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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 31 - 58 (1. Februar 1923 - 28. Februar 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0241

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"6. ZchWNg

^ ° kt^ crscheint wöchentllch liebenma

^°nntaa,> ^ crlchewt wöchent'ich Neb-nm-

^°">anac-« ?si*"baltungSblatt lFreim-r> - Lltrraturblatt
^-— niettrage ohnc Derantrvor'una. Rückicndnng nur, wcnn

'm o
Porto beiüeat.

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt

Sonnlag, 11. Februar 192Z

Hauvtn-Ichä tsstelle u. Slriltb der.Tadischcn Post-Hcldelb-ra.Kauntstr. Sg. Fernspr.:
Nr ,82. <Berlaisort:FranIfurt a.M.> Berliner Pertre'ung: Berltn 8V48. Zimmer-
straße g, Fern'vr. Zentr. 4lk>. Mllnchner Bertr. München, Geora-nstr. l<>7. Fcrn'pr. 81807

dcr .V.:d. Post' Mk. 1g"0 - l-u-.rschl. Zustellgcl-ühr'. E-lbstabhol. Mk.I8M.-. «luslanS Mk.MM.-
". Ieo.M:s angcnomm n. Am l U.S. noch gelief.Zeitungen sind nach d. Einzelverlaufrpreis zu be-
„rr Mk. 75.-. Jst d eZeitnng am Erschcinen verhindert, b:steht lein Anspruch auf Entschädigung-

Rnzeigenpreife: dte 44 mw b.eitc Nonpareilleielle kostet:lokale Ltellengesuch: Mk.LV.-. kl. Gelegenheitsanzeigen Mk. 4».-,
Familtenanzeigen Mk 4".—, Ecschäftranzcigen Mk. SI> -, Ftnanz- und JnduftrieanzeigenMk. IÜV.-, m t Platzvorschrist und
Ä!on!ags Mk.S.— mchr. Die L8 mm breite Rckiame .ei e kostet Mk.15ll.—, Anzeigen una Reklamen von auswärts höher.



poincares FehWag.

^chsende Erbltterung an Nhein und Ruhr. - Poineare und die Kammer.

Eigene Drahtmeldung.

Essen, 10- Feöruar.

bcsetzien Gebiet werden wieder eine Rsihe neuer
der feindlichen Soldatesla aemeldet. So kam es in

^ dN^ dr.1. ,rl>>vt>utr» apvtrutcvru >grinv>v«t. >»»> r» >»

Uk 'rkeitast abend zu durchaus verständlichen Ausschreitungen.
!>> clch->r>p Korso hatte sich in den Abendstunden eine o.rösjere
Wentzx ani;esammelt, die gesten dcn Besitzer desselben eine
M »r, ^^unc, einnahm, weil dieser mehrers Abende schon sein
«ii, >> i / * d i eP o l i öe i stunde hinaus für französische
Hii'">>crk ° offen ashalten hatte. Die Menge drohte, die Scheiben
un^ alo sie . as Kasfee stürmen wollte, drana sin

!>Ui

»1


LeuHdie Mcnschenmenae.

d?K5;

raniösischem Militär aus den Nebenstratzen
> die Mcnschenmenge. DaLei wurde eine Anzahl von
aefatzt und unter schuveren Mitzhandlun-
i .rt. Eine noch nicht daqewesine Eewalttat leisteten die

iko Är Tchergsit in Oberhausen. Am <sreitaa mittag gegen
^rschien IIN Dienstzimmcr dcs OLerbürgermeistors Ler
de, siün->?r?^kown!andant. ein Major, in Bcgleitung eines wei-
st!°iischen Oifizicrs. Die voin Kommandanten gesteNte For-
hen ^berl^ ">^kt-ren Lieferung von Heu und Stroh mutzte
"et ^"urggrmeister abgelehnt werden, worauf er sofort ver-

keineg entrüstetrn Proteste» an de« Hiinden gesesiclt

s»"elu die Beamtcn stch dem Protest anschlosien, wurden die
k^r uu^kr abgenommen. Mtt den Worten: „Ich bin ein Deut-
rgMgu ° tue als solcher meine Pslicht!" worauf die Franzosen
la^ryieln »^"d wir sind Franzosen!" wurde der Ober-
„Mer ab^eführt, einer bald darauf abgehaltenen Ver-
^»ciw aesamtcn Änaestellten, Arbeiter und Beamien der
!«, tung Oberhausen wurde gegen die Berhaftung des

'°kt j,, ?Ul!usters schärfste Verwahrung eingelegt und beschlosien,
Protestflreik einzutretcn.

SkL°sse» wurcen heute vormittag alle Eeschäfte ge-
>v>.?Men L weil ein französischer Offizier ein Eeschäft gewal sam
Nn D oatte. Jn Duisvurg ruht der Postbetrieb
MNer st°rhaftung des Telegraphendirektors Rlnkel. — Der
ki^siti»„^ürgermeister hat auf den am Samstag gemeldeten
»^ZniLbefehl des. Division- ^ '

hi/


p erj-, ^*"nkenhauses keine wcitere Einschränkung
uZtli^?E und zwar weder hinsichtlich der Räumliibkeiten, noch
A der Ausstattungsgegenstände. Dem Antwortschreiben ist
»!>s>^Mt!.w t der leitenden Aerzteder Krankenhauser über
von 210 Kranksnbetten in den städtischen Krankrn-
E^!ea„„ den Besatzungsbehörden beigeqeben. — Die Arbeits-
WkE>r>u,isi? Eisenbahndirektionsbezirk Mainz besteht we:tsr.
Ä?fkehrslinien und die Bahnhöfe bleiben weiter von fran-
"e-i d^'Utär besetzt. welches die deui" - - - -
^ * -oahnanlagen hindert.

riig^° Tisenbahnbeamte wurden bei der Auszahlung der
^i andigen Lihne. Eehälter, Witwcn- und Waisengelder
de>n "^haftet. Hierbci wurden erhebliche Betrüge und autzer»
kiu für den gleichen Zweik vorhandrnes Bankkonto von
°>n 81 Millionen Mark konsisziert,

fE,ht Bewe>s Les von den Franzosen in Flugblättern fort-

^NznNr/"Nten „Wohlwollens" fllr Beamte und Arbeiter. Die von

deutschen Eisenbahner am Be-


Eiscnbal nern geführten

Ä

Ausweisungen und Verhaftungen werden gemeldet.

, . illge wer en vom deutschen

, zumal, d-a die Benutzung bei dem oänzsichen
ordnungsmätzigen Matznahmen lebensgeführl ch ist.

Semieden,
" an -'-

lten und Postinspek'or Brieden aus Tastrop

Franzosen verhafiet und ausgewiesen worden. Der
hjSgtz rende Koblenzer Regierun.ispräsident Okerregierungsrat
»p üura"?"E oon Len Franzosen verha'stet und in der Nichtung
>n ^ M ^" nsport. Der Direkior des Finün amts in Zell
^Zesi Neuenburg, und der ZoNdirektor Niemann

/>ch geweigert hatten, dem zustündigen französischen
ihrx ,,/Nen hxr Jnteralliierten Rheinlandkominission Angaben
h.?ch> />?"stätigkeit zu machen, wurden vvm fianzösischen Kr egs-
!a,°^ilt !^di"em Zahre Eefängnis mil Strasaufschub
tzxg' Der Strafausschub wurdc bewilligt, weil sich die deut-
iniolge Les Besehls dcr deuischcn Ncgierung in einer
Jn N?lage bcsanden und in gutem Etauben ge^andelt hätten.

iv^' Z i n?"'"sen kam ein Transport mit 50 deüisckien Schutz-
dg " an. die alle imRuhr ' ' ' .'

f.

^ " an. die alle imRuhrgehiet verhaftet worden

^öep k»er Vesatzungsbehörde Len Eruh verweigert

w°^^ilten wegen dieses „Verbrechens" oor ein Kriegsgericht
x ' ^a Zug aber nicht durch die englische Le-
."urchfahren durfte, so mutzte er wieder z u r ii ck f a h r e n.
L- ^UIanh» "ei-cr Z e i t u n g s o c r bo t e hat die Interallüert-.-
lhh"'» w-., erlasien: „Emser Zeitung" für einen

ei?'°>Nt uu«eblicher Propaganda gegen das französische Aus-
V" Dko'ia - ^! „Leipziger Sk e u est e Nachrichten" aus

ld?'^ de» wegen des Slrtilcls in der Rummer vom l. Februar:
Ü°K°U ein- denkt",- „B. Z. amMitta g" a.if drei Monate

ki l'^en .uw 26. Ianuar erschienenen Aussatzes: „Die fran-
tz ich e» kausen fiir Kindcr bestimmte Milch auf"; „V ö l -

^ubuchter" in Münclien auf drei Manaie wegcn dcs
Hiir! -^lläe 's? ^utscher erwache!": „Pirmasener Zeitung" auf
h„rAbdruckes gewisicr Meldungcn, in dencn dic fran-
E' Lc^i^^^ukkuug aus dem Ruhrgebiet angeblich ais „lügen-
Djc . "unet wurde.

be» Stadt Buer liegenden Zechcnanlagen sind
» °'k ^"uppen aufgesucht worden. Ein Osfizier mit

«i„kb a l t ü! die Zcchcnanlagen und verlangte mit Wafsen-
Nushändigung von 800 Zentncrn Kohle für dcn
-nauch der Truppen, Ueberall traten dem Osjizier die

Delegierten des Aufsichtsrateg entgegen und erklärten, wenn die
Franzolen auch nur e nen einzigen Z-ntner Kohle mit Masf ngewalt
wegnehmen werden, so werden ste aus der Stelle den gefamten
Betr'eb lahmlegen. Nach langen ergebnissosen Verhand-
lungen mutzre die Truppe

«nverrichteter Sache wicder umkehre«.

— Auf dem Raubzuge. den die Franzosen und Belgier von Esien
aus nach Herne und Wanne unternommen halen, sind ihnen,
wie uns jetzt aus Essen berichtet wird, 409 Wagen von bisher n'cht
besetzten Linien in die Hände gefallcn. Es sind dies zum grötztcn
Teil mit Kohle und Koks beladcne Eisenbahnwagen, zum Teil aber
auch leere Wagen. Die Franzosen niachen jetzt alle Anstrengungen,
diese Magen über die von ihnen selbst bcsetzten Linien zu kejörxrn.

— In Duisburg sinü die Lcsatzungsbehör en allem Ansche'ne
nach, weil sie eins.-hcn, datz sie nicht imsiande sind, den Eisenbahn-
verkehr wieder in Eang zu bringen, von neuem an die Eisen-
bahner herangetreten, mit der Aufsorderung, den Be.rieb
doch wieber aufzunehmen. Da es sich natllrlich auch nur darum
handelte, sich den Befehlen der Be^atzungsbehörte zu unieistellen,
so hat das yesamie Eisenbahnpersonal einstimmig >as Ansuchen ab-
gelehnt. Die Bcsatzung hat auch das Telegraphcn- und Fernsxrech-
amt D»isburg-Nord besetzt, so datz jstzi Duisburq Nord, Ruhrort und
Meiderich vclliommen von jeglichem telephon.schen und telegraphi-
schen Verlehr mit. der Autzenwelt abgesperrt sind.

Die allgemeine Lage in OffenVurg

ist kanm verändert. Der Stratzenverkehr ist jetzt wleder tags und
nachts fr-e'«geben worden. Die Wirtschaften können bis 10 Uhr
offen hleiben; nur drei Wirtschaften haben den Auftrag crhalten,
am Sonniag abend um 8 llhr zu schlietzen. Der Derkehr nach autzer,
halb ist frei. Abe< die Leutc, die Osfenburg Leireten, müsien im
Desitz eines Ausweises sein. Der Oberbürgcrmeister hat die Be-
strafung der Wirtschaftsinhaber, die stch hinstchtlich des wirtschaft-
lichen Verkehrs nicht an die Anordnungen der Lefatzungsbehörde
gehalten halen. abge.lehnt. — Die Besetzung von Schutter-
wald und Längshürst hat sich nicht bestätigt. Es sind dort
nur französische Kavalleriezatrouillen erschienen. Das Verkehrs-
leben der Stadt Offenburg leidet unter Ler Sperre ohncgleichen.
Der Postüerkehr wird vereinzelt mit dcn nächsten Orten des
unbcfctzten Eebietes aufrechterhalten. Nach Offenburg selbst ist bis-
her aus den weiter liegenden Gegenden keine Post gekommen. Die
„Offenburger Zeitung", die auf zwei Tage verboten war,
durfte am zweiten Tag wieder erscheinen.

In Eegenwart sämtlicher Minister nahm der Haushastungsausschutz
des badischen Landtags Stellung zur Besctzung badischer
Geüiete durch die Franzosen. Der Vorsitzende, Acg. Marum,
fiihrte u. a. aus: Da der badische LanLtag zurzeit nicht verfammelt
sei, ersche'ine es Pslicht des Haushaliungsausschusies, etenso feier-
lich, wie dies von der Ladischen und der Re.chsrcg'erung geschah.
Protest zu crheben gegen die widerrechtliche Besetzung ladischen
Gebiets durch die Franzoscn. Empörung, Trguer und Schmerz seien
die Gefühle. die alle Mitglieder des Ausschusses angesichts dieser
Vorgänge erfnllen. Die Besetzung sei nicht wegen der Einsiellung
zweier Züge erfolgt, sondern weil die Fran'.osen den Brücken-
kopf von Kehl erweitern und ihre Hand auf den Angel-
punkt des badischen Verkehrs legen wollten. — StaatsxräsUent
Remmele gab hierauf Mitieilungen über die Lage im neubesetzien
badischen Eebiet ab und über die Matznahmen, die von seitcn dcr
Regier.ing bisher ergriffen worden sino, und welche die Billigüng
des Hauses sanden.

Nach einer Drahtung unserer Bcrliner Nedakt'on w'rd Reichs-
präsident Ebert am kommendcn Montag in Karlsruhe
eintresfen, um mit den Veriretern der wirischastlichen Erupxen »nd
der Derufsstände Lodr die Lage in den neubesetzten Ladischen Ee-
bieten zu beraten.

polncare- Aückzua.

Der Ministerpräfident sprlcht vor der Kammer.

Paris, 10. Februar.

Angesichts des Entrüstuiigssturmcs, dcn Poincarös Ablehnung^im
auswärtigen Ausschutz zur Lage zu sprechen, in weiten Kreisen der
Kammer erregt hat, hat dieser offenbar sich doch eines Bcsieren be-
sonnen. Er hat am Freitag abend sich zu der Erkläru»g bewogen
,gefllhlt, datz er dcm Wunsch des Kammerausschusses fiir auswärtige
Angelcgenheiten Rechnung tragen und sich am 21. Februar über die
auswärtlge Politik so weit auss> rechen werde, wie er es fiir notwendig
erachie. Er werde gleichzeitig von der Kammer ein Vertrauens-
ootum fordern. Dem damit nnn beigelegten Streit zwischen
Kammer und Ministerxrästdent mitzt die „Times" beträchtliche Be-
deutung bei. umsomehr, als Poincarä es bereits zweimal abgelehnt
hat, sich vom Ausschutz befragen zn lasien. Zweisellos würden d'.e
Fragen des Nahen O st e n s ein unangenehmes Thema bilden:
aber die Frag-e der Reparationen und der ungenügenden
Vorbereitung der Ruhroperation beunruhigten eben-
falls die Kommission. Es müsse hervorgehoben werden, datz Poli-
tiker aller Gruppen Larin übercinstimmten, datz Paincare alle
,'hm zur Versügung siehenden Jnsormaiionen mitteilen solle. Auch
in andere» Kreisen der Hauptstadt wird nach Londoner Blätter-
meldungen die Unzufriedenheit über die negativen Ergebnisie dcr
Nuhrbesetzung täglich deutlicher. Die Besetzung, die zuerst begeistcrt
unterstiitzt wurde, wird immer mohr mit Zweifel und Arg-
wohn angesehen. Niemand in Frankreich glaubt, datz die Ent-
scndung von annähernd 5000 Transpoltsreiwilligen in das Ruhr-
gebiet Las Problem löjen lönne.

Sie Kampflage.

Jn Lem Hauxtausschusie des Neichstages, in dem am Donners-
tag verschiedcne Mitglieder des Kakinetts die Lurch den E nbruch
in das Ruhrgebiet geschaffene Lage erörterten und über die Absichten
der Negierung Mitteilungen macbien, sagte der Re chswirischafts»
minister Dr. Becker u. a.: „Der W i r t s ch a s t s k r i e g, >er dem
deuischen Volke aufgezwungcn ist, bedeutet eine schwere Rerv.nxrobe:
die Probe wird nur dann glücklich überstanden werden. wenn di«
Bevölkerung der Lesctzten Eebiete die feste Ueberzeugung haben
kann, datz alle notwendigen Matznahmen getroffen werden, um die
Not zu lindern." Die Aussprache zeigte bei den Parteien den ein»
mütig e n Willen — mit Ausnahme natürlich der Kommunislen —,
dies-e Entschlietzung der Regierung zur Ergreifung aller dieser not»
wrndigcn Matznahmen zu unterstützen. Alle Rcdner, so verschieden
im übrigen ihr Standpunkt wgr, zeigten sich duichürungen von dem
Empfinden, datz Deutschland eine seiner entscheidungsvollsten Schick-
salsstunden durchmache, und datz es jctzt gelte, mannhast der Eesahr
ins Auge zu blicken.

Eewitz werden die von der Regierung geplanten Matzregeln
gewaltige Opfer von uns erheischen, allein „Krieg" ist nun einmal
ohne Opfer nicht zu denken und noch niemals hat ein Krieg mit
besierem Gewisfen gesührt wcrden lönnen, als der Krieg, der uns
Waffen- und Wehrloscn aufgezwungen worden ist vom raubg er gen
Nachbarn, der in unfere Arbeitsstätten eingebrochen ist, um uns
den Rest desien, was uns der Dertrag ron Versailles noch geiasicn
hat, zu entreitzen und um uns das harte Joch Ler Skiarerei auf-
zuzwingen. Uud weil das jeder einzelne im Volke fühlt — mag
er bisher auch noch so sehr blotz dcn eigenen Jnieressen oder dcn
Interesien der Partei gelebt haben —, weil er jetzt am eigcnen
Leibe spürt, datz Wohl und Meh« des Einzelnen mit dem des Eanzen
unlöslich verknüpft ist, deshalb geht ein neues Fühlen durch
unser Volk: weil das Volk spürt, datz es ihm ans Leüep geht,
deshalb ist der Lebensirieb im Dolke wieder erwacht, deshalb tritt
der Wille zum Widerstand gegen rechtlose Gcwalttat in so über«
raschender Weise hervor, ganz von innen heraus, geir n'cht eiwa
„kommandiert", wie die Franzosen Lehaupten, und deshalb Lesteht
allen Herausforderungen zum Trotz Lei allen vornehmlich Betroife.
nen weiter die feste Entfchlietzung, stch nicht zu beugen.

Dr« Eisenbahner halten daran fest, nicht unier der Bcdrohung
durch französtsche Bajonette ihren Dienst tun zu wollen, die Berg»
arbeiter halten Laran fest, keine Kohlen fllr Frankrcich und Bel-
gien zu fördern, und es ist vorläufig nicht abzusehen, wie es die
Fsinde fertigbringen sollen, dicsem Widerstande entgegen die Schätze
des geraubten Eebietes für sich wirklich nutzbar zu machcn, ob-
wohl sie mit leidsnschaftlicher Energie alles daran setzen. ihr Ziel
zu erreichen. Was sie zu diesem Zwecke ins Werk gesetzt haben und
noch weiter ins Werk setzen werden, ist keinecfalls leicht zu nehmen.
Die 10 000 Eisenbahncr, die sie für die Bezwtngung der Vcrkehrs-
schwierigkeiten in das Land geschickt haben, werdcn schlietzlich doch
wohl etwas zu Wege bringcn, und es ist ja auch wenigstens mit dsr
Möglichkeit zu rechnen, datz die Franzosen auch auf anderen Ee-
bieten etwas von dem durchsetzen, was sie sich vorgenommen hcüen,
aber mehr als, s-agen wir, ein Achtungserfolg wird doch kaum zu
erzielen sein, Lcnn wenn sie auch wirllich Kohlenzllge aus dem Ruhr-
gebiet nach Frankreich in Eang b-ringcn: dah sie in abseh''arer Zcit
mit ihrcn Mitteln des Zwanges auch nur annähernd so viel aus
dem Lande herausbringen, als ihnen bisher a!s freiwillige
Lcistung zuflvtz, das erklären alle wirklich Sachverständigen als aus-
geschlosien. So w'rd also, selbst wenn w'r den günstigsten Fall an-
nehmcn, die wlrischaftliche Ausbeute stcherlich wsit hinter dem
zurllckbleiben, was die Vcrtreter dcr fran'östschen Wirtschafts»
interesien von dem Nuhrgebiet erpresien wollen: die Schwierigkeiten
der eigenen französtschen Wirtschaft, die schon angefangen haben,
werden also Lleil-en, sich vermutlich noch vergröhern, und ein Er -
folg, mit dem man paradieren lann, wird auf keinen Fall ein-
treten. Was aker die finanzielle Seite der Unternehmunz
angeht, so schcint ein voller Mitzerfolg unabwen>bar, denn die
Ruhrbesetzung selier, mögen die Franzosen auch noch so viel nach
Hunnenweise sich räuberisch aneignen,' sie kostet doch zunächst ganz
ungeheure Summen, ebenso werden die Kohlen. wenn sie sie be-
kommen sollten, doch auch bezahlt werden müssen, während früher
ihr Gegenwert auf „Rexarationskonto" geschrieben wurde: aus
diesem Finanzkapitel können also Herrn Poincare recht erheblich«
Schwierigkeiten erwachsen.

Jn der Tat liegen schon Anzeichen einer kritischen Stimmung
in Paris vor. Die Zeitungen fangen an emzugestehen, dah von
crheblichen Erfolgen noch nicht die Rede sein könne, sie be-
nutzen diese Feststellung freilich nur dazu, um der Regierung nahe-
zulegen, noch schärfer zuzufasien, um ten Widerstand, der offenlar
im Erlcchmen sei, völlig niederzuwerfen und damit dann anr Z!«k
zu kommen: aber man fragt sich vergebens, was denn an schärferen
Matzregeln noch angewendet werdsn folle, von dcnen man d>- crhoffte
Wirkung der Dümpfung und nicht die e n t g e g e n g e setz t e der
Steigerung des Widerstandes erwarten könnte. Auch die ärgste
Tyrannei hat schließlich ihre Erenzcn: es bleibt dabei: Bajonette
sind zu allem Möglichen gut, aler Kohle kann man nicht damit
fördern, und so wird denn das-schlietzliche Ergebnis nicht nur finan»
ziell, sondern auch wirtschaftlich ein Fehlbeirag sein.

Man beginnt das in Paris bereits zu ahnen und es hat sich
auch schon ein leichtes Unbehagen eingestellt, das in dem Wunsche
der Kommission der Kammer, Poincarö möge vor ihr erscheinen und
möge über die Ruhra'tion berichten. schon e nen recht deutlichen
Ausdruck gefunden hat. Poincarä hat zwar abgelchnt, diesem
Wunsche Rechnung zu tragen, er reckinet vielleicht Larauf, datz bald
die Lage sich so weit geändert haben werde, datz er im Tone des
Triumvhaiors zu reden in der Lage sein wird: allein es ist nicht
Lerade wahrscheinlich, datz diese Rechnuyg richtjg jst. auj ckeinen Fall
 
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