K. Zchrgang - Nr. rz
oft" krlcheint täglich tauch Eonntagr) »srinittag», also kiebenmal
.'°"et ,rei In, T-ru» zugestellt monatlich I2N0 MI. durch die Post
« Mk. zuzüglich IN.Sü Mt. Bestellgeld. Tinzelnnmmer St> Mk.
H'e.Vadtsche K
I ««chentlich »nd
E-n-tlich ,s
Hekdelberger Aektung
(Gegründet 1858)
«nd
Handelsblatt
Mitwsch, 24. Zaiwar 1S2Z
«n,riaen»rer-: die 22 mm brette Nonpar-ille,eN- 40 Mk. Familien.. D-r-in^
und Kleine Anzeigrn nach besonderem Tarif. Rcllamen: di« »8 mm breite Nonparellle»
etle SOl) Mt. Bet Wtederholungen nnd üeilcnanschiüssen tarrflicher Nachlag.
§dr«chb,^^ ben gesamten t-xtitchrn Lsil Adolf kimmig in Aetüeiberg. Fernrui drr Nedaltion: Aeideloerg 83.
^ noe der Echrisileitung vorm. 11-lS Uhr. Berlinrr Bcrtretnng: Berlin 8VV 48. Zimmcrstraß: Nr. S.
^mt Zentrum Nr. 41S. Münchenrr vertretnng: München, Seorgenstraze Nr. 107. Fernruf Nr. 81887.
Für Anzetgen, vieklamen »nd gefchältliche Beilagen verantwortlich Aifre» Schmltz tn Hcidelberg. Fernruf 82
Berlag: tzeidelberger B erlag San st alt «nd Drulkerei S b. m. H Heidelberg, Aanptftrab» 28 —
Postschetkkont» Karlsruh» Nr-lgiBg. - Druck von I. G. Holdwar«, Nachf., T. m. b.H, Frankfurt am Main
Nnheitsfnmt a» Rnhr und Rhein.
Die Streikbewegung im Ruhrgebiet. — Die französischen BrutalitLteu.
Lkigene Drahtmeldnnn-
D.. m-.. Elseu, 23. Januar.
^kleu d- ^"^^rstand ter gesamten Bevölkerung tes RuhrgeLicts
Eg französischen Eintringlinge wächst von Stunde zu Stunde.
Ngch eine der Zechen, deren Leiter in Hast sind. Die
ii, Ererschleppten deutschen Zccheniireltoren befin en stch
derl^elhaft. Jeder Derkehr mit ihnen ist unmöglich. Aus Paris
digy 'Et, datz sie nicht vor das Krieg-g.richt gestellt werd-n und
frg^^ logar mit ihrer Freilassung rechnit, obgleich die
fr ,^'ll.che Militärbehörde auf eine Znternterung in einer
Nl,» ^ofischen Stadt Lest.'ht. Lstzlere Matznahme verdient
bisherigen sranzöfischen Praktiken die grötzere Dlaub-
°'Nkeit.
Der Srreik der Bcr arbeiter greist weiter um stch.
Äirch^y.ffen streiken 65 000, Lei Stinnes 100000 Arbeiter.
^ben^' 3echcn des Essener Steinkohlenbergwerks
jetzt E'ch dem Streik angeschlossen. Der Streik erstreckt sich abcr bis
iliit». die Kohlenzechen, während in den Eisenwsrten der
di«^'"^iunungcn von Thyssen und Stinnes gearbeitet wir'o. Be-
Ädg?^>ert ist, datz auch di« polnischen Beamten und
raden r der Thyjsenwerle sich mit ihren deutschen Kame-
eevi P .^nrisch erklärt haben. Sie haüen folgcnde En sch ietzun,
fischsii ^ierungspräsidenten mit der Biit« üüersandt, ste dem fran ö-
^kech- ^°neral in Düsseldorf mitzuteilen: Jm Auftrag der polnisch-
Arbeiter und Beam en der Thyssen-Wsrke in Kamiorn
geben von
efs, Herrn
—r - - - -- erregt hat.
.^tiarsn nnsdrücklich, Latz wir nur di« Anordnungen
hg-^Utschen Regierung und unserer Werkleitung
^Sen werden und uns eins fühlen mit allen Arbeitern und
^lenh^ der Thyssenwerke. Wir verwe.sen auf das autzerordentliche
Fainj.uud die Not, welche aus dieser Verhastung für uns und unjere
»üs t>"En erwachsen uni wollen nicht versäumt haben, all.r Augen
Fkitz E. 8"lgen hinzuweisen, di« aus der willkürrichen Nerha't .nz
Ärh.j^qssens entstchen. Wir schlietzcn uns dcm Treu elobnis aller
e h e r ^uud Beamten Ler Thysten-Werke an. die wie Fr.tz Thyssen
^llen ^tangsal und Beschwerden aller Art dulden
u> als den Anordnungen Ler Regierung en.gegen zu hanoeln.
'E Eingrisfe der Franzosen in das Verkehrswesen riesen bereits
erhebliche Derlehrsftocknnge»
di, .Die Ankünfte von Kohlen per Achse im Ruhrorter Hafen,
» ts im starken Rückganz begriffen waren, haben jo gut wie
töriii,°," u f g e h ö r t. so dag ke.ncriei Vsrladungen mehr stattfinden
?^hirit noch fayrenoe Schiffe sind von den Franzosen bejchlag-
tv.^.orden, Loch ist iyre Weirersüyrung unmögtich. i.a die deur-
^hini ll'brung Las Schleppen und Durchschleusen solcher beschlag-
Uiin^u Kähne verboten hat. Auch im allgemeinen Vsrkehr
die Stockung zu. Der Streik im Dorlmunder Haupt-
dausrt an. Auch der Bahnhof Sterkrade und Ler
Ä? Vapnhos O st e rf e ld-Süd tzaden sich Lem Ausstand an-
rveil die Belgier die Stellwerke mit Maschincnoewchr n
lui,?' datten. In Sterlrade zogen die Velgier nach den Verhand-
Lcm Bahntzofsvorsiehcr wieder ab. Ietzt ist der Vetrieb
Ȇit^^un Gange. Der Bahnhofsvorstand stellte folgende Bcdin-
E' Vollständige Räumung des Bahnhofs.
^ ^rin Soldat Larf den Bahnhos ohns Bahnsteigkarie betreien.
Vcamter oder Arbeiter darf wegen dss Ausstandes zur
'wortung gezogen werden.
Avgg* Zahl d«r gestellten Wagen ist seit Montag um
"jr in»^uagegangen: >ie betrug heute runü 15 000, während man
N dj, Ä". mit einem weiteren Rückgang rechnet. Prächt.g ist über-
^tinimuna und 5raltuna der aelamten Beraarveiterr und
vtimmung und Haltuna der qesamten Ber->arbeiter-
Aoubk">chaft. Wo immer ein Franzose oder Delgier sich Ein
?>e Ft^wird einmütig ohne Anweisung die Arbeit niedeigclegt.
lUg b,?..obend in Esten ein französisches Kommando einsn Personen-
Eg, worauf der Lokomotivführer die Fahrt verwei-
N^Uzo! deutschen Fahrgäste verliehen den Zug, während die
» °Uzo> stch die ganze Nacht über im Wagen aufhielten. Die
kÄwcn " verfuchen nun, den Eisenbahnbetrieb selbst in die Hand zu
k'chez t-hud haben zunüchst in Rccklinghausen-Ost 20 Mann iranzö-
M w fr'lenbahnpersonal stationiert. Nach eincr Pariser Meldung
^Uhr„,.'?re 1800 'sran-ösische Eisenbahn-, Finanz- und Zollbeamte ins
v'et abgegangen.
.^ranzosen fühlen stch offenbar noch nicht stark genug, und
' " lnsbesondcre einem
Vig^^ Streik der Eiscnbahner
ü?ch, d» Neqenüberzustehen. Sie ziehen immer neue Truppen
Ae ullem Eisenbahner uno Trlegraphisten. um qegebencnfalls
r'chlm-r,' ^niittcl behcrrschen zu können. Am Montag trafeu im
,'r>ier o * sranzösische Eisenbahner, zumeist Lothringer und Llsä"
^Una??°ll- und Finanzbeamte. sowie Telegraphisten cin. Die
»'r Ä,bZ.ruppen gehen im Lbrigen nach vie vor rückstchtslos ge
h
'»Uitli^ Protcst erhoben. Die Truppcn stnd ictzt dazu übergegangen,
BeLLnde des Schlachthoses zu b e sch l ag n a h m e n.
s^olkcrung vor. Auf dem Zchlachthof von Necklinghaufen
^lt; die Besatzungearmee grotz^ ^M enge n Fl e,isch ge-
Durch diefes Dorgehen ist die Fleischoersorgung Ler Bevölkerung
crnstlich gefährdet.
Aeue SrvtalMen.
Die Borgänge in KSlu «nv Maknz.
Von unserer Berliner Redaktkon.
Berlin, 23. Ianuar.
Dke schikanösen Eewalttaten gegen deutsche Beamte im Rheinland,
die nur iyre Pflicht tun, wenn sie aetreu iyrem Eid nur die Befehle
Ler Reichsregierung tun, werden fortgesetzt. Ein neues Opfer ist
der Regierungspräsident der Pfalz. Er wurde mit so-
fortiger Wirkung aus dem besetzten Eebiet ausgewiefen, seiner Fa-
milie nur cine kurze Frist zur Räumung ihrer Wohnung gewährt.
Die Meldung, datz auf das Eingreifen des britischen Oberkomman-
dierenüen der Ausweisungsdefehl gegen den Präsidenten des Lan-
desfinanzamts Köln, tzähling von Lanzenauer, zurückge-
nommen wurde, bestätigt sich leider nicht. Wie die „Köln. Zeituna"
ersährt, war dic Verhaftung Hern von Hählings — einem sranzösi-
schen Äusweijungsbefehl hatte der aufrechte deutsche Beamte kein«
Folge gegeben — unter ganz besonders schikanösen Umständen vor
sich gegangen. Am Montag abend, kurz nach 10 Uhr, erschienen vor
der Privatwohnung des PräsiLenten drei Automobile, von
dcnen eines mit französisch en Ofsizieren, die anderen
mitenglischem Militär besetzt waren. Zunächst erschien ein eng-
lifcher Dolmetfcher, dsr ankündigte. datz sranzösische Offiziere mit
einem HastbefehI aus Bonn erschienen seien, um den Präsiden-
ten zu verhaften, da er stch geweigert hab«, das befetzte Gebiet zu
vcrlasjen. Er trat dann in das Zimmer, in dem sich der Prästdent
zur Erledigung seiner Amtsgeschäfte aufhielt, ebenfo der englifche
Polizeimeister in Beqleitung eines weiteren englifchen OfMiers.
zweier französifcher Osfiziere und einer Anzahl englischer Mann-
schaften: im ganzen mochten es etwa 15 bis 18 Personen gewesen
sein. Die französischen Offiziere eröfsneten dem Präsidenten. datz
ste einen Haftbefehl des franzijsischen Befehlshabers in Bonn HStten
und datz ste ,hn nach Bonn absiihren mützten. Der Präsident
wandte sich an die engliscken Offiziere mit der Fraae, ob die Eng-
länder ihre Eenehmigung zur Vollstreckung eines Haftbe-
fchls erteilt hätten, der feines Erachtens eine neue Matznahme
gegen ihn darstelle. Die Engländer erwiderten, ste wären nicht da,
wenn nicht der englische Befeblshaber seine Eenehmigung erteilt
hätte. Darauf wurde dem Präsidenten angedroht, er wiirde mit
Gewalt abgeführt werden. Dieser fügte stch schlietzlich der Ee-
walt und lietz stch abführen. Die Franzofen nahmen ihn in ihr
Auto und fuhrcn davon.
Zu den nncrhörten
Ecwaltakten gegen die Beamten des Hauptzollamte, Main?
werden uns noch iolgende Einzelheitcn gemeldet: Der Amtsvorstand
des Hauptzollamtes m Mainz, OLerregierungsrat Dr. Ofsen-
böcher wurve am Montaq von der Besatzungsbehörde verhastet,
da er stch weigerte. den feindlichen Befehlen nachzukommen und sich
so in den Esgcnfatz zur deutschen Negierung zu stellen. Daraufhin
richtete man an ssinen Stellvertreter, Oberzollinfpektor Horn und
an dcn Kastenanfsichtsdeamten, Obcrzollinsvektor Witzner. fol-
gende Anfra^s: „Der untcrzeichnete Jnfpektor Ler französtschen Zoll-
verwaltung, Delegierter der bohen Rheinlandkommission, ersuchr Sie
um gesl. Abgobe einer schriftlichen ErMrunq, ob Sie bereit sind,
wie bisher Ihre Dienstpflichten weiter zu erfüllen, oder ob Sie
die „Zufammenarbeit mit den französischen Beamten verwergern."
sllnteifchriftl — Die deutschen Bcamten ermiderten wie folgt:
,.Wir erklären, datz wir als deutjche Beamte ausschlietzlich den
Bsfehlcn unsercr vorgsfstzten deutfchen Behörde Folgs leisten.
Mr wevden unter keinen Umstönden den gele'stetcn Dicnsteid
brechen." — Horn, Olerzollinspektor: Witzner, Oberzollinspektor.
Berde Beamte wurden darauf ebensalls verhaftst.
Daraufhin bat die gesamte Beamtenschast der Mainzer Zoll-
ämter folqende Erklärung der Besatzungsbehördc unterbreitet „Die
unterzeichnete Beamtenvertretung legt im Austrag der geiamten
Bcamtenschatt des Hauptzollamtes Mainz dringendsten, jchärfsten
und fcierlichsten Protest gegen d!e unrechtmähige Bsrhaftunq und
Eesangensetzung des Amtsi'orstandes dcs Hauptzollamts Mainz»
Herrn Oberrcgierungsrat Dr. Offenböcher, seines Stellver-
treters Oberzollinlrektor Horn und des Kastsnnufsichtsbeamten
Obsrzollinfxektor Witzner, ein. Wir ersuchen auf das Bestimm-
teste die fofortige Freilafsuno sämtlicher Verhafteten nnd
bitten davon Kcnntnis zu nehmen, datz im Falle dcr Nichtsrsüllnng
nnseres Eesuches die Verantwortung sllr die Folgen der Ablehnung
voll und oanz auf die fran'.ösische Besatzungsbehörde zurückfällt.
— Dic Arbeiisgemeinjchast deutschcr Zollbeamten, Ortsgruppe
Mainz."
Da bisher dem Ersuchen nicht itc z - ben wurde, haben sämt-
liche Beamte heute früh die Arbeit niedergelegt und stnd
iest entschloffcn, diefe erst dann wieder aufzunehmen. wenn ihrs
Forderungen crfüllt sind.
Me Schwe!z und das Aeparaiionsprohlem.
Olten, 23. Ian. Der Vorstand der schweizerischen Vereinigung
für den Mlksrbund beschlotz eine Eiugabe an den schweizerijchen
Vundesrat, in der im Hinblick auf die drückenden Schäden,
die die andauernde Ungcwitzheit über die endgültige Ordnung der
Reparation und die immer noch ausstehende Erledigung des
Problems der i n t c r n a t i o n a! e n Schulden auch der Schweiz
bereiten, sowie auf d:e Möglichkeit, Latz die gegenwärtige Span-
nung zwischen Frankreich und Deutfchland zu einer ge-
fährlichsn Friedensstörung führen kdnnte. Der Bundesrat wird e>a-
geladen, den Völkerbund darin zu bestärken, datz er in der nächsten
Session stch die Nesolution der dritten Völkerbundsvorsammlung
über tas Neparationsproblem zu eigen mache und damit die drohende
Kriegsgeiahr Leseitige.
Ser Srnst der Lage.
Wir durchleben Augenblicke äutzerster, fast nicht mehr ertrLg«
licher Spannung. Schicksal und Zukunst unseres ganzen Volkes
licgen jetzt aus der Wage, und nichts kann in solcher Lage ver-
HLngnisvoller sein als Unklarheit oder gar optimistische Selbst«
täufchung.
Wir wollen verfuchen, keides zu vermeiden.
Die Franzosen stehen mit gewaltigen Streitkräften im Ruhr-
gebiet. Man hört jetzt schon von weit über 100 000 Mann, die
hier versammclt sein sollen, aber die Truppenbewegungen dauern
noch an. Aus den südfranzösischen Häfen vernimmt man die An«
kunst zahlreicher neuer Transporte von Kolonialtruppen. Er-
innern wir uns ferner der Vorbereitungen, die im besetzten Eebiete
für Aufnahme und Versorgung eines Riefenheeres getroffcn worde«
sind! Am Montag war in Frankfurt das Eerücht verbreitet, auch
diese Stadt werde Lesetzt werden. Es war nur ein Gerücht. Man
hat erfahren, datz die Kaoallerieregimenter, deren Bewegung im
bcsetzten Gebiet Anlatz zu den Befürchtungen waren, andere Be-
stimmungen hatten, aber man wird gut tun, daran zu denken, dah
der Eedanke einer Besctzung der Mainlinie und einer Herstellung
einer Verbindung nach der Tschechoslowakei hin in Zufammenhang
der französischen Ziele von jeher lebendig gewesen ist.
Blicken wir nach dem Osten!
Am Tage des Deginns der Vejetzung des Ruhrgebieies erfolgt«
auch der Einbruch grotzlitauischer Banden ins Memelgebiet. Ein
Zusammenhang deider Ercignisse muh Lestehen. Es ist noch nicht
klar zu erkennen. welcher. Es dstrchkreuzen sich vielleicht die
Einflüste. Das giotzlitauische Aktionskomitee nahm wohl an, dah
Polen gleichzeitig mit Frankreich märfchieren werde, und
wollte die von ihm ins Auge gefatzte Deute Lei der Austeilung
deutschen Landes auf jeden Fall sich sichern. Es ist möglich, datz e»
Labei im Einverständnis mit England handelte, das nicht will, datz
Memel dauernd unter polnisch-sranzöstschen Einfluh komme. Die
Sache ist hier vorläufig zum Stehen gekommen. indem die Bot-
schafterkonferenz ei'n „Komitee" nach Memel deordert hat: die Ent-
scheidung wird abhängen von der weiteren allgemeinen Ent-
wickelung.
Der Linfal in Memel war verfrüht, denn Polen marschiert«
nicht: das Unternehmen Frankreichs im Ruhrgebiet war ja an-
geblich kein „militärisches", allein es kann täglich dazu werden.
und für diesen Fall eines militärischcn Vorgehcns Frankreichs gegen
Deutschland bestehen zwifchen diesem und Polen und auch 'der
Tfchechoslowakei Verträge. welche diese beiden Staaten zur Teil-
nahme verpflichten. Und wir wissen, datz Anfammlungen
polnischer Truppenmasten in der Stärke von 7 Divisionen in dem
Raume zwischen Kulm, Vromberg und Thorn bereits stattgefunden
haben, datz 3 Divisionen bei Veuthen stehen, datz die polnifche
Division bci Pletz auf volle Kriegsstärke gebracht ist, datz die Eraf-
fchaft Elatz durch dcn „tschechischen Bergfchutz" bedroht ist, datz in
Warschau mehrere höhere französische Stäbe eingetrofsen sind!
Es ist nicht gesagt, Latz alle diese gcgen Dcutfchland bereit-
gcstellten Kräfte auch wirklich zur Vermendung kommen. Es steht
fest, dah es in Warschau Leute gibt, die dringcnd warnen vor
weiteren militärischen Abenteuern, die auf Rutzland hinweisen, auf
die ungefestigte Lage des Landes im Innern, auf feine finanzielle
Zerrüttung, aber es ist fraglich, ob diese Stimmen sich werden durch-
sctzen können, wenn von Paris aus der Befehl zum Vorgehen
lommt. Eenau dasfelbe gilt von der Tschechoslowakei, dem anderen
Vasallen Franlreichs im Osten. Auch d!e Tschechoslowakei hat ihr«
inneren Schwächen. Sie steht namentlich in der Slowakei selber
stets zunehmenden Schwierigkeiten gegcniiber: das Verhältnis zu
Ungarn wird immer gespannter, aber auch die Tfchechoflowakei ver-
dankt ihr Dafein vor allem Frankreich, und ste bleibt daher in ihrer
Politik den Pariser Oberherren verbunden.
Dicfe Politik aber kehrt alle ihre Spitzen einzig gegen Deuisch-
land. Die vollkommene, für alle Zeiten wirlfame Vernichtung
Dsutschlands ist der französifche Staatszweck. Man wird gut
tun, Laran zu denken, datz diefer Staatszwcck mit ciner unheim-
lichen Energie dabei ist, sich durchzusetzen, und datz nirgends in der
Welt eine Macht ist, die gewillt wäre, ihr eigenes Mohl aufs Spiel
zu setzen, um das zu verhindern. Auch Englond nicht! Man komme
uns nicht immer mit Len Beispielen der Vergangenheit und fchlictzc
nicht, weil England damals fo und so gehandelt habe, es auch
hcute so werde handeln i.tüssen. So einsach lasicn sich die poli-
tischcn Exempel nicht loscn. Weder England noch alle anderen in
Betracht kommenden Faltoren sind konstante Grötzen, man muh
deshalb die Rechnung für jeden Fall besonders einstellen.
Das Ergebnis für uns ist, datz Dsutschland dem immer unoer-
hüllter hervortretenden Zerstörungswillen seiner Todfeinüe, der
Franzosen und der Westslawen, gegenüber ganz allein sieht,
einzig nur angewiesen auf seine eigenen Kräfir, dah diese Kräfte
materiell genommen verschwindend klein sind, und Lah schlietzlich
alles Larauf ankommt, ob das deutsche Volk den Willen hat,
sich selbst zu behanpten, an sich selbst n»cht irre zu werden, mit
den sremden Unterdrückern niemals zu paktieren, es komme,
was wolle!
„Es komme, was wolle!" Ist damit nicht schon wieder zu virl
gesagt? Hat die Tragsähigkeit eines Volkes, noch dazu eines Volkcs,
das Lcreits die Heimsuchungen einer Hungerblockade von fiinf Iahren
durchgemacht hat, nicht ihre Grenzen? Ecwitz! Aber diese Erenzrn
sind ausdehnungsfähig, und die Frage ist schlietzlich nur, ob wir
freiwillig tragen wollen, oder ob wir gezwungen tragen.
und die Cchrecklichkeit des Loses, das uns droht, wenn unsere Feinde
triumphieren und wenn stc der Welt das noch nicht Lagewesene
Schauspiel der Versklavung eines ganzen Volkes geben,
ist unausdcnkkar.
Das Ruhrvolk hat bisher das heroische Beispiel gegeben, tragen
gu wollen, sich das Sklavenjoch nicht auflcgen zu lassen. und
oft" krlcheint täglich tauch Eonntagr) »srinittag», also kiebenmal
.'°"et ,rei In, T-ru» zugestellt monatlich I2N0 MI. durch die Post
« Mk. zuzüglich IN.Sü Mt. Bestellgeld. Tinzelnnmmer St> Mk.
H'e.Vadtsche K
I ««chentlich »nd
E-n-tlich ,s
Hekdelberger Aektung
(Gegründet 1858)
«nd
Handelsblatt
Mitwsch, 24. Zaiwar 1S2Z
«n,riaen»rer-: die 22 mm brette Nonpar-ille,eN- 40 Mk. Familien.. D-r-in^
und Kleine Anzeigrn nach besonderem Tarif. Rcllamen: di« »8 mm breite Nonparellle»
etle SOl) Mt. Bet Wtederholungen nnd üeilcnanschiüssen tarrflicher Nachlag.
§dr«chb,^^ ben gesamten t-xtitchrn Lsil Adolf kimmig in Aetüeiberg. Fernrui drr Nedaltion: Aeideloerg 83.
^ noe der Echrisileitung vorm. 11-lS Uhr. Berlinrr Bcrtretnng: Berlin 8VV 48. Zimmcrstraß: Nr. S.
^mt Zentrum Nr. 41S. Münchenrr vertretnng: München, Seorgenstraze Nr. 107. Fernruf Nr. 81887.
Für Anzetgen, vieklamen »nd gefchältliche Beilagen verantwortlich Aifre» Schmltz tn Hcidelberg. Fernruf 82
Berlag: tzeidelberger B erlag San st alt «nd Drulkerei S b. m. H Heidelberg, Aanptftrab» 28 —
Postschetkkont» Karlsruh» Nr-lgiBg. - Druck von I. G. Holdwar«, Nachf., T. m. b.H, Frankfurt am Main
Nnheitsfnmt a» Rnhr und Rhein.
Die Streikbewegung im Ruhrgebiet. — Die französischen BrutalitLteu.
Lkigene Drahtmeldnnn-
D.. m-.. Elseu, 23. Januar.
^kleu d- ^"^^rstand ter gesamten Bevölkerung tes RuhrgeLicts
Eg französischen Eintringlinge wächst von Stunde zu Stunde.
Ngch eine der Zechen, deren Leiter in Hast sind. Die
ii, Ererschleppten deutschen Zccheniireltoren befin en stch
derl^elhaft. Jeder Derkehr mit ihnen ist unmöglich. Aus Paris
digy 'Et, datz sie nicht vor das Krieg-g.richt gestellt werd-n und
frg^^ logar mit ihrer Freilassung rechnit, obgleich die
fr ,^'ll.che Militärbehörde auf eine Znternterung in einer
Nl,» ^ofischen Stadt Lest.'ht. Lstzlere Matznahme verdient
bisherigen sranzöfischen Praktiken die grötzere Dlaub-
°'Nkeit.
Der Srreik der Bcr arbeiter greist weiter um stch.
Äirch^y.ffen streiken 65 000, Lei Stinnes 100000 Arbeiter.
^ben^' 3echcn des Essener Steinkohlenbergwerks
jetzt E'ch dem Streik angeschlossen. Der Streik erstreckt sich abcr bis
iliit». die Kohlenzechen, während in den Eisenwsrten der
di«^'"^iunungcn von Thyssen und Stinnes gearbeitet wir'o. Be-
Ädg?^>ert ist, datz auch di« polnischen Beamten und
raden r der Thyjsenwerle sich mit ihren deutschen Kame-
eevi P .^nrisch erklärt haben. Sie haüen folgcnde En sch ietzun,
fischsii ^ierungspräsidenten mit der Biit« üüersandt, ste dem fran ö-
^kech- ^°neral in Düsseldorf mitzuteilen: Jm Auftrag der polnisch-
Arbeiter und Beam en der Thyssen-Wsrke in Kamiorn
geben von
efs, Herrn
—r - - - -- erregt hat.
.^tiarsn nnsdrücklich, Latz wir nur di« Anordnungen
hg-^Utschen Regierung und unserer Werkleitung
^Sen werden und uns eins fühlen mit allen Arbeitern und
^lenh^ der Thyssenwerke. Wir verwe.sen auf das autzerordentliche
Fainj.uud die Not, welche aus dieser Verhastung für uns und unjere
»üs t>"En erwachsen uni wollen nicht versäumt haben, all.r Augen
Fkitz E. 8"lgen hinzuweisen, di« aus der willkürrichen Nerha't .nz
Ärh.j^qssens entstchen. Wir schlietzcn uns dcm Treu elobnis aller
e h e r ^uud Beamten Ler Thysten-Werke an. die wie Fr.tz Thyssen
^llen ^tangsal und Beschwerden aller Art dulden
u> als den Anordnungen Ler Regierung en.gegen zu hanoeln.
'E Eingrisfe der Franzosen in das Verkehrswesen riesen bereits
erhebliche Derlehrsftocknnge»
di, .Die Ankünfte von Kohlen per Achse im Ruhrorter Hafen,
» ts im starken Rückganz begriffen waren, haben jo gut wie
töriii,°," u f g e h ö r t. so dag ke.ncriei Vsrladungen mehr stattfinden
?^hirit noch fayrenoe Schiffe sind von den Franzosen bejchlag-
tv.^.orden, Loch ist iyre Weirersüyrung unmögtich. i.a die deur-
^hini ll'brung Las Schleppen und Durchschleusen solcher beschlag-
Uiin^u Kähne verboten hat. Auch im allgemeinen Vsrkehr
die Stockung zu. Der Streik im Dorlmunder Haupt-
dausrt an. Auch der Bahnhof Sterkrade und Ler
Ä? Vapnhos O st e rf e ld-Süd tzaden sich Lem Ausstand an-
rveil die Belgier die Stellwerke mit Maschincnoewchr n
lui,?' datten. In Sterlrade zogen die Velgier nach den Verhand-
Lcm Bahntzofsvorsiehcr wieder ab. Ietzt ist der Vetrieb
Ȇit^^un Gange. Der Bahnhofsvorstand stellte folgende Bcdin-
E' Vollständige Räumung des Bahnhofs.
^ ^rin Soldat Larf den Bahnhos ohns Bahnsteigkarie betreien.
Vcamter oder Arbeiter darf wegen dss Ausstandes zur
'wortung gezogen werden.
Avgg* Zahl d«r gestellten Wagen ist seit Montag um
"jr in»^uagegangen: >ie betrug heute runü 15 000, während man
N dj, Ä". mit einem weiteren Rückgang rechnet. Prächt.g ist über-
^tinimuna und 5raltuna der aelamten Beraarveiterr und
vtimmung und Haltuna der qesamten Ber->arbeiter-
Aoubk">chaft. Wo immer ein Franzose oder Delgier sich Ein
?>e Ft^wird einmütig ohne Anweisung die Arbeit niedeigclegt.
lUg b,?..obend in Esten ein französisches Kommando einsn Personen-
Eg, worauf der Lokomotivführer die Fahrt verwei-
N^Uzo! deutschen Fahrgäste verliehen den Zug, während die
» °Uzo> stch die ganze Nacht über im Wagen aufhielten. Die
kÄwcn " verfuchen nun, den Eisenbahnbetrieb selbst in die Hand zu
k'chez t-hud haben zunüchst in Rccklinghausen-Ost 20 Mann iranzö-
M w fr'lenbahnpersonal stationiert. Nach eincr Pariser Meldung
^Uhr„,.'?re 1800 'sran-ösische Eisenbahn-, Finanz- und Zollbeamte ins
v'et abgegangen.
.^ranzosen fühlen stch offenbar noch nicht stark genug, und
' " lnsbesondcre einem
Vig^^ Streik der Eiscnbahner
ü?ch, d» Neqenüberzustehen. Sie ziehen immer neue Truppen
Ae ullem Eisenbahner uno Trlegraphisten. um qegebencnfalls
r'chlm-r,' ^niittcl behcrrschen zu können. Am Montag trafeu im
,'r>ier o * sranzösische Eisenbahner, zumeist Lothringer und Llsä"
^Una??°ll- und Finanzbeamte. sowie Telegraphisten cin. Die
»'r Ä,bZ.ruppen gehen im Lbrigen nach vie vor rückstchtslos ge
h
'»Uitli^ Protcst erhoben. Die Truppcn stnd ictzt dazu übergegangen,
BeLLnde des Schlachthoses zu b e sch l ag n a h m e n.
s^olkcrung vor. Auf dem Zchlachthof von Necklinghaufen
^lt; die Besatzungearmee grotz^ ^M enge n Fl e,isch ge-
Durch diefes Dorgehen ist die Fleischoersorgung Ler Bevölkerung
crnstlich gefährdet.
Aeue SrvtalMen.
Die Borgänge in KSlu «nv Maknz.
Von unserer Berliner Redaktkon.
Berlin, 23. Ianuar.
Dke schikanösen Eewalttaten gegen deutsche Beamte im Rheinland,
die nur iyre Pflicht tun, wenn sie aetreu iyrem Eid nur die Befehle
Ler Reichsregierung tun, werden fortgesetzt. Ein neues Opfer ist
der Regierungspräsident der Pfalz. Er wurde mit so-
fortiger Wirkung aus dem besetzten Eebiet ausgewiefen, seiner Fa-
milie nur cine kurze Frist zur Räumung ihrer Wohnung gewährt.
Die Meldung, datz auf das Eingreifen des britischen Oberkomman-
dierenüen der Ausweisungsdefehl gegen den Präsidenten des Lan-
desfinanzamts Köln, tzähling von Lanzenauer, zurückge-
nommen wurde, bestätigt sich leider nicht. Wie die „Köln. Zeituna"
ersährt, war dic Verhaftung Hern von Hählings — einem sranzösi-
schen Äusweijungsbefehl hatte der aufrechte deutsche Beamte kein«
Folge gegeben — unter ganz besonders schikanösen Umständen vor
sich gegangen. Am Montag abend, kurz nach 10 Uhr, erschienen vor
der Privatwohnung des PräsiLenten drei Automobile, von
dcnen eines mit französisch en Ofsizieren, die anderen
mitenglischem Militär besetzt waren. Zunächst erschien ein eng-
lifcher Dolmetfcher, dsr ankündigte. datz sranzösische Offiziere mit
einem HastbefehI aus Bonn erschienen seien, um den Präsiden-
ten zu verhaften, da er stch geweigert hab«, das befetzte Gebiet zu
vcrlasjen. Er trat dann in das Zimmer, in dem sich der Prästdent
zur Erledigung seiner Amtsgeschäfte aufhielt, ebenfo der englifche
Polizeimeister in Beqleitung eines weiteren englifchen OfMiers.
zweier französifcher Osfiziere und einer Anzahl englischer Mann-
schaften: im ganzen mochten es etwa 15 bis 18 Personen gewesen
sein. Die französischen Offiziere eröfsneten dem Präsidenten. datz
ste einen Haftbefehl des franzijsischen Befehlshabers in Bonn HStten
und datz ste ,hn nach Bonn absiihren mützten. Der Präsident
wandte sich an die engliscken Offiziere mit der Fraae, ob die Eng-
länder ihre Eenehmigung zur Vollstreckung eines Haftbe-
fchls erteilt hätten, der feines Erachtens eine neue Matznahme
gegen ihn darstelle. Die Engländer erwiderten, ste wären nicht da,
wenn nicht der englische Befeblshaber seine Eenehmigung erteilt
hätte. Darauf wurde dem Präsidenten angedroht, er wiirde mit
Gewalt abgeführt werden. Dieser fügte stch schlietzlich der Ee-
walt und lietz stch abführen. Die Franzofen nahmen ihn in ihr
Auto und fuhrcn davon.
Zu den nncrhörten
Ecwaltakten gegen die Beamten des Hauptzollamte, Main?
werden uns noch iolgende Einzelheitcn gemeldet: Der Amtsvorstand
des Hauptzollamtes m Mainz, OLerregierungsrat Dr. Ofsen-
böcher wurve am Montaq von der Besatzungsbehörde verhastet,
da er stch weigerte. den feindlichen Befehlen nachzukommen und sich
so in den Esgcnfatz zur deutschen Negierung zu stellen. Daraufhin
richtete man an ssinen Stellvertreter, Oberzollinfpektor Horn und
an dcn Kastenanfsichtsdeamten, Obcrzollinsvektor Witzner. fol-
gende Anfra^s: „Der untcrzeichnete Jnfpektor Ler französtschen Zoll-
verwaltung, Delegierter der bohen Rheinlandkommission, ersuchr Sie
um gesl. Abgobe einer schriftlichen ErMrunq, ob Sie bereit sind,
wie bisher Ihre Dienstpflichten weiter zu erfüllen, oder ob Sie
die „Zufammenarbeit mit den französischen Beamten verwergern."
sllnteifchriftl — Die deutschen Bcamten ermiderten wie folgt:
,.Wir erklären, datz wir als deutjche Beamte ausschlietzlich den
Bsfehlcn unsercr vorgsfstzten deutfchen Behörde Folgs leisten.
Mr wevden unter keinen Umstönden den gele'stetcn Dicnsteid
brechen." — Horn, Olerzollinspektor: Witzner, Oberzollinspektor.
Berde Beamte wurden darauf ebensalls verhaftst.
Daraufhin bat die gesamte Beamtenschast der Mainzer Zoll-
ämter folqende Erklärung der Besatzungsbehördc unterbreitet „Die
unterzeichnete Beamtenvertretung legt im Austrag der geiamten
Bcamtenschatt des Hauptzollamtes Mainz dringendsten, jchärfsten
und fcierlichsten Protest gegen d!e unrechtmähige Bsrhaftunq und
Eesangensetzung des Amtsi'orstandes dcs Hauptzollamts Mainz»
Herrn Oberrcgierungsrat Dr. Offenböcher, seines Stellver-
treters Oberzollinlrektor Horn und des Kastsnnufsichtsbeamten
Obsrzollinfxektor Witzner, ein. Wir ersuchen auf das Bestimm-
teste die fofortige Freilafsuno sämtlicher Verhafteten nnd
bitten davon Kcnntnis zu nehmen, datz im Falle dcr Nichtsrsüllnng
nnseres Eesuches die Verantwortung sllr die Folgen der Ablehnung
voll und oanz auf die fran'.ösische Besatzungsbehörde zurückfällt.
— Dic Arbeiisgemeinjchast deutschcr Zollbeamten, Ortsgruppe
Mainz."
Da bisher dem Ersuchen nicht itc z - ben wurde, haben sämt-
liche Beamte heute früh die Arbeit niedergelegt und stnd
iest entschloffcn, diefe erst dann wieder aufzunehmen. wenn ihrs
Forderungen crfüllt sind.
Me Schwe!z und das Aeparaiionsprohlem.
Olten, 23. Ian. Der Vorstand der schweizerischen Vereinigung
für den Mlksrbund beschlotz eine Eiugabe an den schweizerijchen
Vundesrat, in der im Hinblick auf die drückenden Schäden,
die die andauernde Ungcwitzheit über die endgültige Ordnung der
Reparation und die immer noch ausstehende Erledigung des
Problems der i n t c r n a t i o n a! e n Schulden auch der Schweiz
bereiten, sowie auf d:e Möglichkeit, Latz die gegenwärtige Span-
nung zwischen Frankreich und Deutfchland zu einer ge-
fährlichsn Friedensstörung führen kdnnte. Der Bundesrat wird e>a-
geladen, den Völkerbund darin zu bestärken, datz er in der nächsten
Session stch die Nesolution der dritten Völkerbundsvorsammlung
über tas Neparationsproblem zu eigen mache und damit die drohende
Kriegsgeiahr Leseitige.
Ser Srnst der Lage.
Wir durchleben Augenblicke äutzerster, fast nicht mehr ertrLg«
licher Spannung. Schicksal und Zukunst unseres ganzen Volkes
licgen jetzt aus der Wage, und nichts kann in solcher Lage ver-
HLngnisvoller sein als Unklarheit oder gar optimistische Selbst«
täufchung.
Wir wollen verfuchen, keides zu vermeiden.
Die Franzosen stehen mit gewaltigen Streitkräften im Ruhr-
gebiet. Man hört jetzt schon von weit über 100 000 Mann, die
hier versammclt sein sollen, aber die Truppenbewegungen dauern
noch an. Aus den südfranzösischen Häfen vernimmt man die An«
kunst zahlreicher neuer Transporte von Kolonialtruppen. Er-
innern wir uns ferner der Vorbereitungen, die im besetzten Eebiete
für Aufnahme und Versorgung eines Riefenheeres getroffcn worde«
sind! Am Montag war in Frankfurt das Eerücht verbreitet, auch
diese Stadt werde Lesetzt werden. Es war nur ein Gerücht. Man
hat erfahren, datz die Kaoallerieregimenter, deren Bewegung im
bcsetzten Gebiet Anlatz zu den Befürchtungen waren, andere Be-
stimmungen hatten, aber man wird gut tun, daran zu denken, dah
der Eedanke einer Besctzung der Mainlinie und einer Herstellung
einer Verbindung nach der Tschechoslowakei hin in Zufammenhang
der französischen Ziele von jeher lebendig gewesen ist.
Blicken wir nach dem Osten!
Am Tage des Deginns der Vejetzung des Ruhrgebieies erfolgt«
auch der Einbruch grotzlitauischer Banden ins Memelgebiet. Ein
Zusammenhang deider Ercignisse muh Lestehen. Es ist noch nicht
klar zu erkennen. welcher. Es dstrchkreuzen sich vielleicht die
Einflüste. Das giotzlitauische Aktionskomitee nahm wohl an, dah
Polen gleichzeitig mit Frankreich märfchieren werde, und
wollte die von ihm ins Auge gefatzte Deute Lei der Austeilung
deutschen Landes auf jeden Fall sich sichern. Es ist möglich, datz e»
Labei im Einverständnis mit England handelte, das nicht will, datz
Memel dauernd unter polnisch-sranzöstschen Einfluh komme. Die
Sache ist hier vorläufig zum Stehen gekommen. indem die Bot-
schafterkonferenz ei'n „Komitee" nach Memel deordert hat: die Ent-
scheidung wird abhängen von der weiteren allgemeinen Ent-
wickelung.
Der Linfal in Memel war verfrüht, denn Polen marschiert«
nicht: das Unternehmen Frankreichs im Ruhrgebiet war ja an-
geblich kein „militärisches", allein es kann täglich dazu werden.
und für diesen Fall eines militärischcn Vorgehcns Frankreichs gegen
Deutschland bestehen zwifchen diesem und Polen und auch 'der
Tfchechoslowakei Verträge. welche diese beiden Staaten zur Teil-
nahme verpflichten. Und wir wissen, datz Anfammlungen
polnischer Truppenmasten in der Stärke von 7 Divisionen in dem
Raume zwischen Kulm, Vromberg und Thorn bereits stattgefunden
haben, datz 3 Divisionen bei Veuthen stehen, datz die polnifche
Division bci Pletz auf volle Kriegsstärke gebracht ist, datz die Eraf-
fchaft Elatz durch dcn „tschechischen Bergfchutz" bedroht ist, datz in
Warschau mehrere höhere französische Stäbe eingetrofsen sind!
Es ist nicht gesagt, Latz alle diese gcgen Dcutfchland bereit-
gcstellten Kräfte auch wirklich zur Vermendung kommen. Es steht
fest, dah es in Warschau Leute gibt, die dringcnd warnen vor
weiteren militärischen Abenteuern, die auf Rutzland hinweisen, auf
die ungefestigte Lage des Landes im Innern, auf feine finanzielle
Zerrüttung, aber es ist fraglich, ob diese Stimmen sich werden durch-
sctzen können, wenn von Paris aus der Befehl zum Vorgehen
lommt. Eenau dasfelbe gilt von der Tschechoslowakei, dem anderen
Vasallen Franlreichs im Osten. Auch d!e Tschechoslowakei hat ihr«
inneren Schwächen. Sie steht namentlich in der Slowakei selber
stets zunehmenden Schwierigkeiten gegcniiber: das Verhältnis zu
Ungarn wird immer gespannter, aber auch die Tfchechoflowakei ver-
dankt ihr Dafein vor allem Frankreich, und ste bleibt daher in ihrer
Politik den Pariser Oberherren verbunden.
Dicfe Politik aber kehrt alle ihre Spitzen einzig gegen Deuisch-
land. Die vollkommene, für alle Zeiten wirlfame Vernichtung
Dsutschlands ist der französifche Staatszweck. Man wird gut
tun, Laran zu denken, datz diefer Staatszwcck mit ciner unheim-
lichen Energie dabei ist, sich durchzusetzen, und datz nirgends in der
Welt eine Macht ist, die gewillt wäre, ihr eigenes Mohl aufs Spiel
zu setzen, um das zu verhindern. Auch Englond nicht! Man komme
uns nicht immer mit Len Beispielen der Vergangenheit und fchlictzc
nicht, weil England damals fo und so gehandelt habe, es auch
hcute so werde handeln i.tüssen. So einsach lasicn sich die poli-
tischcn Exempel nicht loscn. Weder England noch alle anderen in
Betracht kommenden Faltoren sind konstante Grötzen, man muh
deshalb die Rechnung für jeden Fall besonders einstellen.
Das Ergebnis für uns ist, datz Dsutschland dem immer unoer-
hüllter hervortretenden Zerstörungswillen seiner Todfeinüe, der
Franzosen und der Westslawen, gegenüber ganz allein sieht,
einzig nur angewiesen auf seine eigenen Kräfir, dah diese Kräfte
materiell genommen verschwindend klein sind, und Lah schlietzlich
alles Larauf ankommt, ob das deutsche Volk den Willen hat,
sich selbst zu behanpten, an sich selbst n»cht irre zu werden, mit
den sremden Unterdrückern niemals zu paktieren, es komme,
was wolle!
„Es komme, was wolle!" Ist damit nicht schon wieder zu virl
gesagt? Hat die Tragsähigkeit eines Volkes, noch dazu eines Volkcs,
das Lcreits die Heimsuchungen einer Hungerblockade von fiinf Iahren
durchgemacht hat, nicht ihre Grenzen? Ecwitz! Aber diese Erenzrn
sind ausdehnungsfähig, und die Frage ist schlietzlich nur, ob wir
freiwillig tragen wollen, oder ob wir gezwungen tragen.
und die Cchrecklichkeit des Loses, das uns droht, wenn unsere Feinde
triumphieren und wenn stc der Welt das noch nicht Lagewesene
Schauspiel der Versklavung eines ganzen Volkes geben,
ist unausdcnkkar.
Das Ruhrvolk hat bisher das heroische Beispiel gegeben, tragen
gu wollen, sich das Sklavenjoch nicht auflcgen zu lassen. und