Za-rgmig Ar. 171
^-Badi lche Post^ crscheintwöchentl siebenmal. Veilnaen: DidaSkaN«(Sonntt —
^«terhaltungödlattlMontagr, - Litcraturstlatt-vo«bs»nidcilageln«o»atlich».
Betträge otzne Berantwortnng. Rürkiendung ma, n»enn Porto detltegt
voftlchech-iront» r »rankfnri a.«. »ichi,
__
Heidelberger Aeitung
(Gegründet (858)
wnd
Landelsblatt
SamStag, den 23. Zuni 1923
HanptgeschSftastelke n. Schristleitg der.Badische» Poft" Setdelberg, Kanotstr. SZ, Feenspr
Rr. 18L Berliner Dertretnng: Berltn 8V 48, Zintmrrftrast« g, Frrnspr gratr. «
iRLnchner Bertrrtnng: Mftmh-a, Georgeakr. K17, Verirspr. ri«S7.
^«»j-Bejugsvreis Ler „Bab. Post' MI. SSUV - (air-schl. Zustellgeriihri. Selbstabhol. illtl. 8500.-. AuSland Mk. 120M—
«bbestell.werd.nur bis zum L. jed.Mt- angenomMlii. Am l u.2. noch gelief. Zeitungen stnd nach d. Einzelverlauf-preiL zn be>
^bqlsn. Prei-d.EiuzeluumurerMl.80tt--. JftdieZditung amLrscheinenoerhindert,bcsteht lein Anspruch aufEntfchädigung
Anzcigcnvreise: die 44 n>w breite Nonpareillszetle lostet: lokale Stelleng-suche Ml.SS U. Gelegenhett-anzeigen Mk. 380.-«
Familienanzeigen Mk. 400.—, VeschSftsanzeigen Mk.800.—.Finanz- und Industrieanzcigen Mk. S00.-,mt« Platzvorschrift >m-
Montags Mk. 80.— mehr. Die S8 nun breite Reklamezeilc kostet Mk. 2000.—, Nnzeigen und Reklamen von auswärts 28^ HSHer
Vo« uvserer Berliner Redaktion.
Berliu, 22. Ium.
d, I« den LanLtagsdebatten dsr letzten Tage stand der
um Severing dervrt im Vordergruäde, dag ein politisches
fMeich wichtigeres Lrgebnis: „D i e vollstäudige Einig-
? > t aller Parteien in der Frage des Ruhrkampfes
tz« d des passiven Widerstandes" viel zu wenig Lerücksich-
ybt worden ist. An allen drei Berhandlungstagen ist die Ruhrfrage
xst den verschiedensten Nednern gestreift worden, so hestig auch der
^dipf tobie, denn es galt, stch mit den Merhoden des Kerrn Seve-
» M m u n i st e n.
Dkan mutz auf diese Einigteii in der Keurteilung der Widerstands-
^ Se hinweisen, angesichts desjüngftenAktessranzölischer
t^utalitätspolitik, Lurch die Hungerblockade den
^tren Abwehrwillen der Nv.hrdeoölkerung lahm zu legen. Von
^?r Hungerdlockade wollen die Franzosen naiürlich nichis wissen,
^ >st durchaus nicht ihre Absicht, die Ruhrbevolkerung auszuhungern,
Ab ganze ist fürstie nur eine „Frage her. Eiserldahn U'' (0 E»
Keradezu eine Verhöhnung des deutschen Standpunktes, wenn
°>ner Havasmeldung errtärt wird, üatz Frankreich ja durchaus nicht
^ Lebensmittelzufuhr in das Ruhrgediet verhindern wolle, datz es
lMehr angeboten have, gegen Erstaitung der Transportkostcn auch
" " " en. Ls ist setbstverjtändlich,
von so hcrausfordern-
Die Franzosen haben im Nuhrgebiei n . chts zu suchen, und
jst« Eingriffe i» das deutsche Eisenbahnsystem sind widerrecht-
e.4« Lkte, und eine Erstattung der Transportkosten an Frank-
M, also der Losten für den Transport unserer eigeneu Waren
U unjeren eigene » Bahnen würde eine Anerkennung des
^verrechtlichen srauzösischen Eiserrbahnrrgnnes bedeuten. Datz man
is Frankreich eine solche politische Torheit zutrrut. ist
^venia schmeichelhaft für die Beurteilung unserer volitlsche« Eiu-
Mssähigkeit, es ist aber doch dringend notwendig, datz den Frau-
jetzt mit aller Deutlichkeit vor Augem gesührt
'rd. r>atz selbst dte dummen Deutsche« aus etne st, grobschrö-
8e Melhode des französischen Gimpelfangs nicht hereinfallen.
l- Dasselbe gilt von den sogenannten Konzejsionen, die jetzt
Afranzösischer Seite angeboten werden für den Fall, datz wir den
Zssiven Widerstand aufheben würdenj nian juchl eben auf fran-
Mscher Seite mit allen Mitteln noch vor Lezmn von Verhand-
l^gen einen Erfolg zu erzielen mrd eine Nachgiebigkeit »orzutäu-
die in Wirklichkeit nichts anderes ist, als das starre Fest-
^iten der sranzösischen Eewaltpolitik an dem Lis-
(F. von ihr eingenommenen Siandpunkt. Da stellt man als Punkt 1
i?>«r .pKonzejstonen" die Zurückführung der Truppen aus jcner Zone
L.Lussicht, di« im Plane vom 11. Januar nicht vorgejehen waren.
K heitzt, man will die 15 000 Mann französijcher Truppen, die im
ijr^rz als Verstärkung nachgeschickt wurden, wieder zuruckziehen, im
^lgen aber das ganze Truppenaufgebot da lasjen, mit
Kanonen, Tanks und all den Ausrüstungen der erst-
Mgen Kriegstechnik, die bekanntlich nur „zum Zchutzc der
^zosischen Jngenieure" im Januar ins Ruhrgebiet eingeführt
-,sde. und dann das ganze Ruhrgebiet überftutete. Dasist
^lo die ganze «Fionzesjion". Diese Zurückziehung der
l^pen ist eine Konzession, die sich würdig Len anderen Ver-
NFechungen Poincaräs an die veite steüt, als Belohnung
s die Aushebung des passtven WiLerftandes, die Besetzung „u n-
h.4tbar" zu machen. Als eine weitere Konzejsion erfährt man
Schaffung eines französisch-englischen Schutzbünd-
wohl: Nur die Arbeiter sollen aus den Gesängnissen
^.asssn werden, eine Kortzession, die stch in jeder Beziehung in der
Mung der von den Fränzosen von allem Ansang an im Ruhrgebiet
^,'^ebenen Politik bewegt, nämlich einen Kerl zwischen die
l-ütschen Arbeitnehmer und Arbeitgeber treiben zu
!,,,uen. Auch die Zurückführung der ausgewiesenen Deutschcn in ihre
Heimatstädte will man gütigst gestatten, was vom deutschen
^Ndpunkte aus eine Selbstverständlichkeit sür jedes
atreten tu Nerhandlungen bedeuten mutz.
tz E» bedarf kaum eines Wortes, dah etn jolches
l?0gramm von Zugeständnisse« fur Deutjchland
>olai uudiskutabel ist.
VerdSchtige Sümmungsmache.
^Ugebliche Aunäherung der Reich»regierrmg an Fraakreich.
Vv« uuserem kl-Korrespondenteu.
Pari», 22. Juni.
Dte Gerüchte, die der „Daily Telegraph" verbreitet, als ob
k,^eichsregierung eine Annäherung a» Frank-
»stzsch zu direkten Verhandlungen zur Lüsung des Ruhrkonflikts
ks.^>te, werden vom „Evening Stanoard" ia erweiterier Form auf-
^blUlen. Es heitzt, Deutschland habe nunmehr eine bestimmte
eingenommen und direkte Besprechungen mit Frankreich
^^leitet, damtt engere Beziehungen wieder aufgenommen werdcn
»u^ten. Die Vorschläge Deutschlands wären vorerst noch nicht
man glaube aber, datz diese stch auf di« Bedingungen sür
Ibschluh eines Waffenstivstandes bezrehen. Ja London wird
Cerücht dementiert, als ob das engllsche Kabinett auf Frank-
'iiu! ^>nen Druck ausgeübt hätte, damit es eine direkte Derstün-
niit Deutschland in der Ruhrfrage suche-
ir. ^uch der „Pettt Parisien" glaubt versichern zu könuen. vatz dis
st, > chsregierung eine Initia t i v e ergreifen wolle, um
stj l-agc im Ruhrgebiet zu dessern. (!?) Das Berliner KaSinert
M," die französische Negierung herangetreier. um ernen Wafsen-
^üdud im Ruhrgebiei abzuschlietzen. (???) Wie weit aber die
^chläge d«r Reichsregierung gegangen seren uud welches Ber-
mittlers sie fich bedient habc, sei unbekannt, ebenso wie dies« Anträge
von Frankreich ausgenommen worden seien.
Rückkehr zm Geheimdlplomatle.
Keine sranzöstschc Antwort in Loudo« überreicht.
Von unserem^-Korrespondentcn
Londo«, 22. Juui-
Enigegen dcr in London verbreiteien Nachricht rst die ftan-
zösische Antwort an England auch im Laufe des gestrigen
Tüges nicht überreicht worden, und es scheint sogar Leines-
wegs sicher zu sein, Latz sie überhaupl in den nächsten Tagen
überreicht werden wird. Dagegen werden ohne Zweisel die diplo-
matischen Verhandlungen zwischen Paris, London
und Brüssel durch Vermittlung der Botschafter eifrst; weiter be-
trieben, über deren Verlauf auf allen Seiten strengstes Still-
schweigen bewahrt wird- Anherdem zeigt die gegenwäriige
allüerte Politik, dah man sich von der Methode der diplomatischen
Verhandlungen während der Nachkriegszeit abgewendet hat und zur
vollkommenen Eeheimdiplomatie zurückgekehrt
ist. Also auch darin hat Poincars seinen Willen vollkommen
durchgesetzt. r
Die zwischen London unü Paris sowie Brüssel uoch be-
stehenden Meiuungsverschredenheiten beziehen sich nach
den Londoner Blättern nicht so sehr auf die Frage der Besetzung des
Ruhrgebieis und des passiveu Widersiandes, als vielmehr aüf die
spätere wirtschaftliche Organisation des Ruhr-
gebiets. Die Engländer widerstreden der Ausbentung der „pro-
duktiven Pfänder", wie ste von Poincars geplant wird, und
wollen die Ruhr unter deutscher Verwaltung lassen, wenn vielleicht
auch unter einer obersten alliiertsn Kontrolle. Der „Daily Tele-
graph" ist der Ansicht, datz die Belgier auf dem gleichen Stand-
punkte stehen, schon well ste als gute Geschäftsleute üavon Lber-
zeugt seien, dah Deutschlandaufdem internationalen
Kapitalmarkt »iemals grötzere Kredite werde
findenkönnen. so lange seineZnduftrie nicht voll-
kommeusrei sei. Zedenfalls stnd akso die englischen Einwände
nicht im Prinzip gegen die französtscho Polittk gerichtet, sondcrn nur
gegen die w i r t j cha s t l ich e n Pläne PoincarLs, und auch dies
nur, weil man von ihnen eine Gefährdnug Englands be-
fürchtet.
Der Pariser Mitarbeiter der ^Limes" betont offen, daß die
Eiustellung des passiven Widerstandes keines-
wegs mit der Räumnng de» Ruhrgebiets in Zu-
sammenhang gebracht werden dürse. Das letzte Stück
des Ruhrgebietes werde erst dann geräumt werden. wenn auch der
letzte Psennig von Deutschland Lezahlt sein werde, und zwar werde
dieses letzte Stück Lssen selW sein, weil dieses am längsten Lesetzt
bleiben müsse. Die französischen Amneftierungen werden sich
auch auf keinen Fall auf Krupp und andere Führer der Ruhr-
indusirie beziehen, sondern höchstens auf gewisse Eruppen von
Arbeitern. (!!!) Die Gerüchte, dah Berlin durch die Vermittlung
einer neutralen Macht mit Paris in Verhandlungen eingetretrn jei,
werden in Paris nicht direkt dementiert, doch bewahrt man die grötzie
Zurückhaltung und es stnd keinerlei Einzelheiten darllber
zu erhalten. »
Zu der längst geplante« Zusammenkuuft zwischen
Poincare und Baldwin schreibt unser 8-Korrespondent: Der
offiziöse „Petit Paristen" berichtet heute, dah eine solche Zusammen-
kunst wohl nach der Uebersendung der sranzüsischen Antwort nach
London stattfinden könnte, datz jedoch Poincar«, so lange die
Kammer tage, sich höchstens auf einen oder zwei Tage von Paris
entfernen könne, datz also die Zusammenkunft entweder in Paris
selbst, oder aus l-albem Wege zwischen Paris und Lon-
don stattsinden mützt«.
Amerikas Zsolienkng immer schwienger.
Präfident Hardiug über die Notwendigkeit amerikanischer MitarLeit.
Bon unserem 8.-Korrespondenteu.
Paris, 22. Jllni.
Wie der ,Mew Pvrk Herald" berichtet, hat Prästdent Har-
ding jetzt seine Reise durch Alaska angetreten. Von den sür
diese Reise vorgesehenen 19 Reden hielt er die erste gestern abend
in St. Louis. und erwähnte in dieser Rede unter anderem auch,
datz eine Polittk der Zsolierung im Zustande ger gegenwärtigen
wirtschaftlichen Beziehungen der Völker zu einander für Amerrka
immer schwieriger werde. Eine Beteiligung Amerikas am internatio-
nalen Eerichishofe sei aus zwei Erllndeu nicht wünschenswert, ein-
mal sei die Jurisdiktion an diesem Gerichishofe vollkommen
abhängig vom Völkerbund, und zweitens mühien die Vertreter
Amerikas dann auch alle Vorteile geniehen wie alle übrigen Mächie.
Solange der Völkerbund seine jetzige Zusamnlensetzung und Befug-
nisse nicht geändert habe, stehe Amerika ihm immer ableh-
nendgegenüber. Harding schlotz seine Rede mit der Ver-
stcherung des besten Willens Amerikas, mitzuarbei-
tenanderErhaltung des Weltfriedens. Zn dem
grotzen Gefolge des Präsidenten befinden stch unter anderem mehrere
Eeneräle, drei Unierstaatssekretäre, darunter auch Hoover. Har -
ding wird erst Ende August über San Francisco und den
Panamakanal nach Washingto» zurückkehren.
*
Von unserem K-Korrespondenken wttd aus London berichtet:
Hiesige Blätter melden äus New Pork, datz in finanzielle»
Kreisen Amerikas eine starke Veunruhigung einge-
treten sei; es bestehe im grotzen amerikanischen Puülikum die feste
Ansicht, datz ein finanizelles llngewitter heraufziehe. Von seiten
der Börsen und der Finanzwelt werden die grötzten Anstrengungen
gemacht, um das Vertrauen der Oesfentlichkeit wieder herzustellen
und eine Panikstimmung zu oerhindern. Der Oberste Siaais-
anwalt Shermann hat sich darüber Leklagt, dah er in seinen Be-
mühungen, Licht in die wirischaftliche Lage zu bringen, nicht ge-
nügend Unterstützung Lei den Börsenbehörden finde,- er'verlangt, datz
die Börsenbehörden alle ihre Mitglieder anweisen, auf Ver-
langen alle Bücher offen vorzulegen, wenn dies nicht geschehe, dann
werde die Gerichtsbehörde schwache Maklersirmen
zum Bankrott zwiugeu, und anf di^se Weise die
Lag« kläre«.
PMsche Herostraten.
Der soeben nach fünfzehntägiger Verhandlung zu Lnde gegan-
geue MLuchener Hochverratsprozetz hat sich als lvahrer
Frosch-Mäusekrieg entpuppt. Zwar hängt das vom Staatsamoatt
beantragte Strafmah, das sür die Angeklagten zwischen 1 Iahr
Festung und lebenslänglichem Zuchthaus schwankt, bis zn d« a«
9. Juli erfolgenden Urteilsverkündigung wie ein Dmuoktes»
schwert LLer den Beteiligten: von der ganzen .Mrschwöruny" aber
bleibt nichts übrig als dflettantische Eitelkeit. Lrotz»
mannssucht, politisches Unvermögen und ein traurige»
Stück nachrevrüutionären Kondottieritunls.
Mmi vergegenwärtige sich ernmal, welche Köpse sich vermahe«,
das Schicksal Bayerns und damit indirekt des Deutschen Reiches «r
die Hand zu nehmen, und man wird die groieske Ver-lendung
dieser Phantasten erkeunen, dre ehe-r etnem Psychiater als de« Se»
fängnismauern Lberliefert gehören. Profesfor Georg Fuchs, eia
Literat und Kunstästhet von 50 Zahren, verbindet stch mit de«
jugendlichen Kapellmeister Hngo Machaus, der, als tapserer
Soldat nach seiner Heimkehr aus französischcr Kiiegsgefangenschaft,
von Hatz gegen Frankreich und die Anftistsr der Novembenevolutiso
crfüllt, sich der völkischen Bewegung angeschlossen hat. Zu ihne«
gesellt sich der m Ehren ergraute ehemalige Münchener Rechlsrat
Dr. Kühles, ein eingefleischter Parttknlarist, in dem trotz aller
hennatkichen Gesinnung die alten Rheinbundideen «nseligen napsleo-
uischeu Angedenkens unverdaut fortwirken. Wie eine verworrene
Phantasmagorie euttvickett stch ia ihnen ei» märchenhafter Plan, ein
vom übrigen Reich unaLHLugiges Bayern :n Verbindnng mtt
„Napoleoo denr Kleinen", sllss Poincar«, zu jchaffen, um dau»,
wenn Bayern wieder auf festeu Fützen stehen und zu wirtschrstlichcr
Blüte gelangt seiu wird, von hier aus das alio, durä) den Bolschs-
wismus zermürbte Reich einem geordnersn Staatsweseu zur>"ckzu»
führeu, rn dem Bayeru wieder seine alte Stellung als Dundesstaat
ernnehmen würde. Der Verbiudungsmarm mtt PoincarL, der Major
Richert, ein Elsässer, war bald znr Stelle u»id, da seine Dalnta-
gelder von mehr als 100 Millione» Mark der Organjjatiou den er»
wünschten Nückhalt gaben, hatte er leichtes Spiel. Das Verjchwörer-
trio gewanu in dem reichen Münchener Kohlenhändler Jakob
Munk aus Mährisch-Ostvau, der sein Zudentum ebenso abschwor
wie seine durch Zeugen erwjesene Zugehörigkeitzurtschechi-
schen Sozialdemokratie, «inen intelligenien Mithelfer, dcr
mit allen Wassern handelsoolttrscher Gehrttndiplomatie gewascheu
war.
Dreser Sesellschast ohne Hastung tr»t seruer erne Gemernschast
vou Gegenverschwörern uäher, in aer üesttmmten ALficht.
die „Bayern-Retter" in ihrem Wahn zu bestärken, mn sie desto sicherer
und erfolgrercher ans Messer liefern zu können. An der Spitze dieser
Eegenverschwörung stand der Major a. D. Mayr, etti ebenso
inielligenier als rücksichtsloser Sherlock Holmes raüivlvus, der seine
in der Absicht löbliche, aber in ihren Auswirkungsn ver L ch tlich^
Rolle so weit trieb, datz zwsi der Jdeologen, Dr. KLHles nnd
Hugo Machaus, freiwillig aus dem Lebeu schieden. mn nicht vmc
diesem Kronzeugen Mayr Sprehruteu laufen zu musien. So wurde«
Fuchs und seine Freuude auf der einen Seite durch den Frauzoseu
Richert satanisch getäuscht wrd auf der andern Seite dutch May-r
uud seiue Organisatton in nicht minder teuflischer Weife zum beste«
gehalten. Mayr soll ihnen vorgespiegelt habeu, er würde ats
Generalissimus des bayerischen Akttonsheeres, sozusagen wie ettr
zweiter Kemal Pascha tätig seru. Diese Rolle als Pseudo-Pascha
ru sps soll «r so täuschend gespiett haben, dah die beteiligten Leid»
tragenden noch heute <m die tatsächlich bestandene Abstcht des May «
glauben.
Fuchs ift, dies hat der Verlaus des Prozesses. erwiesen, eiue
von literatLnhafter Frivolität nicht freizusprechend« Erscheimmg, di«
temperamentvolleren Kühles und Machaus starben sreiwillig,
während der Tschechoslowake Munk als der geistrg Vegabteste auch
als am stärksten kompromittterk erscheint. Moralisch aber rückte der
Hauptzeuge Mayr, der es verstanden hatte, vaterländische Kamps-
organisationen gegen die .Sayern-Retter" mobil zu machen, von der
Aeugenbank aüs die Anklagebank. Der wrderliche Zynismus
seines Verhaltens vor Gericht, das „Augurenliicheln", mtt dem «
sich nach ergener Aussage während seiner Bespitzelung über die ins
Garn laufenden eigenen Landsleute „lustrg gemacht", stellte di« vater-
ländische Absicht dieses Zeugen ttr ern derartig merkwürdrges Licht,
datz der Verterdiger Graf P e st a l ozz a ihn als den ,chü s e n G «i st"
bezeichnen mutzte. Zwei Tote, zwei Angeklagte vor den Tore« des
Zuchihauses, der französische Spron eniwischt, dies ist dre Bilanz, fiir
di« der Zeuge Mayr als Leiter der Gsgenverschwöruug verani-
wortlich zu zeichnen hat.
Und di« Lehre aus diesem dre ganze polittjche llnfähigkett de»
deutschen Michels offenbarenden Prozeffes? Unser Dentsches Reich,
von Bismarck dem Unvergetzlichen auf festen Fundamenten ge-
fugt, in grandioser ethnographischer Eliederung errichtet, soll allc»
heilig sein als VorbNd und Grundlage des künftigen aus d«
geschichtlichcn Eniwicklung srch ergebenden Wsiterbaus unserer
grohen Volksgemernschaft, die nur m Ein-igkeit, Macht uud
Freih« i t gedeihen kmuu L 8.
^-Badi lche Post^ crscheintwöchentl siebenmal. Veilnaen: DidaSkaN«(Sonntt —
^«terhaltungödlattlMontagr, - Litcraturstlatt-vo«bs»nidcilageln«o»atlich».
Betträge otzne Berantwortnng. Rürkiendung ma, n»enn Porto detltegt
voftlchech-iront» r »rankfnri a.«. »ichi,
__
Heidelberger Aeitung
(Gegründet (858)
wnd
Landelsblatt
SamStag, den 23. Zuni 1923
HanptgeschSftastelke n. Schristleitg der.Badische» Poft" Setdelberg, Kanotstr. SZ, Feenspr
Rr. 18L Berliner Dertretnng: Berltn 8V 48, Zintmrrftrast« g, Frrnspr gratr. «
iRLnchner Bertrrtnng: Mftmh-a, Georgeakr. K17, Verirspr. ri«S7.
^«»j-Bejugsvreis Ler „Bab. Post' MI. SSUV - (air-schl. Zustellgeriihri. Selbstabhol. illtl. 8500.-. AuSland Mk. 120M—
«bbestell.werd.nur bis zum L. jed.Mt- angenomMlii. Am l u.2. noch gelief. Zeitungen stnd nach d. Einzelverlauf-preiL zn be>
^bqlsn. Prei-d.EiuzeluumurerMl.80tt--. JftdieZditung amLrscheinenoerhindert,bcsteht lein Anspruch aufEntfchädigung
Anzcigcnvreise: die 44 n>w breite Nonpareillszetle lostet: lokale Stelleng-suche Ml.SS U. Gelegenhett-anzeigen Mk. 380.-«
Familienanzeigen Mk. 400.—, VeschSftsanzeigen Mk.800.—.Finanz- und Industrieanzcigen Mk. S00.-,mt« Platzvorschrift >m-
Montags Mk. 80.— mehr. Die S8 nun breite Reklamezeilc kostet Mk. 2000.—, Nnzeigen und Reklamen von auswärts 28^ HSHer
Vo« uvserer Berliner Redaktion.
Berliu, 22. Ium.
d, I« den LanLtagsdebatten dsr letzten Tage stand der
um Severing dervrt im Vordergruäde, dag ein politisches
fMeich wichtigeres Lrgebnis: „D i e vollstäudige Einig-
? > t aller Parteien in der Frage des Ruhrkampfes
tz« d des passiven Widerstandes" viel zu wenig Lerücksich-
ybt worden ist. An allen drei Berhandlungstagen ist die Ruhrfrage
xst den verschiedensten Nednern gestreift worden, so hestig auch der
^dipf tobie, denn es galt, stch mit den Merhoden des Kerrn Seve-
» M m u n i st e n.
Dkan mutz auf diese Einigteii in der Keurteilung der Widerstands-
^ Se hinweisen, angesichts desjüngftenAktessranzölischer
t^utalitätspolitik, Lurch die Hungerblockade den
^tren Abwehrwillen der Nv.hrdeoölkerung lahm zu legen. Von
^?r Hungerdlockade wollen die Franzosen naiürlich nichis wissen,
^ >st durchaus nicht ihre Absicht, die Ruhrbevolkerung auszuhungern,
Ab ganze ist fürstie nur eine „Frage her. Eiserldahn U'' (0 E»
Keradezu eine Verhöhnung des deutschen Standpunktes, wenn
°>ner Havasmeldung errtärt wird, üatz Frankreich ja durchaus nicht
^ Lebensmittelzufuhr in das Ruhrgediet verhindern wolle, datz es
lMehr angeboten have, gegen Erstaitung der Transportkostcn auch
" " " en. Ls ist setbstverjtändlich,
von so hcrausfordern-
Die Franzosen haben im Nuhrgebiei n . chts zu suchen, und
jst« Eingriffe i» das deutsche Eisenbahnsystem sind widerrecht-
e.4« Lkte, und eine Erstattung der Transportkosten an Frank-
M, also der Losten für den Transport unserer eigeneu Waren
U unjeren eigene » Bahnen würde eine Anerkennung des
^verrechtlichen srauzösischen Eiserrbahnrrgnnes bedeuten. Datz man
is Frankreich eine solche politische Torheit zutrrut. ist
^venia schmeichelhaft für die Beurteilung unserer volitlsche« Eiu-
Mssähigkeit, es ist aber doch dringend notwendig, datz den Frau-
jetzt mit aller Deutlichkeit vor Augem gesührt
'rd. r>atz selbst dte dummen Deutsche« aus etne st, grobschrö-
8e Melhode des französischen Gimpelfangs nicht hereinfallen.
l- Dasselbe gilt von den sogenannten Konzejsionen, die jetzt
Afranzösischer Seite angeboten werden für den Fall, datz wir den
Zssiven Widerstand aufheben würdenj nian juchl eben auf fran-
Mscher Seite mit allen Mitteln noch vor Lezmn von Verhand-
l^gen einen Erfolg zu erzielen mrd eine Nachgiebigkeit »orzutäu-
die in Wirklichkeit nichts anderes ist, als das starre Fest-
^iten der sranzösischen Eewaltpolitik an dem Lis-
(F. von ihr eingenommenen Siandpunkt. Da stellt man als Punkt 1
i?>«r .pKonzejstonen" die Zurückführung der Truppen aus jcner Zone
L.Lussicht, di« im Plane vom 11. Januar nicht vorgejehen waren.
K heitzt, man will die 15 000 Mann französijcher Truppen, die im
ijr^rz als Verstärkung nachgeschickt wurden, wieder zuruckziehen, im
^lgen aber das ganze Truppenaufgebot da lasjen, mit
Kanonen, Tanks und all den Ausrüstungen der erst-
Mgen Kriegstechnik, die bekanntlich nur „zum Zchutzc der
^zosischen Jngenieure" im Januar ins Ruhrgebiet eingeführt
-,sde. und dann das ganze Ruhrgebiet überftutete. Dasist
^lo die ganze «Fionzesjion". Diese Zurückziehung der
l^pen ist eine Konzession, die sich würdig Len anderen Ver-
NFechungen Poincaräs an die veite steüt, als Belohnung
s die Aushebung des passtven WiLerftandes, die Besetzung „u n-
h.4tbar" zu machen. Als eine weitere Konzejsion erfährt man
Schaffung eines französisch-englischen Schutzbünd-
wohl: Nur die Arbeiter sollen aus den Gesängnissen
^.asssn werden, eine Kortzession, die stch in jeder Beziehung in der
Mung der von den Fränzosen von allem Ansang an im Ruhrgebiet
^,'^ebenen Politik bewegt, nämlich einen Kerl zwischen die
l-ütschen Arbeitnehmer und Arbeitgeber treiben zu
!,,,uen. Auch die Zurückführung der ausgewiesenen Deutschcn in ihre
Heimatstädte will man gütigst gestatten, was vom deutschen
^Ndpunkte aus eine Selbstverständlichkeit sür jedes
atreten tu Nerhandlungen bedeuten mutz.
tz E» bedarf kaum eines Wortes, dah etn jolches
l?0gramm von Zugeständnisse« fur Deutjchland
>olai uudiskutabel ist.
VerdSchtige Sümmungsmache.
^Ugebliche Aunäherung der Reich»regierrmg an Fraakreich.
Vv« uuserem kl-Korrespondenteu.
Pari», 22. Juni.
Dte Gerüchte, die der „Daily Telegraph" verbreitet, als ob
k,^eichsregierung eine Annäherung a» Frank-
»stzsch zu direkten Verhandlungen zur Lüsung des Ruhrkonflikts
ks.^>te, werden vom „Evening Stanoard" ia erweiterier Form auf-
^blUlen. Es heitzt, Deutschland habe nunmehr eine bestimmte
eingenommen und direkte Besprechungen mit Frankreich
^^leitet, damtt engere Beziehungen wieder aufgenommen werdcn
»u^ten. Die Vorschläge Deutschlands wären vorerst noch nicht
man glaube aber, datz diese stch auf di« Bedingungen sür
Ibschluh eines Waffenstivstandes bezrehen. Ja London wird
Cerücht dementiert, als ob das engllsche Kabinett auf Frank-
'iiu! ^>nen Druck ausgeübt hätte, damit es eine direkte Derstün-
niit Deutschland in der Ruhrfrage suche-
ir. ^uch der „Pettt Parisien" glaubt versichern zu könuen. vatz dis
st, > chsregierung eine Initia t i v e ergreifen wolle, um
stj l-agc im Ruhrgebiet zu dessern. (!?) Das Berliner KaSinert
M," die französische Negierung herangetreier. um ernen Wafsen-
^üdud im Ruhrgebiei abzuschlietzen. (???) Wie weit aber die
^chläge d«r Reichsregierung gegangen seren uud welches Ber-
mittlers sie fich bedient habc, sei unbekannt, ebenso wie dies« Anträge
von Frankreich ausgenommen worden seien.
Rückkehr zm Geheimdlplomatle.
Keine sranzöstschc Antwort in Loudo« überreicht.
Von unserem^-Korrespondentcn
Londo«, 22. Juui-
Enigegen dcr in London verbreiteien Nachricht rst die ftan-
zösische Antwort an England auch im Laufe des gestrigen
Tüges nicht überreicht worden, und es scheint sogar Leines-
wegs sicher zu sein, Latz sie überhaupl in den nächsten Tagen
überreicht werden wird. Dagegen werden ohne Zweisel die diplo-
matischen Verhandlungen zwischen Paris, London
und Brüssel durch Vermittlung der Botschafter eifrst; weiter be-
trieben, über deren Verlauf auf allen Seiten strengstes Still-
schweigen bewahrt wird- Anherdem zeigt die gegenwäriige
allüerte Politik, dah man sich von der Methode der diplomatischen
Verhandlungen während der Nachkriegszeit abgewendet hat und zur
vollkommenen Eeheimdiplomatie zurückgekehrt
ist. Also auch darin hat Poincars seinen Willen vollkommen
durchgesetzt. r
Die zwischen London unü Paris sowie Brüssel uoch be-
stehenden Meiuungsverschredenheiten beziehen sich nach
den Londoner Blättern nicht so sehr auf die Frage der Besetzung des
Ruhrgebieis und des passiveu Widersiandes, als vielmehr aüf die
spätere wirtschaftliche Organisation des Ruhr-
gebiets. Die Engländer widerstreden der Ausbentung der „pro-
duktiven Pfänder", wie ste von Poincars geplant wird, und
wollen die Ruhr unter deutscher Verwaltung lassen, wenn vielleicht
auch unter einer obersten alliiertsn Kontrolle. Der „Daily Tele-
graph" ist der Ansicht, datz die Belgier auf dem gleichen Stand-
punkte stehen, schon well ste als gute Geschäftsleute üavon Lber-
zeugt seien, dah Deutschlandaufdem internationalen
Kapitalmarkt »iemals grötzere Kredite werde
findenkönnen. so lange seineZnduftrie nicht voll-
kommeusrei sei. Zedenfalls stnd akso die englischen Einwände
nicht im Prinzip gegen die französtscho Polittk gerichtet, sondcrn nur
gegen die w i r t j cha s t l ich e n Pläne PoincarLs, und auch dies
nur, weil man von ihnen eine Gefährdnug Englands be-
fürchtet.
Der Pariser Mitarbeiter der ^Limes" betont offen, daß die
Eiustellung des passiven Widerstandes keines-
wegs mit der Räumnng de» Ruhrgebiets in Zu-
sammenhang gebracht werden dürse. Das letzte Stück
des Ruhrgebietes werde erst dann geräumt werden. wenn auch der
letzte Psennig von Deutschland Lezahlt sein werde, und zwar werde
dieses letzte Stück Lssen selW sein, weil dieses am längsten Lesetzt
bleiben müsse. Die französischen Amneftierungen werden sich
auch auf keinen Fall auf Krupp und andere Führer der Ruhr-
indusirie beziehen, sondern höchstens auf gewisse Eruppen von
Arbeitern. (!!!) Die Gerüchte, dah Berlin durch die Vermittlung
einer neutralen Macht mit Paris in Verhandlungen eingetretrn jei,
werden in Paris nicht direkt dementiert, doch bewahrt man die grötzie
Zurückhaltung und es stnd keinerlei Einzelheiten darllber
zu erhalten. »
Zu der längst geplante« Zusammenkuuft zwischen
Poincare und Baldwin schreibt unser 8-Korrespondent: Der
offiziöse „Petit Paristen" berichtet heute, dah eine solche Zusammen-
kunst wohl nach der Uebersendung der sranzüsischen Antwort nach
London stattfinden könnte, datz jedoch Poincar«, so lange die
Kammer tage, sich höchstens auf einen oder zwei Tage von Paris
entfernen könne, datz also die Zusammenkunft entweder in Paris
selbst, oder aus l-albem Wege zwischen Paris und Lon-
don stattsinden mützt«.
Amerikas Zsolienkng immer schwienger.
Präfident Hardiug über die Notwendigkeit amerikanischer MitarLeit.
Bon unserem 8.-Korrespondenteu.
Paris, 22. Jllni.
Wie der ,Mew Pvrk Herald" berichtet, hat Prästdent Har-
ding jetzt seine Reise durch Alaska angetreten. Von den sür
diese Reise vorgesehenen 19 Reden hielt er die erste gestern abend
in St. Louis. und erwähnte in dieser Rede unter anderem auch,
datz eine Polittk der Zsolierung im Zustande ger gegenwärtigen
wirtschaftlichen Beziehungen der Völker zu einander für Amerrka
immer schwieriger werde. Eine Beteiligung Amerikas am internatio-
nalen Eerichishofe sei aus zwei Erllndeu nicht wünschenswert, ein-
mal sei die Jurisdiktion an diesem Gerichishofe vollkommen
abhängig vom Völkerbund, und zweitens mühien die Vertreter
Amerikas dann auch alle Vorteile geniehen wie alle übrigen Mächie.
Solange der Völkerbund seine jetzige Zusamnlensetzung und Befug-
nisse nicht geändert habe, stehe Amerika ihm immer ableh-
nendgegenüber. Harding schlotz seine Rede mit der Ver-
stcherung des besten Willens Amerikas, mitzuarbei-
tenanderErhaltung des Weltfriedens. Zn dem
grotzen Gefolge des Präsidenten befinden stch unter anderem mehrere
Eeneräle, drei Unierstaatssekretäre, darunter auch Hoover. Har -
ding wird erst Ende August über San Francisco und den
Panamakanal nach Washingto» zurückkehren.
*
Von unserem K-Korrespondenken wttd aus London berichtet:
Hiesige Blätter melden äus New Pork, datz in finanzielle»
Kreisen Amerikas eine starke Veunruhigung einge-
treten sei; es bestehe im grotzen amerikanischen Puülikum die feste
Ansicht, datz ein finanizelles llngewitter heraufziehe. Von seiten
der Börsen und der Finanzwelt werden die grötzten Anstrengungen
gemacht, um das Vertrauen der Oesfentlichkeit wieder herzustellen
und eine Panikstimmung zu oerhindern. Der Oberste Siaais-
anwalt Shermann hat sich darüber Leklagt, dah er in seinen Be-
mühungen, Licht in die wirischaftliche Lage zu bringen, nicht ge-
nügend Unterstützung Lei den Börsenbehörden finde,- er'verlangt, datz
die Börsenbehörden alle ihre Mitglieder anweisen, auf Ver-
langen alle Bücher offen vorzulegen, wenn dies nicht geschehe, dann
werde die Gerichtsbehörde schwache Maklersirmen
zum Bankrott zwiugeu, und anf di^se Weise die
Lag« kläre«.
PMsche Herostraten.
Der soeben nach fünfzehntägiger Verhandlung zu Lnde gegan-
geue MLuchener Hochverratsprozetz hat sich als lvahrer
Frosch-Mäusekrieg entpuppt. Zwar hängt das vom Staatsamoatt
beantragte Strafmah, das sür die Angeklagten zwischen 1 Iahr
Festung und lebenslänglichem Zuchthaus schwankt, bis zn d« a«
9. Juli erfolgenden Urteilsverkündigung wie ein Dmuoktes»
schwert LLer den Beteiligten: von der ganzen .Mrschwöruny" aber
bleibt nichts übrig als dflettantische Eitelkeit. Lrotz»
mannssucht, politisches Unvermögen und ein traurige»
Stück nachrevrüutionären Kondottieritunls.
Mmi vergegenwärtige sich ernmal, welche Köpse sich vermahe«,
das Schicksal Bayerns und damit indirekt des Deutschen Reiches «r
die Hand zu nehmen, und man wird die groieske Ver-lendung
dieser Phantasten erkeunen, dre ehe-r etnem Psychiater als de« Se»
fängnismauern Lberliefert gehören. Profesfor Georg Fuchs, eia
Literat und Kunstästhet von 50 Zahren, verbindet stch mit de«
jugendlichen Kapellmeister Hngo Machaus, der, als tapserer
Soldat nach seiner Heimkehr aus französischcr Kiiegsgefangenschaft,
von Hatz gegen Frankreich und die Anftistsr der Novembenevolutiso
crfüllt, sich der völkischen Bewegung angeschlossen hat. Zu ihne«
gesellt sich der m Ehren ergraute ehemalige Münchener Rechlsrat
Dr. Kühles, ein eingefleischter Parttknlarist, in dem trotz aller
hennatkichen Gesinnung die alten Rheinbundideen «nseligen napsleo-
uischeu Angedenkens unverdaut fortwirken. Wie eine verworrene
Phantasmagorie euttvickett stch ia ihnen ei» märchenhafter Plan, ein
vom übrigen Reich unaLHLugiges Bayern :n Verbindnng mtt
„Napoleoo denr Kleinen", sllss Poincar«, zu jchaffen, um dau»,
wenn Bayern wieder auf festeu Fützen stehen und zu wirtschrstlichcr
Blüte gelangt seiu wird, von hier aus das alio, durä) den Bolschs-
wismus zermürbte Reich einem geordnersn Staatsweseu zur>"ckzu»
führeu, rn dem Bayeru wieder seine alte Stellung als Dundesstaat
ernnehmen würde. Der Verbiudungsmarm mtt PoincarL, der Major
Richert, ein Elsässer, war bald znr Stelle u»id, da seine Dalnta-
gelder von mehr als 100 Millione» Mark der Organjjatiou den er»
wünschten Nückhalt gaben, hatte er leichtes Spiel. Das Verjchwörer-
trio gewanu in dem reichen Münchener Kohlenhändler Jakob
Munk aus Mährisch-Ostvau, der sein Zudentum ebenso abschwor
wie seine durch Zeugen erwjesene Zugehörigkeitzurtschechi-
schen Sozialdemokratie, «inen intelligenien Mithelfer, dcr
mit allen Wassern handelsoolttrscher Gehrttndiplomatie gewascheu
war.
Dreser Sesellschast ohne Hastung tr»t seruer erne Gemernschast
vou Gegenverschwörern uäher, in aer üesttmmten ALficht.
die „Bayern-Retter" in ihrem Wahn zu bestärken, mn sie desto sicherer
und erfolgrercher ans Messer liefern zu können. An der Spitze dieser
Eegenverschwörung stand der Major a. D. Mayr, etti ebenso
inielligenier als rücksichtsloser Sherlock Holmes raüivlvus, der seine
in der Absicht löbliche, aber in ihren Auswirkungsn ver L ch tlich^
Rolle so weit trieb, datz zwsi der Jdeologen, Dr. KLHles nnd
Hugo Machaus, freiwillig aus dem Lebeu schieden. mn nicht vmc
diesem Kronzeugen Mayr Sprehruteu laufen zu musien. So wurde«
Fuchs und seine Freuude auf der einen Seite durch den Frauzoseu
Richert satanisch getäuscht wrd auf der andern Seite dutch May-r
uud seiue Organisatton in nicht minder teuflischer Weife zum beste«
gehalten. Mayr soll ihnen vorgespiegelt habeu, er würde ats
Generalissimus des bayerischen Akttonsheeres, sozusagen wie ettr
zweiter Kemal Pascha tätig seru. Diese Rolle als Pseudo-Pascha
ru sps soll «r so täuschend gespiett haben, dah die beteiligten Leid»
tragenden noch heute <m die tatsächlich bestandene Abstcht des May «
glauben.
Fuchs ift, dies hat der Verlaus des Prozesses. erwiesen, eiue
von literatLnhafter Frivolität nicht freizusprechend« Erscheimmg, di«
temperamentvolleren Kühles und Machaus starben sreiwillig,
während der Tschechoslowake Munk als der geistrg Vegabteste auch
als am stärksten kompromittterk erscheint. Moralisch aber rückte der
Hauptzeuge Mayr, der es verstanden hatte, vaterländische Kamps-
organisationen gegen die .Sayern-Retter" mobil zu machen, von der
Aeugenbank aüs die Anklagebank. Der wrderliche Zynismus
seines Verhaltens vor Gericht, das „Augurenliicheln", mtt dem «
sich nach ergener Aussage während seiner Bespitzelung über die ins
Garn laufenden eigenen Landsleute „lustrg gemacht", stellte di« vater-
ländische Absicht dieses Zeugen ttr ern derartig merkwürdrges Licht,
datz der Verterdiger Graf P e st a l ozz a ihn als den ,chü s e n G «i st"
bezeichnen mutzte. Zwei Tote, zwei Angeklagte vor den Tore« des
Zuchihauses, der französische Spron eniwischt, dies ist dre Bilanz, fiir
di« der Zeuge Mayr als Leiter der Gsgenverschwöruug verani-
wortlich zu zeichnen hat.
Und di« Lehre aus diesem dre ganze polittjche llnfähigkett de»
deutschen Michels offenbarenden Prozeffes? Unser Dentsches Reich,
von Bismarck dem Unvergetzlichen auf festen Fundamenten ge-
fugt, in grandioser ethnographischer Eliederung errichtet, soll allc»
heilig sein als VorbNd und Grundlage des künftigen aus d«
geschichtlichcn Eniwicklung srch ergebenden Wsiterbaus unserer
grohen Volksgemernschaft, die nur m Ein-igkeit, Macht uud
Freih« i t gedeihen kmuu L 8.