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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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6». ZchWNg - Ar. 14


I Die .Vadische Pust" crscheint täglich lauch SonntaIr! vtrmittagr. also siebonmal

I wSchentlich und kostet srei ins Aaus zugestcllt monatltch ILllg Mk, durch die Dost
^Manatlich IÄig Mk^ni'glich lstchlt M'. Bestell'rd. Einzelnnmmcr bü Mk.

Hewewerger ZeUttNg

/ (Gegründet 1858)

«nd

Handelsblatt

MM, 1S. Zasliär 1S2Z

illnzeiaenpreis: di« L3 mn> bccite Slonpareillezeile 4U Mk, F.imilien-, Bcreins»
und Klein« Anzeiaen nach besonderem Tarif. R-Ilamen: dic Wmm breite Nonpareille-
cise Lllll Mk. Bei Wiederholungen und Zeilenanschlüssen tariflicher Nachlas.

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prcchstnnde d:r Cchrliil.itung vorm. 1l->2 Uhr. Berliner Bcrtretnna: Vcrlin 8VV 48. Zimmcrstiabc Nr. g.

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Po.ischrckkonto Karlsruhe Nr. lgggg. - Druck von I. G. H o lb w ar I» N a ch s. G. m. b. s . Franksnrt am Main

Das deulsche Dolk sprichl!

Tewaltige Proteftkundgeüungen iu der Reichshauptstadt.

Don unsercr Bsrliner Redaktion.

Berlin, 14. Januar-

ftxe Die ain (Zonntag Mltkag in Vcrlin stattgefundene Protestkund-
der bürgerlichen Partelen und Ler nicht sozialistischen Ge-
I x^Hllsten gegen den Rcchtsbruch Franlreichs roar eine der nröst-
Dxg D e m o nscrat ion e n. die Berlin jemals geschen hat.
kiebi, ^ie Aahl Ler Teilnehmer auf etwa SOVOÜO. Äle .K '.nid-
^linl ^ ^Est roll?og stch in Würde und Nuhe. Alle gMeren Ber-
und Organisationen hatten ihre Mitglieder alifgLfordert, sich
Protest zu beteiligen. Die Leitung Ler Veranstaltung hatt:
dian u. Lersner übernommen. Unter den Nednern bemerlte
L» Abgg. Dr. Fleischer, Cxz. Hergt, OLerregierungsrat
P»?^kenz, Exz. Helfserich, Eeheimrat Marx, Senator
Pl„s/„rsen, Reichsminister a. D. Schiffer. Exz. Dernburg.
bnd ^ - ^ Tchiicking, Dr. Stresemann, Frhrn. v. Lersner
H a lange Neih« von Gewerkschaftsführern. darunter
" nn und Thiel vom Deutschen Eswerrschaftsbund, Otte
bch» .'stschen Eeiamtverband der christlichen Eewerlschaften und
dve?^ider von der Eewerlschast der Angestellien. Schon lange
offjziellen Beginn dcr Dcranstaliung sangen die Massen
^Ndjsy Lieder. die Kundgebung selbst begann mit dem altniedcr-
Danksebete. das von der Menae «ntblösttcn Hanvtes ae-

«lns?" wurde- Dann wurden von achtzehn verschiedenen Stsllen aus
soi-,p^"ion gehalten. Zum Schlus; wurde von allen Nednerplätzen
"«o einstimmig angenommene Entschlietzung verlesen:

»Ä!ir erhebe« flammendcn Protest gegen die ungeheure Ver-
^^altignng des dcutschen Volkcs durch die franzöfisch-belgische

°!ktzi,ng des Rnhrgebicts. Diescs jedem Völkerrecht hohnsprechendr
"^üehen mitten im

ags. Das deutsche

Frieden lst der Bruch des Versailler Ver-
Dolk lehnt es ab. unter dem Druck der

°i°Nette Sklavcnarbeit für die Friedcnsbrecher zu leisten."

hl,n?°"n stimmte die Musikkavelle die Nationalhmyne an, die die
^"auscnde entblötzten Hauptes mitsangen. Die Kundgebung
,Di- ^.unmehr zu Ende sein, aber aus der Menge heraus eriönten
lich Eacht am Rbcin", „Eine feste Burg ist unser Eott" und schliesp
der Dentschland hoch in Ehren." Auf die Ausforderung der Red-
hild' ?aa>nehr die Kundgebung abzubrechen, wurde immer lauter
"ingcnder

der Ruf «ach dem Reichskanzler

kich ^reiherr v. Lersner gab schlietzlich Lekannt, datz die Rednsr
^bciw'? Kanzler begeLcn wiirden, um ihm die Entschließung zu
-U und ihn zu bitten, vom Reichstag aus zu den Maßen

Aei^wcn. Für die Ueberreichung der Entschließung dankte der
dle,«^anzler in herzlichen Worien. ,.Es war gut und notwendig,"
datü-, er, --^aß die heutigen Kundgebungen, spontan und aus dem
vwen Emvfinden der Vevölkerung hervorgegangen, zum Aus-
lagj. "kmaen: Was gestern der Reichstag und die Reichsregierunq
^ill das deutsche Volk. Ietzt kommt es darauf an, daß
lapxn * Volk sich hinter die Regierung. ja ich möchte
^iNasi/ZÖ es mit seinem Willen und Enischluß sich i n die Rezie-
llnf Es gibt Zcitcn, in denen es für das Schicksal der Bölker
^Un<>. Volk selbst noch mehr ankommt, als auf die Negie-
«ic zt E,ne solche Zeit erleben wir jetzt. Das will nicht sagen, daß
«lllez^iilcrung nicht alles tun muß, um die Lage zu entwirrsn, nicht
5-iien'cv ^ führen. Sie will und wird den Weg einer ehrlichen,
<>!es-?'^einsachen deutschen Politik gehen, den sie bisher ging.
her. ' g^Eeg jst beschwerlich, er wird noch beschwerlicher sein als bis-
Aiindc * alle müssen ihn gemeinsam gchen, wir re-chen uns dis
VolxUw eine echte Eemeinschaft durch unser ganzes
Kn x, >zu Lilden in Lem ruhl'gen Enischluß. jenen beschwerlichen Weg
«ie dcn Meg der Ehre und Würde der Nation, dessen Ziel
/ hcit ist.«

c>Nc,1t zum Volk kvnne er im Augenblick n-cht sprechen. da ihn
BeschTt^htige Sitzung im Interesse dcs Neiches festhalte. Mit diesem
niir^.sa kchrte die Deputation auf den Königsplatz zurück. Mit
dlit Hochrufen auf den Kanzler und dic Regierung schloß da-

wax ^ Kundgebung. die von hellem, mildem idrostwetter begünstigt
länd'jü"-« dis gewältige Menschemnenge, die ununterbrochen valer-
^ieder gesungen hatte, Leaann auseinanderzuströmen.

W» s,ch .lbden Zwischenfall auszuschaltcn, war der Pariser Platz,

«°s

dkl:

delanntlich die französischs Botschait besindet, hermetisch ab-
". chluß der Kundgebung kam es dann anf dem Pots-

und zwar in erster Linie vor den Hotels Bellevuc

tlNd^^Platz,

Woh^^nnssonci. wo die Ententekontrollkommissionen
veg Px . l^llncr aber auch vor den großcn Hotels in der Umgebung
Di- stürmischen Demonstrationen.

Eo,j° gesonderten Protestkundgebungen der Vereinigten
ichgst.," ld c m o k r a t i sch e n Partei, der Verliner Eewerk-
IsNs j^"!mission nnd des Aia-Dundes vcrliefcn am 18 Stellen Der-
kiiilf P "Eer Ruhe. Auch die k o m m u n i st i s ch e Partei hatte
4>iotestversammlungcn einberusen.

proWundßebuNgen im Re!H.

kern5"kksruße, 14. Zan. D:e stark erregte Stimmung der Vevöl-
vr<ln". Hauptstadt Dadens engen das un:rhörte Vorgehen
vvg j:-°lchs im Ruhrgebiet fand einen machtvollen Ausdruck in einer

6000 Dersnnsn Npr?/irnnrsnnn irn stnktkslsit'N nrns/rn

0000 Personen besuchten Versammlung im städtischen großen
r ü st ?">aal. worin Ober-Lrgermeister Dr. Finter und Minister

d«n D E in flammenden Worien gegen dcn Anschlag Franireichs auf
Vorox^lcind des Deutschen Neich-s Proiest erhoben, sein unerhörtes
auffoxv ^ brandmarkten, zu unerschütterlicher Einigung
und nnverLriichliche Treue zum Reiche gelobten. Dem
^nzler wurde ein Treugclöbnls übersandt.

unerhör esten und mit den verderblichsten Mitteln ins Merk ge-
setzten Bruches des Völkerrechts anzuklagen. Wir vom Vater-
lande Losgerissenen sühlen uns ganz besonders inn'g ver-
bunden m!t den Deutschen, drnen im Westen des Deutschen Reiches
ron haßersllllien FeinLen Eewalt angetan wird."

Süs Treuzelödms des Schernlander.

Von unserer Münchener Nedaktion.

Miinchen, 14. Januar

Jm althistorlschen Odeonsaal veranstaltete die laysrische Staats-
regierung Scnniag vormittaa in Verbindung mit dem Landtag cine
Trauerkündgebung, deren Höhepunkt die Rede des Ministerpräfiden'-
tcn Exzellcnz v. Knilling bildete, der u. a. ausfllhrte: Jn der
Stunde größter nationaler Eesahr, im Augenblick, da Frankreichs
Vernichtungswille zur Tat wird, gilt es. das Layerische Volk zur
Sammlung. zur vaterländischen Bercitschast aufzurufen.
Der Fran.'ose will sein Aergstes an nns tun. er will vollenden, was
er von altersher gexlant. er will am deutschen Nhein für immer
festcn Fuß fasscn, er will das ganze Stromgcbiet an sich
reißcn. Leidcr ist die Befürchtnng nicht ansgeschlosten, daß der arge
Eegnxr, berauscht vom lelchicn Ersolge seines Eroberungszuges. viel-
leicht avch die Absicht hegt, Nord und Siid mit vlnmpem Schwert-
streich voncinander zu trennen und auch am Main mitten in
deutschcn Landen den Eeßler-Hut aufzurichten. Franlreich m-tz-
achtet die Warnv.ngen seiner Alliierten. Es will hcute die Faust auf
Deutschland leaen, um das Deutsche Relch zu zcrstückeln und aus
seinen Triimmern das französische Jmperium zu
beoründen. Nicht klagen wollcn wir angesichts dieser harten
Prüfung, das verbietet uns die Würde des deutschen Mannes, aber
Anklage erheben wollen wir vor der ganzen Welt und dem cr-
presserischen Feind den Fluch des gequälten Volkes ins Eesicht schleu-
dern. Das Layerische Volk denkt Lariiber wie jeder deutsche Mann,
der mit ,dem Reich Eliick und llnqlück teilt und erbt. Von den
Rebenhügeln der Pfalz am deulschen Rhein bis zum bayerischen
Wald und bis zu Len raqenden Gipfeln der Alxen erhebt sich das
bayerische Volk zu einhelligcr Kundgebung pegen solche
Schmach, geqen solches himmelschreiende Unrecht. Jm Namen des
bayerlschen Volkes glaubte ich kei der Vesprechung der Staats- und
Ministerxräsidcnten in Berlin die Zusicherung abgeben zu dürfsn,
daß Bayern im Kampf gegen die Sckimach, die Franlreichs Herrsch-
sucht und Raubgier uns antut und in der Zuriickweisung des uner-
hörten Zwanges, der unserm wehrlosen Volk auferlegt wird,

mit der Neichsregrerung bis zum Sußersten durchhalte«

will. Eestützt auf das Layerisckie Volk pnd die Volksvertretung des
Landes erneuern wir das Eelöbnis der Treue, die vor keiner Ee-
walt weicht, wo es gilt, deutsches Volkstum vor Verelendung und
vor Vergewaltigung zu bewahren. Einig im nationalen Willen. ge-
wärtig. gcrufen zu werden, wenn es gilt, so steht heute das bay-!-
rische Volk geschlossen an Ler Seite Les Reichs. Höher als allcs,
was den einzelnen drückt, höher als alles. was die verschiedenen
Parteien, Stände, Verufs- und Erwerüskreise bewegt, steht Dcutsch-
lands Zukunft, Deutschlands Nettung und Freiheit.

Deethovens Alegretto aus der 7. Symphonie und die Cgmont-
Onverture, ausgeführt vom Staatsorchester unter Leitung des Eene-
ralmusikdirektors Hans Knappertsbusch, umrahmten die
würdine Feier. Während der stch anschließenden Kundgebung der
bürqerlichen Parteien vor der Feldherrnhalle suchten die Kommu-
nisten durch pöbelhafte Provokation mit roten Fahnen zu stören.
Die emxörte Menqe schritt zur Selbsthilfe. zsrriß die Sowjetkahnen
und erteilte dcn Störenfrieden die körperliche Züchtigung. so Laß
zwar keine Polizei einzujchreiten brauchte, wohl aber sanitäre Hilfs
nötig war.

»

Am Nachmlttaq veranstatteten die Vereinigten Vater-
ländischen Verbände, in dencn stch alle Volksschichten xar-
teilos zusammenfinden, auf dem Königsplatz eine machtvolle Kund-
gebung. Reichswehr, studentische Korporationen mit Fahnen und
Kriegervereine gaben den Massen die bunten Farben. Nach dem
Verklingcn des Häüdelschen Largos und einem kurzen, stummen
Kebet nach militärischer Ärt sprach Sanitätsrat Pittinger über
Franlreichs Wollen zum Schlechten und seine ungewollte
Wirkung zur nationalen Einigung des deutschcn Volkes:
„Noch hast du, Frankreich, zu frllh frohlockt und in deine Rcchnung
Len einiaen deutschen Willen nicht eingesetzt. Darin ist deine Rech-
nung faljch. Deine eigcne Torheit hat nun das deutsche Volk auk-
aeweckt und nun ist es wach. Richt soll dir, Frankreich, vergesscn
werden, was Lu unsern Briidern und Schwestern angetan hast.
Werwölse sollst du auf deinem Wege vorfinden, bereit und ent-
schlossen, zu rächen die Schmach deines Völkergemischs an der weißen
Rasse. In der Stunde tiefstcr Not. in der du als srecher Rüuber
in schutzlosss Land eindringst, schwören in allen Eauen die Milli-
onen deuticher Männcr und deutscher Frauen, die gleich uns ver-
sammelt sind, Lcn heiligen Schwur, zu leben und zu sterüen, zu leiden
und zu kämpfen für ihr geine-nsames Daterland, sür ihr Drutsch-
land!" Pater M eyer r'ief dann das Volk auf zu Verzicht und Ein-
fachheit, abzulassen vom Klasscnhaß und treu zu leben und wenn es
gilt zu sterben fiir das Vaterland. Entblößten Hauptcs leistete die
ergriffene Mcnge den Schwur. Und als in dcr scheidenden Winter-
sonne Ernst Morltz Arndts Lied vom Eoit der Eiscn wachsen ließ
verklungen. da wcaie Ler Trauertag der Deutschen die Stunde der
Aofsnung und des Willens zur Wiedergeburt wie einst vor 100 Zahren

L!m das Mmckand.

Parts, 14. Zan. (Eig. Drahtm.) Wis die „Eh'cägo Tribune"
aus Litauen meldet, haben die litauischen Truppen am
Sonntag Las Feuer auf die Frarzosen eröfsnrt. Es gaü acht Tote
und Verwundete. Das erste Mal haben Deutsche an der Seiie der
Franzosen gekämpft. Wie wir schon meldsten, hat die Botschaster-
kcnserenz den französischen Oberst Trousson ron Warschau nach
Memel beordert. Die Pariser Prcsse hat fllr diese Mission nur
Hohn und Spott. Sie fragt,. was eigentlich dieser einz'ge Mann
ausrichten soll, und was mati sich kei der Enisendvng der zwei
sranzösischen Kriegsschiffe gedacht habe, die so alt seien, daß ste
taum noch imstande ieien, zehn Maun zu tragen. >_'

Drankrslchs Zisl.an der Rvhr.

llm Lie Kohlenlieserungsn.

Von unserem U-Korrespondenten.

Paris, 14. Januar.

Wenn man der französischen Presse Elauben schenken wollte,
spielt sich im Ruhrgebiet alles zu vollster Zufriedenhsit der Fran-
zcsen ab. Unternehmer w':e Arbeiter sollen danach gleicherweise
berelt sein, mit Len französischen und belgischen Jngcnieuren zusam-
inenzuarbeiten. Man könnte meinen diese Kreise rerlangten eigent»
l.ai nichts weiier, als sich die Zufriedenheit der Franzosen zu
erwerben.

Mit diesem Optimismus stimmt es aber schlecht überein, daß dis
sraNo^^.iche Presse gleichzeitig erkiärt, die militärischen Maßnahmen
miigten weiter ausgedehnt werden. Man scheint die Be.
setzung bis nach Dortmund ausdehnen zu wollen. Eine Ve-
setzung der sogcnanntcn Roten Linie soll geplant ssin, die Reck-
Ungbausen, Vochum, Rathingen umschließt und sich bis nach Dort-
muno, evcntuell bis nach Barmen erstrecken soll. Man hält diese
neue „Vestrasung" Deutsthlands für nötig, weil die Samsiag-
Bcsprechungen, in denen August Thyssen, wie wir bersits Sonntag
kerichten konnten, in klarer und völlig eindeutiger Weise den Stand-
punkt der deutschen llnternehmer gekennzeichnet hat, das Ergebnis
zeitigten, daß d:e Franzosen die Kohlen, die von Montag ab fllr
Ncparationszwecke abgeliefert werden sollen, selbst Lezahlen
müssen. Ueber die Art dieser Vezahlung soll den Unternehmern im
Ruhrgebiet am Montag ein Vescheid zulommen. Wenn man den
Pariser Zeitungen glauben will, so würde hierfiir die Kohlen-
steuer verwandt werden. Mit strengstem Stillschwsigen übergehen
aber die Blätter die eine wichtige Tatsache, datz Poincarö bei Ser
Aufstellung seines Plans der produkiiven Pfänder gerade diese
Kohlensteuer außerordentlich hoch in Anschlag gebracht hat. Wenn
er also jetzt diese Gelder dazu verwenden muß. um die Reparaiions-
kohle zu bezahlen, die er bisher umsonst erhielt, so ist wenig ein-
leuchtend, wie' er noch zu Len l^- Milliarden Eoldmarc gelanqen
will, die er aus Len produktiven Pfändern herauswirischaften wollie.
Um solche Dinge aber kllmmern sich die französischen Zeitungen selbst
ebensowenig wie ihre Leser. Eine Ausnahme macht nur das
„Oeuvre". Jn allen übrigen Bläitern spricht man fortwährend nur
von den glänzenden, ganz ausgezeichneien ErgeLn'.sssn. Von ^iner
hohsn Persönlichkeit will sogar das „Echo de Paris" er'ahren haben.
man könne sich der Hosfnung hingeben. daß binnen wenigcr Tag«
englische Jngenieure sich den französtschen und belg'ischen bei der
Ausbeutung der Ruhrbergwerke anschließen würden. Das gleiche
Blatt schreibt: Wir werden solange im Ruhrgebiet bleiben, Lis
Deutschland die vorgeschriebenen Zahlungen in vollem Umfange
geleistet hat. Nur ein einziger sranzösischer Journalist, der Düsscl-
dorfer Mitarbeiter des .Hcho de Paris", Bonnefou, der sich
zurzeit wührend seines Berliner Aufenthaltes durch besonders qe-
hässige Angriffe gegen Deutschland auszeichnete, hat allein den Mut,
über die Samstag-Besprechunqen zwischen dem sranzösischen Eensral-
direktor Coste und den deutschen Bergwerksdirektoren seinsn Lans---
lcuten reinen Wein einzuschenken. Nach seincm Ber'.cht hat Krupp
als seinen Vertreter einrn Zngenieur geschickt, der sich mit landwirt-
schaftlichen Maschinen befaßte, Stinnes einen Jngenieur für
Feuerspritzen, und Thyssen einen Jnspeltor fiir Sozialversicherung.
Nur ein einziger Zngenieur des Bergbaurereins war in
Ler Sitzung anwesend, für alle anderen war die Kohlenfrage ein
Buch mit sieben Siegeln. Sie betonten alle ihre ungenügende Sach-
kcnntnis. Jnfolgedessen mußte eine neue Sitzung anberaumt wer-
den. Diese begann mit der belannten, heftigen Protestrede Thyssens,
der Bezahlung von Frankreich für die zu liefernden Reparations-
kehlen verlangte. Der Berichterstatter erklärte. man werde für di«
Bezahlung der Re-araiionskohle kein französisches Eeld verwenden;
das mit den deutschcn Zechsnbesitzern getrofsene Abkommen werde
aber eine Reihe anderer, für Frankreich alles andere w'e an-
genehme Folgen nach stch ziehen. D e französisch-belgische Kohlen-
kommission, die von jetzt an alle Entscheidungen zwischen Unterneh-
mern und Verqarbeitern zu trofsen habe, wrrd« dcn deutschen
Bergwerksgesellschaften groß« Summen vorschießen müssen. Eine
weiter« äußerst bedenktiche Folge werde die Verminderunq der
Kohlenproduktion sein, die mit dem Fortfall derUeberstun-
den sehr bald einsetzen und eine Leträchtliche Verminderung der
Kokslieferungen an Frankreich bedeute.

Zn französischen Köpsen spukt auch der Eedanke für das Ruhr-
gebict eine eigene Währung einzufiihrcn, für die der Taler
die Erundlage bilden werde. Weiter spielt man in Paris mit der
Jdee, sich durch die Zufuhr von Lebensmitteln- im Ruhr-
gebiet Symxathie zu schafsen. Natürlich wird Frankreich diese
Lebcnsmittel zunächst selbst bezahlen müssan und als Esgenwcrt
dafllr Höchstens diesen neuen Taler annehmen können. ALer so le-cht
wie sich die ini'lücirische Besetzung durchfiihrsn ließ, wcil eben kein
Widerstand geleisiet wurde, so unmöglich wird eine wirtschaftliche
Durchdringung sich erweisen, wenn Las Leutsche Volk auf dem
Posten ist.

Dle SOandung des deutsOen Ahelns.

Bertin, 14. Jan. (Priv.-Tel.) Dem Reichstag ist eine Denkschrift
der Regierung iiber die Ausschreitungender Vesatzunzg.
truppen im Rheinland zugegangen, die 65 vorsätzliche Tötungen,
65 Mißhandlvngen und Uebersälle sowie 170 Sittlichkeitsvergehen
umfaßt. Die Denischrist, die ausnahmslos auf amtlich nach-
geprüftem Material Leruht, bejchränkt sich auf die schwersten
Delikts.

Ein baherksch-italienischer Zwischenfall.

München, 12. Zan. (Eig. Drahtm.) Der italienische Eeneral-
konsul in München hat auf Meisung seiner Regierung die Erteilung
der Einreiseerlaulnis nach Jtalien einLesiellt. Diese Maßnahme
erfolgte insolge Ler angeblichen Bedrohung italiensicher Staais-
bürger in München. Da der kaycrischen Neg'cr-mg keine osfizielle
Mitisilung zugegangcn ist. ist sie vorlüusig außerstaade, hierM
Stellung M nehmen«
 
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