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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0779

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6». Zahrgang - Lr. ira

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1868)

und

Handelsblatt

-Hienstag, den 8. Mai 1923

Haoptg«schLft,stell» rl. Schrtftleitg. der.Badischsn Post" Heidelberg, Hauvtstr. 28, Fernspr.
Nr. 182 Berliner Vertretung: Berlin SiV 48, Ziimnerstrage g, Fernipr. Zentr. 418
Münchner Bertretung: München, Eeorgenstr. 107, Fernspr. 816S7

vvftscheS-Nmrtv: Sra»kfitr« a. «k. vlchl»

voftsArck-Ksnt«! F««»N»rt a. W. V1T1S

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Das brüskierte England.

Weitgehende Verstimmung über Frankreichs eigenmächtiges Vorgehen.

TigeneDrahtmeldung.

London. 7. Mai.

Turzon empfing, der „Sunday Times" zufolge, am
-m Foreign Office die Boifchafter Franlreichs
drs z»El«iens. Vei der daLei erfolgten formellen lleberreichung
KE°^°uts der franiäsifchen und Lelgifchen Antwort fei der sran-
^Ntwv.?Eandpllnkt Ltnsichtlich der Art dargelegt uvorden, in der die
Deutfchland beschlosien wnrde, Von feiten Poin-
Aen znm Ansdruck aebrachi wordcn. dasi cr es sehr vorge-
^oii^tte, dasi die Nntwort an Dcutfchland die Eestalt emer
dstz ^ktivnaie tzer Alltierten angenommen hätie, dasi
unmöglich gewesen sei weaen der Forderung der
tgz'"ft>chen Oeisenilichkeit und der Ansicht des Parlaments, dasi
AnacLot sofort abzulebnen sei, Curzon wurde
i " a° 1'^»ung gegeben, dasi, wenn in Zukunft Deutschland em
^lle ° t mache, 'das in irgendeiner Weife als Erörterungsgrund-
^w^uaesehen werden könne, Potncarä Lereit sein würde, es
^tjsl ^sam ^ ^ .

mit allen Alltierten zu erwägen, — Der diplo-
!<k>s ^ ^richiersiatter des „OLserver" will wisien, dasi die bri-
>1; ^siterung angestrenqte Verfuche mache, um weftcreoor-

.'cparate Aktionen Frankreichs und Belatens zu
, °Y „ , da ihrer Anstcht nacki nur eine vere tnte Ak-

Mivn Allüerten die einzige Ausstckt aus Erzielung einer Repa-
"Ifhv^ °«elung Liete. Die Lritische Regierung sei auch der Auf-
i Ichk». K es ein Fehler ist. das augenblickliche deutfchc Angebot,
Nhe !-: auch sei, obne Erörterung zu verwerfen. Die Haupt-

, °l>t!Li ibrer Ansicht, die diplomatischen Meihoden gegcnuber
Rh uv Ä an Stelle der Methoden zn setzen, die feht von Frank-
^raebiet angewendet werden. Die britischen Botschafter
^"üllel und Nom feien angewiefen worden. d?e dort herr-
?°rdtz " genau festznstellen, und das Lritifche Kabinett

Bepsnn dieser Moche zusammentreten, um zu erwägen.

!?i»

Frankreich auf einem sevaraten Vorgehen bcstehe

die britifcke Haltung geqeniiber Deutfchland

- lle„b u k e h r e«. Da die enqlifcke Regierung bestrebt fei, die
stEri, mllche Eelegenheii zur Beendiguna der Rubrkrise n.i ch t zu
h. werde in der freundschaftlichsten Wcise gegenüber der

«s. ^lsw Regieruna darauf hingewiefen, dasi das allqemeine
«>-">>?..* Reuarationen und mtsralliierten Schulden nicht
d? Iro„,^°'ch allein beriihre und auf fedcn Tall nicht durch
Änü°üfche Aktion im Ruhrgebiet gelöst werden könne. — Ueber
>s, ""'tuen, die in englifchen Regierunaskreisen herrschen.
..»rz ^1"" avch hurch die Auslasiungen des diplomatischen Redak-

»serunge.

»i..^«t»"Note, dis der verlehten Empfindlichkeit dcs enaliscken
iehr heutlich Ausdruck gibt, heisit es: Die englifche Re-
^ i'vvrt^E, dasi es ntcht notwendig war, stch mit der
b!g die Reichsreaieruna zu beeilen, Eme Verzögcrung von
>»g/tertg."'°r Tagen hätte keinen Einflusi auf die Stellung der
Ü>t?t hz.. >ti«enuber Deutfchland gehabt, Eine eemeinsame Ani-
si?" en»' ttur Geltung gegenüber dem Berliner Kabinett besesien,
«s^e d». Mar an, dasi Frankreich und Belgien allein an der
^kstip..^uhrbesehnng interesstert sind, bemerkt jedoch. dasi es
be ^»'l°n möalich gewesen wäre. zu erklären, dasi in diefer
IfMtsv ^rhandlunaen keinerle! Bedinaungen unterworien fe!n
^„. "«tt Prinzlpien- und Formenfrage legt das englische

dye"4sn «a^E'ckt grösiere Bedeutung hei, Es glaubt, dasi die
"fos..5Mtüyg.tzsx Gesamthelt der ANiierten interefsiere und
hls M diese auck in ihrer Gesamthett hätten ant-

d». .°UtfK»I? Das engliscke Kabinett bemerkt. dasi es sick siber
s?üfchpn -VcftfcklSae «jcht ausfprechen wür-de, ohne über den
sll^'Iest si.L.^landnunkt unterrichtet zu sein.

"lhsi !°denfalls. dasi mit der ablehnenden Note, die Poin-

"^Utfchg^ GeschSftstrager Herrn von Hösch -ugehen lieh,

^Üey >„° I5ttUg, dasi irgendwekche internationalen Besprech«
vn.rs ^eluna der Reparationsfraae stattfinden könnten,

wieder einmal znschanden geworden ist.

>?um den Preis, Englands Unzufrieden -
F„dr ll« steigern, als dies in den letzten Monaten
l?°>ch» ?? war. Aber der französische Ministerpräsident fcheint
Mteg ^ ncher zu sein, dasi er alle Anregungen, die ihm seit
Äe„"^vori°"^rstag aus London zukamen, nämlich keine über-
U'-ds ' °ins B'erlin zu senden, sondern den Versuch ,u

brin-^Eknsame Antwort mit den Lbrigen Alliierten zu-
"'cht beachtete, sondern, wie es immer seine Art
ks^is^ die ^ I^tne abweifende Antwort an Deutschland richtete.

E>>. Äot- ergebene Presse äußert sich zur französisch-

f.'ie.' bix st?ohin, dasi Frankreich unmöglich darauf warten
di-° ernä-i^"d llu einer gemeinsamen Antwort entfchlosfen

zu emer gememiamen «inrwori eniiwmiien
° ann°„»I Pertinax im „Echo de Pari s", daß Tng-
üft». ?!°»e Zablunasiumme. die Karantie und die Ent-

ub«. j::'-»« -layiungsiumme. vre rvaranne unv vie wnr-
^i"kr°-^ Tcki»„ Leistungsfähiqkeit Deutschlands durch ein tnier-
idü^Lsi'L ielM "Aerickt ebenso unzureickend finden müffe wie
d'cht ^.una k,»s.??'u Widerfpruch könne sich nur in der Frage der
Wtt,, x-'-"den und man müffe annehmen, daß England ge-
" 'N der gemeinsamen Ani«ortnote aller Alliier-

ten an Deutschland die Ruhrfrage nicht erwähnt worden wäre.
Frankreich und Belgien HLtten die Möglichkeit gehabt, über die
Fortdauer der RuhrLesetzung bis zur endgültigen Vezahlung aller
Reparationen in einem Anhange zu der gemeinfamen Note zu
sprechen. Pertinax Lehauptet, dasi man ber diesem Modus zu einem
Minimal- und einem Maximalprogramm gelangt wäre. Ersteres
wäre von allen Alliierten unterzeichnet worden, letzteres nur von
Frankreich und Velgien. Deutschland hätte stch selbstverständlich an
das Minimalvrogramm gehalten und HStte Lber dieses Verhand-
lungen zu führen gefucht, wodurch die französifch-Lelgifche Polftik
mit dem Untergange hedroht warden wäre. — Die oppositio-
nelle Preffe kritisiert ssILstverständlich die Note- Das
„Oeuvre" fiihrt aus, dasi es sehr leicht wäre, zu sagen. dasi der
slatus quo in der Reparationsfrage aufrecht erhalten bleibe. Aber
Poincarö habe nicht bewiefen, dasi Frankreich kein Jntereffe daran
habe, in einer Situation zu verbleiben, die nichts einbrinqe. fon-
dern die viel Eeld koste,

Aber posttive Borschläge wolle Poincarö selbftverstandlich
nicht erstatten.

Die „Kumanits" führt aus, dasi man aus der Note Poincarös
ersehen müffe, dasi er die gegenwärtigen Notwendigkeiten Eurovas
und der Welt nicht verstehe, PorncarS und die französtfche
Reaktion suchen das Heil in einer Verfchlimmerung des Ver-
satller Vertrages und in der Fortdauer des Kriegsgnstandes und
des foriwährenden Appells an die bewaffnete Macht, Für das Blatt
stehen Poincarö, Schneidcr, Loucheur und der Schatten Rathenaus
auf derselben Stufe, weshalb es durch die französifche Antwort auf
die deutsche Notc weder erstaunt noch verärgert ist. An derKlippe
der Neparationen werde die kapftalistische Eesellschaft zu-
sammenbrechen,

Der „Quotidien" schreibt: Die Ungeschicklichckeit Tunos
hätte Frankreich rn die günstigste Lage versetzt, die Ungeschicklichkeit
P,oincar4s habe es um den ganzen Eewinn daraus gebracht.
Dadurch, dasi der deutsche Reichskonzler Vorschläg« an Frankreich
richtete, die die interalliierten Mächte einmütig für unannehmbar
erklärt hätten, habe er selbst die Entente der Älliierten wieder zn-
sammeng-efchloffen. Französischerseits hätie man es nur zu wollen
brauchen und die gefährliche Isalierung Frankreicks wäre beendet
gewesen, Poincare habe es nicht gervollt- Aus welchen jämmer-
lrchen Eründen oder — beffer gesagt — unter welchen elenden Vor-
wänden? England, werde erklärt, habe Frankreich nicht zugcstimmt,
als es ins Ruhrgebiet eingerückt sei, und habe ss allein gelaffen.
Frankreich habe stch nur bereit finden können, sich mit England zu
vcrständigen. wenn London zugebe, sich getäusckt zu haben. Da man
aber englischerseits das nicht ausdrückllch ein-gestehe, verzichte man
.aüf den englischen Rat. Eine andere Erklärung für dies-e unwürdiqe
Spitzsindigkeit werde man in der aanzen offiziösen Preffe nicht
finden. fo dasi man also zu-geben müffe: Entweder sei die einzige
Aussicht aus eine friedliche Erlangung der Reparationen dem Wunsch
geypfert worden. ein Lefreundetes Land zu demütizen, oder man
kümmere sich in Wirklichkeit nicht um Reparationen. und man wolle
das Ruhrgebiet ausbeuten. -. h. es behalten. In beiden Fällen sei
diese Politik verbrecherisch. — Gustave Hervs schpeibt in der
„Victoir e". der französische Flioger Barbot habe durch seinen Fluz
über den Kanal auf einer Maschine mit schwachem Motor der Luft-
fahrt eine neue Bahn gebrochen, wichtiger als sie Bleriot mit
seinem ersten Wug von Frankreich nach England eröffnete. Be-
greisen unssre englischen Freunde nicht im Lichte diefer neuen Tat,
die die Luftfahrt revolutionieren wird, dasi felbst für eine Ratron
oon Inselbewohnern dle Zeit der Politik der Splendi-disolatian
vorbei ist? Die „Action Francaise": Wird Sard Eurzon
sich über sein« neue Antwort an Dsutschland mit Mnssgsini
verständigen? Es heißt, die Rei-s« Eeorg V. nach Nom würde
Anlasi zn poliiiscken Desprecknngen geben und der König von Enq-
land wrrrde dem Faszistendiktator zur Begrüsiung koloniale Kompen-
sationen als Geschenk machen. Wenn es aber zu einer englisch-
ttalienische Antwort käme, und wenn die Unterschiede zwischen den
beiden Schriftstücken zu erheblich wären, hätte Lord Eurzon vor
den Augen Deutschlands die Entente in zwei Teile zerschnitten. Der
deutsche Widerstand würde dann ermutigt und infolgedeffen ver-
längeri, Diese gute Arbeit werde Bonar Law bei seiner Rück-
kehr v-orfinden. Die englische Negierung könne wi« die italienische
Deutschland vernünftrgerweise nur eines erklären. nämlich datz es
di« Antwort verdient habe, die es von Frankreich und Delaien
erhielt. — Der „Ecla i r" findet, die Antwort an Deutschland hätte
gewonnen, wenn sie kurzer und energischer gewesen wäre. Er be-
dauert, datz di« Stelle, Deutschlands Vorschläge seien zum Teil un-
annehmhar. zum Teil rrnaenügend, wiedergegeben worden sei, da man
ans dieser Formel vielleicht den Schluß ziehen könne, man sei bereit,
mit der Regterunq Euno, di« eine so brutale Herausforderunz
gewagi habe, weiter zu verhandeln. Das „Iour'nal" fasit sein
Urteil dahin zusommen: Di« französisch-belgische Note «rscheint uns
allen als eine Antwort auf das Angebot Lord Turzons, das
oemeinsame Vorqehen wieder aufzunehmen. Di-eses gemeinsame
Vorgehen der Alliierten könne Loch erst nach der Liguidierung der
Ruhrfrage wicder ausgenommen werden.

Die panser Aote in Verlin.

verlin, 7. Mai. Wie die Blätter melden, traf der ofsizielle
Text der Pariser Note heute morgen in Berlin ein. Der
deutsche Eeschäftsträger iu Briissel teilte mit, daß der ihm Lber-
gebene Text der belgischen Note dem der französtschsn Antwort gleich-
artig sei. Auf drahtliche Uebermkttlung der belgischen Not« wurde
deshalb verzichtet, Es wird erst nach dem Eintreffen des brieflich
übermittelten Textes festgestellt werden, ob di« belgische Note von
der französischen irgendwelche Abweichungen zeigt. — Den Blättern
zufolge trifft der Reichskanzler, der einen kurzen Erholungs
»rlauh verbrachte, a«s Freudenstadt morgen in Berlin ein-.

Me französisch-belgische Aole.

Deutschland hat an die alliierten M 8 chte ein« Not« g«-
richtet und Frankreich und Belgien antworten: Dar
kennzeichnet die Lage. Die Äntwort lautet am Schlutz: „Die deutkch«
Regierung werde, wenn sie über diese Ding«, d. h, über di« Ein-
wendungen, die gegen die deutsche Note gemacht worden seien, einmal
nachdenken wolle, sich nicht wundern, datz Frankreich und
Velgien eine derartige Haltung ablrhnten."

Di« dcutsche Regierung roird also freundlichst eingeladen. einma-l
„nachzudenken, womit ihr wohl zu verstchen g-egeben werden soll,
datz sie das bisher noch nicht getan habe. Aber braucht im Ernst
die deutsche Regierung erst „nachzudenken", um zu dem Ergebnis
zu gelangen, das in der französtschen Note gekennzeichnet ist, nämlich
„sich nicht zu wundern", datz Frankreich und Velgien ihre Vorschläge
ablch-nten? Gewiß nicht! Datz Frankreich und Velgien, wenn es
nur auf sie ankam, für jede irgendwie geartete deutsche Aeutzeruna,
die etwas anderes war als rückhaltlose Unterwersung, nur eine hoch.
fahrende Ablehnung haben rvürden, das stand von vornherein fest.
Wenn Deutschland trotzdem das Angeoot machte und zwar an die
Gesamtheit der alliierten Mächte, so war es eben von der Erwiigung
geleitet, datz entweder Frankreich und Belgien von sich aus mit RüA
sicht aus die anderen MSchte sich mätzigen würden, oder datz di«
anderen Mächte ihren Einslutz in dieser Richtuna geltend machen
würden. Datz beides nicht eingetreten ist, scheint uns die Auf«
fassung. datz die beiden Noten nur eine erst« Phase in einer
weiteren Entwicklung seien, hinfällig zu machen'wir vermögcn nicht
die Stelle zu erkennen, an die di« deutsche Regierung anknüpfen
könnte, nm die Erörterung weiter zu ftihren; die französisch-belgische
Note lehnt nicht eigentlich ab, ste wirst die deutsche Note der Reichs»
regierung vor die Fütz«,

Soll man bei einer folchen Hastung Frankreichs — datz Belaien
in allem Entscheidenden Frankreich folat, versteht sich bei dem
Basallenperhältnis, in däs stch Belgien begeben hat, schon beinah«
von selbst — soll man bet einer solchen diktätorialen Haltung Frank.
reichs noch auf di« Einzelheiten der ftanzösisch-belgischen Note ein-
gehen, tausendsach widerlegt« lügnerische Behauptungen noch einmal
wrderlegen? Jst Lberhaupt ein Schriffftück ernst zu nehmen, däs
dreist zu erklären rvagt, die Dfandnabme, das heisit die Besetzung
des Ruhrgebietes, seiohnedlegeringste Gewaltvon seiten
Belgiens und Frankreichs «rfolgt? Sind di« Heeresmaffen, dt«
mitten im Frieden in unser Gebiet ei-ndranzeu, angeblich als Be-
gleitung für die französischen und belgischen Ingenieure, etwa
harmlose Spaziergänger gewesen? EiLt es einen schändlicheren
Eewaltakt, als menn ein Kriegsheer obne Kriegserklärnng über die
Grenze bricht? Wenn im Anfange nicht gleich geschossen wurde, ist
das nicht allein dem Umstande zuzuschreiben, datz die Deutschen in
bemahe übermenschlicher Geduld es unterließen, der Eewält
Eewalt entgegenzusetzen? Wenn aber der Einbruch eines Heeres
keine „Eewalt" ist, — warum haben denn dann die Belgier ein so
grotzes Eeschrei erhoben, als wir im August 191ä die Grenz« ihre»
Landes überschritten?

Es heitzt vorher in der ftanzösisch-belgischen Note, di« Franzose»
und Belgier hätten, da Deutsch-land seine im Moratorium herab«
gesetzten Verpflichtungen nicht «rsüllt yabe, „Pffänder" «rgriffen, und
am Schlutz wird gegen dis deutsche Note der Vorwurf erhoben, hatz
sie „der kaum verhehlte Ausdruck einer systematischen Aufflehnung
gegen den Versailler Vertrag sei", Wir wären begierig, die Begrün«
dung dieser letzteren Behauptung zu vernehmen: wir können in der
deutschen Note nichts als den Wunsch erkennen, diesen Vertrag gerad«
als Norm gelten zu laffen, die Dmze auff den 8tutus guo anto, das
heitzt auf die Lage, wie fie vor dem Ruhreiubruch war, zurückzu-
Lringen, — die Beschuldigung besagt also gerade das Gegenteil von
der Wahrheit! Es besteht mdeffen allerdings «ine „systematische
Auflehnung gegen den Dersailler Vertrag", dies« Auflehnung geht
aber nicht von der deutschen Regierung aus. die vielmehr heute dt«
Verteidigeriu dieses schändlichen Machwerks ist, sondern Frankreich ist!
es. das sich gegen den Vertrag auflehnt und das diese Auflehnung
heute nicht nur gegen Deutschland, sondern gegen seine eigenen
Bundesgenoffen, gegen die, denen es seinen Sivg imd diesen Nertraa
irberhaiipt zu verdanken hat, durchzusetzen ftcht! Wo ist
in dem Dertrage Lberhaupt von „Pfändern" die Rede. Jn Artikel 128
heitzt es: „Ats Sicherheit für di« AusfLHrung des vorliegendrn
Vertrages durch Deutschland wekden die deutschen Gebiete westlich
des Nheins einschlietzlich der Brückenköpfe durch die Truppen der
allüerten und affoziierte« Mächte während eines Zeitraums von
15 Iahren besetzt, der mit dem Inkrafttreten des gegenwärtlgen
Vertrages beginnt." Hier ist klar ausgesprochen, was an Sicherheiten
überhaupt zugestanden werden sollte, Es wvr ein ungeheuerliches
Zugeständnis, das sogar in Artzikel -t3v noch erweitert wird dnrch di«
Bestimmung, daß die nach Artikel 429 nach 5 und 5 Jahren eintre»
tende Näumung wieder rückgängia gemacht werden solle, wenn di«
Wiedergutmachungskommission fesfftell«, datz Deuffchland gar nicht
oder nur teilweise die Verpflichtungen erfllllt habe, di« ihm aus
dem Vortrage erwacksen seien, — wie gesagt' es waren ganz nn-
geheuerliche Zugestänoniffe, die das endgültige Schicksal der besetzten
Gebiete ernstlich in Frage stellten, aber mehr an Sicherheit'en,
als in diesen Artikeln steht, enthält der Vertrag von Versäilles nicht,
und alles ander«, was Poincarä sonst noch aus dem Vertrage heraus-
lesen will, ist nichts als Lug und Trug; es ist nicht wahr, datz
Deutschland sich durch Z 18 der Aulage 2 zu Teil VIII verpflichtet
habe, Matzregeln wie die Ruhrbesetzung nicht als feindliche Hand»
lungen auffaffen zu wollen; «s fft in dlesem Püragraphen nur vou
wirtschastlichen Matzregeln die Rede. es ist auch nur oon Matzrezeln
die Rede, di« die allüerten und assoziierten Mächte zusammen be»
schlietzen und durchfführen, was alles auf den Ruhreinbruch nicht
zutrifft, Frankreich und Delgien, sie sind es also, die in „systema-
tischer Auflehnung gegen den Vertrag begriffen sind, aber mit der»
s-elben Logik, mii der ffe die Kruppdirektoren, die eigentlich Ankläger
sein müßtsn, auf die Dank der Angeklagten bringen, werfen ste, die
Friedbrecher, sich jeht zu Richtern auf über Deutschland, das den
Frieden will und nichts als den Frieden!

- Ob es diesen Frieden erlangen wftd, däs hängt jetzt einzig von
der Haltung der übrigen Mächte ab. Datz die Laze dadurch irgend
verändert werden könnte, wenn die deutsche Neichsregi-erimg sich
«twa verleiten laffen sollte, andere Angebote zu macken, glauben wir
niKt, Wir wüsiten nicht. wie diese Angebote ausschen sollten, dcnn
Frankreich wird iedes Angebot fiir zu niedrig erklären, weil im
Grund« -ja anch das «ine Lüge ist, dasi es bezahlt sein wolle.
 
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