Ich erhebe
gegen dcls Kohlenausfuhrverbot, das ein durch keine B e-
stimmung des Versailler Friedensvertrags oder das Rheinland-
abkommen gcrechtfertigter Eingriff in das Wirischaftsleben des Le-
setzten Ruhrgebietes ist, hiermit entschieden Protest. Das
Verbot ist mit der Zusicherung des Herrn Generals Degoutte, dah
die Matznahme der Besetzung des Ruhrgebietes eine friedliche
sei, njchtvereinbar, sie wäre vielmehr nur als eine kriege-
ri) che Mahnahme zu verstehen, um welche es sich sa nicht handeln
soll, wenn nicht der Herr General Degoutte sich selbst in Wider-
spruch zu seinen Worten setzen will. Nach dem Versailler
FrieLensvcrtrag befinden stch Frankreich und Belgicn mit Deutschland
angeblich im Frieden. Solche Verordnungen, ivelche Herr Ee-
neral Dsgoutte jetzt erlietz, stnd eine Verletzung des Völker-
rechts. Von der Zusicherung des freien Lebcnsmittelverkehrs habe
ich Kenntnis genommen. Ich werde diesbezügliche Mitteilungen an
die mir unterstellten Behöroen und an die Bevölkerung gelangen
lasien.

panser Svrgen.

Der Frankensturz. — Die Kohlenfräge.

Bon unserem 8-Korrespondenten.

Paris, 1. Februar.

In dcr täglichen ministerialcn Besprechung über das Ruhrgebiet
ersiattete der Finanzsachverstandige Tannery, der aus Düsseldorf
zurücrgekehrt ist, Bericht über die Einführung Ler neuen Wäh-
rung. Nach dem „Ncw Pork Herald" zufolge stellte er dte Ein-
führung des Talers und die der rheinische.n Mark zur Wahl, doch
trat er unbedingt für eine Goldwährung ein. In anbetracht
des Frankensturzes machen sich einig« Bedenken gegen d,e
Fortführung der Ruhraktion geltend. Das Fallen des Franken wird
in Pariser Wirtschaftskreisen eiftig erörtert. Das „Journee
Industrielle" warnt in einem Leitartikel vor der Jnslations-
gefahr und fordert Regierung und Parlament auf, einem wirt-
schafts- und sjnanzpolitischen Komitee die Verantwortung sür die
eriorderlichen Matznahmen zu übertragen. Das Blatt hebt hervor,
datz die französtsche Jndustrie, die auf d!e Einfuhr ihrer Rohstoffe
aus dem Ausland angewiesen ist, schon schwer unter dem Fallen des
Franken leide. Weitere BeLenken dürfte der Kohlenmangel
in Frankreich hcrvorrufen, der sich insolge der Sperre der deutschen
Kohlenzufuhr Lemerkbar macht. Die Zahl der im ostsranzösischen
Jndustriegebiet st i l lg e l e g te n Hochöfen. die sich in der ab-
gelaufenen Woche auf 13 Lelief, ist nach dem „Jntranstgeant" in-
zwischen bercits auf mehr als 30 gesiiegen. Die Blätter versuchen
künstlich einen gewissen Optimismus in der Bevölkerung aufrecht
zu erhalten. Sie melden, die angekündigte Kohlensperre solle drrrch
weitere Ansperrung der Aussuhr aller übrigen Produkte der Fabriken
des Ruhrgebiets ergänzt werden, salls die Reichsregicrung nicht
nachgibt. Andere Blätter melden, datz Poincars beabstchtige. an
Deutschland eine neue Note zu richten, die eine Nerhe neuer scharser
Gewaltmatznahmen ankündige.

Jener Teil der Pariser Preffe, der seit vielen Monaten die Ruhr-
besetzung gefordert und ausdrücklich versprochen hatte, Last Frank-
reich Ladurch in den Besitz weit höherer Repara t l o n s-
leistungen in Geld und natura kommen werde, als Deutschland
bisher vollbracht hatte, behauptet heute, wo das wlrtschaftlich
negattve Ergebnis der Besetzung nicht länger mehr zu verbergen
sei. es handle sich weniger um die Hereinbringung der Reparatlonen
als d<rrum, Frankreich vor künftigen Angriffen D e u t f ^
lands zu schlltzcn. Die „Libertö" sagt runü heraus, dast es sich
jetzt nicht mchr'darum handle, volle Reparationszahlungen herein-
zubringen, sondern nur um ein Minimum der Reparatlonen.
Der .Lclair" geht in seinem Ecständniseiser noch weiter. Er memt,
durch' die Reparationen werde n i ch t v i e l z u h o l en se > n, aber
durch die Ruhrbesetzung habe rnan Frankreichs S,-herhe.

garantiert. Sogar die rechtsradikale „Action Franyaise lcSet Nlcht
mehr von einem materiellen Ergebnis, sondern behauptet, dag man
nur Deutschlands RUstunge n auf^nen kunftigen Kneg
verhindert habe. Durch diese Eestandniste wcrd sestgestellt, was
man bisher ängstlich verheimlicht hatt«, datz dre Russrbesetzung
einen rein politischen Charaktek hat.

Treukundgebungen in Königsberg. /

Könlgsberg, 1. Febr. In den Äbendstunden ist es am Mittwoch
vor dem Zcntralhotel am Paradeplatz zu grotzen Kundgebungen gegen
die dort wohnenden französischen Offiziere der »znter-
alliierten Kontrollkommission gekommen. Eine nach Tausendcn zah-
lende Menschenmenge verlangte unter dem Absingen vaterländischer
Lieder den Abzug der sranzösischen Osfiziere. Als die erregte
Menge sich anschickte, ins Vestibül des Hotels einzudringen. ging dte
Polizei vor und dränqte die Demonstranten zurück. Jn dcr zehnten
Abendstunde war der Platz vor dem Hotel von der Volizei geräumt
und die zu dem Platz führenden Stratzen waren abgesperrt. Ein-
zelne geschlosiene Trupps zoaen noch in den späten Abendstunden
i-nter dem Gesang der „Wacht am Rhein' und des „Deutschland-
liedes" durch die Strasten. Auch vor dem Hotel Kreutz, wo Ange-
hörige der Jnteralliierten Kontrollkommission untergebracht sind,
wurden Kundgebungen veranstaltet.

Sie britische SWdenreguliemng.

London. 1. Febr. Reuter meldet aMtlich, die britische Regierung
habe die amerikanischen Bedingnngen wegcn dcr Rilck-
zahlung der Lritischen Kriegsschuldcn an Amcrika angenommen.
Die Bedingungen lauten: 3 Prozent Zinsen währeno 10 Jahren. da-
nach 3^ Prozent. ferner eine ALlösungszahlung von Prozcnt und
Rückzahlung dcr gestrinten Schuld binnen 62 Zahre«»!

Die Westgrenze.

Mit seinsm Einbruch in unsere Westmarken hat Frankreich ei»
Unternehmen ins Werk gcsetzt, desien mögliche welthistorische Folge»
unausdenkbai sind.

Sert Iahren hat man es heranwachsen sehen: dieses Streben
Frankreichs, den Westen Deutschlands von dem Rerche loszulösen und
ihm die Stellung eines, natürlich von Frankreich regierten, Zwischen-
staates zu geben: nun haben w:r es erleben müsien, datz Frankreich
die Stunde für gekommen hält, das Streben zu verwirklichen.

llralte Eeschichte wird, so scheint es, wieder neu: D:e Zeite»,
in dcnen das Reich „Lothringen" — dieser Name umfastte einst das
heutige Elsatz, das heutige Lothringen, Belgicn, Holland und die
Links Rheinlande — zwischen dem West- und dem Ostfrankenreich
schwankte, bald zu diesem, bald zu jenem gehörend, werdcn wieder
lebendig, die Erinnerung wird wieder wach an das Reich Karls de»
Kühnen, dem d»e Ausdehnung aus das eigentlich linksrheinische Ee«
biet freilich versagt blieb, auch an gewisie Hofsnungen Ehrgeiziger im
18. Jahrhundert, in denen noch einmal der Gedanke eines solchcu
Zwischcnstaates spukte. Der Spuk vcrblastte abcr vor dcm natio-
nalen Eedanken, dcr sich unter dem Druck der napolconischc«
Fremdherrschast hcrausbildeie, und dcr bald alle dcutschsprcchendea
Gebiete mit als selbstverständlick, empsundener Notwendigkeit zu-
sammerlschlost.

Dieser nationale Gedanke, er besteht m einer sich auch rolitisch
auswirkendcn Krast erst sett dem Anfange des 19. Iahrhunderts, bis
dahin hatte noch der mt-'rnational eingestellte Reichsgedanke gegol»
ten und im üdrigen waren die politischen Grenzlinicn durch KaS>
nettskriege Lestimmt worden. an denen die Völker keinen Anteil gc«
nommen hatten. Seitdem abcr die Völker als solche zum Gcsllhl
ihrer selbst gekommen woren, rnhten wenigstens die grötzercn n>?»
bis sie in Staatswcsen zusammcngeschlosien wareir, die einigcrmutzen
den nationalen Körpcrformen angepatzt waren: Jtalien, Deutschland
cntstandcn, die Balkangebildc formtcn sich, nur in dem Hnbsburgische»
Donaustaate crhielt sich in dem Nebeneinander von Deutschen, Sla»
wen, Magyarcn, noch ein Rest des übernationalen Römischen
Reiches: gerade an dieser Uebernationalität ist dann dcr Habs-
burgerstaat zugrunde gcgangcn. aber bei der Gemenge-Lage der eln«
zelnon Nationalitäten, die in dem Reiche der Habsburger zusammcn-
geschlosien waren, war es nicht niöglich, reine oder auch nur an-
nühcrnd rcine Nationalstaaten hcrzustellen, wenigstens sind Pol.n
und die Tschcchoslowakei ausgcsprochene Nationalitcitsstaaten g-wor-
den, Staaten, in denen mehrere Nationalitäten zusammenwohnen,
die eine Nation aber die andere unterdrückt.

Das Los, unterdrückte Nation zu sein, ist in Seiden Staä-
tcn den Deutschen zugofallen, dieses selbe Los scheint auch den
Elsüssern in Franlrerch zuteil werden zu sollen und bedroht nu»
sogar die Rheinländer, denn als letzter Sinn des Wektkrisges offen-
bart sich jetzt mehr und mehr der Eedanke, datz das Werk Bismarcks,
die Einigung der Mehrzahl der Deutschen in einem Staate, zer«
stört werden niüsse.

Wir stehen damit vor einem Wiederaufleben des Jmperiäs
lismus im Widerspruch zu der N a t i ö n a l staats-Jdee, die im
Zeitalter Bismarcks ihre Verwirklichung gesunden hatte. Es
stehen aber auch wirtschaftliche^ Pläne, wie wir wisien,
hinter dem srevelhaften Beginnen Frankreichs, unter Bruch
des Friedensvertrages die Rheinlande von dem übrigen Deutschland
loszureitzen, aber diefe wirtschaftlichen Pläne sind doch nur durch>
einzelne Interessengruppen vertrcten: die eigentliche Triebfeder
dieser Politik ist das französische Verlangen zu herrschen, das
französische Streben, die europäischeVormachtzu sein. Diejes
Streben ist unaustilgbar und würdc flch auch in Rheinraubpolitik
äutzern, wenn im Märkcr Lande keine Kohle geschürft und kein Eise»
gereckt würde, aber Eisen und Kohle haben, als mächtige Herrschafts-
mittel, diese ganze Politik des Rechtsbruches und der Gewalttal
natürlich gefördert. Das letzte Ziel aber ist nicht der Besitz dieser Lande
an sich, als vielmehr die Ausstcht, durch diesen Vesitz dem Dsutsche»
Reiche den Enadenstotz zu geben und es völlig zu zergliedern, um so
den Zustand wieder herzustellen, wie er nach dem Westfälischen
Frieden war, wo das Reich in eine Menge einzelner, von nun an
fast souveräner Einzelstaaten zerfiel, von densn immer ein Teil be-
reit war, mit Frankreich zu gehen, so datz Frankreich immer in der
Lage war, den einen Teil Deutschlands durch den anderen nieder-
zuhalten. Diesen Zustand häben die französischen Politiker immer
als den für Frankreich erwünschtesten angesehen, ihn wieder herbei-
zuführcn galt als etwas, was Eegenstand höchsten Strebens sür einen
französischen Staatsmann sein müffe, weshalb die Gruppe, die die
Revanchepolitik bis zum äutzersten durchführen zu wollen bereit war,
die „Schule des Westfälischen Friedens" genannt wurde,

Diese Schule von Politikern ist jetzt in Franlreich am Ruder.
Poincars gehört zu ihr und die andern alle, die sich um ihn grup-
picrcn. Sie wollen alle dasselbe, nur in Einzelheiten und im Tem»
perament unterscheiden sie sich. Sie sind entschlossen, ihr Programm
durchzufllhren und Deutschland in seiner Entwicklung um mehr als
zweihundert Jahre zurückzuwerfen, — einzig um der Grötze Frank-
reichs willen. Mag dadurch das Lhaos über Europa kommen, mag
womöglich ein neuer Kriegszustand entstehen, das Ziel wird oer-
folgt werdcn, wenn nicht Kräfte auftreten, die stark genug sind, um
Frankreich nicht blotz aufzuhalten, sondern es auch zu bändigen.

Diese Kräfte sind nun oorläusig nirgends zu entdecken. Kräfte
passiven Widerstandcs sind wach geworden, in einem Umfange
und einer Stärke, die iibcrraschend sind, aber sie reichen nicht aus.
Aktiver Widerstand wäre nötig, denn Fran.reich führt schon wie-
der Krieg mit uns, Krieg aber s e l b e r zu sühren, dazu sind wir
nicht imflande. Wie siniiwidrig das ist, datz wir dcr ungeheuren
Hcrausforderung gegenüber gezwungen sind mit verschrünkten Ärmcn
dazustehen, dafür sst nichts bezeichnendcr als die Vorgänge der letzte»
Tage in Münstcr: das Erscheinen von H'.'ndcr':n und H"Ndcr'en
 
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