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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 59 - 89 (1. März 1923 - 31. März 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0397

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^ahrgang - Nr. as

^ ° Dost" l rscheint wöchcntl- li - benm <N. Pei ac-en: Dtdaskalia (Sonne> —'

stnvcrlan», kisreittigr! - Literaturblatt - AvchkLnlbeilag« imonatlichl.

>—.> BsitrSae ohne Beraniworlnna. Rachkcndunn nnr, wenn Porto beiitcat-

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

u«d

HandeisblaLt

Sonnerstag, 8. Mrz 1923

Hanvtaeschäftsstelle u. Echristleit«. der.Badischen Post'HeiLelbera.Hauvtstr. Li!. Fernspr.:

Nr 182 tDerlaqrort: Franlfurt a.M.> Berliner Ncrtretung: Berlin 8>V 43, Zimmer-
ftraheg, yernspr.8entr.4is. MünchnerDertret.' München,Beoraenstr. 1i>7, Fern'pr.»lk>67

)ische PoK

hhoktscheik.Uouia r yrankfurt a. vk. V141G

»ofkfcheck-Kontt»! Krankfurt a. M S141V

^,?"',«°1ugLVr°iS der .Bad.Bolt' Mk.SL»0 - .

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Am l «.r.noch gelief-Seitunge» stnd nach d'Einzclp-rlaufrprets zube-
Vinzelnummer Ml. 14»—. Mdie «ettung -m Erscheinen verhindert. bcsteht lein Anspruch aufEntlchädtgung.

Anzetgenvreiser Hie44 mm bieite Nonpareillezeile lostct:Iokale Stcllengesuche MI.8V.-. kl.Eelcgenhelisanzeigen Mk 10».-,
Familienanzeigen Mk 8tt.-> Seschäftranzeigen Mk.17S.-.Finanz- und Jndustrieanzeigen Mk. 2Stt.-,mit Plahvorschrisl und
illkontagsMk. 1V.—mehr. Dte V8 mm brcite Reklame etle kostet Mk.SOtt.—, Anzeigen und Rcklamen von aurwärts LS°/« höher.


Die Rede des Reichskanzlers.


>st die Rede eines leitenden Etaatsmannes mit so v?sl
. °rwartet worden als die Rede, die Herr Dr Tuno am
n dem zu autzergeioöhnlicher Sitzung Lerufenen Reichstaz
^nser-x d^rsn teilweise wörtliche WiedergaLe di« Leser

- Dje ^^strigen AusgaLe vorgefunden hgben.

, ^lschxn ^5?nng jn bezug auf das, was der Kanzlsr des
Mtigt . ,-^^'ches sagen würde, war in der Tat nur zu sehr Ls-
Nilj de"" ^ ^nnzMsch-Lelgische Polirik der Herausfordcrungen.
i^e sn 10. Fanuar begonnen hatte. war durch neue willkür-
s dgft -Z^^reifungen deutschen Landes und Zunahme des Schreckens
d<l- A besetzten Eeüieten in einer Weise gesteigert wordrn,
lL^chritt>-n ^ Erträglichen — an stch längst erreicht — jetzt
Dolk l ^ schien. Die ungeheure Beklemmung der deut-
?°r de,. -n drängte nach einer Entladung,- irgend etwas, das
n? baber ^emeine Eefühl. muhte geschehen, aller Augen wandten

, btzte r«^^ r>on selLst, »nruhvoll fragend, dem Führer zu: er
> pr - -

^ ° war von vornherein klar, er mutzte gleich

^Hpchen». begrlltzte es deshalb an stch schon, dah er die
>»>. »er Reise

!."°ch

,.?ch°n.

°^r na»^'^ au-fgegeben, datz er den Reichstag vor der Jeit
>^chlieL„„ °er Hauptstadt entboten hatte; es lag schon in dieser
^3»nn ^<uag eine leickite Nerubiauna ttber alle« bino natürlich

°b.

leichte Beruhigung, aber alles hing natürlich
», Auck>"'„^.° ^ °un der Leiter der deutschen Politik sagen wllrde.
^arissx c» "!"e Feinde waren in siarker Spannung. Fast sämtliche
. di° ^ ^ hatten am Sonntag das Thema Lehandelt:. was

Cunos bringen >

äunächy können geglaubt, es werd« jetzt zum Bruche kommen,
t^^lltisch-- eingeleitet werden wird, datz Deutschland seine

bringen werd«, und viele von, ihnen hatten

en Vertretungen abberufen, katz es vielleicht VerzeL
-,-u eg Segen die Entente-Misstonen unternehmen werde,

^chten r^° s ä das tun werde, was von d«r äuhersten deutschen
, ^ep ^unge und in neuester Zeit immer stürmischer ge'ordert
?azeg d-i,^--^ war in den Kommentaren der französischen Zei-
??Nkeug iu spüren, dätz hier der Wunsch der Vater des Ee-

d'* bieick,-^'- butz man sehr befriedigt gewesen sein würde, wsnn
.!* ^apMr^^ung diese Schritte getan hätte, weil diese Schritte
st^iten^ d' ^3>erung Lber alle politrsch-diplomatischen Schwic-
".°ben, "umentlich in der Haltung Englands fortwährend be-
.!? deutsck,» W^°ben tzätten: denn was würde geschehen, wenn
tz be, den » - ^'^ung der französischen nur den leisesten Vorwand
v,?. würd-n ^-^^öustand auch im eigentlichen Sinne zu verkllnden?

"kden erkl' E übrigen „Alliierten" sofort erleichtert aufatmen: sie
I» sein^-"' """ also, Deutschland hat es nicht anders gewollt,
d^wen Trachten jetzt geoffenLartz mag Frankreich zu-

Schildknappen Belgien jetzt mit diesem deutschen
^Wal nick>t von seinem kriegerischen Abenteurersinn nun

würde s» beilen zu sein scheint, machen, was ihm beliobt!
r t Uns ucherlich geschehen, und damit wäre der Rschtsboden,
d-^bten: .^möglicht, uns noch in aufrechter Haltung zu be-

j.,2 Verso',i7° uämlich das französtsch-belgische Vorgehen ein Bruch
^ °"derc '

rtrag - s ist. datz dieses Vorgehen r e ch t l i ch

lv-rd^«" Unterzeichner ebenso angeht wie uns. datz erst cin

!be^"stellung des gestörten Rechtsverhaltmsses ersolgen mu>.

^ie>° v°n den Rerarationen" die Rede se,n dnrse, dag diess
betej.^^rstellung nur zusammen mit den anderen an dem Vsrtrage

»llei^^andlungen Deutschlands mit Frankreich und Belgi>.n
Vstd - dieser RechtsLoden wäre unrettLar sür uns verlorsn.
sür dieser RechtsLoden in den inteinationalen Bezlehungen

ül ° Bedeutung hat, gerade in dem gegenwartigen Mom.nte
Frankreich und Belgien in ihrem Sregerubermut di.sen
Ihichj. °3l>ch venvüsten, das dürften doch gerade w.r aus der Ee-
^chon d>°-1 bluglücks gelernt haben.

Üe °>^reÄ'^^°3un^

?' datz >! "de am meist.

Und d°l^E Tunos durchaus nichts Neues brinzen.
, Wi« seb-!? . Voraussicht ist auch in Erfüllung gegangen.
t>I»^ienst> ^^ser negativen Tatsache ein Haupt-
hou^iugheit ^unzlerrede. Wir haLen Lisher die Klarheit und
haj «' der Herr Dr. Tuno stch gleichweit entsernt ge-
t>es be§ beiden Eefahrenpunkten: von dem Zusammen-

' „'..°,°^^«»dswillens und von dem ZusammenLruch

allein, die Erwägung auch dsffen.
datz °m ^neisten wünschen mutzten, konnte voraussehen

und

fÜr'

Srj..

stch

r n § ^".Eiumal durch ein unerbittliches Gesetz auferlegtcn

haben drese klugo Klarheit »nd dcn
a t der politischen Vernunft stcts
und wir stellen mit Befriedigunz fcst,

-- ° ^illeris — wn yao

das .-^d^chenden Prim

sg ^'chtige anerkannt, und w.« ae-

L°td°n °^ch d'e Dersuchung durch die nsuesten Ereign ss gc

Dr' i? >»°S, nach dsr cinen oder der anderen Se te abzu.r cm
^iter '..^uno stch enbschloffen gezeigt h°t. d-n mi tleren Ku s
rüun ö Nt-uern, der uns allein vor dem Aeutzersten bew°^n °u
^ von^t- Er hat aber bei diesem Festlegen des Sreuers au,

eint. , - . versönliche Haliung

kezei°°"?°^ °n bestimmte Ziel °^ °^/ deo Eindrucks
Nich? ' die rntschieden bedeutend war u aier auch bei

deg °ntb«hren wird, sicherlich nicht bei »ns. .. betrisst, .catz

wa °°deren. und wir hos'sen. «as drese ..and^ ^glMe

^berZe^ dasür sorgen werde, datz ^jwMjchen Löndern.

d«r an^ ungezählten Abdrücken in den ang-t,°^ . .. —
^ Au^-Uch in den . —

Kmi^Ubland Vereinigten Staaten, verbreitet werde, damlt

Und Nk> - ^ einmal erfahre, was unseren Volksgenossen an
»er. t diese K„i!" nngetan worden ist und weiter angetan wird,
t°llt werd« ttncschand« endlich einmal an den W e l t. P r a n g e r
n>i«der die neue Schuldlüge, die die Franzosen

an ibr-^"breiten im Begrisfe stnd, als ob wir selb st die
^,°usgerottet we^ "nler EeLiet hätten, schon gleich im

^de, "Uch das Zutrauen, datz di« Rede dazu beitrazen

^ <n-rn di, «inheitliche Gesinnung. di, Lntschlietzung

zu dem „passtven Widerstande als der Waffe der Eewaltlostgkeit
und des FrieLens im Kampse gegen Unrecht und Eewalt", dort
stärker werde, wo sie einer Stärkung bedarf.

Datz dies letztere wirklich der Fall ist, braucht nicht geleugnet
zu werden und ist auch nicht zu verwundern, denn diese Entschliegunz
steht mit dem natürlichen Empfinden zu sehr im Widerspruche:
datz auf der einen Seite stch Mutlosigkeit und Ermattung namrntlich
da einstellt, wo man in unmittelbarster Verührung mit den zahl-
losen Schergen der Tyrannei ist, wo man die hoffnungslose Ueber-
legenheit ihrer äußcrcn Machtmittel täglich vor Augen hat, Latz auf
der anderen Seite der Msnnesmut, der Kriegersinn, unverlicrbare
Erbgüter des deutschen Volkes — sich aufbäumen gegen die Mah-
nungen zur Ruhe und Eeduld, das ist nur zu begreiflich: lkber es
ist nun eben einmal die Lage so, datz wir nns mit dieser unnatür-
lichen Zwangslag« abfinden müffen.

Das Schicksal nimmt uns Deutsche in eine harte Schule. Aiel-
leicht lehrt es uns das. was uns bisher gefehlt hat und mas wir

jetzt können müssen. um uns zu Lehaupten: vielleicht lehrt «s
uns politisch zu werden, .das heitzt zu erkennen, was wir am
Staate haben: datz dieses gemeinsame Vefftztum das kostbersts
aller irdischen Besitztllmer ist, da es di« Eewähr aller anderen i»
sich schlietzt, und datz aus diesem gemeinsamen Vesitz Verpslichtungrn
erwachsen, die allen besonderen Neigungen und Wllnschen voranstehcn
mllffen. Das Ueberwuchern dieser Lesonderen Neigungen und
Wünsche, die deutsche Eigenbrödelei, sind von jeher unser Unglück
gewessn: vielleicht erzieht uns d!« heutige Zelt dazu, diessn Fehler
zu Lekämpsen, ehe es zu spät ist. Das ist auch einer der Ecdauken,
die Ler Reichskanzler in seiner Rede ausgesprochen hat und um
Lessentwrllen wir seine Rede besonders begrützen: „Gerads in diesen
Zeiten der äutzeren Beürängnis," so sagte er, „wollen wir dem
Staate dienen, ihn mit aller Krast sestigen und stärken. Jm
llnglück erst empfinden wir alle, was wir on ihm
habe n."

Mögen diese Worte von allen, die es vorzüglich angeht, g«,
hört und Leherzigt werdenl rs.

Mein md Mhr ms rwigDeutschlmdr 8ut

Eigene Drahtmeldung.

Berlin, 7. März.

Am Negierungstisch: Reichskanzler Dr. Tuno, Autzenminister
o. Rosenberg, Wirtschaftsminister Dr. Becker.

Prastdent Lübe eräfsnet die Sitzung um 1.20 llhr und teilt
mit, datz dem Reichskommissar für dre bssetzten Eebiete von der
Jnteralliierten Rheinlandkommission ein Schreiben zugegarwen ist,
in dem milgeteilt wird, datz Abgeordneter Korell „das Wort m
einem sehr heftigen Hetzseldzug sühre", und datz daher seine sofortige
Ausweisung veranlatzt sei. Die Familie Korells müffe das besetzte
Eebiet binnen vier Tagen verlaffen. (Stürmische Pfuirufe im gan-
zen Hause.) Der Kollcge Abg. Korell habe nur seine Pflicht gegen-
über seinem Wahlkreis und dem deutschen Volke getan.

Dann wird in die politische Aussprache der Kanzler-
rede eingetreten.

Abg. Dr. David (Soz.)

erklärt als erster Redner: Seit zwei Monaten reiht sich im fried-
lichen Ruhrgebiet eine einzige Kette von Zwangsmatznahmen anein-
ander, von Drohungen, Barbarei, Brutalität, Raub an öffentlichem
und privatem Eigentum, Schädigung von Leib und Leben der Be-
völkerung. Ueber 100 Tote liegen bereits auf dem Kampsfeld. Dieses
Schreckensregiment mutz selbst jenseits unserer Ersnzen tiefste Em-
pörung auslösen. (Sturmische Zustimmung.) Selbst in Frankreich
sollte man Verständnis für das Zusammengehörigkeitsgefühl eines
andern Volkes haben. Nirgends in der Welt wird doch derjenige, j
der gegen die nationalen Jnteressen vcrstötzt, härter bestraft als
dort. Das ganze Verhalten der Franzosen zeigt, Latz sie nicht Repa-
rationen und Sachleistunben, sondern dauernde Beherrschung
des besetzten Eebiets wollen, ja sogar seine dauernde Ab-
sprengung vom Deutschen Reich. Trotzdem bestreiten die franzö-
sischen Staatsmänner diese Absicht und behaupten, man müffe dem
böswilligen Schuldner Deutschland gegenüber seine Forderungen ge-
waltsam ckintreiben. Wir müssen den Beweis für unsere Vehaup-
tung mit ganz objektivem Material erbringen. Kamit das sranzösische
Volk weitz: Mit einem Frankreich, das nur Rexarationen will und
sucht, ist eine Verstänoigung jederzeit möglich; mit einem
Frankreich, das den Rhein und die Ruhr annek-
tieren will, niemals! (Lebhafte: Veifall.) Frankreich ist
jetzt dabei, die Pläne Dariacs auszuführen, nämlich für die
Rheinlande zu bestimmen ein eigenes Budget, eigene Währung und
Ersehung der vreutzischen Beamten. Auch der amerikanische Ober-
kommiffar in Koblenz, Noyes, erklärt in einem Buche osfen, da'j
Doincars nie Rerarationen gewollt habe. Ein französisches
Heer im Ruhrgebiet beherrsche Eurooa militä-
risch, verhindere den wirtschaftlichen Wiederauf-
bau der Welt und verewige den Hatz und die
Z w i e t r a ch t.

Mit der Besetzung des Ruhrgebiets «nd der Abtrennung

der Rheinlande kann fich die Sozialdcmokratie nun «nd
nimmer einverstanden erklären.

Das würde die Lebensader Deutschlands abschnüren. Die Erfüllungs-
politik ist zwar gescheitert, aber trotzdem war sie richtig. Sie hat
1910 verhindert, datz das Reich zertrümmert und das linke Rhein-
ufer französisch wurde. Auch ist die Entente jetzt nicht mehr so ge-
schloffen, wie sie es in den Vorjahren war. Wer die Erfüllungs-
politik aufgeben will, arbeitet im Smne der Franzosen. Wir kämpfen
ums Recht und haben dabei die besten Erfolge. Nur Verrückte
können einen andern Kamps wollen. Jn Frankreich ist man ent-
täuscht uüer den bisherigen Mitzerfolg. Zum Wiederausbau und zur
Wiedergutmachunjz stnd wir bereit. Auch Ruhs stnd Sicherheit soll
Frankreich gegeben werLen. Aber dann mutz vorher dasbe-
setzte Gebiet geräumt werde'n. In unserer Steuerpolitik
müssen die Vesitzenden endlich Ovfer bringen. Das ist auch eine

^ " ' .. Militarismus hat

Poin-
r dem

Felsen der deutschen Sozialdemokratie.

Abg. Hergt (Dnt.)

weist Larauf hin, datz er noch vorgestern und gestern im Ruhr-
bezirk gewesen und stch an Ort und Stelle umgesshen habe, um die
Stimmung der Vevölkerung kennen zu lernen. Der ganze Reichs-
tag mlltzte sich einmal geschloffen dorthin Legeben können. dann
würde er erfahren, datz die Wahrheit dort anders aussteht, als ste
stch hier in manchen Köofen darstellt. Dort erhält man massenh.iste
Eindrücke von Ler wirlschaftlichen Vernichtung, von der Erdroffe-
lunü Les gescmlte« Derkehrs» aber auch von Leru Wirrwarr, der

durch die Matznahmen der Franzosen erzeugt worden ist. Das Herz
blutet einem, datz die Weltschmiede stilliegt. Das sind stumme Zru»
gen des französischen Vernichtungswillens. Eleichzeitig hört man
überall die Erzählungen von den neuesten Brutalitäteu, von der
Erausamkeit der Franzosen. Das ist nicht blotz Unrecht. das ist
Sadismus, wenn man die Schulhäuser ausräumt, wenn Lsbens-
mittelwaggons beschlagnahmt werden, wenn man Milch vcrderben
lätzt, auf Kinder Angriffe macht, Schüler blutig schlägt. Wir haben
dort jetzt die Kultur der Reitpeitjche und des Eummilnüppels.
Ueberall wächst die Unsicherheit und Frankreich ist der Trägsr dieses
Unwesens. Die Kriegsgerichte stnd eine Schande und ein
Hohn auf Recht und Friedlichkeit. Nach zwei Minuten
Beratung verkündet das Eericht ellenlange Urteile, die längst
vorher unterschrieben sind. Die Stimmung des Volkes ist
so, Latz alles nach Vergeltung schreit. Mit geballter Faust beMingt
sich das Volk.

Das Durchhalten ist den Leuten dort das SelLstverständlichste

der Welt, es ist ihnen in Fleisch und Blut Lberqegangen, aber
fie vcrlangen, datz wir fie hier nicht im Stiche laffen. _

Ein eiipziger Schrei nach Kundgebuv.gen der Reichsregierung und
auch des Reichstages schallt von dorl drüben, doch nicht nach solchen
Kundgebungen, wie wir sie hier von der Linken hören. (Erotzer
Lärm Lei den Kommunisten, Beisall und Händeklatschen im Hause
und auf den Tribünen.) Wir begrützen es, datz der Reichskanzler
gestcrn hier als Plattform den Reichstag gewählt hat, datz die Welt
in Atem gehalten wird, wenn ste diesen Aufschrei eines ge-
quälten Volkes, aber gleichzeitig auch diesetz Bekcnntnis
zum geschlossenen Willen hört. Der Redner nimmt mit
Genugtuung Kenntnis von den Ausführungen des Reichskanzlers
über die passtve, Bilanz des französtschen Ruhrabsnteuers. Das
französtsche Heer wird hier für eine Aukgabs verwcndet, wie sie
dem Leutschen Heere niemals zugemutet wordcn ist. Der Redner
dankt weiter dem Reichslanzler auch Lafür, datz er dem franzö -
sischen Jm p e r i a l i s m u s die Maske vom Gesichte
gerissen hat, das deutsche Volk dürfe das Mort „Erfüllungs-
volitik" übcrhaupt nicht mehr in den Mund nehmen. (Lärm links.)
Mit Recht hat der Reichskanzler das Wor! geprägt, datz wit in
diesem Kampfe allein stehen, kein Maulheldentum! Wenn wir
unsnicht selbst rühren undentschlossen sind,
durchzuhalten bis ans Ende. dann rührt siky
drautzen keine Hand, und Deutschland würde in der Melt
ausgespielt haben. Mit der Rsde des Reichskanzlers stnd nicht alle
unsere Wünsche erfüllt- (Aha! links.) Wir haben auch dcn Abbruch
der diplomatischen Veziehungen und V'rgeltungsmatznahmen gegen
Ausländer belgischer und französischer Nationalität verlangt. Wir
yiüffen die Ehre Deutschlands wahrrn, wir treten gcschloffen für
oie Regierung ein, wenn sie auch nach unserer Anstcht zu viel an-
geboten hat. Wenn das Mort Verhandlungen iiberhaupt ncch in
den Mund genommen wird, so kann es j'ch nicht mehr um Einzel-
hsiten handeln, sondern nur noch um die grotze deutsche Frage, die
jetzt aufgerollt worden ist. (Beifall rechts,) Die Stellung
Deutschlands in Europa mutz klar aestellt werden.
Unter dem Zwange von Dajonetten, Reitveitsche und Eummirnüp-
peln können keine Anaebote erfolgen. Diese ablehnenden Worte
des Neichskanzlers müssen für das panze deutffhe Dolk Worte
von Stahl sein. Den Landesverrätern und Flaumachern mutz
mit aller Schärfe entgegengetreten wcrden. Autorität der
Regierung ist Innerpolitisch das erste Gebot der
Stunde, darum stellen wir uns bintsr die Regietung, weil und
solange ste eine Abwehrregierunq bleibt. Ietzt gibt es kein
Zuriick, nur einVorwärts. (Veifall rechts, Zischen auf

der Linken.)

Abg. Marx (Zsntr.)

mahnt zur Ruhe und Sachlichkeit. Den sozialdemokratischcn Opti»
mismus. als ob das französtsche Volk nicht hinter seinsr Regie-
rung stehe, könne er nicht teilen. Auch das französtshe Volk wird
sich. wenn es auf seine Ehre Wert lege, zu sragen haben, ob es
nicht Eefahr läuft, durcki seine Raubrittsrpolitik vor dem unerbitt-
lichcn Richterstuhl der Eeschichte aus der Kultur Europas ausge-
schloffen zu werden. Wenn auch das Heer blind nach seincm Jn-
stinkte Raub und Mord verübt, so ist dennoch das ganze Vorgehen
'.werklärlich

Wir stehen in unserem Kampfe allcia, mlt dem festen Bewutzt-
sein, datz wlr im Rechte find und datz die deutsche Regierung
bisher alles getan hat,

um Frankreich entgegenzukommen. Mir rviffen, datz die Regieruir,
Luch weiter ihre Wicht tun wird. Unser Voli ist «inifl v?ld.«L
 
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