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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 90 - 118 (1. April 1923 - 30. April 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0567

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^ Zchrgang - Nr. SZ

« Vost" crlcheint wöchentl sitbenmal. Bet'a"en: Didaskalla lSonnt.> —

U^.„,E>aItunnSl>Iatt lsrrel»na«> - Llteratnrblatt —SochsÄulbtttage lm o na tl i chs.

"»»»^^«teBetträae ohne Verontwortun». Rücksendnna nur, wenn Porto beilieat.

Hei-elberger Zektung

(Gegründet 1858)

rmd

Aandelsblatt

SaunerStag, de» 5. Aprtl 1S2Z

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Familienanzeigen Mk 8' .—. NekchSkteanzeigen Mk.l7S -,Finanz> und Industrieanzelgen Mk. LS». ,m:t Plazoorschrist nnd
MontagoMk. l».- mchr. Die 88 mm brette Rcklame .eile kostet Mk.gl!».—, Anzetgen nns Reklamen von anrwärtr 2S'/« höher

>

VoM Genuglumg gefordrrl!

Dle Protestnote der Nelchsregierung anlSßlich des Effener Blutbades.


Berliu, 4. April.

ye Eeschäftsträger in Piiis wurde beauftragt, der
ilu na ^gierung wegen der Vorfälle in Essen folgende

d Die

Mrgeb-^°^"nnenheit und Eeduld, nnt der die Bevolkerung des

erung jetzt ein Verbrech >
erigenllntaten inden
at ein in die Kruppfchen Werke
es KommanLo, ohne ange-
ii^demon^" nuch nur bedrohtzu sein, in eine Menge sried-
tz,chez Mrierender Ar-citer hinelngefchossen und ein entfetz-
M, m-ni^utbad angerichtet. Dreizehn Arbeiter wurden ge-
E>I sg -V "ls dreißig verwundet. Die Verwundungen find zum
fZg, --„5- weitere Todesfälle zu befiirchten sind.

»»^fchen wurdc übcr den Verlauf der Ereianiffe von den

hM 7 AEhorden folgcndes festgestellt: Am 31. März morgens
A-Ä» besctzten französische Militärabteilungen ohne vor-
.^digunfl in den Kruppschen Werken die beidsn Hallcn
° der a Perlonenkraftwacren. Während die Besetzung der
kib ^ltten - "kraftwagen alsbald avfgehoben wurde, verblieb in
mr>5°'">nan> Fabrik gelegenen Halle der PersonenlrafLwagcn



von einem Oflizier und elf Mann, das die Halle
Kommission sranzösischer Offiziere die
und beschlagnahmt haben würde.
de^"mH^brren oesiano, ähnlich wie auf anderen Werlsn,
..... -^n,c.-7?"Eeitung und dem Betriebsausschutz der Arbeiter-
ih^ris»»» )S°ft die Verabredung, datz im Falle etner
ks^g iöe.etzung ein Signal kür die Arbeitseinstel -
8 ir? °°>etzten Werkteilen gegeben werden sollte. Nachdem
"yr zu>ei Mktglieder des Betriebsrates vergeblich mit
^srabr k ^ommandos verhandelt hatten, wurden aufErund
?rz.!d unu >°"3 und zwar im Einvernehmen zwisckien dem Direk-

^ uno zrvar lm Vlnverneqmen zwljmen oem ^nrer-
^em Betriebsrat. gegen 9 Ühr als Skgnal siir die
»«-»„ ""3 in dem benachbarten Fabrikbezirk die Dampf,
^b„„estStt» "' Die Arbeiter dieses Bezirks verlietzen darauf die
K und versammelten fich in arotzer Menge in der Um-
Leri^vvstf:» >^ten Halle, um geqen den militärischen Einqriff
>>chzE», 'Eron. D:e Führer der Arbeiterschaft wrederholten ihren
, "ommando unter Eswährleistung seiner persönlichen
da» m Fortgehen zu Lewegen. Obwohl der französische
s Erbieten ablehnte, blieb die Menqe in voller
'?t während der qanzsn Z-it den Ranm vor der
d?I>iL°ysia>,L,7 lf? > gelaffen: auch wurden etwa um 1vi< Uhr die
Qsf?,^ °>n»estellt. Kurz nach 11 Uhr lietz jedoch der fran-
"ftch >°r Unu jede Herausforderung seitens der

"e», »hne jede Warnung vlötzlich das, Feuer eröffnen.
r>ten Schutz lief die Menge auseinander, wurde aber

i»sse ftsti,-->. ""f der Flucht voch weiter Leschoffen.

'"vrd"' «Echen Toldaten haben dann die Kruxplcben Werke ver-
, auch nur einem von ihnen ein Haar gekrümmt

^ta^S-bli^

v^Uu».?u s wird von sranzöflscher Seite versucht. diesen Tat-
i't E tun^.t Ichen und so über das schwere Berschulden der Be-
>e 1» °. v ernen Sckileier ru werfen. Sofort nach dem Dorfall

zu verbreiten gewutzt, wonach

N,. tza>>„ -5'tren Schleier zu werfen. Sofort nach dem Dorfall
L't M'ter^Agentur Meldungen

beworft

ker sugt h'


?'« U^'tteg .bas /ranzüsische Komman>o mit Revolvern bedroht,
Alt^^eut^ "eworfen und mit heitzen Dämpfen angeqriffen hätten.

-E" 8^31 hinzu, das ganze Unglück fei von entlaffenen Be-
dje d/lolizei provoziert worden, die man zu diesem
k?boi»a°kun>./oe.riebe eingestellt habe. Die vernommenen Augen-
I^liir, t hgtt»" ubere'nstimmend. datz keiner der Arbeiter einen
s>İll. Ä k e s «""b tfatz sich die Mcnge trotz ihrer bcoreiflichen Er-
Ut s.. Djx sa ° r Tät l rch k e i t oder Drohung hat h'nreitzen
e-° 8eri^?°^°entur selbst mutz zugebcn, datz die Soldaten
em°r>>°"°U iMe Verletzunn erlitten baben. "" ..

i>?eie»a°li »^Me. Verletzunn erlitten haben. Jbrer Mittcilung
de^ T^Hagru^» ^ ^^li Annrisf mit heitzen Dämpfen liegt nichts


... ..b »leitung von früheren Beamten der Kchutz-olizei

: An den,'zu plumv. als datz ste der Widerlsaung
Sverk7,^"^uch- die Schuld an dem Vor'all dem Direk-
lei?0si !°hlsbab-, -^ltsckueben, will sich anscheinend auch der franzö-
D !,r Äritc>s'-"^ll°" beteiligen. Er hat am Ta"e nach dem
Sle?!^ N°ften »n^d.er des D rektor.ums und e.nen Abteilungs-
b/.'H ?°lr.. ^ uad ins Zuchthaus van Werden abfiihren laffen.
sts das ichuldlose Münner der FreiÜeit und ru-

e>, l>b> Ss arötzt» >> ,ar schuldloss Münner der Freiheit und zu-
!!t'»»an den dcs Ruhrgebiets der Fiibrunq

^iv» «erk^ deutlcs,?°brcn Cachverhalt nicht verdunkeln. In Wahr-
üÄst au» anderes qeschehen. als datz d!e

D-el l-u>,^ lhre Nr-M. ^>"lle aegenüber dem rschtswidriaen

E^ °r f r Entschlutz bekundet hat.

V- t-e5°blutz js°^°!'!chen Bajonetten zu arbeiten.
^ln»s"tra»-.lranzösiscki»n"'L. w'° die ruhiae Art. ,'n der er belundet
^ z»°b'et nus ihren fruheren Erfahrunaen

Die 5 '^em mörd ° ^°>> " ih"°n n'ckit den geringsten

»L ^rant Vorgehen bieten konnte.

"" °uf ^-°""Ng für die onheilvolle Tat fällt aber nkcht
, , 'ranzostsche» Truppcn, fondern anch auf die

y>N??ichen m Regierung selbst.

leln^e ii!!! ^uhr^ebi/???, bas gewaltsame Dorgehen der

k>e-°l>stt aber unst».'hr ""mer wieder vor Augen geführt. Dis
De^°rau?°llbcn datz n"iw°rtet geblieben und es ist nichts davon
«°r^wast/"s!ung geoebe^ .^ /inem Einschreiten gegen dle Schuldi-
«°r>Ue^ltla„».n^egeben hatten. So ist nur zu -rklärlich. datz die

" v^ung' s>er E-o ist nur zu erklarlich, datz die

kried,^t??^Nommen bat°°»nv"ü"-. ^o-be zu Woche gröbere
^r!»--- ^ °?r. nnd datz die fran-L!>sLen ^oldaten n»n

u ^IiNaen »atz dle französischen Soldaten nun

^eugs zablre^ck>e°M° Ä" Velchietzung der wehrlosen und
" -lnmre.che Men chenleben >u oerniLten

Menschenleben zu vernichten.

Die deutsche Regierung erhebt feierlichen Protest gegei
die frivole Bluttat. Sie fordert für die Opfcr und ihrs An
gehörigen vollste Eenugtuung und verlangt, datz die zur Ve-
mäntelung der französischen Schuld verhasteten Personen sofort in
Freiheit gesctzt werden.

Sreizehn Todesopfer. .

Vorwiegend Riickenschüffe. — Die Krupp-Direktoreu im Zuchthause.

Effen, 4. April.

Die Zahl der Opfer der blutigcn Ereigniffe hat sich auf 13 er -
HZHt. Die Erfchossenen wcrden Ende der Woche in einem gemein-
samen Grabe auf dem während des Krieaes angelegten Effener
: Ehrenfriedhof bestattet werden. Die Kruppschen Werke, auf denen
j Miitwoch vormittag nach Beendigung des 24stiindigen Proteststreiks
wieder gearbeitet wurde, werden an dem Tage der Beerdigung aber-
mals stilliegen. Eine französische Aerztekommission, die oie

1 Leichen des Blutbades besichtigt hat, stellte fest, datz fünf Arbeiter
durch Rückenschüsse getötet worden sind; von den verwunde-
ten Arbeitern haben 2 9 Rllckenschü-sse erhalten. 14 Arbeiter
haken leichtere Verletzungen durch Absprlngen von den Dächern er-
litten. Die Direltoren der Kruppwerke, die vor ein
Kriegsgericht gestellt werden sollen, sind gestern in das Zuchthaus
von Werden gebracht worden. Es war bisher unmöglich, eine
Verbindung mit ihnen herzustellen oder etwas über ihre Behand-
lung zu ersahren. Von den Franzosen ist jetzt eine Unterfuchung der
Dorgänge im Kruppwerk eingeleitet wö"den. Der Offizier, der
den Befehl zum Schietzen erteilt hat, ist von Eeneral
Degoutte nach Düffeldorf befohlen worden.

Sle altm phrasen.

Krkegsminister Maginot bemäntelt Frankrekchs Imperkalrsmu«.

Parls, 4. April.

Der Aongretz der französischen Kriegsbeschädigten wurde am
Dienstag durch ein Banlett beendet, dem Kriegsminister Magi-
not beiwohnte und in deffsn Verlauf er das Wort ergriff. Er
lagts, während vier Jahren haben wir versucht, durch den guten
Willen Deutschlands die Zahlungen zu crhalten, ohne die wir nicht
leben lönnen. Wir haben das Recht angerufen, da wir alles ver-
suchen wollten, bevor wir zum Zwange 'schritten. Wir haüen gut
daran getan, angefichts der Welt und angesichts unserer Verbün-
deten diese Haltung einzunehmen. Wegen des systematiscken Ver-
lagens der deutschen Regierung haben wir uns aber jetzt zu anLeren
Mitteln entschlietzen müffen. Wir sind in das Ruhrgebiet e!n-
ged-rungen, um eme zeitliche Vesetzung von Pfändern zu suchen, die
einzige Art, um unsere Forderungen sicherzustellen, und wir
werdendort solangebleiben, bisunsDeutsch-
land bezahlt hat. Seitdem wir im Nuhrgebiet sind, hat Deursch-
land ein Jntereffe daran. uns zu bezahlen, was es uns gestern nichi
Lezahlt hat. Vor der Welt haben wir taisächlich erklärt, datz w!r
das Ruhrgebict je nack Matzgabe der Zahlungen räumen, die uns
gemacht werden. Die Verpflicytung, die wir im Einverständnis mit
Belgien übernommen haken, ist formell. Deutt^sand weitz also
heute, datz se ne Zahlungen die Näumung seines Gebietes zur Folge
haben. Es hat also ein Jntersffe daran zu bezahlen und w'r sind
berechtigt, zu erllären, datz unsere Lage ihm gcgcnüber durch diese
Tatsache besser geworden ist. (!) Was die Anschuldigungen anbe-
trilft, die man gegen uns schleudert. wir wolltcn Ecbiete, die wir
besetzt haben, cmnektieren, so können üiesr nur von Personen mit
schlechtem Slnn formuliert werde» oder ron Leuten, die uns nicht
kennen. Wir haben keine imperialistischenEedankenf?)
Wir wollen nur unser Rccht, n'chts mehr, aber unser ooll -
kommenes Recht. Ke.'ne Nation wünscht mehr den Fr eden
als unser Land, das solanae durch dcn Krieg gelitten hat. aber w:r
wollen ke'nen prekären, unstcheren und gefährlichen Frieden, sondcrn
einen Frieden, der uns gestattct zu leben und zu arbeiten Ladurch,
datz er uns unssre Sicherheit und die Bezahlung der Rexarationcn
gewährlefftet. Hierin müssen wir mit den Krieasbeschädinten einig
sein, denn der Friede, den wir aufrichten wollen, ist der Friede
ihres Sieges und ihrer Opfer.

Llnverschämthe!t tiber LLnverschamtheit.

Paris, 4. April. Wie durch Haras hallamtlich mitgeteilt wird,
ist eine von dem Dircktor des „Echo de Paris" gefiihrte'Kammiss'üN
am letzten Samsiag von Poincarä und dcm Unterstaats-
sekretär für die Luftschiffahrt empsangcn wordcn um
die Petition zu überrcickien, die das „Echo de Paris" von vielen Fran-
zoscn unterzeichnen lictz, um die deutscheLuftschiffahrt
unter Kontrolle zu stellen. Po.ncare erklärte, dom „Echo
nati'onal" zufolge, die Frage, die hier aufaeworfcn wcrds, sei vcn
höchstem Ernst. Sie stehe an e rst e r Stclle der Vemühungen der
Regierung. Man hake von vcrschiedenen Lösungen aescrochen. Dcr
Unterstaatsselretär für die Luftschiffahrt sei bcauftragt wordcn, sie
rasch zu eincm umfaffenüen Bericht zu verarbciten.

Amerikanffcheö Meil über DeuMlands Lage.

Paris, 4. Axril. (E!g. Drahtm.) Aus Washingtor, meldet die
„Lhicago Tribune"': Der Siaatsselretär oeröftentlicht eine Erklä-
rung. !n Ler er sagt, die amerikanische Industrie habe
durch die Ruhrbesetzung cher einen Aufschwung als
eine Behinderuna erfahren. Sachverständige kättcn erllärt,
datz die Lage in Deutschland auf die Situatjon der amerikanischen
Eisen- und Stahlindustrie sowie andercr Industriezweige keinen be-
unruhlgenden Einslutz ausübe. Die Hauptgefahr bestehc darin. datz
Deutschland in eine Lage kommen lönnte, in der es ihm schwer
fallen lönnte. sich die nötigen Eeldmittel zum Einlauf dcr Nah-
rungsmittel zu verschaffcn. Deulschland müffe noch vor Septcmbcr

2 Mill. Tonncn Eetreidc cinführcn und es laffe sich einstweilcn noch
nicht sagcn, wie Deulschland zu dcm erforderlichcn Kreüit gelange.

Gottes NHlen.

In den Betrachtungen, mit denen in fast allen deutschc«
Zcitungen tas Osterfest begleitet wurde, :st östers, um die Verech«
tigung politischer Osterwünsche darzutun, darauf hingcwicsen woreen,
datz seit der Erablegung deutscher Erötze im Frieden oon Vcrsailles
nun schon weit üker vier Jahre vergangen seien. und es ist daran
üc Erwartung gelnüpst worden, datz nach so langer Zeit «ines nur
cheinbaren Fricdcns doch nun cndlich der wahre Fr-ieden und
amit der Zeitpunkt Les WicLererstehens lommen müff« — e!ne
Lrwartung, dis niemand fllr unverständlich halten wird, der sich
vergegenwärtlgt, was diese 4fl Ia-Hre uns an Enttäuschungen, Ver-
lustcn, Desnüiigungen, Heimsuchungcn, Nechtskränkungen gekracht
habcn und noch weiter täglich bringen. Ein über das andere Mal
entringt sich unserer gequälten Vrust ein: „Wie lange noch?" Wir
hoffen von jedem neuen Tage, datz er die ersehnte Wcnoung Lringe»
werd«, und wir hosfen dopxelt innig, wenn uns das Auferstehungs«
j fest zusammen mit der Auferstehung der Natur in unwidersteh'icher
' Symbolik die Talsach« des Wiederwerdens nach scheinbarcm Tods
i und scheinbarer Erstarrung vor Augen fllhrt.

Aber diesem Osterhoffen gegenüber dürfte es doch sehr ange«
bracht sein, einmal Larauf hinzuweifen, wie es Stegerwald in cer
Zeitung „Der Deutsche" tut, datz bei solchen Erwartungcn allzu sehr
nach menschlichen Matzstäken gemeffen wird: Eottes Mühlen
mahlen langsam! Jm Dergleiche zu dem Ungeheuren, mas
sich gegcn Ende und nach Ende des Meltlrieges zutrug, sind einiz«
Iahre keinahe n'chts, jedenfalls kein Zeitabschnitt, in dem mit
einiger Mahrscheinlichkeit eine WieLerherstellung oder aucki nur ein«
sichtbare Ankahnung der Wiederherstellung deffen erwartet werde«
kann, was im Nooember 1918 zerflört rourde, als im Namcn der
„Freiheit" das Kaisertum beseitigt und die Republik serkiind-igt
wurde.

Die Lage des heutigen Deutschland hat eine gewiffe Aehnlichkeit
mit der Lage des alten Reiches, des „heiligen römischen Reiche»
deutscher Nation", nach dem Westfälischen Frieden: auch damals war
im Namen der „Freiheit", d-ie unter der Bezeichnunz der fürstliche»
„Libertät" erstrebt worden war, ein Zustand herbeigesührt wordeist
der die Ohnmacht des Reiches verfaffungsmStzig festlegte: Dl«
Kaiserwürde war. nicht gerad-rzu beseitigt wordcn, aber sie war in
ihrcr ursprllnglichen Bedeutung völlig lahmgelegt durch die Son^er«
gewalt der Fürsten (d-ie e!wa dem entsxrechcn, was heute die Par«
teien sind), die die volle Landcshoheit crhielten, selbst das Recht,
Bündniffe mit Lem Auslande abzuschlietzen (man vergleiche damit
die Jnlernationalität der Sozialdemolratie und — anderer Par-
teien!): wertvollst«, uncntkehrliche Erenzgebiete im Südwesten nnd
im Norden waren an die Fremden ausgeliefert durch eincn Vertraz,,
der begu-eme Handhaben bot, noch wsitere Eebiete loszureitzcn (ge«
rade wie der Vertrag von Versailles), die deutschen Flüffe waren
„frcmLer Nationen Eefangene", genau wie jetzt, da sie durch den
Vertraz von Deksa-lles „inlernationalisiert" sind: eine stets Lcreit«
Kriegsmacht, wie sie Wallenstein einst dem Ka.ser geschaffen haite,
gab es nicht mehr. Sie war als solche dem Reiche nicht vcrboten,
wie das ja auch durch den Vertrag ron Versailles nicht geschieht,
aber so wie die durch diesen Dertrag uns geflattete Kriegsmacht
dcrartig cng begrenzt ist, catz es fraglich erfche.nt, ob sie die Führunz
eincs Kriegcs ükerhaupt ermöglicht; so war auch nach 1648 durch
dic Verhälln'ffe hinreichende Eewähr dgsür gesch-affen, datz die Auf-
stcllung einer starlen Kriezsmacht entweder ükerhaupt nicht mehr
möglich war odcr zu spät kam.

Und dieser ganze Fufland wurde in damaliger Zeit durchaus
nicht allgemein als ein uner:räglicher empfunden. Zwar fehlte es
nicht an Klagcn xatriotischen Charakiers, allein so wie das cigent«
liche nat'onale Fühlen, das es heute bei uns in Deutschland nicht
mehr geben soll (man nennt das nationale Fühlen, um es zn
Lchien, „nationalistisch"), damäls noch nicht entstanden war, so
spürte man auch gar leine Hemmung, den seit 1643 geschaffenen Zu.
fland wegen der Beseitigung Lcr Ecsahr eincs laiscrlichen Absolutis«
mus als' b e fr i ed i g e n d zu bezc chnen und Eeitugtuung zu emx-
findcn über die cndliche Err'ngung der „Frsiheit", gerade so w!e
hsute unaufhörlich von den Organen der Parleien, die den Noremker
1918 entweder gemacht oder gutgeheitzen haben, in hohen Tönen
gcredet wird von der angeblich unvergleichlichen Errungenschait, d'e
darin liegen soll, datz d!e „verruchte Hohenzollernherrschaft" ni ht
mehr lesteht und> datz sich Teulschland in „Eerechtigleit und Freiheit"
— wie es in der Weimarer Ver affung heitzt — neu konstituiert hak«.

Was dsie deutsche „Freiheil" nach Lem Mestfäliichen Frieden be«
deutete, das keiam d-as Reich im Verlaufe des folgenden halken
Jahrhunderts zu svürcn: crst den ersten Rheinkund (1685), unter
dem sreundlichen Schutze Fianireichs, des „Earanten" des Fricdens
von Mllnster und Osna'rück, dann die Raublriege, die sogenannlen
„Neun'onen" (heute „Sanlt'onen"!) und die Psalzverwüstung.
Washeute die Ruhrist.wardamalsdiePfalz, und
dicse und ähnliche furchtkaren Erfahrungen fchufen die Erund-
lag-s, auf dcr das brandenburgisch-xreutzische Staatsrvesen zu eincm
starken Bollwerl n-.cht Llotz krandenburgisch-xreutzischer, son-
dcrn schlietzlich auch deulscher Dase'nsbedingungen erwachsen konntr.
Dieses brandenkurg'isch-pieutzische Staaisw-icn, ein Erzeugnis d«?
Not, hat den Kern des neuen Reiches gcschafsen, das fsit lanz«
erschnt war, das aLer als Machtgebilde auf dem Wegr von
Parlamentsdekatten und Mehrtzeitsieick'lüffen nicht cntstshen konnt«
und auf dlesem Wege nimmermehr cntstanden wäre.

Don dem Raube Stratzburgs 1681 bis zu der Kaiserprollamaiion
oon Perfailles 1871 führt eine nicht gerade„ aber einheitliche Linie.
Dsicse Talsache wird dadurch nicht im geringstcn erschüttert, Latz 1681
dcr Erotze Kurfürst mit Franlreich im Bundc war un) datz dieses
BünLnis mit tazu beitrug, das Neich in den solgcnden Iahren lahm-
zulcgcn. Ienes Bündnis war eine Folge der bitteren Erfahrungen
gcgcn Ende Lcs zweiten Raubkr'eges, als Kaiser und Reich ihren
Fricden mit dem franzüsischen König schloffen unü Len Kurfürsten
 
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