Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 59 - 89 (1. März 1923 - 31. März 1923)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0463

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZaVrgang - Ar 7ü

adi >ch« Poft" lrschcint wöchcntl I>ebenma> Bei a rn: Divnskaün «onnl.l — !
Unn . "^uogsblattlstrel'ngs! - Lltcratnrblatt - Sochlibiiibcilogk imonati I»>. I
V.-criangtr Beitrno,- ohnc Derantworinnn Rnä> buna nnr, wcnn Porlo bet tegt. j

Heidelverger Zettung soimiag. is. Mrz isn

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt

Hanptnelihä t-stclle u. Scl ristlcltg. rer.'l-adilchen Post'Heldelberg.tzauvtstr. L». Fernsvr.:
Nr 182 lBerlaasort: Franlfurt a.M > Berliner Bertretung: Berltn 81V «8. Ziinmcr-
stratzeg, Fcrnlpr Zentr.415, MünchnerBertret. MUnchen.Seorgenstr. 1117, Fern pr.8IW7

Boftscheck-Kont» i Frankfurt a. M. V141»

«ibben^^Ugsvreis der .Vad.Post' Mt.S2stU- lausschl. Zustellgcl-ühr». Ccwstabhol. Lik. 8N>I>.-. 'AnsIand Mk. liSIIU.-
"ur bis znm L. ied.Mir angcnomm n. Am l u.s.noch gelies.Zcitungeu sind nach d. Einzelverkausspreis zu be-
^ «rcisd.Einietnummcr Mk. 14t>.-. Jst d'eZsitun» am Crscheincn ocrhindert, d.steht ketn Anspruch aus Entschädigung.

Poftscheck-Ikonto; Sranisurt a. M. »141»

" .-.iii-..—.i ..>" / -777-. -

Anzeigeuvreiset die 44 mm bicite Nouparcillezeile kostcti lokale Stcllengesuche Mk.8t>.-. kl.Eelegenheiisanzeiften Mi lüt>.-,
Familicnanzeigen Mt 8N.—, tSeschäktsanzcigen Mk.175.-,Finanz- und Industrieanzeigen Mk. 258.—, mit Blatzvorschrist und
Moniags Mk. lt).-mchr. Die L8 mm breite Reklame ci e kostet Mk.Sllll.—, Anzeigen und Neklamen von aurwärts 25°/» höhcr.

„ Die Herrschast drr Lüge.

sst bezeichnender fiir Lie Skrupclloslgkeit der französischen
u; lfung. als die unerdörte Art nnd Weise, mit drr dic
-Kilgon^-ls' ^ie Eieignisse im Ruhrgebiet in vollig enlstellt-r Form
Mün rerwerict. „Der glührnde Wahrheitskull Ler sran-

i/«erg ^lat>vn" feiert in der Tat ganz merlwiirdige Triuinxhe, be-
1° " Dko'mau üch dabei vergegenwärtigt, mit welchen tyranni-
^ tini», "ahmen die deutsche Presss des bejetzten Eebietes riicksichts-
wird.

Wrg Beispiel für die schamlose Nerlogenheit der sranzö-

°Äi,n Ihaber geben die Vorgänge, die sich im Anschlun an die
di- ^veier sronzösischer Ofsiziere inBuer äbgespielt habcn.

^ Tch, ,^u>ung hat einwanüfrei zwei französische Älpenjäger als
y:°Uts^v>gen entlarvt. Mas taten daraufhin die Franzosen?
>»,^ !äieu n- Männer wurden verhaftet und in einer
V^veu kuusamkeit hingeschlachtet. Mit mehreren Schuh-
^cht-.^ud mit zertrümmertem Schädel wurden sie

auf der Stratze ausgefunden. Das Städtchen Buer
^ Leinn^uen sranzösischen Dlutmenschen in^eine Hölle verwandclt.


> whl^^en Deutschen mußten in aller Stille eingescharrt wer
!»p -/.^Uü Lei der Beerdigung der zwei französischen Offiziere eir

Beschreibung spottet. Zum " ^

ein

Ueber-

bh,p

hl>s,"sUltet wurde. der jeder

bllbei Hsrr Degoutte eine Leichenrede. die den Givfcl
U hvix„ ^nheit I arslellt. Taß wan tabei die geroöhnlichen Tiraden
^Nsch ^ueiommt, braucht nicht Wunder zu nehmen, Laß aber ein

Si^>

^ wagt, anaesichts der haarsträübenden Dinge im Ruhr-

,°rt p ^?^uupjen, „die Franzosen mügten kämysen, damit das letzte
s't, hjUU die her Verrat, der Mord, sondern die Wahr-

; die ° r echtigkeit und der Respekt vor den Verträgen
Aestz n-U skrieden auf Ehre und Recht aufgebaut worden seien"
l I afsTrjUche verrät denn doch, gelinde gesagt, cinen solchen M a n-
h^.ch am g efii h I, einen solchen kulturellen Tief-

Liigen
im minoesten,

"Uil rnan meinen sollte, der ganzen Welt müßten darüber
d.v> ExjsU aufgehen. Aber wcit gesehlt. Man läßt sich — aus wel-
jst hier gleichgültig — weiter unentwegt mit
' vks und das „Weltgewissen" regt sich nicht im mi
d«. Äfa„ "en „nur Deutsche" sind, die hie: UnreLt leidcn.

M U>az I l die Wahrheit gar nicht hören. Die ganze Welt sieht
h,. irau-° st e n ebenso wie das, was im Osten geschieht, nur
f^'ichcu Augen an — Frankreich herrscht durch die Lüge.
tz.xS Pariser Negierung in Warschau ausgeübte Druck hat es
NÄT uminen, die scharssten Maßnahmen gegen die deutsche Presse
a,g ^fichlesiens herbeizuführen. Eine jede von der deutschen
«f,a» Mord in der Uebcrschrift oder im Text bezeichncte Untat
wird immer mit einer Beschlagnahme der betresfen-

>»Iv^ak,n,^nr Bilde eines Ler ausgeraubtsn Zimmer ürachte, be
weaen — Aufreizung zum Klassenhaß, so daß man
dei-? l'aß der polnische Staatsanwalt die Polen als eine
Ke i ^"^üsischen Nation betrachtet. Die Vochumer Vor-
pZ w e i n e n überhaupt der französischen Pro-
8anz besondcrs peinlich zusein. Gegenübcr
»liKip^^n wahrheitsgemäßen Darstellungen der Dorgänge >n der
> lefxUh,,, .Vandelskammer bemühte sich die französische Propaganda
b»n„°arz,ilec,en, daß die sranzösischen Soldaten sich absnlut
Upt>» omnien hätten. Äns französischer Quelle, ansche'ncnd vom
'Vl»' bjg meneralkonsulat, stammt eine Znschrift an ein Korsanty-
!>id.^Ikier,!» ?(?!esk gehalten ist, daß ihre Wiedercabe auch im Reiche
Nst-'HintekMle- Zn der französischen Darstellung heißt es wört-
Mv^ren^ 'stw wie die Deutschen sind, haben sie, nachdem s'ch die
V^U M'litäroersonen entsernt hatten, die Bildcr von den
üerktv . ' Möbel nmgeworsen, die Schriststücks auf dem
dgfutet ut, niit einem Wort die crwähnten Verwüstungen an-
sie so große Meister sind, mrd hieraus einen Pholo-
>lg? Vern!o?,^n lassen, um rasch die von den „Franzosen" angerich-
' !?ü°n als Veweis dcs ..gallischen Vandalisinus" kon-

g e p Das ist jedensalls eine der tollsten Lei-

der f»x5.die französische Propaganda im Osten
Hrgbekommenhat.

Die sranzöflsche rlechtsbengung.

^ie Vergewaltigung der Zeugcn in Buer.

luer. 17. März.

^ir lg

^"ischr^^nltmatznahmen der Frauzosen gegenüber drn
Der ^Eugen in der Mordsaibe nehmen ihren Fort-
Vauptzeuge. Bergmann Inlius Winking. bis zur
'U»! ^kfrrp iranzöstscher Hast. gab folgendes zn Proteksll:
i>hais " N e bcsand ich mich in der Strhbierhalle Sand-
5ch"!it Enq?, ^i auscinandersolgende SchWe hirte. Daraus ging
k»u inh wrt und blieb vor dem Lokal a«? dcr Straße stehen.

^ ^wei ""s l«er oerlängerten Hagenstraße zum Stadt-
se»,^°!lenstrnr, "^"iiiger schnellsten Schrittes heranskamen und
zwxj^l'ir Essener Straße nieitergingen. Elcich nach ihn:n
. len x. ^ skiziere. Dcr eine Ossizier ging von der ver-
le,, «r tavn^^raße Lber die Hofstraße zur Wirtschast Neuking,
ii>r .u Akagj , ^ ""b den Eindruck cines Vetrunkenen machte. Er
dann^^ ""b und cs schien, als ob er fich iibergcben müsse.
iir»j,°"der» Dkr^;^ "nigc Schritte weiter nnd siel dann hin.

lies abölam nach dicsem aus der oerlängerten Hagen-
s«i^' lln, U'cht weiter und blicb an der Ccke der Hochstraßc
!»vj ° Perso« ° ^bit habe ich außcr den beiden Alpeniägcrn
>ej>r>,'.daß xg 3ch l>ing nun in die Wirtschast zurück und

«eph Mlls " Zeit wärdr, nach Hause zn gche«, denn es seien
^trjst^ ltattg crschosien worden. Wir gingen hinans,

!iber">-^"^ Anzahl Personcn angesammelt, welche ihre
°hyjj ituy, Krankc-- ^ tum Ausdruck brachten. Ein Nadsahrer

? stch

^z.: g^.ii^dc,,. sahren und dort vcranlasscn. daß sie ab-

h j "ling. " lLnge bin ich dann gleich weitergcgangcn.

l e aah b "p ^^ienen sranzösische Kriminal»
arrn iu der Wohaung dieses Zeugen und cr»

klärten der Ehesra«, ihr Mann habe die Tat bcrcits eingestan-
den. Sie möge den in der Wohnung besindlichen Revoloer. womit
die Ossiziere erschossen worden ssien, hcrausgeben. Da die Frau er-
klärte, daß ihr Mann unmöglich der Täter setn lönnte und niemals
cinen Revolver besesscn habe, durchsuchten die Franzosen die ganze
Wohnung, ohne jedoch eine Wasse zu sinden! Ein Zeuze. der von
Montag mittag bis heute srüh in sranzösischer Haft sestgehalten
wurde, ist während der Dauer seincr Eesangenschast sast ununter-
brochen einem Kreuzvcrhör uutcrzogeu worden. Er blieb jedoch bei
seiner ersten Aussage. Das Bestreben der Franzoscn geht nnnmehr
dahin, die Tat dcn Velgiern zuzuschicben. So sollte ein
Eastwirt erklären, der Zenge Bergmann Winking hätte ihm gleich
nach der Tat gesagt, üelgische Soldaten seion eilig nach der Tat
davongelausen. — Nach andere» Mcldungen sind die von den Fran-
zosen verhaftetcn deutschen Zeugen des Attentats mißhandelt
worden, und zwar bcsonders der Eastwirt Sandmann, vor dessen
Lokal die bciden Ossiziere erschossen worden sind. Diesem Zeugcn
ist Lbrigens ein franzcfisches Schriststück zur Uutcrzeichnung vorgc-
legt worden, desscn Sinn er nicht verstand. Da ihm das Schreiben
nicht übersetzt wurde, hat er die Unterzeichnung avgelehnt. —
Ferner ist von dcn Franzosen ein Zivilist verhastet wrrden. der
Dentschen gcgcnübcr angab, daß er die sranzcstschcn Mördcr der
franzsstschen Ofsiziere bci dcr Tat beobachtet habc. Cr wird tiig-
lich von den Franzosen oerprügelt» damit er seine Anssage
zurücknimmt.

Rever franzöflscher LechMuch.

Der Vorstoh gegen die deuksche Dollaranleihe.

Von unserer Berliner Redaktion.

Berlin, 17. MSrz.

Der Einspruch d«r französischen Delezierten in der Reparations-
kommission gegen dre Ausgabe Ler Leutschen Dollarschatzanweisungen
ist, w':e aus Lem Reichssinanzministerium mügeteilt wird, cin Vor-
stoß gegen ditz Dcstrebungen d«r> deutschen Rcgicrung. die deutsche
Währung zu stutzen. Mit diesem Einspruch will man unter dem
Vorgeben. die Necht« Ler Reparationskommission zu wahren, die
deutsche Abwehraktion an der Ruhr treffen. Die
NeparationskommiMon hat kein Necht, die deutsche Regierung
an der Ausgabe einer solchen AnleiHe zu hindern, um so wenigcr,
als d'.e Devisen aus einer solchen Anleihe n'cht für Ausgaben des
Reiches, sondern lediglich zur Bildung eines Devisenausgleichssonds
dienen, der ein weiteres Mittel ist, um die Stützungsaktion fiir die
deutsche Mark zu sichern. Das Verhalten der französischen Regierung
gi-bt erneut deren wahre Absichten zu erkennen, und ze.gt m-it eller
Deutlichleit, daß es ihr nicht darum zu tun ist, die deutschc Währung
gestützt zu sehen, um so Deutschland rexarationsfäh'ger zu mach--n,
sie will vielmehr unter Mißbrauch der Rcchte der Re.arations-
lominission der deutschcn Regierung eines ihrer Abwehrmittel aus
der Hand nehmen.

Sie Franzvsen aus öer Kohlenssche.

Weiters Vesctzung von Zcchen.

Recklirghausen. 17. März.

Die Besetzung der Kohlenzechen durch die Franzosen
gcht weiter. Bei Vottrop sind Lrei dicht am Rhein-Herne Kaual
liegende Schächte von den Franzosen besctzt worden. Ob es sich bci
dieser Bcsetzung um Zwaugsmaßnahmen der Jngenieure wcgen
Richtzahlung der Kohlensteuer handelt, oder ob die Franzosen Koh-
lcn und Koks ron den Halden abtransportieren wollen, konnte noch
nicht sesigcstcllt wcrLen. Auf der Zcche Westerholt sins den
Franzosen etwa 80 000 Tonnen Koks in die Hände gcfallen. dcren
Abtransport jcdoch bei dem jetzigen primitiven Versahren Mo-
nate dauern wird. Das ist übriocns noch nicht einmal das
Quantum, das vor tem Einbruch der Franzosen in den regulären
Neparationsliesrungen täolich abgeliesert wurde. — Aus Ess-n
wird gemeldet. taß die Franzosen die Schachtanlage Hibcrnia
besetzt haben. Zum Proiest trat d!e Belegsibast in den Ausstand.
D!e Besetzung erfolgte mahrscheinlich in der Absicht. auck, hier von
den Haldcn Kohlen nach Franirsich und Delgien zum Versand zu
bringen. Ansche'nend planen die Besatzungstruppen. auch in den
Häfen des Rhein-Herne-Kanals demnächst Koblen zu
beschlaanahmcn und abzutransportieren. So wer^en die Kohlen-
halden iin Hasenbecken von Lewin uns Prosper I unv I l
von den Franzosen bewacht. Auch mehrere Vrücken über den Rhein-
Herne-Kanal siehen untcr sranzöjischer Bcwachung.

Alisliahmezufland Ver Ehrenbreitsiem.

Koblenz, 17. März. lleber die Stadt E h r e n b r e i t st e i n ist
von den Franzojen der Ausnahmezustand verhüngt worden. Der
Verkehr auf den Straßen ist von 10 Uhr abends bis'6 Uhr morgens
nur den m!t besondcren Erlaubnisscheinen versehenen Personen wie
Acrzten und Hebammen aestattet. Zur Verhängung des Ausnahms-
zusiandes hat folgendcr Vorsall Nnlaß gegeben: Jn der Nicht zum
16. März ist eine F r a u c n s p e r s o n, die sich mit einem franzö-
sischen Soldaten eingelasisn hatte, von zwsi jungsn Leuten aus
Ehrenbreitstcin verprügelt worden. Als der auf Las Hilfe-
gcschrei des Mädchens zurllckkehrende Soldat die jungen Leutc mit
dem Seltengewehr bedrohte, entrissen ihm diese die Waffe und
brachten ihm mit derselben eine Verletzung bei. Die beiden
jungen Leute wurden verhaftet und nach Mainz geschasft, ebenso
zwei Nachtschutzleute.

Ein diplomatischer Schritt der SHwsiz.

Paris, 17. März. lEig. Drahtm.) Der dixlomatische Korre-
spondent des „Daily Telegranh^ glaubt zu wissen, daß die
wchweizer Negierung die Ausmsr-'samkeit dsr franwsischen
Regierung auf d!e Hindernisse gelenlt hat, wolche der Schwei-
zer Handel durch die Nuhrbesetzung erleidet»

Wieder einmal hat man in Münchon sin Komplott aufzrdeckt.
Das braucht gewiß an und für sich in unsercr politisch-auf-
gewühlten Zeit nichts Außergewöhnliches zu se n. Zeitläufte wie
die unseren sind allen denen gllnstig, die den „Ehrgeiz" haben. untsr
der Olerfläche der Ereignisse, sei es auch mit noch so fragwürdigen
Mitteln. als Drahtzieher der Geschichte mitzuwir'en. Man könnt«
also auch über diese letzten Layerischen Sonderlinge zur Tagss-
ordnung übergehen, wsnn nicht die näheren E nzelheitsn diesrr
Verschwövung so symptomatisch wären, daß es sich sehr wohl verlohnt,
kritisch dazu Stellung zu nehmen.

Ein Kunstprosesior, ein Kapcllmeister, cin Kaufmann. ein Land«
wirt und ein Kohlenhäwdler tun sich zusammen. um zunächst einmal
im Falle innerer Unruhen Bayern von dem bolschewistisch verseuchten
Norden abzuschnüren, -dann aber mit der ansgesorochenen Absicht,
die Monarchie wieder aufzurichten. Auf den crsien Anschein h':n
kann man namentlich im Hinblick auf die beteiliglen Persönlichkeiten
diesem Unternehmen eine gewiffe Komik n'cht absprechen. Näher
besehen aber hat die zanze Sache doch einen sehr ernsten
Hintergrund. Man hätte sich nicht weiter aufzuregen brauchen
über diese raar Stammtischideologen — wenn sie unter sich geblieben
wären. Aber das gerade war eben nicht der Fall, und h-'er gew nnt
die ganze Komödie e'nen vertsuselt tragiscken Ve'geschmack. Mit
jenem Schnüsselinstinkt, der ste alles für ihre Zwecke Nützliche
sosort auss'-Hren läßt, -bekamen die Franzosen Wind von der An-'sle-
genheit. Man wittevte in Paris Hochkonjunktur für sevarasistische
Vestrebvngen und griff d-iese Eelegenheit fllr eine Zersplitle-
rung Deutschlands sreudig und — wie es scheint — sehr
freig-ebig auf. Dgß Poincarv und Eenosien weniger daran dachten,
„Königsträume" zu verw'rkbichen, sondern ganz an^ere Ziel« da^ei
verfolgten, als fle Herrn Richert zur ,.Fühlun-°nahme" nach Mlln-
chen schickten — das haben d-iese volitischen Nachtwandler freilich
n-cht gesehen. Wie wenig man senseits des Rheins die qanze An-
gelegenheit als eine bayerische betrachtete, geht allvin schon.
daraus hervor. daß man den Konspiratoren als Thronprätendeinen
-en schon aus Kriegszeiten berüchtigten Französling Sixtus von
Parma präsen-tievt«, — eine Tatsache, die, wie man meinen sollte,
auch >dem Unbefangcnsten di« Augen bätte öfsnen müsien. Aber
n-ein -- Lie dummen De-utschen gingen nur stur anf ihr .Zdeal" los
un-d stolperten — nachdem sich Herr Richert länsst a,'s dem Stauüe
gsmacht hatte — in ihrer Verbohrtheit in eine nicht gerade sehr
komplizierte Falle.

Es tst offenlar, datz das Ee^äbr-lich« und unbedingt Ver-
dammenswürd-ige an der gan-en Eeschichte der Umstand ist, datz in
offenk-un^lich reichszerstörerischer Absichi mit einem
französischen Agenten rerhandelt worden ist. D'eser Umstand
macht das Unternshmen der Schwabinger Phantasten zu einem Hoch.
verrat schlimmster Sorte. Um nichts — aber um gar nicbts Lesier
ist d-i-ese Handlvngswsise als >as. was die Smeets und Dorten
am deutschen Vaterlande gesllndigt hcklen. Die „Entschuld.:g»ng",
man habe nur an eine „zeitweise Lostrennung" gedacht »nd nur
im Interesie der siaatl'chen Or^nung. nur aus patr'otischen Mot-ven
heraus gehandelt. versKlägt hier nicht das Eeringste. Denn es ist
n'cht auszudenken welch namcnlosks Unqlück d-ie unveraniwortbchcn
Sch.wärmer über das deutsch- Land gebracht hätten, wenn Bayern
aui d.iese Art und Wei-se den Franzosen in di« Hand gespielt worden
wäre.

Aber nicht nur das, was ste hätten anrichten können. sondern
ror a^em auch das. was sie angerichtet haben. mvtz zum schärfsten
Vorgehen oeacn dies: Jdeologcn Anlatz gebsn. Das Mitztrauen,
das sie gesät ha'-en in diesen Ta-°en der Not. wo an der Ruhr ein
Existeni'ampf ohne gleichcn geführt wird, diesss Mißtrauen kann
n'cht sckari gcnvg geahndet werden. H-eße das nicht denen in den
Rvcken sallen, die ta-'täal'ch an der Front ihr Leben aufs Spiel
setz°n, die eine Nerrenschlacht schlcwen, w:e sie bis heute einzig !n dcr
Eeschichte dasieht? Nvr wer selbst im Felde gestanden, kann das
Eestihl ermesicn. das niederschmetternder wie keines !st: das Eefühl,
daß -die in der Heimat nicht mehr zuverlässig sind. daß sie mllrüe und
vnwirsch den Forderunc'en. d!e auch und gerade an sie gestellt werdcn,
nicht mehr genügen. daß sie einandcr beargwöhnen vnd befehden und
denen an der Front damit das nehmen, was sie nötioer haben als
das täoliche Brot: das Vewußtsein, daß hinter ihn-n der ge«
schlossene Willeeines Valkes steht, für das sie kämpfen.
Nvch die Dummheit der Hcreingesallenen mildert nicht das schwsre
Verbrechen. das diese Münchener ..Eescbaftlhuber" den Ruhrkämpsern
und mit ihnen dem ganwn deutschen Volke zugefüot haben.

Hier hilst keine Vesck'ön'cn'ng. So klein d!e Kreise immer stin
mögen, die die Münchener Affäre als solche tatsäckilich gszoaen hat,
sie hat über den enger-n Nahmen Bayerns binäus die Leidenschaften
ron neiwm avfgepeitscht und sicber xolitische Folqen gezeitigt, di»
für unsere Eesamtsituation außerar>>entl!ch geiahrbringend sein
können. Sie hat den gcwohnheitswäßiaen Hetzern neuen Stoff für
ihre dema"0gisck'en Umtriebe ge-°eben. sie hat all den Schlamm von
ne"em avfgewühlt. dsr nnser politisches Avfleben immer wleder im
Ke'me ersticki. Schon geravme Z^!t, bevor überhaupt etwas von dem
Münchener Komplott bekcinnt oeworden war, hatten in der Sozial-
demolratie Bswequngen eingcsetzt, die in ihrer nockitischen Ungsschlck-
lichkeit die dentsche Position n'cht wcniger bedrohten: zwar hatte sich
oifiziell d»rch die Nede Dr. Davids d>e Partei b-nter d!e Rezie»
rung gestellt, aber die Außensciter, d!e sehr bald Raum gewannen,
machten doch die Haltung der Partei mehr oder weniger illusorisch
für eine wirklickie Reich?>-olit!k. Hier trat schon d!e Uneinheitlichkeit
der sozmldcmokratischcn Front zntage, die noch ofrensichtlicher wurde
als Herr Scheidemann unseligen Angedenkens in der Frank-
fur^er . Volksstimme" seinen Schlackiruf fiir d!e . gefäbrdete Nevnblik"
ertönen ließ. Auch hierfür hat die unglückliche Verschwörung tn
München das Alarmsignal gegeben. Frcilich — es muß eininal mit
ällem Nachdruck hervorgehoben werden — diese Art von Dema-
gogen. die h!er nur eine lang erwünschte Kelegcnheit sehen. sich
wieder einmal !n empsehlcnde Erinnsrung zu bringen, sind um nicht»
besier als diefenigen. denen sie hochverräter-sche Mack-enschaft''n vor-
wer^en. Daß Herr Scheidemann, ausgereck-net der Umstürzler Schcids»
mann. heute znm Schvtze des gefähr^etsn Staatsgefüges aufruft, 'st
freUich nvr eine Ironw seines Schicksals. Daß er aber baueim-
schlau versucht, einen rennblikanischen Schntzblock zu bilden, aeht dte
anderen an. Hier sucht sich offensichtlich demagogischer Aberwitz
eine erweiterte Agitationsbasts. So harmlos jich im erste« Augen-
 
Annotationen