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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0821

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Zahrgang - Ar. 1ZZ

ÜNt-E^? 14 e Post' erscheint wöchentl. siebennial. Beilagen: Diüaskali a ISonnd) —
!Inver,!!""Ung8bIatt kMontag»! — Literaturblatt—SochsKulbeilage (m onatlich).
^——,"Ngte Beiträae ohne Werantwortung. Rücksendung nur, wenn Porto beiliegt.

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

u»d

Handelsblatt

Vlenskag, den 15. Ms 1923

Hauptgefchäftsstelle u. Schristleitg. der »Badischen Post^ Heidelbcrg, Hauvtftr. 28, Fernspr.
Nn 182. Berliner Dertretung: Berlin 8VI 48, Zimmerstratze 9, Fernfpr. Zentr. 415
MLnchner Vertretung- München, Eeorgenstr. 197, Fernspr. 81667.

Boftscheik-Konto: Frauksurt a. M. S141S

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, Franzöflfche ZemmbMgspoM.

' »chandjustiz als Werkzeug franzöfischer Pläne im Ruhrgebiet.

- Essen, 11. Mai.

gut unterrichteten Kreisen des Ruhraebietes wrrd uns mit-
^ie gegenwärtige Lage im Ruhrgebiet wird
ttzr- ^chnet durch Versuche der Franzosen, mit mili-
iHw ^'politischen Mitteln um jeden Prsis einen Um-
Die! ?f U g per Stimmung der Bevölkerung herbeizuführen.
Ulj . Zwccke diente das Werdener Kriegsgerichts-
^iea^ M Krupp-Prozefl ebsnso wie die zahlreichen unerhörten
fer vZfrichtsurteile der letzten Tage. Es tst kein Zufall, dag in
Woche zum ersten Male ein Todesurteil ausge-
wl wurde. Seitsns des französtschsu Pressedienstes in Düssel-
M ,'u dsn letzten Tagen wiederholt zum Ausdruck gebracht,

Nfh.'E französische Hand an der deutschen Gurgel
^ Zum Lußersten verschärfen würde. Von dersslben
^oijjj. wurde auch zugegeben, datz es angesichts der gegenwärtigen
, Situation nicht mehr darauf ankomme, das Ruhrgebiet

ietzteg Wch für die französischcn Interessen nutzbar zu machen. Die
'l'erordnungen Degouttes verfolgen deshalb auch
'nirtschaftliche Ziele, fondern sie sind politischen Ur-
?ie kj? 9 s. Das gilt !M besondsren von der Verorduung Nr. 38,
? uchaltlich mit der Ordonnanz 167 der Rheiniandkommission
Itzr dfx sAx ^ms Eebiet des Brückenlopfes Düsseldorf und
Ue ^inbruchsgebiet den PastzSang einsühren will. Obgleich
^ordnung vom 6. Mai dat'ert ist. wurde sie erst am Sonntag
fraiizösischer Seite in Essen angeschlagen. Sowsit die
o Cii,Ä? bisher im Ruhraebiet bekannt wurde, bat sis den Zwsck
, - 8 e ^?'ilhterung v''ckit erreicht. sondern nur neue Erbitterung
Meu französische Willkür bervorgerufen. Den Fran-

7"swt es n'cht auf die Kontrolle des Verkehrs on — für diesen
7>urden ihre bisherigen Maßnahmen auf den Kantrollstellen
>ie wollen vielmehr die Bevölkerung mnrbe und gefügig
S:e wollen aber vor allen Dingen die Abschnürung der
iuebiete von dem unbesetztsn Deutschland völlig durchfübren.

Kreisen rechnet man selbst nicht damit, daß in
^Uihtzf'^ertem llmfange die Bewohner der besetzten Gebiete um Äb-
^ht^^ug Aysweispayiere bei dem jeweiligen Platzkomman-
M od.er daß Deutscke ans dem unbesetzten Deutsch-

Arisj^ Divisionsgenerälen. wte es in dsr Vsrordnung heißt. Bitt-
belum Esleitsbriefe vsrleaen werden. Die Verordnung,
üir den 15. Mai wirksam werden soll, zsigt am dentlkch-
^ Franzosen im wesentlicken auf dic Abschnürung
h!°sel Fm übrigen darf die einschneidende Wirkung
Uex r/^ordnung auf den einzelnen und die wirtfchaftlichen Folaen
.Aer uT^^dn'ing nicht verkannt werden. Es bsdarf großer veriön-
^Uuo uuch inaterieller Opfer, um diese widerrcchtliche Ver-
>E>rjtj8 unwirlsnm zu machen. Jm Ruhrgebiet ist man zu solchen
2 v r j--bei-eit ju der Erkenntnis, daß durch die ungebrochene
ru n g des passivenWiderstandes der fctzige
ijr,^ölligei Rechtlosigkeit und systematischer Bedrücknng erfolg-
-rwunden wsrden kann.

r..,^ankreWs chauvmiflischer Wahnsimi.

iiber die Notwendigkeit erner „entschlostenen Rnhrpchiitil.


. Äbgeordnete
°er Kommer,

Paris, 11. Mai.

Dariac, der Vorsttzende des Finanzaus-
der aus dem Ruhrgebset zurückgekehrt ist

Anlaß der Enthüllung eines Kriegerdenkmals über seine

d ?°lIt. -°EN " ' ' ' ' ' " ' ' '

im Ruhrgebiet. Er habe den Fortschritt fest-
in der Organisation erzielt worden sei. Es sei jedoch
^u,-°tlch leuanen, daß das llnternehmen

k e i t e n habe und daß eine fortgesetzte Austr.'ngung
sei. Wenn man die budgetäre Lage verbeffern wolle,
4v "ufhören wolle, die gefälligen Bankiers und die na'.oen

der^e'l eines skrupcllosen Deutschlands zu sein, so müffc man
!ri ^ui?' "lüffe man den Beweis eines umso größeren Geistes
z' rius l °!! e" h e i t liefern, da man der Ecfahr ausgssetzt
-^illij, bre einzige Unterstützung Btzlgiens angewiessn zu sein,
eiesx eiuem Lande, das noch nicht den Eedanken der Reoanche
^eu ^biißheit habe er bei sciner letzten Reise gewonnen — auf-

?°L^abe.

Frankreich dürfe nicht das Opfsr seiner etgenen
i!) werden. Es sei Zeit, datz es

kx NilUuj

wsrden. Es sei Zeit, daß es vraktisch werde und daß
»>zÄe. '/x ono ep/ol8ino" pflege, der fast Lberall zu triumphieren
V^eu v.?°be Ällianzen, deren Aufrechterhaltunq man 9» nick'
bSse . ?ürfe. wenn st.e zu teuer zu stehen kämen. Frankreich
Vormundschaft zu dulden: es wolle nicht untsr der
V veio eines Familienrates stehen, weil es sein bestes

ber. hgfl?ossen habe. Es sei groß genug, um sich selbst zu lenkcn,
§°uügend Menschenverstand. um Natschläge entgegenzu-


?ber zu viel Würde. um Zurechtweisungen zu erdulden.
, ^olle wohl der Freund der gesamten Welt (?) sein, abor
Ne Ä-^itisch, wenn diese Freundschaftspakte gleich vorteilhaft
'ailiierten wären, nur nicht fllr es selbst.

,, iE^ilonsfrage und interalllierte S-uldea.

>7! ». M»,

Fr>

Jn .erner Rede sagte Minister Deftefani
zaratiönen und die i n t e ra l l i i e r -
^e>ijf°Ndon ° ° u, es sei der italienischen Rcgierung gelungen, auf
fsijsRlg^r Konserenz die Verknllpfung des Problems der von
Seschuldeten^ Reparationen mit der^Frage der e„r->»

liierten Schulden zu

mit
erreichen.

>, >« e a ,seitige Abhängigkeit oiejer oeioen
i itzli?>bur sei augenscheinlich, daß Jtalien Deutsch-

,°>iv°>8er °em Maße entgegeukommen könne. in dem ihm seine
ifwc»x?"8egenkämsn. Von der allgemeinen europäischen Regc-
^Ebsiwtf/'Jialien die Regelung seiner Schulden an England
öieÄ'eßiig"^ der Vereinigten Staaten bestehe Ztalien
^lht?.^rug,-7?^uf, datz ste ihm in weitem Maße für seine Schnlden
bllpgE^? Sewähren, dle mit den England gewährten Er-
un Vcrhältnis stehen mützten und zwar mit Rülksicht

euro-
Immer mehr trete
dieser beideu

auf die großen Mannigfaltigkeiteu der Formen der italienifchen
Wirtschaft und auf den großen Beitrag, cen Italien zur Erieichung
des gemeinsamen Sieges geleistet hat.

Mßlan- und -ie Schweh.

Die durch Worowskis Ermordung verschärfte diplomatische Läge.

Lausamie, 14. Mai.

Der Vertreter der Bundesregierung ersuchte, den Ausdruck seiner
Sympathie Diwilkowski zu übermitteln. Es wurde ihm
erklärt, daß dkes nur möglich sei, wenn ein gleicherSchritt
vorher bei Ahrens unternommen würde. Darauf erklärte der
Vertreter Ler schweizerischen Regierung, daß er auf den Zweck seines
Besuches verzichten müffe. Die schweizerische Regierung wollte
also, fährt die Mitteilung der ruffischen Delegation fort, aus der
Sympathiekundgedung fllr die Opfer des auf Schweizer Gebiet be-
gangenen Verbrechens eine politische Kundgebung
machen. Wir enthalten uns jeden Kommentars darüber.

*

Die gestern in Lausanne eingetroffenen Mitglieder der russi-
schen Botschaft in Berlin, die Legationsräte Bratman,
Brodowsky und Ustinoff, ließen der Prsffe folgende Mittei-
lungen zugehen: Bis jetzt ist nichts über dic Haltung der russi-
schen Regierung zu den Vorgängen in Lausanne bekannt. Ebenso-
wentg wiffen wir etwas iiber ihre Haltung zur spätsren Beteiligung
an der Lausanner Konferenz. Infolge der Ermordung Wo-
rowslis und des Zustandes der verwundeten Delegierten
Ahrens und Diwilkowski wurde die ruffische Delegaiion
materiell aufgelöst. Die sterblichen Reste Worowskis wer-
den nach Moskau übergeführt, wo sie feierlich beigesetzt werden sollen.
Was den verwundeten Ährens Letrifft, wird er, falls der Zustand,
der sich inzwischen leicht verschlimmert hat, es gestattet, demnächst mit
den genannten Mitgliedern der ruffischxn Votschaft nach Berlin ab-
reisen. Diwilkowski, deffen Verletzungen ernster sind, wird noch eine
gewiffe Zeit in Lausanne bleiben nnter der Obhut des Vertreters
der Ruffischen Telegravhen-Agentur, Dr. Stürmer. Die genann-
ten Mitglieder der ruffischen Botschaft in Berlin wollen sich nicht
Lber die Ereignisse, die sich soeben abgespielt haben, äußern. Da-
gegen stellen sie der Preffe den letzten Brief zur Berfügung, den sie
von Worowski erhielten. Er ist vom 4. Mai datiert. Es folgt ein
Schreiben, das bereits in der dentschen kommunistifchen Preffe er-
schietten ist, worin Worowskk die Bedrohungen, denen er in
Lausattne ausgesetzt war, schildert und darauf hinweist, daß Ruß-
land stch nicht verhöhnen lassen könne, daß in der
Schweiz ein solches Attentat nur mit Kenntnis der Behör-
den möglich sei, und weiter Repressalien an den
Schweizern itt Rußland im Falle von Angriffen auf die
Delegatien in Aussicht stellt.

Die Lage im Saargebiet.

Saärbrucken, 14 Mai. Die in den letzten Tägen zwischen der
französtschen Vergwerksdirektion und den Vertrctern dcr
streikenden Bergarbeiter geführten Verhandlungen haben zu
kolgendem Ergebnis geführt:

Maßregelungen aus Anläß des Streikes finden nicht
statt. Die Lghne stnd in der obersten Stufe um 5 Franken pro
Schicht und in der untersten Stufe um 3hs Franken pro Schicht
erhöht worden. Die Vertreter der Organisationen empfehlen
den Velegschaften, von morgen, Dienstag, ab die Arbeit wie-
der aufzunehmen.

Der Eewerkverein christlicher Vergärbeiter hat soeben in
einer außerordentlich zahlreich Lesuchten Revierkonferenz die Wie-
deraufnahme der Arbeit von morgen ab beschloffen. Die Ent-
scheidung des sozialdemokratischen Alten Bsrgarbeiterver-
bandes beschließt ebenfalls Wiederaufnahme der ArLeit vom 18. Mai
an, so daß der Streik der Saarbergleute nach genau hundert Tagen
Dauer beendet wird.

Protest des Landesrates gege» die Nolverordnung.

Säarbrückeu, 14. Mai. Jn der heutigen Sitzung des Landes -
rates gaben sämtliche Parteien eine gemeinsame
Erklärung ab, in der gegen die sogenannte Not-
verordnung der Regierungskommifffon nnd gegen die am 2. Mai
erlassene Einschränkung des Streikpostenstehens in der ent-
schiedensten Weise prot'estiert wird- Jn der Erklärunz
wird die Regierungskommission vor aller Welt angeklagt, datz sie
ihre vornehmste durch den Versailler Vertrag gestellte Aufgabe, für
die Wohlfahrt der Saarbevölkerung zu sorgen, wiederum in der
unerhörtssten Weise verletzt habe. Si« mache die Bevölkerung zum
Objekt ihrer einseitigen politischen Vestrebungen und das Saar-
gebiet, das einzige der Obhut des Völkerbundes anvertraute Land,
zu einer Einöde, einer Sklaverei. Zum Protest gegen diese Ver-
ordnungen der Regierungskommisston lehnt der Landesrat
es ab, heute eine Sitzungabzuhalten.

Eisendahnerstreik!n Velgien.

DAZ. Päris, 14. Mai. (Eig. Drahtm.) Wie äus Brüsse 1
gemeldet wird, beginnt der Streik der Eisenbahner in Bel-
gien heute vormittag sehr stark um sich zu greifen. Jn Ant -
werpen ift infolge des Eisenbahnerstreikes fast der gesamte Hafen-
verkehr eingestellt,' über 4606 Waggons liegen im Hafen, ohne aus-
geladen zu werden. Der Südbahnhof ist ganz geschloffen, der Fracht-
dienst bereits völlig eingestellt in Gent, LÜttich usw. — Nach
einer Havasmeldung sind die Eisenbahn- und Postbeamten der
Reserve einberufen worden, um einen Notdienst aufzunchmen.
Eeftern abend fand im Eewerkschaftshaus in Brüssel eine Kund-
gebung des Syndikats der Eisenbahner statt, nach welcher die Lage
sich heute morgen sehr stark zugespitzt hat.

Keine Lleberflürzung.

Die englische und itälienische Antwortnote stellt
Lie deuifche Regierung vor eine ungemein schwierige und fastaus -
sichtslos erscheinende Situation. Es muß das mtt
aller Deutlichkeit gesagt werden. Es geht nicht an, dem trüg/rischen
Optimismus nachzuhängen, der bei uns, die wir llberhaupt die leidige
Gewohnheit haben, jeden Strohhalm für einen rettenden Ballen
zu halten, eine Zeitlang aufkam, als Curzon seine uns zu der
Antwort ermutigende Rede gehalten hatte- Jetzt wissen wir, was
wir von solchen Reden zu halten haben, fühlen wir Leutlich, daß
Lord Eurzon mit Mussolini im Vannkreis Poincarös
steht, der bei der Beantwortung der deutfchen Note so überwiegsnd
war, daß das Problem Deutschland, das in erster Linie ein wirt-
schaftliches ist, ganz in den Hintergrund gedrängt wurde. Marr
kommt, um uns zu schulmeistern, kommt, um uus zu tadeln, spricht
von der „Enttäuschung", die die deutsche Note bereitet habe, nennö
sie bedauerlich und Letont, datz die von Berlin gemachten Vorschläge
„völlig unannehmbar" ssien, gibt sich im Lbrigen aber durchaus-
keine Mühe, sachlich auf diefe Vorfchläge einzugehen und den Weg
zu weisen, auf dem eine ersprießliche Fortsetzung der internationalsn
Diskussion denkbar wäre.

Die deutsche Note ist vielleicht kein Meisterstück moderner Staats-
mannskunst, aber die englische ist es noch weniger. Es darf das
umso offener ausgesprochen werden, als jetzt bereits eine Anzahl
von recht gewichtigen englischen Pressestimmcn vorliegon,
die an der Turzonnote heftige Kritik Lben. Man kann Ler
dieser Beurteilung sich zu eigen machen, was führende englisckis!
Blätter selbst fagen. Fast allgemein wird mit dem Befremden, das'
auch Lei uns zum Ausdruck kommt, hervorgehöben, daü Curzon
an dem so ungemein wicht'igen Zuaestnndnis von deutscher Seite;
die deutsche ZahlungsfLhigkeit durch einen internationalen Sach-
verständigenausschuß feststellen zu laffen, stillschweigends vorbei-
gegangen ist. Dies I g n o r i er e n d er d e u t s ch e n VorschlSgs
ist in der Tat erstaunlich. Wir bicten gewissermaßen eine»
Dlankoscheck auf die deutsche Wirtschaft an, finden uns bereit iu
einem Schritt, der in unseren wirtschaftlichen Kreisen auf die aller-'
schwersten Bedynken stößt, und die englische Regierung hält es nichi
füt der Mühe wert, diese Aeußerung unseres großen Entgegent
kommens auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Wenn es England
wirklich darum zu tun gewesen wäre, das Reparätionsproblem eine«
Schritt vorwärts zu bringen, dann hätte die Antwort in Tonart
und Inhalt ganz anders ausfallen müffen. Die ..Wcstminster
Eazette" spricht von einer „verpaßten Eelegeuheit" »nd meint, die
Antwort Curzons sei ein Fehlschlag, sei ein noch eni,
täuschenderes Dokument, als die deutsche Note gewesen ist. Selb-ff
die „Times" beklagt, daß die englische Notc es nicht verstanden
habe, die gegebene Situati'on beffer auszunutzen und den britischeii
Standpunkt klarer und umfassender darzulegen, und macht sich di«
Argumente zu eigen, die immer wieder von dcutschcr Seite al«
Ausgangspunkt für alle Verhandlnngsmöglichkeiten angcsehen wnrde
daß in der Repcrrationsfrage überhaupt kein Fortschritt erziclt
werden könnte, bevor man sich über die deutsche Zahlungsfähigkeit
geeinigt habe.

Das sind S e l bst v e rft ä n d l i ch k e i't e n, aber es gcwinns
den Anschein, als ob die englische Ocffentlichkcit sich noch niiht gam
bewilßt geworden sei, daß Curzon Poincarö zulicb den Voder
dcr sachlichen uud nüchternen Erwägung verläßt, dcr sonst ein ss
kennzeichnendes Merkmal der englischen Politik ist. Es sei in diesen!
Zufawwenhang daraus hingewiesen, daß sich selbft unter den Parisei
Breffestimmen, die natürlich Curzon durchaus beipflichten und dcr
Triumph der Poincaräschen Politik konstatieren, doch eine findet
die des „Ionrnal", «elches meint, daß es zwecklos sti, von Deutsch-
land neue Vorschläge zu verlangen, denn Lci der gegcnwärtiger
Lage des Deutschen Reiches könne es ernsthafte Earantien nicht
anbieten.

Was in der cnzlischcn Preffe nicht zum Ausdru'ck kommt, wa-
aber von uns umso stärkei unterstrichen werden muß, ift der Widev
spruch, in den sich der Minister Lurzon als Verfaffsr de,
lehicn Note zum Redner Curzon stellt, dcr im April im euz
li-schcn Oberhaus erklärte: „Jch kann es verstehen, weshalb di,
deutsche Regierung zögert, eine bestimmtc Summe zu nennen. Sii
kanu sagen, -daß durch die Ereigniffe der letzten drei Monate dii
Verhaltniffe fich so schroff geändert haben, daß das, was iw
Januar möglich war, im April nicht läuger mög-,
lich i st." So sagte Curzon vor wenigen Wochcn. Und heute bs,
mängclt derselbe Curzon, daß das deutsche Angebot von dem vor
England in Paris unterbreitcten Vorschlag zahlenmäßig sehi
weit entfernt sei. Wenn wir uns heute. was nach dem Urteil jede-
w-rtschaftlich Einsichtigcn als unmöglich crachtet wird, zu der enz.
lifchen Note hekennen würden, so wäre auch damit praktisch nichs
das geringste erreicht, dcnn die italienische Noie erklärt aus-
drücklich, daß Italien denenglischenVorschlag nichi
annehmsn wolle. Bei dieser Uneinigkeit der Anschaüung äus
der Eegenseite ist es für Deutschland natürlich erst recht unmögl-ch,
mit einem zahlenmäßigen Eebot hervorzutretcn, das irgendwie ge-
eignet wäre, diese Schwrerigkeitcn zu überbrücken. Deutschlanl!

Deutschland sieht fich einem solchen Wirrwarr von diffe,
rierenden Anschauungen gegenüber, daß auch jeder objeb
tive Veokachter zugeben muß, es wird hier von uns ein Kunststücl
verlangt, das viel gesch'icktercn Jonzlcuren, als wir es zu sein
pflegen, ein unmögliches Unterfangen scheinen muß.

Wenn uns weiter der Vorwurs gemacht wird, daß die Sätzr
der Leutschen Note, in denen von Anleihegarantien gesprochen wirs
unbestimmt und wenig geeiznet seien, die öffentliche Meinung d-e°
Auslandes zu gewinnen, so werden auch diejenigcn, die sonsi
keinen Anlatz haben, die Leutsche Note für ein Meisterstück zu halten.
doch sagen müssen, daß dieser Vorwurf ebenfalls unkegriindet ist,
 
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