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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0759

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66 Zchrgmg - Ar. 123

I dost- erscheint wöchentl. siebenmal. Beilagen: DidaSkalia sSonnt.1 —

U«ne» ^»SSblattkMontags, - Litcraturblatt -Sochschulbeilagc «monatlichs.
l-—^riangte BettrLoe ohne Vermltworiung. Rücksendung nnr, wsnnPorto beiliegt.

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

«nd

Aandelsblatt

Samslag, den 5. Nal 1923

HanptgeschLftsstelle «. Schriftleitg der »Badischen Poft^Hetdelberg, Hauvtftr. 28, Fernspr.
Nr. 182- Berliner Dertretnng: Berlin 8V 48. Zimmerstrahe 9, Fernspr. Zentr. 415
Münchner Vertretung: München, Georgenstr. 197, Fernspr. 81087.

Nottsibcch-Nouto: Krankfurt a. M. »141»

»otischcck-Aovtv: SraEurt a.«. »141»


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Anzeigeuvrcis«: die44mm drelte N»npareille,eile kostet: lokaleStellengesuche Mk.80 -, N.Nelegenhettsanzeigen Mk. 199
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Montags Mk. 19.— mehr. Dte 98 mm breite Rcklämezetle kostet Mk. 699.—, Anzcigen u»L Neklamen von aurwärtr 25°/» höher

Ar ftanzösisch-belgWe Anlivori.

^»»sfichtlicher Inhalt.

Fühluncinahme mrter den Alliierte».

Eigene Drahtmeldung.

DAZ. Pari«. 4. Mai.

»hlle ^slgische Standpunlt bleibt diesmal wieder nicht
hst 'm^?»wirrung auf d!e Haltung Frankreichs. Wie bekannt wird,
"^terpräsidcnt Poincar«, der bedingungslos für eine Ab-
h>e M öer deutschen Note und die unversugliche Uebermittlung nn
^echni^u ^^^ierung eintrat, der belgischen Anschauung insosern
»ii tz M getragen, als er im Laufe des Donnerstag eine ziemlich
Ei,tt^,".h r I i ch - Antwoitnote verfatzte, di« eine Leutliche
llkgj "?)"llng auf die deutschen Vorschläge darstellt. Die französischs
^ittei^ Donnerstagabend durch Sonderkurier nacki Brüfsel über-
^rden ^°"^n und wird dor't vom beloischen Ministerrat geprüft
5- Nach Bekanntwerden der belaischen Entscheidung sall di«
ZUr englssKcn Regierung und den andernAlliierten
. » ntnis gebracht werden und am Samstag wtrd ste

Nriz^'nlick» nach Berlin Lbermittelt werdcn. Man schcint in
"stt ^!»»ner noch nicht davon überzsugt zu sein, datz Bclgien qanz
°>Usg ? iranzöstschen Text einverstanden und auf die Sntsendunz
Nuttzr,.Wnen Kuriers verzichten werde. Das gewöhnlich sehr gut
^eitz, ^lete -E ch o de Parts" meint. wenn die Belgier noch
!»erde„^»» sollen in d«r Definierung eincs positiven Progranims,
"> Aeiiwahrscheinlich di« Verantwortung auf stch nehmen mllssen,
U c E'ueu eigenen Text zu überreichcn.

Jnhalt der Note berichtct der „Petit Parisien"
^>chj 'ch> Frankreich und Belgien können zwar die deutsche Note
!^hiNe„ ?.ls Ausgangspunkt fürVerhandlu ngen
"Uktj-z, ' n« werden aber Deutschland nicht länger im llnklaren

»U.„

'»»lchen Bcdingnngen fie bereit find, Berhandlungen zv eröisnen:

»U tz,leder Nerbandlung mutz der pa ss i v e W i d e r st a n d
E»sten N»hr aufhören, da ss nicht Lblich ist. datz die Feindselig-

Resolutionen von Brüffel und Paris. Frankreiich und
^»kern wnnen das Pfand der Ruhr nicht gegen Nersorechungen.
z" »ur gegen Realitäten aus der Kand geben.
-peutschland mutz den Zahlungsvlan vom Mai 1821 als
stche V*!»8sgrund lage beibehalten, anstatt willkür-
»Up ^»»uktioncn vorzuschlagen. Das soll nickit heitzen. datz man
ttanMUchland 132 Milliarden vsrlanqt. Bekanntlich hat sa die
U Vk.n; ^ Regierung öffentlich crklärt, datz ste die O-Bonds. die
.N»den betragen. qegen die interalliierten Schulden itreiche.
Vi >»>ost menn Deutschland eine lächerlich« Zabl, z. B. 40 Milliar-
§ilp.""*LeschIagen HLtte, was eine diskutable Zahl wäre,
L?rderi, natürlich nur in dirse Redukti 0 n seiner

einwilligen, wenn die interalliierten Schulden ge-
4 ?urden.

^is^ V'nstch.lich der Sicherheiten mutz Deutschland prak-
^,aiantien vorschlagen, anstelle von mehr oder
tz, 8r» , ^'^»»ruflichen Sicherheiten.

iib^i >vu 'A und Delgien stnd entschlossen, über diese Punkte
rbvRheiör handeln zu laffen. sondern eher ihr« Aktian
»»hn« ^ und an der Ruhr auf unbestimmte Dauer aus-

n? fos^^Kurrespondent drahtet uns aus Päris unter dem 4. Mal
tz,?r Der belgische Botschaster in Paris. Baron Gaif-

bei N "'ioy, erschien heute im Laufc des Vormittags zwei-
k,.. v«n fj>?'llcarä. um Mitteilunflen seiner Rsqierunfl wegen

i^>r ^ute nachmittaq wurden die Besprechunqen zwischen
->ese^uud B rüssel for'tgesetzt. Sie konnten aber wegen der
st?> lltzi, spanischen Königspaares in der belglschen Haupt-

ffp. Kförb?, 6° der Verhinderung der belgischcn Minister nicht
^.o^urtep ^ werden. Es gilt aber als zweifellos, datz die beiden
>h,.'» stanzösischen und der belgischen Reqierung am Sams-

lA>» sw»^>n eintreffen werden. Es steht Nicht fcst, datz ste tn
Reai». uut gleichlautend sein werden. Mahrscheinlich wird
wit >hrer eigenen Anschauiing Ausdruck geben. Eleich-
Uebermittlung dieser Noten an das dcutsche Kabinett
^W»»heii ^ übrigen ANiierten zukommen, die infolgedeffen keine
u>«p »aben werden, auf dcn Ton und den Inhalt der frcm-
° belqjschea Note Einflutz zv nehmen.

, Vrozeß ge-en die Mp»-Mrekt»ren.

vor!!s:^' Rkai. Mit mtlitärischer Pünktlichkeit erscheinen ui
»ist»>>ed,r im grotzen Saal des Maatzschen Easthauses d

!»»o° ützi„ stanzösischen Kriegsaerichts. Der Saal i
»<°» hj„ °°w Publikum Lesetzt, denn Werden ist nach allen Rick
»Nb Ä^>>ärisch scharf abgesperrt- Nur Werdener Eil
v i>Ukch^°ber besonderer für den Prozetz ausgcstellter Karte

iten, an

»>n« wie so viele andere den schweren Gang antrete
i>«r aber wirkungsvolle Huldigung dar. Nach Fes

, f> d dj- qÄ°»a>ien der Angeklagten verlirst der Eericht!
„ sif^Nch i n" .°0»!chrift, in der den Beschuldtflten Komplot
»?»> 7^» n I-»»'onen gegen die Sickerheit der sran
^Diär- !"ül'«n, Veritotz aeaen die Nerardnuna Nr. 2

^ " p t'»» , Verstotz gegen die Verordnung Nr
^ig^^'« prt.b»>» Störung der ösfentlichen Ordnung und Derst.
Ä»d° °»8enon,?^uug v°m 11. Januar vorgeworsen wnd. Na
^«k?? der »»«reift namens der Verteidigung. die m de

''») „Ü. ^utschen m.--.- (Essen), Wols

des schweizerische

»Nd Rechtsanwält« Erimm

>»ust!zrat WandeI (Effen) sawi«

Rechtsanwaltes Moriaud liegt, Rechtsanwalt Erimm das Wort.
Er legt mit rein juristischen Erllnden noch einmal geaen die Recht-
mätztgkeit französischer Gerichtsbarkeit gegen deutsche Bürger Pro-
test ein. Obgleich dem französischen Staatsanwalt
vorher von diesem Vorgehen Mitteilung gemacht worden war, be-
nutzte dieser die Gelegenheit zu einer 'scharfen, ausfallenden poli-
tischen Rede. Die Verteidigung verzichtet darauf, ihm in dieser
Richtung zu folgen. Rechtsanwalt Moriaud-Eenf spricht sein
Bedauern Lber Las Vorgehen des Staatsanwaltes aus. Daranf
zog sich der Eerichtshof zur Beratung zurück und erklärte stch nach
längerer Beratung fur zuständig.

Die ZS-en lansen weiter?

Engländ sucht de« radikalc« Bruch zu verhindern.

PSris, 4. Mai.

Der „Figaro" glaubt zu wissen. datz bei seinem gestrigen Besuch
der englische Botschafter Lord Lrewe sehr wahrscheinlich dem
französischen Ministerprästdenten Aklärt habe. so unannehmbar auch
die deutschen Angebote seicn, so könnten sie doch die Eröffnung
von Verhandlungen gestatten, in deren Vcrlauf diese An-
aebote verbeffcrt werden könnten. Diesc DSmarche entspreche der
britischen Polittk, die, so fügt das Blatt hinzu, ohne an der Ruhr-
aktion teilzunehmen. di« Besetzung nicht behtndern wollte, jedoch jede
Möglichkeit «iner Jntervention ergriffen hätte. — Die „Erc
Nouoelle" schreibt, Lord Crewe habe von Poincarv einige
Aufklärung über die genaue Stellung Frankreichs in der Debattc
verlangt. Man tuschele, datz der britischc Botschafter, indem er die
von der englischen Regierung formulierte Kritik gegen die deutschen
Vorschläge unterbreitet habe, zu verstehen gab, dah es nicht an -
gebracht sei, in nicht wieder gutzumachendev Weife die
Brücken zwischen Frankreich und den Alliierten abzubrechen.
Die „Ere Nouvelle" fügt hinzu: Wir sind nicht in der Laze, zu er-
griinden, welches der Wert einer solchen Borstcllung sein kann.
Aber wir glauben, datz sie auf alle FSlle dcn Befllrchtlingen derer
entspricht, dic weder cin erniedrigtes Frankreich nach der Ruhr-
besetzung wünschen noch ein Frankreich, das emem feindselitzen
Euröpa gegenübersteht. Man sage, dah die Nüte, durch die P 0 in -
car 4 dem Reichskanzler Lun 0 antworten werde, in einem 1« r i -
stischen Geist abgefaht sei, und dah sie fich bemühe, dem Reichs-
kanzler zu beweisen, datz er im Namen eines Lesiegten Volkes und
eines Schuldners spteche, und dah er auf keinen Fall die Rollen
vertauschen könne. Nach dem Blatt darf man eine Frage von so
wichtiger Bedeutung nicht zu einer Prestigefrage machen. Das
Problem sei in erster Linie praktischer Ärt, und in praktischer Weise
mllffe man denken und Beschlüffe faffen. Die „Ere Nouvelle" wirst
der deutschen Note vor, datz ste den Friedensgeist und den Geist
europäischer Wiederaussöhnung (!) vermissen laffe. Di« demo-
kratischen Parteien Frankreichs wollten den Frieden. aber ste molltsn
ihn in Würde. Um Europa wieder aufzubauen und die Ruinen
wieder herzustellen, sei es notwendig, datz eine sehr weitgehend«,
sehr generöse und sehr posttive Politik betrieben werd«. Aber beoor
man dazu gelange, sei es unerlählich, dah die grotzen Nationen mit-
einander verhandelten.

Sie ftanzöfifthe Schwerindnstrie.

Die industriellen Schwieriflkeiten de» Rohrkonflttt«.

Paris. 4. Mai.

Der „New Nork Herald" Lerichtet LLer die Faltung der
französkschen Schwerindustrie. PoincarS sei setzt
der ständigen llnierstützung des Comit4 des Forges stcher.
das zwar Abmachungen über den Austausch von Koks und Erz an-
strcbe, seine grötzte Hoffnung aber darcin setze, mit der französtschen
Rcgsprung geqen den Reichskanzler und die deutschen Jndustriellen
zu arbciten. Unzweiselhaft sei in den Rcihen des Comits des Forges
eine gewiffe Flaumacherei zu verzeichnen gewesen. Es verlaute so-
gar, datz die Gruppe Schneider angesichts Ler Unfähizkeit dcr
Franzosen, die lüirtschaftlichen Matznahmen im Ruhrgebiet nutzbrin-
gend zu gestalten, jetzt bereit sei, nahczu sede Verhandlungsgrund-
lage zu akzeptieren und eine internationale Bewegung zugunsten
einer LLsung ins Werk zu setzen. Die Haltung der fllhrcndsn Mchr-
heit im Comit4 des Forges sei indeffen von Hübert de Wcn-
d e l, deffen Familie jetzt den Direktionsausschutz des Comit4 des
Farges kontrolliere (Anmerkung des Berichterstatters: Die Eruppe
Schneider hat vor einigen Tagen ihren Vertreter aus dem Direk-
tionsausschutz zurückgczogen.) in einer Rede in der Handelskammer
inMetz dieser Tage beschrieben worden: „Wir in Lothrinqen stehen
in einer Schlacht, die rinen grotzen Abschnitt in einer neuen Art
von Wirtschaftskrieg darstellt, der seit Januar im Eänge
ist: aber es ist eine falsche Vorstellung. datz die ostsranzöstsche Metall-
industrie der Anstiftcr der Operatkoncn im Ruhrgcbiet sein soll. Sie
ist niemals von der Rsgierung zu Rate gczogen oder vorher benach-
richtigt worden, und die Regierungspolitik wurde von nationalcn
Erwägungen geführt, die weit über die Sonderintereffen der Jn-
dustrie hinausreichen. Die Deutschen haben einen schweren Fehler
begangcn, zu glauben, datz die Verlegenheit. in die ste die franzö-
stsche Metallindustrie brachte, auf die französtsche öffentliche Mei-
nung odcr auf die Entscheidung der Regierung Einflutz gewinnen
wllrde. Es ist indeffen richtig, datz die Metallindustrie in Loth-
ringen in diesem Kampfe einen schwcren Schlag crlitten hat.
Drei Viertel der Hochöfen, die im Dezember arbeiteten mutzten
ausgeblasen wcrden, und die Metallproduktion stellt jetzt nur
etwa etn Fünftel derjenigen des/ Monats Dezember dar."

ZranMcher AuSfuhrabgabetarif.

Nach einer Havasmeldung aus'Koblenz hat die inter-
alliierte Rh« i n la nd ko m m i ss i 0 n «inen Ausfuhr-
abgabetaris gutgeheitzen, der am 1. Mai in Kraft getreten ist.
Der Tarif, der dem vorläufigen Zollregimr in dem besetzten
Eebiet ein Ende mache, sei im grohen nnd ganzen aus dem deut-
schen Tarif von 1921 aufgebaut, ohne Rücksicht jedoch auf di« von
der deutschen Hegierung kürzlich zn mehr politischen als wirtschaft-
lichen Zwecken vorgenommenen Aenderungen.

Sa- Snde deS europäischen Gleichgewichtt.

Die Aufrechterhaltung des europäischen Gleichgewicht«
ist seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts der Leitzedank« d«r
Politik Englande gewesen, das heitzt England duldete

1. nicht, daß «ine Festlandmacht so stark wurd«, datz fi« ihnen
gefährlich häite werden können, die Machtverteilung sollte vielmehr
so sein, dah die Festlandmächte stch gegenseitig pie Wagc Hielten,
und England den Ausschlag geben konnte. Dazu war es

2. das enzlische Bestreben, die Gegensätz« zwischen d«n Fest.
landmächten so stark zu halten bezw. so zu verschärfen, dah ekn
europäisches Bündnis gegen England auszeschlossen war, dah viel»
mehr stets die Lbrigen Feftlandmächte in Englands Feind auch ihre»
Feind fandcn, den ste mit Einsatz ihrer ganzen Macht bekämpften.
Vom englischen Standpunkt aus ist diese Politik durchaus verständ-
lich. England braucht das sogenannte «uropäische Eleichgewicht, um
seine ganze Kraft für die Weltpolitik, die Behauptmig der englische«
Vörherrschast über das Weltmeer und den Welthandel ftei zu haben.
Ueber 200 Jahre lang hat di« englisch« Politrk e» meisterhast ver-
standen, dieses Ziel mit denkbar geringsten Opfern zu erreichen und
Enzland verdankt diesem. System seine Eröße und seine Weltherr-
schaft. War ein Eegner so weit geschwächt. dah «r England nicht mehr
gefährlich werden konnte, verstand man es wunderbar, den politischen
Kurs zu wechseln. Das parlamentarisch« System wurde meisterhaft
hierzu ausgenutzt, eine Neuwahl des Parlamsnts brachte nötigensalls
einen Wechsel der herrschenden Partei und ein neues Ministerium
amtete der biehsrigen gerade entgegengesetzten Politik. Der ge-
schlagene Eegner wurde sogar aus Kosten der eigenen Verbündeten,
so z. B. Frankreich nach der Befiegung Napoleon» I. so geschont, datz
das Eleichgewicht nicht gefährdet wurde. In Versatlles ist
England zum ersten Male von diesem Erundsatz avgcwichen und hat
zugegeben, datz das zusammengeLrochene Deutschland dem ftanzösischen
Hatz und Vernichtungswillen geopfert und so wehrlos gemacht wurdr,
daß es nicht mehr als Eegengewicht gegen di« anderen europäischen
Mächte in Betracht kommen konnte. Das fruhere sofortige Umlenken
wat nicht möglich, da im Gegensatz zu früheren Zeiten England dies-
mal selbst setne eigene Volkskraft ins Feld hatte fllhren müffen und
zu diesein Zweck einen solchen Hatz gegen Deutschland entfacht hatt«,
datz die ausschlaggebend gewordene große Maffe ein solches Vorgehen
nicht begriffen und deshalb auch nicht geduldet hätt«. Wir wisse»
aber heut« schon, datz die weiisichtigen englischen Staatsmänner schon
zur Zeit der Pariser Berhandlungen die Gefähr erkannt und sich nur
widerwillig dem Machtgebot Elemenceaus gebeugt haben.
England hat politisch und wirtschaftlich an der völligen Vernichtunz
Deutschlands kein Intereff«, im Eegenteil, «s braucht Deutschland al»
Eegengewicht gegen Frankreich und als Abnehmer für «nglische
Lrzeugniffe. Es hat sich schon zur Genüge gezeigt, datz Englandr
Handel und Industrie ohne ihren besten Kunden nicht bestehen können.

Seit Versailles haben dle Ereigniffe stch folgerichtig weitet-
entwickelt. Nach der Wehrlosmachung Deutschlands hat Frank»
reich durch seine ungeheuer gesteigerten RLstungen — Flieger«
gcschwader, Il-Voote und Ferngrschütze — an der englischen Kanal-
. lüste und di« Heere seiner slavischen Dasallen ein« so Lberragende
Macht bekommen, wie keine Festlandmacht mehr seit Jahrhunderten
beseffen hat, und dir ftanzösisch« Politik hat deutlich gezeigt, datz
ste kein Bedenken trägt, diese Macht auch gegen den bisherigen
Bllndesgenoffen abzuwenden. Seit Versailles ist der heftigst« Kampf
zwischen Lngland und Frankreich im Gange, bei dem bisher alle
Vorteile auf der Seitc Frankreichs stnd. Infolge der grotzen Schwie-
rigkeiten, die der Krieg in den verschiedeiisten Teilen des «nglischen
Weltreiches hervorgerufen hat, hat England vor der ungeheuren
Macht Frankreichs immer weiter zurückweichen müffeNj auch !n
Fragen, in denen es seine Lebensinteressen bedroht sah, wi« in der
Zuweisung Oberschlesiens an das mit Frankreich wirtschaftlich und
politisch verbündete Polen und den Eiümarsch in dae' Ruhrgebiet.

England hatt« in Deutschland seinen Hauptgcgner qe-
sehen und Frankreich nach Faschoda nicht mehr für gefährlich
gehalteN. Es hat stch hierin verrechnet! Als riesengroße Ee-
fahr für England steht tn Frankreich die Adee Ludwtg XIV. und
Napoleons I- Das heutig« Frankreich, das Englands falsche Politik
zu grotz hat werden laffen, bildet sogar eine größere Gefahr, als jen«
beiden Todseinde Englands rs je gewesen sind. Frankrcich ist jctzt
daran, stch die unumschränkt« Herrschaft über Europa zu verschaffen.
An der Ruhr entscheidet sich mit dem Schicksal Deutschlands das
Schicksal Englands und damit auch Europas. SiegtFrantrekch.
ist Deutschlandspolitische und wirtfHaftliche
Freiheit ouf absehbare Zetten oernichte^. Von ciner
Annexion der Rheinlande ganz abgesehen. ist Deutschland dan«
verurteilt, stch Frankreich willenlos zu unterwersen'. Frankreich -K.
herrscht dann die Kohlenschätze und Eisenindustrle Turopas, es ^e-
herrscht di« deutschen Arbeitskräfte in jeder Form und hat in der
deutschen Volkskraft einen unerschöpflichen Menschenvorrat zur Aus-
stellung van Truppen, di« wi« unter Napoleon I. für den ftanzöstschen
Imperialismus kämpfen miissen. Dazu wird Frankreich auch die
deutschen II-Doot« und Heeresfloite wieder unter ftanzösischer Obu-
leitung aufleben laffen.

Ein Frankreich, das di« Meeresküste von Königsberg bi»
zum Golf von Biskaya und das westliche Mittelmeer beherrscht. dae
in Marokko steht und nach Lngland das zrötzte Kolonialreich i-e- v-
 
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