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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 59 - 89 (1. März 1923 - 31. März 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0425

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«6.

ÄhWng - Ak. 70

Poft" erscheint wöchentl. stebenmal. Bei'aaen: Didasralia lSonnt.) —
^nveei ^'EnngsblattlFreitagss — Literatnrblatt — Kochschnibeilagelmonatlichi.
«^mngte Bciträge ohne Verantworlung. Rückilndung nur, wenn Porto beiliegt.

Heidel-erger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt

Boniag, 12. März 192Z

Hanptgeschäitsstelle u. Sä riktleitg. der »Badischen Poft"Heidelberg,Hauvtftr. L3, Fernspr.:
Nr. 18L lVerlaasort: Franlfurt a.M.> Berüner Vertretung: Berlin 8V 48, Zimmer-
ftraßeS, Fernlpr. Zentr. 41b, Miinchner Vertret.: München, Acorgensir. Il>7, Fern!pr.S1S67

»

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^lle^ m °°?td nur bis zum 2. jed.MtS angenommcn. Am 1 u.L. noch gclief.Zeitnngen stnd nach d.Einzelverkaufspreis zu be-
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Sor der ZMeler Konferenz.

^ord Derbh rn Paris. - Eirre Nevifion des Brüffeler Programms? »

Don unserem ll-Korrespondenten.

Dcr Paris. 11. März.

^'lglifche Kriegsminister LordDerbq ist hrute
k" ^ari^ ^öWch "nd unvermutet in Pari« erngetrosfen.

Ljxi ^ ofsiziöfen Kreifen beeilt man sich natürlich mitzuteilen,
^ Vetuch keinen politischen Chara?ter habe. Wenn fich aber
in dem gleichen Augenblick, wo die Türlen ihren
,»^°r ^^^trogsxutwnrf nach Londou fchicktcn und die Eiuberusnng
Dhnq" iiriedenskonferrnz Linnen 11 Tagc« forddrten, zu einer
, Paris entfchloh, obglcich er in London felbst bei der
'-d, ^ "mng der türkifchen Borschläge tägl'.ch notwendig gebrancht
,'vdz . mrru nicht »mhin kännen, in feinsr Reife nach Paris,

°inen
»ist

"nmitrclbar vor der

rüsfeler Konfc-
wichttgen politischen Akt zn fehen. Das englifche
«lweifellos vo« den Meldungen, dah man in Brüfiel
^ .^,^,^la«d a« einer Umgestaltung mrd Erwxiterung des
^ Bcrtraacs arbeiten möchte, fehr beunrnhigt, und da Lord
^en der Zeit, als er in Paris cnglischer Botfchaftcr war,

1?^ bef '^5 Franzofenfreundlichkeit grshcs Änfchcn und namentlich
^ illeravd grotzen Einflntz besitzt, so bedrente fich das eng-
^dctt feiuer Perfon, nm die Franzofen daraus aufmcrkfam

.„j was sie auss Spiel fetzen, wenn fie wirklich be-

i eine Ncuregelung des Friodensvertrags von Verfailles

auf das Saargebiet und auf andere politifchc Fragen
c ' (A °i>ne vorher des euglifchen Eiuverftändnifies ficher zu
i^ demerkt, wenn Frantreich wirklich Wbänderungen

°in„"^^^ Bertrage anzvbringen gesannen ist, so bedeutet dies
Ä. »llr ^'elen WanLlungsfäh'igkeiten Poincarßs, der Lskannt-
und laut genug Letonen konnte, dah der Vsrsailler
' ^llZ uiiabänderliches hciliges internationales Schriftstück
^u-ir..angetastet werden durfe.)

es Lereits eine Fokge des Besuchss Lord DerLys,
„New Hork Herald" nrch ihm gewordenen Jnfor-

-M.?'

erklart, datz die Absicht, den Versailler Vertrag .

>ko„ einen Dämpfer erhielt und datz «lle künftigen Ver-

!o- wit Deutschland sich innerha'.b der Grenzcn diescs Ver-

^ i i ^uden. Damit ist natürlich anch die Möalichkeit eincr
" " »t b S a a r a nn e x i 0 n, oon der man in Paris Lersits

- »No ,i dagegen glaubt man in Paris, dah das

ltimatum einer Revision nnterzogen wcr-
"Uni ^aucht auch weitcr nicht zu überraschen, datz in Paris
" UN-0 ^ -

der

zu cr-

!>


«e

0 en

.Vresss
ächl

die
ch e

Brüsseler Konfercnz als eine
A ng e l e g c n h i'i t hinstellen mollen.

^ >lls^b

>ll^>vnfitE. uicht den ersten Schritt zu einer Lösung des

»l> ? llbwn^? lue, und als ob man ruhig d'ie Angebote Deutsch-
'chtin " ^lle. Jn Drüssel ist man in dieser Beziehung
°i^°ll tz; !p° °. und macht kein Hehl daraus, datz man vor alken
^°l„- uuellnng eines Programmcs münscht, 'mit dem man

! I>r..^°ll »°ckden Lösung des Nuhrkonfliktes zusteuern könnte-
s'lll ^sll, uieien Anlatz, Vcrhandlnngen mit Dcutschland anzu-
?>s^>lln Wirtfchaftslage ist autzerordentlich schwierig, was

!°>ll- ^ fron.mn^'iät, datz der Lelgifche Frank nock> nieL-riger steht
Lfsji-fs u'chk- Dann abcr mutz Belgien auch befnrchten, datz es
^ll> Vlllteo ersten dcutfchcn Gokdmilliarde, den es im ?NLrz

^rl,,-Uusg7„;/ut, jetzt wieder hsrausgebcn mutz, da die Amerikansr
rhrer Vefatzunaskosten Anfvruch darauf -.erheben.
iej', °>utz man endlich einmal Klarheit fchastt über
<llr„,»s man im Ruhrgcbict zustrsbt, und man hofft,

däs; lle Paris" sjch aus Drüfiel melden lätzt, in Belgicn

Deutsche Reich sich zu Verhaudlungen bereitfindcn
u> -üerstHck^, wifie, datz man nur Rcxarlltionszahlungen, aber
deutfchen Reichsgcbietes anstrebc. Man will
v!llt^?»onspreln^^^ Vläne, dic man bishcr für eine Löfung des
ffmc'ehcn >u Aussicht genommcn hatte, einer Revision

?>chi'^rn aus ö- will sich in Brllssel mit den sranzösischen
Mss>,.^chtig, l» gemeinsam.es Programm einigen. Es ist
Aeiss,'' ,b°Meinsaw -^?te der „Matin" behauptet, man ktenötige ein
§°t!i, d>uc Ärogramm für dcn Angcnbliik, wo das Deutschc

">ss)t 1 °°»l !o "».e eingestehe und Berhandkungen wünsche.

? »u bceil-»"^' brauchten sich dic Delqier und Franzasen
p llllj^n, - dnm sie hätten ja gcnügcnd Zeit, zunächst einmal

^!!ü-Ü°»!' 0?"^ uian stch natürlich bemühen, die Sache so crscheincn

xllf, A°u dcr allcr Mutze prllfcn, Allen Verdunklungs-

K>>ev >äier »»>. ^-°!'!ch°n Presse z»m Trotz kann mcm rnhig sagen,
, ubep als erste ein bestimmtes Proqrainm auf-

1 . h->»"Ehmcn natürlich nicht leicht sein, in Vrüfiel zu einsm

f-^!chrg»gt U>?ugen, falls die französifchen Forderungen weiter
r->!n>p»n-n wie dies bisher der Fall war. Abcr viel-

^he»?' ^utz F-»», ^!!§°n Minister fo enlscheidende Argumente vor-
^n irbcrs»»ä»^ ^ch gezwnngen sicht, auf einen Teil seiner
ist P^nc zu verzichten.

^ll dj^äen scho^^nehmen. datz über di-e belgifch-ftanzösischcn Ver-
^^ntlis,s^5^°?^ ^er Brüffelcr Konferenz irgend etwas
" ^en' Nichj T gclangen wird, sicherlich wird man abwarten
uerbcfzasiin,ch ein Umfall Dentschlands erfolgt. Ilm einrn

ne die deuksche Regierung macht und

)>t> - NtNq s» », .. ^

!lls>^ur Nuhrgcm ^ "»ch üüer neue Drnckmittel sprechen,

Fo^"^beso»^„^ ben nächsten Tagen zur Anwendung gelangen
ll>?^P°chenl>»,T"°°re w-.ll mnn >ist, n-».nn!» s»gl- >,!-

»°rh^» ^nania»7ä^ untk.man sich bemühen, die Kohls. die aus
^ n;^""- Ulft ist, und die nicht abtransporticrt

x>°sss ? - weih, Äajonett-e zu verladen, wobei man edoch

** Peräarn»:«^"" einen hiergegen cventuell sinsetzen.den
' A» ,, nerstindern könnte. Autzerdem will man
»luhr non Industrieprodutten aus

dem Ruhrgebiet herbeizuführen, und die Jndustriellen zu veranlassen,
die Ansfuhrtaxe an die alliierten Behörden zu bezahlen. Endlich
soll nach einer Meldung des „Matin" in Brüfiel auch Lie Tinführung
einer rheinifchen Währung noch einmal beraten werden, cin
Progrämm, von welchem Lerichtet wordsn war, Latz es cndgültig
eingesargt sei, da man feiner gar nicht mehr bedürfe. Angeülich
hätten jetzt die Sachoerständigen für diese Währung neue durchführ-
bare Plääe ausgearbeitet. Ernst zu nehmen ist, aber d'-iefe Drohunz
sicherlich nicht. Viel wichtiger ist es, wie das „Echo de Paris" mel-
det, datz man in Brüfiel endlich auch einmal die Reibungen
zwrfchen Coste und der Jnteralliiertftn Rhein-
l a n dk 0 m m i ss i 0 n aus der Welt fchafftn will. Zwischen diesen
scheinen die KompetenzstreiiigkeitLN noch immer nicht aus der Welt
geschafft zn-fein, und man will jetzt versuchen, fowohl Coste, wie auch
dcr Rheinlandkommrssion bestimmte Dicnstzweige zuzuweisen. E.rölich
wird in Brnfiel auch

d!c Frage der ämerikanischen Besatznngskoste«

befprochen wexden. Die Alliiert-en geben sich keinen grotzen Hoff-
nungen hin, Latz ihre letzten Vorfchläge von Amerika einfach an-
genoinmen werden, die bekanntlich darauf hinausliefen, datz in den
nächsten 12 Jahren Amerika ein Teil der deutfchen Reparations-
zahlungen zur Berfllgung gestellt würde. Es sei übrigens hinzuge-
fügt, datz Bradbury, der in der gestrigen Sitzung der Vesatznngs-
kostenkomMifsion bestimmte Vorschläge machte, äuch darauf hinwies,
datz vor 1925 oder 1926 mit Eeldzahlungen Deutsch-
lands nicht zu rechnen fei. Man glaubt bekanntlich in
Paris, Latz Amerika ein grötzeres A-nteresse an der Ausprsssunz
Deütfchlands zeigen dürfte, wenn dte Hereinbringung seinsr Ve-
satzungskosten damit in Verbindung gebracht würde, und um Amerika
die Sache etwas fchmackhafter zu gcsialten, versteht sich hsuts das
„Echo de Plttis" fügar zn dem Zugeflandnis, datz man auf alle
astranomischen Ziffern inchen Reraraiionszahlungen vcrzichten wolls.
(Das heitzt also, datz män die Wahnsinnsziffer von 182 Milliarden
Ealdmark endgültig fallen lafien würde.) Eefovdert sollen von
Deutschland nur wexden di« Kosten für den Wiederaufbäu der zer-
störten Eebieke in Belgien und Nprdftankreich, „vielleicht nach etwas
mchr," wie Las „Echä de Paris'' naiv meint, und autzevdem die
Summe, welche Amerika von England, Frankreich und Jtalien sor-
dert, doch soll nicht diese ganze Summe zurückgezahlt werden. ,uan
wexde nielm-ehr an den amerikanifchen Forderungen einen Abstrich
vornehmen.

Wer heute solche Vorschläge in einem Blatte, wie dem „Echo de
Paris", liest, kann nicht genug nberrafcht fein. nachdcm gerade in
diesem Blattc noch vor cincr Woche die unerhörtesten Forderungcn
an Deutfchland aufgestcllt wurden. Die Ruhrbesetzung mutz eme
schwere Enttäuschung in Frankrsich hervorgerufen haben, menu sich
ein Blatt, wie das „Echo de Paris", eine solche Mätzigung ouferlegt.

Aie Sisenbchnstase nv KSlner Vriickrakvps.

Zvstimmung der rnglischen Regierung.

Londsn, 11. MSrz.

Die Lritische Regieruug genehmigte dic zwischen
dem ftanzöfischen und englischcn Militär getrossene Regelung
betr. den Eebrguch der VisenSahnen in der britischen Zoue des
Rheinlandes durch Frankreich.

*

Rach dem Iondonsr Korrespandenten Les „Echo dc Paris" solleu
dke franzöfisch-engl'schen Versinbaeuugen, sovrel in poMischcn Kreisrn
brkannt ist, i« grotzen ZLge» folgendes euthalten: 1. die sranzöstschcn
Vchorden können HLchstens 18 Ziige täglich durch de« Abschnitt Käln
lcitcn; 2. die Ziige dürfen nicht zur Verstärkung der ftanzösischen
Trr-Hpcn, sandcrn ausschkietzkich zur Verforgung und Ablösung dienen;
8. stc kännen keine Verwendung sür die Beförderung
von Ruhrkohle nach Frankreich finden.

Bcrlin, 11. MLrz. Den Zeitungen !m Einbruchsgebiet ist ein
Befehl des Eenerals Degoutte zugegangen, d-er sreie Me inungs-
äutzcrung völlig untcrbindet. Im Paragraphen I der
Verordnung wcrden die üblichen Strafandrohungen wegen Eesähr-
Lung und Beleidigung der Besatzungstruppen ausgesprochen. Die
Verfafier der als ftrafbar bezeichneten Vcröffsntlichungen können mit
Gefängnts bis zu fünf Jahren und Eeldstrafen bis zehn Millionen
Mark 'bestraft werden. Schriftleiter. Herausgebec und Druck-cr kön-
nen wegen Beteiltgung odsr Nachläfsigkeit verfolgt werden. Wenn
d-er wirtliche Verfäfier nicht bekannt ist, könne der Schriftlciter als
mutmatzlicher Verfasser verurteilt werden. Autzerdsm sollen d!e
Zeitüngen gezwungen werden, alleBekanntmachungen der Besatznngs-
behörden ohne Verzug aufzunehmen.

Jn Recklinghausen berief der Kommandeur der 47. Infan-
(criediv-isicm dic Vertreter der deutschen Ortsprefie zusammcn, um
ihnen die letzten Verordnungen der Kommandostelle, mitzutcilen.
Die Iournalisten erklärten, sie lehnte'n es ab, die Ver rrdnungen
der Militärbehörde in ihren Blättern zu veröffentlichen.

Ein erfolgreichsr englischer ProLest.

Paris, 11. März. (Eig. Drahtm.) Der Prvtest der englischcn
Negierung gcgsn -die Entfcheidung der Rheinlandkommffsion, welche
ihre Autoritüt einfach auch auf d-ie rechtsrheinifch befetzten Gebiete,
vor allem auf das Ruhrgebiet, ausdehnen wollte, hatte Erfolg.
Disfos neubesetzte Eebiet wurde jetzt direkt dem General Deg 0 utte
u n t e r ji c l l r.

Was fSrchtet Lngland?

Ein militärischer Sächverständiger schreibt uns:

Warum hat England im Ruhrkrieg bis heute noch keinen Finger
gerührt. um dem gebrochenen Versailler Vertrag wieder zu ssinem
Rccht zu verhelfen? Antwort: Weil es Frankreich fürchtet! llnd
warum fürchtet es den im Weltkrieg so herzlich Verbündetgewessnen?
Antwort: Weil es durch ssinc Kriegsschifflotte, den stählcrnen
Panzer seiner Weltmacht, gegen die neue ftanzösische Luftfl 0 tte
nicht mehr genügend geschützt ist und weil es diessr kontinentalen
Luftmacht nichts Eleichwertiges entgegcnsetzen kann. Man vergleiche
die Zahlen: England besitzt einschlietzlich seiner See-Aeroplane im
ganzen 373 Flugzeuge, die über den ganzen Bereich des englischen
Weltreiches vertellt sind. Demgegenüber besitzt Frankreich ohne
Seeflugzeuge 2009 Flugmaschinen (220 Stafseln), die mit Ausnahmc
Marokkos im Heimatlande konzentriert sind. Und zwar werden
diese 2000 Flugzeuge allc schon dauernd im Friedensbetr-ebs cin-
gesetzt Was Frankreich autzerdem noch in Depots und als Kriegs-
maschinen besitzt, ist sein militär sches Eehe'mms, das auszukund-
schaften wir den englischen Spionen überlassen. Nach vorliegenden
Erfahrungen mutz man rechnen, datz Frankreich im Kriegsfalle inin
destens das Dleifache der Friedensstärke aufbringen kann. Man be-
denke nnr die Dlühende ffranzöstsche Flugzeugindustrie und die über-
raschend schnclle Entwicklung des Privatluftverkehrs! Jm Eegensatz
zu England hat Franlreich bereits elf große Luftverkehrslinien im
Vetrieb, von denen neben der Linic Paris—London die wickitigsten
die vor kurzem bis Konstantinopel usrlängerien Linien Paris—
Stratzburg—Budapest, sowie Paris—Warschau und Paris- Kenua
stnd. Auf diesen Linien sind etwa 287 Flugzeuge im Dien't. Diese
Flugzeuge, für die der ftanzösische Staat jährlich 28 Millionen
Frank Subventionen zahlt, werden im Kriegsfall als Bombenllug-
zeuge eingestellt. Der Zivilluftver'ehr liefert dem sranzöstschen Heer
aber auch die notwendige Zahl Ftiigzeueführer. vor allein die Be-
satzung fur die in Reserve gestellten ehemaligen Kriegsflugzeuge.
Da die französische Flugzeugindustrke absr seit 1920 m o nattiä
150 Flugzeuge liefert, brauchcn sich die Reservisten, wenn sie
mobtlisiert werden, durchaus n'cht mit veralteten Kriegsflugzcugen
zn begnügen. Es ist alles da für den modernsten und gründlichsten
Völkermord.

Die Ausbildung der Reservisten wird von der ftan-
zöstschen Regierung auf jede Weise durch unentgeltliche Aasbildnng
in Militärsliegerfchulen und durch Vergünstigungen während dsr
Dienstzeit unterstützt. Nach einem Bericht des Öbersten Eirod.
Kammerabgeordneten und Berichterstatters über die Militärluft-
fahrt, betragen die staatlichen Kosten für die Ausbildung der Reser-
visten pro Kopf 26 500 Franken, und söit 1920 sind 1250 Zivilflug-
führer in militärischer Kontrollc und auf Kosten des S'aa'es in
Frankreich ausgeLildet worden. D-rselbe O^-erst Eirod, dem das
f arlamentarische Maierial, das er u bearbeiten hat, of'enbar die
krieger'fche Lrust schwellen mach!, tat am 26. Oktober 192k in dcr
französischen Kammei den unvorsichtigen Auff ruch: „Die schöne
Abgeschlofienheit des brit-schen Jnselreiches wird es in keinc-r Weisc
inehr vor einem feindlichen Luftüberfall schützen. In w e n i g e n
Jahren wird das gesamte englische Gebiet von fe'ndlichen Flug-
zeugen in Grnnd und Boden bombardiert werden können. Mögen
unsere englifchen Freunde sich das vor Augen halten!"

Die englischen Freunde haben sich das schon mit der dem Eng-
länder eigenen Kühls und Selbstkritik vor Aiwen gchalten. Man
hat, wie Admiral Kerb vor einiger Zekt öffentl ch erklärie, in
England das Gefiihl, „einem nahen Lande auf Gnads und Ungnade
ausgeliefert zu sein." Besonders Litter ist fiir die Engländer der
Gedanke, datz, finanziell gefehen, die neue französische Luftflott«
durch die nicht bezahlten französischen Schulden an
England untcrhalten wird. Ein allerrrstcr englischer Luftfach-
mann, Lord Weis, drückte diesen Gedankcn in einem Vortrag im
britifchen Asroklub folgendsrmatzen aus: „Frankreich schuldet Eng-
land 500 Millionen Pfund,' man kann wohl e'ne Beirachtung an-
stellcn, datz die 220 französischsn Luftgeschwader durch Erotzbritannien
bezahkt werden." Endlich gab auch dic „Times" ein Signal: „Tag-
aus, tagein geben uns die Sachverständigen die Warnung, datz wir
auf unserer Jnsel durch die Seeumgürtung nicht mehr geschützt sind.
Während des letzten Krieges haben wir einen Vorgeschmack oon der
Venderung bekommen, die der Krieg in der Luft 'mit sich gebracht
hat." Seitdem darf Sir Trenchard, der englffche Lusimarschall,
in keiner wichtigen Kabinettssitzung mshr fehlen. Die aktive Luft-
sneitmacht Englands wird in fieberhafter Eile verstärkt. Aber damit
holt man den Vorsprung Frankreichs nicht eur. Es giltz neben der
militSrischen Rüstnng vor allem den Z i v i l l u f t v e r k e h r aus-
zubauen!

Immer weitere MWeifuNgLn.

Darmstadt, 11. März. Morgsns 7 llhr wurden folgende Perfonen
aus ihren Wohnungen herausgeholt und ohne Angabe von Gründsn
ausgewiefsn: Landgerichtsrat Altendorf, Vorsitzendcr der
Deutschen Vorkspartet in Mainz: Psarrer Berck von Ma:nz-Mom-
bach, praktischer Arzt Dr. Springer, Vorsitzender der soziäldemo-
kratifchen Stadtverordnstenftaktion, der Führer der dentschrn
Beamtenschaft, Seminarlehrer Dr. Schraub, und Seminarlchrer
Sentz ans Alzey, ferner ncun Post-, Eifenbahn- und Zollüeamte.

Bingen, It. März. Der Direktor des rhcinischen Tcchniknms tn
Bingen, Profcssor Hoepke, wurdc mit seiner Familie sristlos
ausgew-iesen. Der Grund murde nicht mitgetcilt.

Ein neuer Mord.

Efien. 11. März. Umveit der Station Loettringhansen wurds am
9. ds. Mts. ein Eisenbahnwärter auf üem Bahnwrper
erschojfen. Einzelheiten feylen.
 
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